FolkWorld Live Review 4/2001:

Pondardawa-Folkfest in Wales

Ein Festival Rückblick in das Jahr 1999


Von Karsten Rube

Pondardawa-Folkfest 1999, photo from festival homepage South Wales an einem Sonntag im August. Es regnet und in meinem Wales-Führer steht das Wort Pontardawe-Folkfest angemarkert. Der kleine unscheinbare Ort, eingeklemmt zwischen grünen Hügeln (oder sind das hier bereits Berge), wenige Kilometer von Swansea entfernt, liegt in sonntäglicher Verschnarchtheit in den Federn. Lediglich im eingezäunten Bereich am Stadtrand, dort wo das Tanz- und Folkfestival Pontardawe einmal im Jahr für drei Tage angesiedelt wird, purzeln bereits Leute übereinander.

Ich werde von einem schwer uniformierten Schülerlotsen auf einen mit hohen Gittern versehenen Parkplatz gelenkt und frage mich danach zum Eingang, der ebenfalls ziemlich gut bewacht wird. Eine große Wiese und eine großes Sportcenter sind die Herberge für das alljährliche Event, vor dem die friedliche Bevölkerung von Pontardawe offensichtlich mit schwerer Bewachung geschützt werden muss. Hauptaugenmerk des Folkfestes liegt auf dem Tanz und natürlich auf Craft-Market. Regenfest verdeckte Stände mit Noten, Musikinstrumenten, gebrauchten und neuen CD's, Dingen, die man sich ins Haar flechten kann, so man welches hat. Regenschirme natürlich.

Hinter dem Bereich, in denen sich die Verkaufsstände breit machen dürfen befinden sich vier Zelte. Ich schlüpfe in eines und stehe prompt an einer Bar. Bier verlange ich. Egal welches. Bisher hatte ich in Wales noch keines aufspüren können, das ich wegkippen musste. An einem Tisch sitzt ein Mann, unwesentlich älter als ich und lächelt still vor sich hin. Woher ich komme, will er wissen und freut sich noch ein bisschen mehr, als er ein breites "Guten Tag" von sich gibt. Er prostet mir zu und erzählt, das er hinter einem der Hügel dort, im Nachbartal wohne. Dann freut er sich noch ein bisschen weiter und weist auf die Musik, die im vorderen Teil des Zeltes beginnt. Eine Band aus der Gegend spielt. Der Name ist durchzogen von einer Menge Y's, W's und Doppel-L's. Ich kann ihn nicht aussprechen und beim Aufschreiben wird mir schwindelig. Gut sind sie trotzdem. Sie fiddeln und klampfen, klopfen auf die Bodhram und whisteln in die Whistle, kurz sie machen ordentlich Dampf. Füße patschen auf den feuchten Boden, nicht bereit stillzuhalten. Zum Tanzen ist es zu eng. Der Regen trommelt im Rhythmus aufs Dach, bemüht mitzuhalten. Das Konzert ist zu Ende. Viel zu schnell, finde ich.

Pondardawa-Folkfest 1999, photo from festival homepage Ich husche hinaus. Etwas Hunger habe ich. Ich gleiche das Gefühl mit meiner Uhr ab. Mittagszeit. Imbissbuden locken mit fettigen Fingern, die als Dampfschwaden über den Dächern wabern. Fish&Chips, Burger, Sandwich, Steak im Brötchen, kurz die ganze Bandbreite der kulinarischen Kauzigkeiten des Königreiches. Ich esse noch ein Bier und verschwinde im nächsten Zelt. Tanz. Eine Gruppe bunter Bretonen aus Quimper führt verschiedene traditionelle Tänze auf. Hochzeitstänze, Feiertagstänze, lauter fröhliche Sachen zu typischer bretonischer Musik. Krummhorn, Dudelsack, Trommel.

Irgendwo ist ein Balztanz versteckt. Ich erkenne ihn, als eine Tänzerin ihren Partner rhythmisch ohrfeigt. Nach den Bretonen tanzt eine buntgemischte Truppe aus Bauern, Hausfrauen und leitenden Angestellten aus dem irischen Cork ein paar Reels und Steptänze. Die aus dem Alltag mitgeschleppten Pfunde hüpfen, Brillen rutschen auf roten verschwitzen Gesichtern herum, die Schritte sind nicht immer synchron, die Tänze aber ausgelassen. Das nenne ich authentisch. Keine gestylten Profitanzpüppchen mit Orchester und breitgrinsendem, freibrüstigen Vortänzer in Lederdress. Kein Riverdance, keine Revolution des Showtanzes, keine verlogene Vorführung angeblichen kulturellen Erbes. Nein, einfach nur fröhliche Leute, die tanzen und dabei ordentlich schwitzen. Sie erhalten die volle Anerkennung der anwesenden ZuschauerInnen in tosendem Applaus ausgezahlt.

Pondardawa-Folkfest 1999, photo from festival homepage Ich wechsle in die Turnhalle. Eine große Formation aus Galizien namens Do lusco ó fusco bestehend aus acht Gaitaspielern (die Gaita ist die galizische Variante des Dudelsackes) sowie sechs Trommlern, versammeln sich hinter einer ansehnlichen Schar Tänzerinnen und Tänzern. Alle lauern auf Workshopopfer. Die Turnhalle ist nicht übermäßig üppig besucht. Zwei Schotten im Kilt, eine französische Familie, ein paar Waliser und vier Deutsche. Sitzen und zugucken iss nich. Ich ziehe mir soviel aus, wie gerade noch anständig. Minuten später merke ich, das ich noch immer zu viel anhabe. Und das was ich anhabe ist nassgeschwitzt. Nach festen Schrittregeln werden uns Muņeira um Muņeira beigebracht. Meine Vortänzerin und Tanzpartnerin erklärt mir ein paar komplizierte Schritte bei denen meine Füße die Waden von hinten berühren und manchmal beide Füße gleichzeitig angehoben werden müssen, dann ein paar Schritte vorwärts und um das Mädchen herum. Ein paar Mal stoßen wir zusammen, weil ich die Richtung vergessen habe. Anderen geht es ähnlich, was ich aus der Mischung aus Prusten, Schnauben und Giggeln herauslese. Ich erkläre meiner Tanzpartnerin, das ich völlig fertig und naßgeschwitzt bin - sie grinst abfällig. Nach den Tänzen unterhalte ich mich mit der Chefin der Truppe über Galizien, über ihre Musik, über die Tänze. Die junge Frau, mit der ich eben noch tanzte, kommt auf einen Wink ihrer Chefin angelächelt und hebt ihren Rock. Darunter befindet sich noch einer, den hebt sie auch und den darunter auch. Und darunter befinden sich ein paar Hosen. Sie kichert und ich schwitze gleich noch ein bisschen mehr.

Einer der Gaitaspieler und Tänzer erklärt mir, das man Galizien nicht zu sehr in die keltische Kultur einspinnen sollte. Sicher gäbe es viele Verbindungen, aber vieles was in den letzten Jahren mit Galizien und dem Keltentum zusammengerührt wurde, ist nur ein Versuch eine halbwegs begreifbare Identität in dieses Volk zu weben. Galizien sei mehr, versichert er. Ein Konglomerat aus vielen europäischen Strömungen. Zunächst Spanisch aber auch Lusophon - die Sprache ist dem Portugiesischen näher, als dem Spanischen. Maurische Einflüsse sind auch nicht zu übersehen. Tja und dann natürlich auch etwas Keltentum. Von allem etwas. Die Chefin zieht ihm am Ärmel zur Tür hinaus. Sie haben noch einen Auftritt im Tanzzelt, den auch ich mir nicht entgehen lassen will. Dabei kann ich dann in aller Ruhe Stillsitzen und Zuschauen. Wie alle Musiker und Tänzer werden sie vom Publikum jubelnd gefeiert. Und ich dachte, die wären zurückhaltend, diese Briten. Mit einer frisch erstandenen Bodhran unterm Arm, mit dem man ordentlich Krach machen kann, verlasse ich das Tanz- und Folkfest - Gelände. Die uniformierten Aufpass-Kinder haben sich bereits vom bewachten Parkplatz verzogen. Langsam kehrt wieder Ruhe ein im friedlichen Pontardawe.

Das Festival findet auch wieder in diesem Jahr statt, die Daten sind 17.-19.August 2001. Weitere Infos auf der Festival Homepage

Die drei Fotos stammen von dem in diesem Artikel beschriebenen Festival im Jahre 1999. Sie wurden auf der Festival homepage veröffentlicht.


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 4/2001

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