Ausgabe 12 12/99

Die FolkWorld
Herausgeber Kolumne

Das online Editorial von den Mollis

Eins vorweg gesagt: Das Millennium ist inzwischen schon zu "out", um in FolkWorld noch groß behandelt zu werden. Außerdem der Hinweis für alle, die noch nicht ihre Millenniums-Party gebucht haben: Spart das Geld lieber für den Januar, um zu einem der vielen Festivals zu gehen - Festivals im Januar? Aber klar doch - mehr in den FolkWorld News!
Nun aber zum eigentlichen Thema:

The Continental Celts und das Erbe der Kontinentaleuropäer

Stirbt die deutsche Folkmusik aus? Diese Befürchtung wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert geäußert, und hat nichts an Aktualität verloren...

Drawing by German artist Annegret Haensel Auslöser für diese Thematik im Editorial ist eine Diskussion über deutsche Musiktraditionen und keltische Musik in Deutschland, die derzeit in der deutschen Folkmail mailing list geführt wird. Dabei geht es um die Legitimation eines Deutschen, keltische Musik zu spielen, und die Gründe, nicht deutsche Musik zu spielen.

Es ergaben sich bei dieser Diskussion verschiedene Fragen. Ist z.B. die deutsche Geschichte und der Mißbrauch deutschen Liedsgutes (und deutscher Tänze)während der Nazi-Zeit ein Grund, heute keine deutsche Folkmusik zu spielen? So traurig es ist, aber es scheint ein wichtiger Grund für viele Musiker zu sein, auch wenn natürlich bei weitem nicht alle traditionellen Lieder nationalistisch-braun belasted sind.
Gleichzeitig gibt es noch heute viele Heimatvereine, die zwar traditionelles Lied- und Tanzgut pflegen, aber mit einem arg braunen Hintergrund.

Ein andere angeführter Grund ist, daß es heute auch kaum gute Vorbilder in der deutschen Folkszene gibt - fast alle bekannteren Musiker machen ausschließlich "ausländische" Folkmusik.

Drawing by German artist Annegret Haensel Als ein weiterer Punkt für das Desinteresse der eigenen traditionellen Lieder wird genannt, daß man erst bei Liedern in der eigenen Sprache den Inhalt richtig wahrnimmt - auf fremdsprachig klingen die Lieder doch oft viel spannender oder romantischer oder so. Das Problem mit den "Propheten im eigenen Land" gibt es nicht nur in Deutschland - so sollen Chris Wood und Andy Cutting einmal bei einem Deutschland-Konzert festgestellt haben, dass es so schön ist, mal außerhalb Englands zu spielen, weil sie dann auch und vor allem englisches Material spielen dürfen - in England will man gar nichts englisches mehr hören, sondern eben vor allem bretonisches etc.

Allgemeiner stellt sich dabei auch die Frage, ob es überhaupt die allumfassende deutsche Folktradition gibt. In einem Land mit solch dezentraler Geschichte wie Deutschland ist es klar, daß regional riesige Unterschiede innerhalb der Musiktraditionen gibt. Vielleicht sollte nicht deutsche Folkmusik das Ziel sein, sondern eben Musik aus Deutschlands Regionen. Und beim Mundart-Folk gibt es auch derzeit erfreulichste Erscheinungen - denn Mundart-folk ist in vielen Regionen Deutschlands bei weitem noch nicht ausgestorben (siehe Nord- und Süddeutschland).

Um noch einmal auf die Deutschen, die keltisches spielen, zurückzukommen - was spricht dagegen, daß die Leute das spielen, was ihnen am Herzen liegt? Besser aus vollem Herzen irische oder schottische Musik spielen, als mit erhobenem Zeigefinger und nur aus Pflichtbewußtsein deutsche Musik spielen!

Die ganze Frage um die Kontinentaleuropäer und ob sie keltische Musik spielen dürfen, schwebt schon seit langem über unseren Köpfen, aber wird durch die höchste Qualität einiger Continental Celts irgendwo ins müßige abgeschoben. Bei dieser hochqualitativen Musik und dem Feeling, daß diese Musiker zur keltischen Musik zeigen, ist ganz klar, dass es definitv eine gute Sache ist, daß sie auch keltische Musik spielen.

Drawing by German artist Annegret Haensel Wenn man nun bedenkt, daß es auch etliche Iren und Schotten gibt, die auf dem Kontinent durch Deutsche oder Dänen(!) zum ersten Male in Kontakt mit "ihren" Traditionen gekommen sind, und nun auf dem Kontinent keltische Musik spielen, wird das Fragezeichen immer größer: Spielen sie jetzt ihre Traditionen, oder gehören sie auch zu jenen Kontinentaleuropäern, die Tradtionen "von irgendwo anders" spielen?

Man merkt schon, diese Diskussion führt zu nichts. FolkWorld findet Continental Celts gut (aber natürlich auch regionale Kulturen), und stellt deswegen regelmäßig die besten vor...

Genug gesagt, Euch allen schöne Feiertage, und viel Spaß auf den vielen Folkfestivals im Januar!

Eure FolkWorld Herausgeber.

Zeichnungen von Annegret Haensel; mehr Infos zur Künstlerin auf ihrer Homepage


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/99

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