"Vor einigen
Tagen musste ich mir mit meinen Eltern die Sendung ,Wenn die Musi spielt' ansehen. Ich
verstehe nicht, wie man mit einer so primitiven Musik Geschäfte machen kann. Jeder
halbwegs realistische Mensch weiß doch, dass niemand so ein perfektes Leben führen kann,
wie in diesen Liedern erzählt wird. Wie kann man Volks- und Blasmusik derart
verschandeln? Vielleicht bin ich in den Augen vieler eine verrückte 16-Jährige, die auf
Techno, Pop, Rock oder Heavy Metal steht. Dennoch ist ein gutes Popkonzert sicher auf
höherem Niveau anzusiedeln als diverse Schlagersendungen." - "In meinem Landhaus
hatte sich eine Marderfamilie eingenistet. Es gelang mir nicht, sie zu vertreiben, auch
nicht mit Pfefferspray und einer modernen Falle. Da befolgte ich den Rat eines erfahrenen
Jägers: Ich stellte auf den Dachboden ein Radio und spielte den Tieren drei Tage lang
,Steiermark neu' vor: Siehe da, die grauenvolle Schlagermusik und das verrückte
Gequatsche des Ansagers halfen!" (Kleine Zeitung)
Der volkstümliche Schlager - "von Herzen ehrlich gemeint sind im Gewerbe meist nur die Aufrufe an das Publikum, die jüngst erschienene CD zügigst zu erwerben" - ist aber auch nicht mehr das, was er mal war: Immer weniger schunkeln vor dem Fernseher mit, trotz - oder wegen? - vermehrter Sendungen. Carolin Reibers "Volkstümliche Hitparade" will sich über die Runden retten, indem nur mehr Musik aus der Dose gesendet wird. Die Stars meiden den TED-Wettbewerb nämlich, weil sie dort live auftreten müssen. Grund zur Hoffnung? Ich möchte keinem unbegründeten Kulturoptimismus das Wort reden: "Die Zuhörer wissen, daß sie getäuscht werden, und wollen auch genau das. 'Kontrollierte Ekstase'...", weiß Michael Weber vom Wiener Institut für Musikwissenschaft. "Eine vorwiegend ältere, nicht sehr urbane Fangemeinde mit diffuser Heile-Welt-Sehnsucht gibt sich ein paar Stunden dem gemeinsamen Eskapismus hin. Nach dem geordneten Auszucken geht es wieder heim zu Schonbezügen und Gartenzwergen."
Vor 50 Jahren, am 10. März 1950, erlebte der legendäre
"Dritte Mann"
seine Wiener Erstaufführung - und fand bei Publikum
wie Kritikern noch wenig Gegenliebe.
Untrennbar mit der späteren Erfolgsgeschichte verbunden ist die
Zithermelodie
von Anton Karas. Koproduzent David Selznick wollte lieber einen "Himmel voller Geigen" und nicht
diesen "Banjo-Spieler", Regisseur Carol Reed konnte sich jedoch durchsetzen und schuf
somit einen Wiener Mythos. "Die
Rückkehr des dritten Mannes" heißt ein Spektakel an den Originalschauplätzen in der
Wiener Kanalisation. Spannender ist aber der Originalfilm, der ganzjährig im Burg-Kino
läuft. Nicht unterschlagen werden soll Orson Welles etwas drastische Kunstauffassung:
"In Italy for thirty years under the Borgias they had warfare, terror, murder,
bloodshed and they produced Michelangelo, Leonardo da Vinci and the Renaissance. In
Switzerland, they had brotherly love, five hundred years of democracy and peace. And what
did that produce? The cuckoo clock!"
Weniger philosophisch, dafür neuerdings mit kurzen Haaren gibt sich
Hans Söllner.
(Unwahr ist, dass er ein Opfer des "Haarabschneiders" geworden ist, der in der
Steiermark sein Unwesen treibt!) Kein Österreicher, sondern "in erster Linie
Mensch, dann bin ich Weißbacher, dann Berchtesgadener und dann Bayer."
Nur seine "Multi-Kulti"-Band besteht aus Österreichern, abgesehen vom
Keyboarder/Akkordeonisten, der ist aus Wien. Bayerns Staatsfeind Nr. 1 zieht wieder mit
neuen Liedern durch die Lande,
vielleicht auf prähistorischen Spuren: "Der Ötzi hatte auch Hanf dabei, wie sie ihn
gefunden haben. Der war wahrscheinlich auf der Flucht von Bayern Richtung Österreich.
Hanfsamen, Hanfbeutel, Hanfschuhe. Ich glaub, der ganze Typ war aus Hanf. Der Ötzi den
Berg rauf, schaut auf Bayern, baut sich eine Tüte - und da ist der Gletscher über Nacht
gekommen. Und da war der Ötzi nicht mehr da. Weil es ist ja allgemein bekannt, dass so
Kiffer recht langsam werden. Und da wird so ein Gletscher praktisch recht schnell."
Links und rechts der Bühne in roter Leuchtschrift: "Bitte nicht rauchen". Allein
das ist das Eintrittsgeld wert. Anders als im Nachbarland gibt es keine Auftrittsverbote,
Städte fühlen sich nicht "bedroht", weder Söllner noch Konzertbesucher werden durchsucht
und verunglimpft. Das Konzert ist auch nicht als Drogenumschlagplatz auszumachen.
Roland Neuwirth & Extremschrammeln: "Guat drauf", "Waß da Teufel - live",
"Essig und Öl", "Moment, der Christbaum brennt!", "I hab an Karl mit mir - live", "Nr. 9
Die Pathologische", "Geschrammelte Werke", "Herzton-Schrammeln" "Austro-Folk": Zurück zum Inhalt der FolkWorld Artikel & Live Reviews All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission.
When a zither starts to play You'll remember
yesterday In its haunting strain Vienna lives
again Free and bright and gay In your mind a sudden
gleam Of a half forgotten dream Seems to glimmer when
you hear The Third Man Theme (T: Walter Lord, M:
Anton Karas)
Oberhalb der Grasnarbe kommt in Wien "die Musi vor dem Wein und lange vor dem tulli
gstellten Madl." Denn: "Der Wiener braucht die Psychoanalyse Freuds am wenigsten
- denn er hat ja den Heurigen". Das "Mekka"
desselbigen - der diesjährige Wein als auch der vielbesungene
Ort, an dem die Wienerinnen und Wiener angeblich
am (wein)seligsten sind - ist nach wie vor
Grinzing, wo schon
Karas das Weinhaus "Der Dritte Mann" betrieben hat
und heutzutage "eigens für Touristen entwickelte,
pseudogemütliche Trinkhallen gutgläubige Fremde schröpfen."
Die Heurigenmusik besteht aus "zwei Fiedln, a Klampfn, a Maurerklavier",
deren Eigenbezeichnung "Schrammeln" kein lautmalerischer Versuch ist, den
musikalischen Output zu beschreiben: 1878 gründeten die Geiger
Johann und
Josef Schrammel
mit Anton Strohmayer (Kontra-Gitarre) und Georg Dänzer (G-Klarinette)
das Schrammel-Quartett und schufen das Genre des
Wienerliedes. Nach dem Tod Dänzers 1893 wurde die Klarinette ("picksüaßes Hölzl") durch eine
chromatische Ziehharmonika ersetzt und so kann man sie auch am Brunnen am Elterleinplatz
bestaunen.
"Um ein Wienalied zu singen, braucht man keine Stimme, sondern eine Seele",
heißt es."Kitschig, schön, ergreifend pathetisch ist es sicher nur am Anfang. Es
kommt der Punkt, wo alle lauthals mitgrölen." Die Schrammelmusik lebt allerdings,
ohne ganz im Touristenschmalz versunken zu sein. "Gute Musik prostituiert sich
nicht", meint Roland Neuwirth. Der "Philosoph des Wienerliedes" zeigt mit
seinen Extremschrammeln immer wieder aufs neue, wieviel Tiefgang unter der
Oberfläche überschwenglicher Rhythmen und Refrains schlummern kann. Der Tradition werden
dabei keine Grenzen gesetzt, Blues und Soul fügen sich harmonisch ein. Aber die
Schrammelmusik wurde ja auch schon in den Tavernen und Bordellen des alten Wien gespielt.
Akkordeonist Walter Soyko dämpft den Ton seiner Quetsche folgerichtig mit einem
Zeitungsblatt. Aber nicht alles tut es, sondern nur Seite 7 der "Krone" - mit dem
Pinup-Girl.
Natürlich hat der "Hansi" auch eine Meinung zur politischen Lage:
"Es hat sie schon immer gegeben,
die, die mit ihrem
rassistischen, menschenverachtenden und völkerrechtsverletzenden Geschwafel die Dummen
beeindruckten, denn es ist das Privileg der Dummen, eben nicht sich selbst für die eigene
Unfähigkeit verantwortlich zu machen, sondern jene, die es verstehen zu leben und mit
weniger zufrieden sind, als der Dumme braucht, um wenigstens vor sich selbst gut
dazustehen. Es hat auch jene schon immer gegeben, die mit ihren Fingern auf die anderen
zeigten, um von ihrem eigenen rassistischen, menschenverachtenden und
völkerrechtsverletzenden Geschwafel abzulenken, in Sicherheit zu wiegen in der Hoffnung,
dass wir vergessen, was gesagt und getan wurde [...] Sonst muss ich auch an Frankreich
(Atombombentests), Israel (Palästina), Deutschland (Kosovo), USA (Indianer) und ganz besonders an
Bayern und Dr. Günther
Beckstein denken. Ich bin davon überzeugt, dass die Österreicher diese Sache in den Griff
bekommen, so wie wir den Schönhuber in den Griff bekommen haben und den Dr. Günther
Beckstein in den Griff bekommen sollten."
Da draußten hab'n s' die G'wohnheit, Wann s' grad unt'reinander san, Daß meistens über d'Achseln nur Von Öst'reich reden tan. Wir zwei san Patrioten, Derfen so was gar net hörn, Weil sonst glei s' Bluat in Wallung kommt, Fix Laudon, Mond und Stern. Wir sag'n sofort zu sö, Ja habts ös a Idee? Wer no in Wien net war und Linz net kennt, Wer net in Graz drin schon spaziern is grennt, Wer Salzburg net hat g'sehn, das Paradies, Hat kein' Begriff davon, was Öst'reich
is'. (Wilhelm Wiesberg/Johann Schrammel) Diskographie:
Hans Söllner:
"Endlich eine Arbeit", "Hey Staat", "Der Charlie", "Bayerman Vibration - Live", "Grea,
Göib, Roud", "Für Marianne & Ludwig", "A Jeda", "24.12.55"
V/A: "Die besten
Schrammeln Instrumental", "Zoten & Pikanterien - Rare Schellacks 1906-32", "Wien:
Volksmusik: Rare Schellacks 1906-1937"
Teil 1: Der Himmel voller
Geigen
Teil 2: Asien beginnt
an der Landstraße
Teil 3: Die
Kelten, die zu Hause geblieben sind
Teil 4: All That Strauss
Zum Inhalt des FolkWorld online musikmagazins Nr. 14
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