FolkWorld Live Review von Gerald Trebaticky, 9/2002:
Singer/Songwriter-Legenden und neuere
Gesichter
Persönliche Highlights des Tønder Festival 2002
Freitag Abend, Museum, Rory McLeod und Aimee Leonnard
Die Ansage etwas stockend, dann starrt Alles gebannt zur Bühne - nichts geschieht. Plötzlich ganz leise aus einem der Nebenräume des Museums eine Mundharmonika und durch eine der Seitentüren des Saals kommt Rory mit einem wunderschönen Mundharmonikasolo herein, vor der Bühne aufgehalten durch Telefon (Mundharmonika)-klingeln, ein Anruf von Mam, ja alles ist in Ordnung, ja 1000 Leute, ja er liebt sie auch, bye Mam. Dann erst steht er auf der Bühne - Rory McLeod - bester Live Act 2001 laut BBC, wen wundert es wenn jemand sich so gekonnt und nett seinem Publikum nahe bringt hat er alle Sympathien schon auf seiner Seite.
Obwohl er manchmal wie ein aufgeregter kleiner Junge wirkt, führt er doch sicher durch seinen Auftritt, Rory ist auch heute noch der etwas andere Folksinger, immer knapp an der Grenze zum Ausgeflipptsein aber doch angenehm anders als der Rest. Nichts von der Wildheit, die er schon zu seinen Zeiten mit der "Have Mercy" Jug Band bewies, ist verloren gegangen. Wer sich sein Geld auf der Straße, als Feuerschlucker im Zirkus, als Stepptänzer und als Geschichtenerzähler verdient hat weiß wie wichtig es ist sein Publikum immer bei der Stange zu halten.
Begleitet wird Rory von seiner Partnerin Aimee Leonnard auf der Bodhran, Ex Mitglied der keltischen Gruppe "Anam" blickt sie auf zwölf Jahre Erfahrung mit ihrem Instrument zurück und hat einen eigenen "funky stile" darauf entwickelt. Außerdem begleitet sie Rory bei den Refrains mit klarer, angenehmer Stimme und auch sonst erkennt man schön die aufeinander Eingespieltheit der beiden.
Dass Rory etwas anders ist als der Rest zeigt sich auch bei der Art seiner Songs, auf der einen Seite politisch und soziale Protestsongs aber auch ganz intime Geschichten, z.B. "When Mam And Daddy Made You" einer Situationsbeschreibung jener speziellen Nacht als ihr jetzt zweieinhalb Jahre alter Sohn gezeugt wurde. Oder die ganz andere Seite, wie schwierig es doch ist nach einem Streit wieder zueinander zu finden - "Cold War Of The Heart". Bei den Songs bleibt die Bodhran angenehm im Hintergrund, geführt von Rorys sehr akzentuiert gepickten Westerngitarre, manchmal mit Bottleneck gespielt. Der Rhythmus wird ständig unterstützt von Rorys Steppschuhen, gut hörbar da er auf der Bühne immer auf einer Hartholzplatte steht und das Ganze immer wieder unterbrochen von Rorys Mundharmonikasolos. Rorys Stimme ist angenehm leicht nasal mit starkem Londoner Akzent und wird oft als Instrument benutzt, jodelnder Weise in einer Art Singsang bei den Refrains.
Wie im Flug vergeht die Zeit und der enge Festivalzeitplan lässt an diesem
Abend leider nur eine Zugabe zu, obwohl das Publikum gerne noch mehr gehört
hätte. Rory der schon seit Jahren nicht mehr in Deutschland auf Tour war wäre
für jeden Agenten eine Bereicherung des Programms und für jeden Folkfreund
ein Garant für einen gelungenen Abend. Samstag Abend Visemøllen - Rambling Jack Elliott
und Tonderhalle 1 - Donovan.
Da
sitzt sitzt sie nun auf ihrem Barhocker - eine der letzten Legenden der Folkmusik,
Cowboyhut, Halstuch, Blue Jeans, Cowboystiefel und eine Gitarre. Eigentlich
kaum gealtert seit er das letzte Mal hier in Tondern war, damals noch mit
seinem langjährigen Reisegefährten Derrol Adams auf der gleichen Bühne. Dennoch
ist viel geschehen in den wenigen Jahren, Derrol weilt nicht mehr unter uns,
1996 erhielt Jack einen Grammy für seine CD "South Coast" und die Krönung
seiner seit über 50!!! Jahren andauernden Beschäftigung mit Folkmusik, Rambling
Jack Elliott wird im Jahr 1998 von Bill Clinton mit "The National Medal Of
Arts" ausgezeichnet, dem höchsten Orden den man in der kulturellen Szene der
USA erhalten kann.
Doch zurück zum Konzert. Etwas leiser ist die Stimme geworden aber nicht
ausdrucksschwächer. "San Francisco Bay" jeder kennt es als erster Song, als
Zweites ein Song den er von Derrol Adams lernte - "Dixie Darling". So stimmig
ist der Vortrag das selbst Hans Theesink hinter der Bühne leise mitsummt.
Im Saal könnte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören. Ein weiterer Klassiker
zu Derrols Gedenken "Willie Moore", "Diamond Joe" - gelernt von einem Cowboy
beim Rodeo in... Brüssel ... 1958, wer kann schon auf so eine Vergangenheit
zurückblicken.
Die Songs, die Ohrwürmer der Folkmusik reihen sich aneinander, "Me and Bobby
McGee" intensiver im Vortrag als selbst von Kristofferson oder Janis Joplin,
wenn auch total anders. Leichtes Stocken bei den Texten, leichtes Zwischenhüsteln
es sei ihm verziehen. Man kann nur hoffen dass noch viele die Gelegenheit
erhalten werden diesen Dinosaurier des Folks live auf der Bühne zu erleben.
Long may you run - Jack. Ja und dann im Laufschritt von der einen Legende
"Straight to the next". Vom Visemøllen zur Tonderhalle 1.
Zu
Donovan, zusammen mit Danny Thomson am akkustischen Bass. Donovan scheint
gleich klar zu machen wo es lang geht indem er mit einem total unbekannten
Stück anfängt. Selbst die Stimme erkennt man nur wenn man weiß wer auf der
Bühne steht. Allerdings bereits der zweite Song läßt das Publikum aufatmen
"Sign Upon The Dotted Line and Work For 50 Years" jeder kennt die Zeile auch
wenn es bei mir mit den exakten Songtitel hapert. Aber jetzt erkennt man den
der da auf der Bühne steht wieder, einer der sein Handwerk nie verlernt hat
auch wenn es um ihn bis auf den Atlantisausrutscher im letzten Jahr recht
ruhig geworden ist.
Als Donovan "Little Tin Soldier" ankündigt jubelt der ganze Saal. Selbst
"Universal Soldier" von Buffy Saint Marie steht auf dem Programm. Und da ist
sie wieder die Stimme wie sie jeder von seinen alten Vinylplatten her kennt.
Selbst die Mundharmonika am Anfang von "Try and Catch the Wind" klingt wie
vor Jahrzehnten.
Danny Thomson begleitet Donovan recht dezent auf dem Akkustikbass nur bei
zwei Solos darf er so richtig zeigen das hier ein Weltmeister auf diesem Instrument
auf der Bühne steht. Donovan selbst spielt an diesem Abend ein Unikat von
Gitarre - die Frontplatte grün, die Seitenwand rot und der Hals blau, in den
exakten Farbentönen des "Book of Kelts" selbst die Runen auf dem Griffbrett
aus diesem Buch. "Refuge of Love" und weitere neuere Songs mischt Donovan
unter seine alten Hits, die neuen Kompositionen stehen in nichts den Oldies
nach. Das Publikum verlässt nach über einer Stunde den Saal mit glänzenden Augen
und verklärtem Blick.
Visemøllen Samstag Abend - Chuck Brodsky
Ein
Neuling in Tonder, ein Songwriter der alten Schule, hier kommt es nicht auf
einen perfekten Vortrag an, was nicht heißt dass es etwas am Gitarrenspiel
Chucks oder an seinem Gesang auszusetzen gäbe, nein er ist einfach nicht spektakulär,
heischt nicht um die Gunst des Publikums mit Virtuosität beim Picking oder
Vokalartistik, darauf kann man auch leicht verzichten wenn einem dafür Kleinodien
in Songs geboten werden wie Chuck sie schreibt.
Der Vortrag genauer beschrieben. Das Gitarrenspiel ist gekonnt gepickt,
seltener geschlagene Westerngitarre aber eher immer im Hintergrund bleibend.
Die Stimme ist interresanterweise beim Sprechen total anders als beim Singen,
wo sie am ehesten noch an den ewig krächzenden Mark Germino erinnert. Die
Songs sind es die die Qualität des Konzerts bestimmen, Geschichten die das
Leben schreibt (so abgedroschen diese Phrase auch sein mag), nicht die großen
Gefühle stehen im Vordergrund sondern die alltäglichen Erlebnisse die jeder
haben könnte. Einige Beispiele. Wie lange hält die Wirkung bei den Menschen
an wenn ein großer Politiker eine Kleinstadt besucht. Wer wird meine Haare
herrichten wenn ich eines Tages auf meinem letzten Ruhebett liege. Am deutlichsten
wird seine Nähe zu den Menschen als er erzählt dass fast überall wo er auftritt
die Leute ihn nach dem Konzert fragen ob er die lokale Tageszeitung vor seinem
Konzert gelesen hat und die Songs danach ausgesucht hat. Der Unterschied zwischen
den "Come Here´s" und den "Been Here´s". Chuck ist überall wo er hinkommt
einer der dazugehört.
Leicht könnte jetzt der Eindruck eines etwas langweiligen Konzerts entstehen
den Gegenbeweis erbringt das Publikum, dass während der Songs konzentriert
zuhört und am Ende begeistert applaudiert.
Chuck Brodsky sei allen empfohlen die ihrer Sammlung einen weiteren intelligenten
Beobachter und Songwriter hinzufügen möchten. Für mich eine angenehme Abwechslung
zum sonst etwas anstrengenden Tonderprogramm war dieses Konzert auf jeden
Fall.
Photo Credit: Alle Fotos stammen von den Internetseiten der Künstler
Mehr Berichte zum Tønder-Festival 2002: Die Tønder-Festivals der vergangenen Jahre in FolkWorld: © The Mollis -
Editors of FolkWorld; Published 9/2002 All material published in FolkWorld is © The
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Rory McLeod und Aimee Leonnard hoffentlich bald mal in der BRD.
Doch im Großen und Ganzen ist das Konzert eine Zeitreise zurück in die Flower
Power Zeit der Sixties als Donovan noch ein Weltstar war.
Festival-Internetadresse: www.tf.dk,
Künstler-websites: www.rorymcleod.com,
www.ramblinjack.com, www.donovan.ie,
www.chuckbrodsky.com
Gammel Dansk und junge Kelten (von
Tom Keller), und Personal impressons from 5 days
in Tønder (von Eugene Graham)
2001a, 2001b, 2000,
1999a, 1999b,
1998
To the content of FolkWorld No. 23
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