T:-)M's Nachtwache

Krieg und Frieden - Walkin' T:-)M (ent)rüstet sich

Carl
Spitzweg ,Der arme Poet', www.spitzweg.de "Consider the term Celtic music, what does it mean? Has it any basis in musicological fact or sociological theory? There are two distinct linguistic groups within the Celtic world and there has been enough separation and diffusion of the Celts over time for both distinct and complex local traditions to develop. Lumping the traditional music of Ireland, Scotland, Britanny, Wales and Celto-Iberia under one catch-all label is at best misleading at worst insulting and exploitative." (Séan Laffey)

Richard Schuberth sieht das ähnlich:

"Der Bezug zu keltischer Musik muss vorrangig als ein linguistischer gedacht werden. Keltische Musik definiert sich demnach als Musik, die im Einfluss solcher Volkskulturen steht, deren Träger eine keltische Sprache sprechen oder irgendwann einmal sprachen. Die Fotos von umnebelten Dolmen und anderen Versatzstücken keltischer Spiritualität auf den Covers von Irish-Folk-Platten nehmen mit der geographischen Distanz zu den Kerngebieten dieser Musik zu."
Genauso möchte er den Begriff "Folk" am liebsten auf den Mond schießen: Wir reden hier nicht von Folk, sondern von einem seiner vielen Rohstoffe, der so genannten traditionellen Musik, deren "Reine" nur als relationaler Wert im Vergleich zur Weiterentwicklung durch Folk- oder Worldmusiker hypothetisch angenommen wird. CrossRoots, das "Lexikon der irischen, schottischen, englischen, walisischen und bretonischen Folk-, Traditional- und Roots-Musik", enthält ein A-Z-Lexikon aller für relevant gehaltenen Interpreten, Instrumente, Lied-, Tanz- und Melodiearten, regionale Stile und spezielle Genre. Zwangsläufig enthält ein Opus dieser Größenordnung eine Reihe von Fehlern; die bei Rezensionen oft übliche, hämische Aufzählung erspare ich mir jedoch. Viel wichtiger erscheint mir, dass Schuberth eine Reihe von Mythen widerlegt, die sich penetrant durch die Dekaden ziehen. Ein Beispiel nur: So findet man unter dem Eintrag "Clan McPeake" (besser wäre wohl "McPeake Family" gewesen; unter dem "Clan"-Label zog um 1990 die damals junge McPeake-Generation durch die Lande; ei, jetzt fange ich doch an rumzukritteln):
"1995 trugen die McPeakes bei einer urheberrechtlichen Kontroverse mit Rod Stewart den Sieg davon, nachdem dieser das populäre Lied ,Wild Mountain Thyme' unter dem Namen ,Purple Heather' als das seine ausgab, in dem Glauben, es handele sich um ein traditionelles schottisches Lied, und in dem Wissen, dass es auf ein solches kein Copyright gibt. Das Lied war jedoch 1948 von Francis McPeake komponiert worden; beim Text stützte er sich auf den (auch von R. Burns bearbeiteten) Traditional ,The Braes of Balquidder' [ein Gedicht Robert Tannahills]. ,Wild Mountain Thyme' wurde zuerst von den Corries und den Byrds gecovert, danach von hunderten anderen Musikern, so dass seine Urheberschaft langsam in Vergessenheit geriet."
Der Preis des Werkes ist stolz, das soll nicht verschwiegen werden, und so werden wohl viele Folkies auch ihr weiteres Leben im Zustand der Ignoranz verbringen werden. Man kann es aber auch so sehen: ca. 15 Cent pro Eintrag ist ein reeller Preis. (Dass ich selbst keinen Eingang gefunden habe, darüber sehe ich großzügig hinweg.)

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Warum rasen und toben die Volker im Zorne? Warum halten sie stolzen Rat? Und warum planen sie wahnwitziges Tun?, fragt Händels "Messias" ratlos. Krieg und Geilheit, die bleiben immer in Mode, entgegnet Shakespeare. Und Friedrich Boetticher bemerkt 1964: Ein gut geführter Krieg ist wie eine große Symphonie. Nun, die Leutchen, die von Stahlgewittern schwärmen, haben sicherlich nur Verachtung für "Stubenhocker" und "Grübler" (und im Bett verbringende Buchrezensenten) wie unsereinen übrig. Dennoch sei erlaubt, dass sich auch Ignoranten zum Thema auslassen. Susann Witt-Stahl widmet sich in But his soul goes marching on dem marschierenden Quader und dem farbenfrohen Ornament des Revuefilms.

Bereits altägyptische Wandmalereien zeigen vorbeidefilierende Soldaten, angeführt von Trommlern und Trompeten. Musik dient als Signal- und "Marschier"musik, soll die Kämpfenden anfeuern und beim Gegner Schrecken und Verwirrung hervorrufen. (Im 15. Jhd. soll der Hussitengeneral Jan Ciska angeordnet haben, dass man, sollte er im Kampf fallen, eine Trommel mit seiner Haut bespannen solle, damit er auch nach seinem Tode die Feinde erschrecken könne.) Gesänge sollen Todesangst und Ohnmacht neutralisieren und versprechen Unsterblichkeit: John Brown's Body lies mould'ring in the grave, but his soul goes marching on (auch nach dem 11. September gerne gesungen).

"Während der Schlacht von Waterloo ertönte aus den Karrees mit dem lauten Krach der Geschütze ständig Musik von Trommeln und Dudelsäcken, um die Soldaten anzutreiben: Die 71er-Bläser spielten immer wieder ,Hey, Johnnie Cope', und Bläser McCay von den 79ern trat unter französischem Feuer aus dem Karree heraus und spielte ,Cogadh na sith'. (Aufgrund hoher Verluste beschloss die militärische Führung während des Ersten Weltkriegs, die Dudelsackpfeifer von der Front zu entfernen. Zudem war es den Offizieren erschwert, die Disziplin der Mannschaft aufrechtzuerhalten. Viele Soldaten verloren durch die berauschende Musik der Dudelsäcke die Selbstkontrolle und rannten in das Feuer der eigenen Truppen.)"
Die Kreuzfahrer bringen Kesselpauke, Tambourin, Triangel, Kastagnette, die Kombination von Trompete und Schalmei sowie militärische Kultgegenstände wie der Schellenbaum nach Europa. 1557 findet das Wort "marche" seine erste Verwendung im Zusammenhang mit Musik. Der polnische König Johann III. (Sobieski) nimmt türkische Janitscharenkapellen in sein Heer auf und das umfangreiche Schlagwerk etabliert sich in den europäischen Militärkapellen. Die Regimenter führen gar einen oder mehrere echte Türken, Mohren, dunkelhäutige Zigeuner in ihren Reihen. Der exotische, martialische Klang findet als "alla turca" Einzug in die Kunstmusik. Der preussische König Friedrich Wilhelm III. übernimmt den russischen "Zapfenstreich" und erweitert ihn zu einem quasi-religiösen Ritual. Im 19. Jhd. bildet sich der
"typisch heroisch-pathetische, bombastische Klang: Dadurch war die Grundlage geschaffen, Militärmusik als Darbietungsmusik mit durchschlagender Wirkung für kommerzielle und ideologische Zwecke zur Inszenierung von Massenszenen vaterländisch-nationalistischen Gehaltes einzusetzen; es brach die Zeit der Konzertblasmusik an."
Die Weimarer Republik benötigt eine Pause: Wer unter dem rohen Umgang des Krieges mit Körper und Geist gelitten hatte, war bedürftig nach Kompensation. Den Marschtrott hatte man satt, jetzt half nur noch der Foxtrott. Die Nazis propagieren Militärmusik als "arteigenes" Element "deutscher Volksseele": Die Sympathie des deutschen Volkes für seine Militärmusik will aus seinem Wesen heraus verstanden sein, sie beruht auf spezifisch deutschem Artempfinden. (1937) Wehrplaner Graf Baudissin meint, dass Militärmusik nicht dem Charakter einer demokratischen Armee von "Bürgern in Uniform" (Bürgerliche Musik in Uniform?) entspräche.
"Wir wollen künftig nicht mehr mit Tschingterassa-bum durch die Straßen marschieren, dass uns alles nachäuft wie dem Rattenfänger von Hameln. Wir wollen keine unnatürliche, übersprühende Begeisterung entfachen. Ausserdem wäre es wohl etwas taktlos, etwa hinter einer Atomkanone eine motorisierte Kapelle fahren zu lassen, die lustige Weisen spielt."
Vergebens. Weder Bundeswehr noch NVA wollen auf Traditionspflege, Soldatenlieder und Marschmusik verzichten.

Mit dem Aufkommen der Unterhaltungsindustrie hat die Militärmusik ihre Vormachtsstellung verloren. Sie schafft den Schlager, durch Markt- und Machtinteressen verordnete Musik:

"Der Schlager wurzelte zwar im Liedgut des Volkes, den Gassenhauern, den Arbeits-, Trink- und Bänkelliedern und in Unterhaltungsgenres wie Singspiel, Posse und Operette, entfernte sich aber rasch von gesellschaftlichen Realitäten, schuf, immer am Puls der Herrschenden, neue Welten, Traumwelten. Nach dem Leitsatz ,Das Volk soll sich nicht versammeln, es soll sich zerstreuen!'. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts tanzte Deutschland seine eigenen Tänze; es lebte auch die Volksmusik, doch immer stärker fiel sie der zunehmenden Kommerzialisierung der Tanzmusik und einer immens anwachsenden Vergnügungsindustrie zum Opfer. Das Bündnis von Bürgertum und alten Feudalmächten gegen das besitzlose Volk aufgrund gemeinsamer Profitinteressen [bedeutete] das Ende der Volksmusik."
Der "Petersburger Marsch" wird als "Denkste denn, du Berliner Pflanze" zum Hit. Im 1. Weltkrieg beweisen die Komponisten ihre vaterländische Gesinnung ("Brust heraus, nach Paris geht's gradeaus") oder blenden den Krieg aus ("Püppchen, du bist mein Augenstern"). (In den USA sind die beiden Gegenstücke "We're Going to Hang the Kaiser Under the Linden Tree" und die Stotterpersiflage "Ka-Ka-Ka-Kathi".) Die Nazis errichten eine Traumfabrik der Illusion und des Kitsches, in der scheinbar Unpolitisches produziert wurde. Unterhaltung hat die Funktion, Propaganda für die Kriegspropaganda zu sein. Während die 6. Armee in der Kesselschlacht von Stalingrad untergeht, singt Zarah Leander "Davon geht die Welt nicht unter" und "Ich weiss, es wird einmal ein Wunder geschehen". Das Reichspropagandaministerium schreibt einen Wettbewerb aus für Erfolgsschlager mit hundertprozentig optimistischer Grundhaltung. "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern" bräuchten wir jetzt dringender als damals. (Goebbels)

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Ein Beispiel aus neuerer Zeit:

"Der Mythos der Green Berets [wenn du für Geld tötest, bist du ein Söldner; wenn du zum Spaß tötest, bist du ein Sadist; wenn du für beides tötest, bist du ein Green Beret] wurde von der amerikanischen Jugend dankbar aufgenommen. 1966 erschien eine LP mit dem Titel ,The Ballad of the Green Berets'. Die gleichnamige Single-Auskopplung erreichte auf Anhieb Platz eins in ,Americas Hot 100'. Der Song, ein schlichtes, strammes Marschlied, war ein Anachronismus, entsprach nicht im mindesten dem Standard der amerikanischen Popkultur. Der Text glorifizierte militärische Elitenbildung und den Heldentod ... In einigen, wenigen Songs [wurde] eindeutiger Protest gegen den Krieg laut. Viele Songwriter-Veteranen wurden von TV-und Radiosendern boykottiert oder einzelne Stücke aus den Konzertmitschnitten entfernt ... In kommerzielleren Stücken wurde der Protest verhaltener geäussert. John Lennon beschwor den Weltfrieden, Barry McGuire warnte vor dem Weltuntergang; immer wieder machte man sich auch Sorgen um die amerikanischen Soldaten ... Die meisten Produkte der Unterhaltungsindustrie thematisierte statt politischen Protests das intensive Lebensgefühl einer Jugend, die ihre gähnende Langeweile in rauschhafte oder berauschte Phantasien umgewandelt hatte ... Der Kriegsschauplatz Vietnam war überzogen von einem dichten Netz von Radiosendern, die u.a. die Angehörigen des Militärapparates rund um die Uhr mit Unterhaltungsmusik versorgten. Musiktitel, die den Krieg kritisch kommentierten oder auf ihn anspielten, [waren] von der Zensur betroffen. Die zahllosen Sex-, Drogen- und Rock'n'Roll-Titel blieben von der Zensur weitgehend verschont."
Dem Zusammenhang Pop und Krieg versucht die Halbjahresschrift "testcard" in rund 20 Beiträgen auf die Spur zu kommen. (Vorherige Ausgaben beschäftigten sich u.a. mit "Geschlechterbildern in Musikvideos", "Sexismus auf Plattencovern", "Apocalyptic Folk & die Neue Rechte", usw.) Denn: Kein Krieg ohne Kultur, keine Kultur ohne Krieg. So liegt auch die These nahe, dass die Kriege, die in Zeiten der Popkultur geführt wurden, von dieser beeinflusst sind, dass der Pop in den Zeiten der modernen Kriege Spuren dieses Krieges zeigt. Nicht jeder kann da zustimmen:
"Pop und Krieg? Geht nicht. Pop ist bunt, Spiel mit Mehrdeutigkeiten. Krieg ist eindeutig, hier unsere Seite, da die Seite des Feindes. Sicher, Pop reagiert auf Krieg, auf das damit begangene Unrecht, auf die Verlogenheit der Propaganda oder auf die Legitimität, einen Krieg zu führen. Krieg ist der Hintergrund, der so stark strahlt, dass er selbst noch das ewig um sich selbst kreisende Medium Pop durchdringt." (F. Klopotek)
"In der Popkultur gibt es Erfrischungspausen, in einem echten Krieg nicht. Im Krieg gibt es Feuerpausen, die sind allerdings in der Kulturindustrie nicht vorgesehen." (R. Behrens)
Es finden sich allerdings doch mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze:
Pop: die Fortsetzung der Kultur mit anderen Mitteln. - Die moderne Unterhaltungselektronik und die Medien sind Abfallprodukte des technisierten Krieges. - Jede Popshow bedient sich der Inszenierungsmittel der Kriegshandlung: Pyrotechnik, Geschütze, Uniformen. - Wenn es um den Einsatz von Trommeln geht, kann die gesamte Popmusik als Militärmusik bezeichnet werden. - Popkultur bedient sich bei der symbolischen Gewalt des Krieges, von den Flieger-Lederjacken der Halbstarken bis zu der Camouflagebekleidung im Techno. - Die Ausweitung der Tanzflächen in den 90ern (bis hin zur Loveparade) ist zeitgleich mit der Zunahme der Krisengebiete und Schutzzonen. - Vielleicht ist der Militärkult in den Konzerten ein Ausdruck der zunehmenden Faschisierung der Gesellschaft. - Die Werbeslogans der Bundeswehr sind Popslogans; die Erlebnisse, die sie versprechen, sind Poperlebnisse. - Die Popmusik überspielt mit ihren Melodien das Unbehagen.

Das Problem des Pop, der an der Heimatfront gegen den Krieg kämpft und zugleich im Feindesland den eigenen Soldaten zur Seite steht, bringt Susann Witt-Stahl auf den Punkt:

"Pop gilt vorwiegend der Bedürfnisbefriedigung, also der Zerstreuung, der Bekämpfung von Langeweile, Triebregulierung, Identitätsstiftung, der Weltflucht etc. Pop ist ein System von Reizen, Pop macht Spaß. Da Kultur nicht unmittelbar in die Realität (des Krieges) eingreifen kann, ihre Schrecken nicht beseitigen kann, halte ich Protest gegen bestehende Verhältnisse dann fur gelungen, wenn Kultur das Leiden (im Sinne von vermeidbaren Unrecht) beredt werden lässt. Dafür müsste Pop diskursiver sein und Bewusstseinsinhalte Schicht fur Schicht abtragen und analysieren. Pop müsste wohl auch Massenkunst in dem Sinne sein, dass er aus der Masse aufgestiegen ist. Als Protestkultur hat sich Pop in ein Paradoxon begeben: er verlangt die Abschaffung jener Zustände, denen er sich selbst verdankt, ohne aber zugleich die eigene Abschaffung zu fordern."

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Zur Logik von ,Krieg' gehört jedoch, dass er nur als dualistischer Vertragspartner und Soulbrother des sogenannten ,Friedens' funktioniert. (F.A. Schneider) Während aber Marschmusik, Soldatenlieder und Schlachtenmusik ihren literarischen Niederschlag gefunden haben, herrscht zur Thematik "Musik & Frieden" - abgesehen vielleicht von den Liederbüchern der 80er Jahre - weitgehend Fehlanzeige. Um diesem Übel abzuhelfen, führt der renommierte Friedensforscher Dieter Senghaas wohl erstmals auf eine Tour de Force zu Klängen des Friedens (berücksichtigt werden Werke der "klassischen" Musik). Simpelstes Beispiel ist es, Krieg lautmalerisch darzustellen - in Johann Klofflers "Bataille für zwei Orchester" (1777) spielen beispielsweise zwei Orchester gegeneinander - oder die Trauerarbeit danach:

"Ein Brückenschlag [zwischen den Erfahrungen des Holocaust und dem Leben danach] findet sich in Béla Bartóks Konzert für Orchester (1943). Im Zentrum dieses ,Freskos des Lebens' steht ein trauriger Totengesang (,Elegia'). Im darauffolgenden ,Intermezzo interrotto' werden Ursache und Anlass für die ,Elegia' erklärt: kleinbürgerlicher Mief (u.a. wird Lehár zitiert!), der dem Übergreifen des Faschismus auf Ungarn den Boden bereitete. Doch danach wird der düstere Lebensabschnitt durch ein virtuoses Volkstanz-Finale abgelost, durch eine veritable Perspektive der Befreiung (1943 geschrieben!), durch und durch positiv gestimmt."
Musik kann eine antimilitaristische Thematik besitzen. Dabei wird Frieden negativ gefasst, als Abwesenheit von etwas definiert: als Abwesenheit von Gewalt und Unterdrückung, von Not und Vorurteilen, von Feindbildern, Nationalismus und Rassismus:
"Weills ,Zu Potsdam unter den Eichen' (1928/29) [ist] die Vertonung eines Brechtschen Gedichtes über eine pazifistische Demonstration in der Heimatstadt des preussischen Militarismus. Auf dem Sarg, den man in der Mitte trug, stand geschrieben - und die Buchstaben sahen hässlich aus: Jedem Krieger sein Heim. Das reimt sich dann bitterböse auf Gekrochen einst mit Herz und Hand dem Vaterland auf den Leim. Am Ende dieses a cappella-Chorstückes siegen wiederum die Ordnungskräfte, zynisch in C-Dur: Da kam die grüne Polizei und haute sie zusamm'."
Auf Boris Blachers "Alla Marcia" (1934) lässt sich nicht mehr marschieren, selbst wenn man das wollte. Die subversive Absicht des Komponisten ist in einen hartnäckig durchgehaltenen 3/4-Takt eingeschrieben, als ob er sagen wollte: für kriegerische Zwecke untauglich! In Mauricio Kagels "Märsche um den Sieg zu verfehlen" (1979) findet auskomponierte Fahnenflucht statt:
"Kann man Genuss an einem Genre haben, dessen auslösender Effekt nur als zweifelhaft bezeichnet werden kann? Seit der Genfer Konvention ist es Musikern in Uniform nicht gestattet, Waffen zu tragen. Dass die akustischen Werkzeuge unserer Zunft hier waffenähnliche Aufputschmittel sind, wird geflissentlich, weil die Wirkung ungefährlich erscheint, verschwiegen. Das Gegenteil ist der Fall: Musik kann sich in den Köpfen jener wirkungsvoll einnisten, die Sprengköpfe zu verwalten haben. Der Ausgang ist jedenfalls allseits bekannt." (Kagel)
Wie dokumentiert sich aber Frieden positiv und konstruktiv? Gustav Holsts "The Planets" (1914-17) lässt auf "Mars, den Kriegsbringer" "Venus, die Friedensbringerin" folgen, weit ausladend verklärend und mit viel Schönklang, begreiflich als Kontrast zum ersten hammernd-martialischen Satz. Das lädt aber geradezu zu Kritik ein:
"Describe `peace' in music. It can't be done, except trivially by soft or tender music. The reason is that if war is eliminated or even temporarily suppressed, then peace is the entire diapason of life. There is nothing to identify it as such. Peace is pleasure and peace is passion and also grief and being born and growing up and even dying (peacefully). Life as a whole cannot be depicted. Only aspects of life." (A. Rapoport)
Der Trend zur "Weltmusik", sofern nicht bloß Kommerz als Antrieb zugrunde liegt, ist musikalisch vermutlich am fruchtbarsten,
"gleichgültig, ob sie auf Kulturen übergreifende Collagen abzielen oder, was ernster zu nehmen ist, auf eine wechselseitige kompositorische Befruchtung, einen konzeptuell und ästhetisch motivierten Austausch über Kulturgrenzen hinweg. Darüber entstünde nicht Uniformität, sondern eine ihrer sich selbst bewusste Einheit in der Vielfalt, ohne die Frieden in einer unumkehrbar pluralistisch gewordenen Welt nicht mehr denkbar ist."
Béla Bartóks "Tanzsuite" (1923) z.B. enthält eben nicht nur ungarische Einflüsse, sondern auch rumänische und arabische, die Idee der Verbrüderung und Friede zwischen den Völkern symbolisierend. Klaus Hubers "Lamentationes de Fine Vicesimi Saeculi" (1992-94) geht in Reaktion auf den Golfkrieg Gemeinsamkeiten mit arabischer Musik nach. Gunter Waldeks "Lambarene. Bach to Africa" (1995), eine Hommage an Albert Schweitzer, ist eine Collage Bachscher und afrikanischer Musik.

Beethoven rät schlicht: Von Herzen - möge es zu Herzen gehen. Auch wenn gilt: Die Menschheit zu verbessern, ist nicht Aufgabe der Kunst. Das muss die Menschheit schon selber tun; wenn sie dabei auch noch die Kunst verbessern kann, hat es sich doppelt gelohnt. (D. Dath) Sind wir da wieder beim Folk angelangt? In diesem Sinne, T:-)M


Schuberth, Richard, CrossRoots - Das Lexikon der irischen, schottischen, englischen, walisischen und bretonischen Folk-, Traditional- und Roots-Musik. Christian Ludwig Verlag, Moers, 2002, ISBN 3-935943-00-8, Taschenbuch, 544 S, ca. EUR 34,90.
Senghaas, Dieter, Klänge des Friedens - Ein Hörbericht. Suhrkamp, Frankfurt/Main, 2001, ISBN 3-518-12214-2, Taschenbuch, 188 S, EUR 8,-.
testcard - Beiträge zur Popgeschichte, Themenschwerpunkt #9: Pop und Krieg. Ventil, Mainz, 2001, ISBN 3-931555-08-9, Taschenbuch, 290 S, EUR 14,32.
Witt-Stahl, Susann, "... But his soul goes marching on" - Musik zur Ästhethisierung und Inszenierung des Krieges. Coda, Karben, 1999, ISBN 3-00-005319-0, Taschenbuch, 206 S, EUR 15,50.


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 06/2002

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