Ausgabe 18 04/2001

FolkWorld CD-Besprechungen

Dog

Hannes Wader, Konstantin Wecker "Was für eine Nacht"
Label:
Pläne; 88858; 2001; Spielzeit: 74.07 min
Im letzten Jahr gaben Hannes Wader und Konstantin Wecker einige gemeinsame Konzerte. Für alle, die dieses Zusammentreffen versäumt haben oder noch einmal erleben möchten gibt es jetzt die CD zur Tournee, die nicht umsonst den Titel 'Was für eine Nacht' trägt. Denn mögen sie noch so unterschiedlich sein - der ruhige Hannes Wader mit seinen schlichten Gitarrenpickings und der impulsive Konstantin Wecker mit seinem kräftigen Klavieranschlag -, sie haben doch eines gemeinsam: beide sind Meister ihrer Zunft.
Egal ob sie sich mit 'Gut wieder hier zu sein' sentimental geben, ein 'Liebeslied im alten Stil' anstimmen, über 'Ankes Bioladen' lästern, ihrem Publikum einen 'Fachmann' fürs Grobe empfehlen oder mit 'Sage Nein' zum Widerstand gegen rechte Ideologien aufrufen, egal ob sie ihre eigenen Lieder, die des anderen ('verweckerte Waderstücke') oder gemeinsam spielen - alle 18 Stücke der Scheibe sind so gekonnt und souverän vorgetragen, daß man viel Freude beim zuhören hat.
Schliesslich beweisen die beiden noch eine gehörige Portion Selbstironie - wie sonst soll man die Aufnahme von 'Kokain' in das Programm verstehen?
Pläne http://www.plaene-records.de, Postfach 104151, 44041 Dortmund, info@plaene-records.de
Thomas Kamphans


Kimmo Pohjonen "Kielo"
Label:
Rockadillo Records; ZENCO 2060; 1999; Spielzeit: 45.14 min
Ich muss zugegeben: Akkordeon Solo weckt bei mir doch einige Vorurteile. Doch ich bin auf einem Festival, das Parallelkonzert hat noch nicht angefangen, also schaue ich mal rein. Und bin angenehm überrascht, denn was Kimmo Pohjonen bietet, hat nichts mit meinem mittlerweile abgelegten Quetschkommoden-Klischee zu tun.
Seine durchweg innovativen Kompositionen vermischen Einfüsse aus Folk, Klassik und Jazz zu einem schwierig zu beschreibenden, aber faszinierendem Sound, der etwas düster, stellenweise psychedelisch angehaucht wirkt - der Eindruck 'Ummagumma auf Akkordeon' drängt sich ein wenig auf.
Dabei versteht der Finne es ausgezeichnet, die gesamte Bandbreite elektronischer Effekte auszunutzen, um den Klang von Akkordeon und Stimme zu einem Höhrerlebnis in Quadrophonie anzureichern. Zum Einsatz kommt hier auch ein 'Digital Delay', der eine einmal gespeicherte Sequenz ständig wiederholt und Kimmo so ermöglicht, zu einer Begleitung aus Akkordeontönen, Gesang, Klopf- und Schnalzlauten zu spielen, so da"s man stellenweise kaum glauben mag, daß es wirklich nur eine einzige Person ist, die den gesamten Sound erzeugt. Die Performace - natürlich unterstützt von einer passenden Lichtshow - wird dann auch zunehmend dramatischer und gipfelt schliesslich in einem aus Inferno aus Geräuschen des Digital Delay und Lichtblitzen, zu denen Kimmo Pohjonen roboterartig über die Bühne stakst um schliesslich hinter seinem Akkordeon zusammenzusinken.
Und wenn man auch beim Hören seines ersten und bereits preisgekrönten Soloalbums auf Lichtshow und Performance verzichten muß, so kommt man doch in den Genu"s von 11 aussergewöhnlichen und - meiner Meinung nach - genialen Stücken: reinhören lohnt sich!
Rockadillo Records www.rockadillo.fi Ilmarinkatu 12 a 2, 33500 Tampere, Finland, Tel. +358 3 213 1260, Fax. +358 2 213 1297
Thomas Kamphans


Cornemuse Consort Coelln "Zeitgleich"
Label: akku disk Music Contact; ADCD 3033; 2001; Playing time: 61.12 min
Cornemuse Consort Coelln bezeichnet ein dreizehnköpfiges (!) Dudelsackorchester, das sich 1997 unter Leitung der Musiklehrerin Lissa Nierhoff zusammengefunden hat. Bei dieser Vorstellung sträuben sich sicher bei einigen die Nackenhaare, aber erstaunlicherweise funktioniert es tatsächlich, diese vielen Sackpfeifen stimmig gemeinsam ertönen zu lassen. Allerdings liefert die CD nicht etwa eine Stunde Musik für 13 Dudelsäcke, was schnell langweilen würde, sondern variiert die Arrangements: so wechseln große und kleine Besetzungen mit Duo- und Triostücken, und dabei setzen auch mal eine Drehleier, eine Pommer oder ein Baß zusätzliche Akzente.
Auch das Repertoire ist äußerst vielseitig gehalten, von uralten (13.Jh.) bis zu ganz modernen Kompositionen (u.a. Tom & Rafael Daun, Paul Colinet), von englischen und italienischen Tänzen über irische und schottische Traditionals bis hin zur deutschen Klassik (J.S. Bach) und der als "Pippi Langstrumpf"- Titelmelodie bekannten schwedischen Polka. Zwar bekommt die Dudelsack- Orchestrierung nicht allen hier vertretenen Melodien gleichermaßen gut, aber insgesamt kann die CD durchaus überzeugen. Auf jeden Fall ist sie etwas besonderes - eine wirklich ungewöhnliche deutsche Produktion!
Email-Kontakt zu Lissa Nierhoff
Anja Beinroth


Wild Silk "Wild Silk in Concert"
Label: Water Violet Records / Indigo Vertrieb; 4 015698 971323; 2001; Spielzeit: 75.35 min
Mit ihrer vierten CD erfreut die deutsch-keltische Formation Wild Silk ihre zahlreichen treuen Konzertbesucher durch einen Live-Mitschnitt. Die Aufnahmen stammen vom April 2000, also kurz vor dem Weggang der "alten" Sängerin Simone Freimüller. Ihre Nachfolgerin, Schona Mihalys aus der Schweiz, ist auf dem "bonus- track" Giordi auch schon zu hören (allerdings nicht auf meinem CD-Spieler, der bei diesem Lied beharrlich stecken bleibt).
Das Repertoire besteht überwiegend aus irischen Songs und Tunes, arrangiert für Flöte, Gitarre/Saz, Mandoline/Geige/Bouzouki und Perkussion, also rein akustisch. Als Gastmusiker singt Fletcher Du Bois ein Spontanlied sowie das altbekannte "The Boxer". Auch Gitarrist Berk Demiray singt, so zum Beispiel eins der m.E. schönsten Stücke, Fünf Söhne.
Eine runde Sache, hübsch verpackt (in einer liebevoll gestalteten Kartonhülle) und sehr nett anzuhören, nur der - unvermeidliche?- deutsche Akzent beim englischsprachigen Gesang stört ein bißchen.
Wild Silk Homepage,
Anja Beinroth


Keltik Elektrik "Keltik Elektrik 2: Just when you thought it was safe to sit down ..."
Label: Greentrax; G2CD 7006; 2000; Spielzeit: 46.20 min
Im CD-Player befindet sich das zweite Keltik Elektrik Album "Just when you thought it was safe to sit down ...". Der tanzende Schottenrockträger auf dem Cover, der Titel und der kurze Text auf der Rückseite sowie nicht zuletzt die Pressenotiz machen es überdeutlich: Diese Musik ist nicht nur zum Tanzen da, sie soll sogar "unsitdownable" sein.
Tanzbar ist die Musik in der Tat, aber man kann es sich mit dieser Musik auch gemütlich machen und seinen Spaß haben, indem man einfach nur zuhört - vielleicht liegt das ja daran, daß wir mittlerweile auch im Folk- und Weltmusikbereich absolut keinen Mangel an "pumpenden Grooves" und ähnlichem haben. Für das zweite Keltik Elektrik Album hat Multi-Instrumentalist Jack Evans einige der besten Musiker Schottlands angeheuert. Für mich paßt das Spiel der jungen Fiddlerin Kathryn Nicolls am besten zu Evans' Dance-Grooves , desweiteren sind absolute Cracks zu hören, nämlich Mike Katz (Small pipes), Simon Thoumire (Concertina) und Tony McManus (Akustische Gitarre). Gerade das filigrane Spiel des letzteren fügt sich allerdings für meine Ohren nicht immer ideal in den Gesamtsound ein (aber hört euch mal eins seiner Soloalben an!). Auch wenn die Musiker erstklassig sind, gefielen mir doch die im Alleingang zusammengetüftelten "The fair maid of Takla Makan" und "Caledflch" (wo Jack unter anderem "crwth" spielt, haha!) besonders gut - und das Ensemblestück "The oyster wives' rant (Cheesy remix)" mit Hammondorgeleinsatz.
Noch ein Satz zum Thema Abtanzen bei schottischer Musik: Keltik Elektrik ist hier kein Ersatz sondern eher eine Ergänzung zu Shooglenifty - aber mit seinen Grooves, Samples und Loops eben auch deutlich anders und damit auch eine - wenn auch nicht ganz so wilde - Bereicherung.
Jack Evans Homepage
Ansgar Hillner


Eileen Q "Tape 52"
Label: Eigenverlag; 2000; Spielzeit: 55.34 min
Eileen Q aus Frankfurt/Offenbach sind manchmal vergleichbar mit Paddy Goes To Holyhead, nur erdiger, nicht ganz so poppig. Ihr Folkrock ist weniger Folk, mehr klassische Rockmusik. "Rockfolk" nennen sie es (eher verwirrend) denn auch selbst. Das Zweitwerk "Tape 52" bietet eine eingängige, tanzbare Melange, geprägt von Fiddle und Stromgitarre. Eigenes Material plus einige Instrumentalstücke - die sich alle "Jig" nennen, auch wenn's keine sind -, darunter die 1001. (allerdings gelungene) Version von "Pipi Langstrumpf". Die Traditionals "You Might Easy Know a Doffer" und "O'Dooley's First Five O'Clock Tea" wurden mit neuer Musik versehen. Mein Anspieltip, die rockige Ballade "How Far Can a River Run".
Eileen Q, EileenQ@gmx.de; Q-Promotion, Norbert Völker, Pfortengasse 11, 63500 Seligenstadt, Tel. 06182 290735
Walkin' T:-)M


Galahad "Myrddin"
Label: Eigenverlag; 2000; Spielzeit: 58.55 min
Galahad - benannt nach dem Ritter der Tafelrunde am Hofe König Arthurs - präsentiert bereits ihr drittes Album. Pate steht diesmal der legendäre keltisch-britische Druide Myrddin besser bekannt als Merlin. Das von Ex-Grobschnitt-Schlagzeuger Eroc produzierte Werk bietet rockige Eigenkompositionen plus einen Schuss keltische Mystik, von konzertant bis tanzbar. Paul Josts Querflöte und Dieter Horlitz' E-Gitarre erinnern an Jethro Tull (zu der sie auch schon mal Vorband gespielt haben). Ulrike Koberg liefert ausdrucksstarke Gesangsleistungen, Josts Stimme erinnert an Mark Knopfler. "Heal Me" ist ein potentieller Pophit. Claymore-Bagpiper Tim Lethen gastiert im zehnminütigen "Two Witches". Galahad sind sicherlich eine der eigenständigsten keltophilen Bands aus deutschen Landen verglichen mit den vielen "Pogues von überall". Hieß es nicht auch, Sir Galahad sei es als einzigem Ritter der Tafelrunde gelungen, den Heiligen Gral zu finden?
Galahad, info@galahad.de; P. A. Jost, Försterstr. 35, D-46539 Dinslaken, Tel. 02064-80952
Walkin' T:-)M


Die Schnitter "Saat und Ernte"
Label: Costbar; CLCD-6313 EFA-15789-2; 2000; Spielzeit: 49.43 min
Mit dem dritten Werk der Kasseler Schnitter ist wieder eine neue Saat aufgegangen - wenn auch mittlerweile (Stand: Anfang 2001) von der Originalbesetzung nur noch Sänger und Gitarrist Ralf Kemper übriggeblieben ist. Widerstand tanzbar machen, soll der deutschsprachige Folk-Punk. Mit Betonung auf Punk! Stromgitarre und Geige treffen aufeinander, laut, schräg und kompromißlos. Textlich werden kritische Tone angeschlagen. Es überwiegen Eigenkompositionen, in denen die deutsche Gesellschaft ihr Fett abkriegt. Traditionelles wird auf Schnitter-Art (wieder)aufbereitet: "Folgt nicht der Trommel Ton", "Dunkle Wolke", "Es lebe hoch die Polizei" und die "Moorsoldaten". Oftmals vielleicht ein wenig zuviel Pathos, aber eine einzigartige Erscheinung in der deutschen Musiklandschaft. -- Wem nach dieser geballten Ladung Agitprop das Warten auf das nächste Konzert oder das nächste Album (das ausschliesslich traditionelles Material enthalten soll) zu lang werden sollte, dann gibt es noch einen aktuellen Horrorfilm mit Schnitter-Musik und den Schnittern höchstpersönlich.
Costbar/Autogram Records, costbar@autogramrecords.de; Burgstr. 9, 48391 Nottuln, Tel. 02502-6151, Fax-1825
Walkin' T:-)M


deishovida "gaisfeld"
Label: Extraplatte; EX 504-2; 2000; Spielzeit: 62.13 min
Ach, die schon wieder! deishovida zu beschreiben, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Man muss es einfach hören. Verwirrt kratzen sich die Rezensenten am Kopf: "Klezmer-Klänge, funkiger Baß, Zigeuner-Weisen, ein virtuos in Szene gesetztes Akkordeon, französische Folklore, swingende Geige, Balkanmusik, eine ausrastende Drehleier, Reggae, Kosakenchöre, Franz Schubert und The Pogues bei einer Jamsession oder ist es Jacques Brel im musikalischen Clinch mit Jimi Hendrix?" "Vom Folkduo zum abenteuerlichen Ethno-Punk-Kraftpaket." Damit ist mal wieder alles und nichts gesagt. Matthias Loibner ist das "Enfant terrible" der Drehleierszene. Er gilt als der erste Drehleierspieler, der einen Verzerrer eingesetzt hat, was ihm den Beinamen "Jimi Hendrix der Drehleier" eingebracht hat. Dazu kommen am Akkordeon Lothar Lässer, an der Fiedel Kurt Bauer, unterstützt vom funkigen Bass von Sasenko Prolic und die höchst eigenwillige Perkussion von Tunji Beier. Auf dem Boden allerlei Traditionen geht es im Volldampf quer durch Europa, von Ost nach West, quer durch alle Jahrhunderte, von Mittelalter bis Moderne. "Traditionelle Elemente sind für uns nicht so sehr an Regionen gebunden, vielmehr geht es um die eigenständige Kommunikation, die zwischen den Musikern verschiedener Volksgruppen so selbstverständlich funktioniert, eben auf der musikalischen Ebene, das ersetzt jede Sprache", sagt Matthias. deishovidas experimentelle und eigenwillige Klänge, ausschließlich Eigenkompositionen sowie eine von Ross Daly, sind nichts für Tradheads. Das ist postmoderne Folk- und Weltmusik, "Austro-Folk" wie sie vielleicht nur aus dem steirischen Graz kommen kann - wo die Alpen gerade hinter, der Balkan unmittelbar vor einem liegt. Das mag so einiges erklären.
Extraplatte, info@extraplatte.at; Postfach 2, A-2094 Wien; Tel +43 (1) 3101084, Fax +43 (1) 3100324
Walkin' T:-)M


Claymore "Live on Deck"
Label: Eigenvertrieb; 1995; Spielzeit: 72.14 min
Claymore "Giants Forever"
Label: Eigenvertrieb; 1997; Spielzeit: 65.54 min
Rock der 70er/80er Jahre, bisweilen Grobschnitt goes Runrig, ein bißchen Marillion. Die 6-köpfigen Claymore aus dem Düsseldorfer Raum sind eine klassische Rockbesetzung plus Kilt und Bagpipes. Heroische Schlachtgesänge und Rockballaden erzählen Geschichten aus den schottischen Highlands nach. Der Schwerpunkt liegt auf eigenem Material, daneben gibt es immer wieder Traditionelles wie die "Haughs o' Cromdale", "Bonnie George Campbell" und natürlich der unumgängliche Klassiker "Loch Lomond/Auld Lang Syne". W.B. Yeats "Sally Gardens" findet sich ebenso wie eine Vertonung von Edgar Allan Poes "Row the Boat Row". Claymore habe Ähnlichkeit mit einem Dudelsack: "Einerseits die Fähigkeit zu großer Emotionalität, andererseits die entscheidende Portion Dreistigkeit, die die Leute dazu bringt, auf den Tischen zu tanzen und zu feiern." Auf sieben Alben hat es der "schottische Bihänder" mittlerweile gebracht. Das letzte liegt nun gut vier Jahre zurück, da 1999 Gründer und Schlagzeuger Robert Butts verstorben ist. Nichtsdestotrotz gibt es Claymore immer noch und - wie gewöhnlich gut unterrichtete Kreise raunen - ist auch eine neue Live-CD in Planung.
Claymore, claymore@t-online.de; Michael Göttling, Burgstr. 39, 42551 Velbert, Tel/Fax 02051 84621
Walkin' T:-)M


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 4/2001

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