FolkWorld Artikel von Karsten Rube:

Ein umgänglicher Lonely Tramp
Akkordeonistin Cathrin Pfeifer

Bestimmte Wörter und Bezeichnungen werden gern inflationär benutzt, obwohl sie genau das Gegenteil benennen wollen und schon deswegen selten auftauchen sollten. "Ausnahmemusiker" ist so ein Wort, das mittlerweile beinahe jeder Musiker in seinen Pressestimmen findet, der einmal ein Solo gespielt hat.

Ausgerechnet bei der Akkordeonistin Cathrin Pfeifer, bei der dieser Begriff wunderbar zutreffen würde, möchte ich es nicht verwenden, denn dann würde ich sie schon wieder in eine Reihe stellen, mit all den anderen Ausnahmemusikern. Also versuche ich es anders. Cathrin Pfeifers Akkordeonspiel, ihre Kompositionen und ihr künstlerisches Wirken stehen so solitär in der europäischen Musiklandschaft, dass glücklicherweise bisher alle Versuche sie einzuordnen gescheitert sind.

Seit zehn Jahren verbindet sie eine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Argentinischen Percussionisten Topo Goia. Leider ist diese Zusammenarbeit in den letzten beiden Jahren ein wenig zum Ruhen gekommen. Dafür wurde Cathrin Pfeifer häufiger auf Theaterbühnen gesichtet. Das Berliner Ensemble und das Deutsche Theater vermeldeten einen gewissen Akkordeonistenbedarf. Ihr letztes Theaterengagement führte sie nach Konstanz. Sicher werden weitere Arbeiten an Schauspielbühnen folgen, denn ihre ersten Schritte in die Selbständigkeit einer Berufsmusikerin tat sie auf Theaterbrettern, auf denen der "Kleinen Bühne - Das Ei" im Berliner Friedrichstadtpalast.

Als ein dem heutigen Senat an Kurzsichtigkeit ebenbürtiges Berliner Regierungsgremium dem kleinen Kellertheater das Licht ausblies, war Cathrin Pfeifer längst on the road, spielte mit Musikern wie Jams, Salamat, Ali Hassan Cuban, schrieb Hörspiel- und Filmmusiken, verbrachte einige Zeit in Südamerika und tourte auf den Festivals von Falun, bis Tønder, in Kaustinen und immer wieder beim Tanz- und Folkfest in Rudolstadt. Dass sie bei diesem Pensum noch Zeit findet, ein paar CD's aufzunehmen, ist erstaunlich. Cathrin Pfeifer hat häufig in verschiedenen Besetzungen gespielt, sich mal größeren, mal kleineren Besetzungen untergeordnet. Etwas lähmend, findet sie große Ensemblemaschinerien. Ein Dauerjob wäre das nicht, denn sie liebt es ruhig und solo und möglichst einsam. Die CD "Lonely Tramp" entspringt solchen Momenten und als Lonely Tramp sieht sich ganz gern selbst. Dann sucht sie die Inspiration zwischen kahlen Kirchenmauern, saugt die Stille in sich auf, um sie langsam, allmählich mit ihrem Akkordeon aufzuheben, bis es schließlich wettert, wie eine große Orgel.

Cathrin Pfeifer & Topo GoiaManchmal findet sie neue akustische Impulse an überraschenden Orten, z. B. unter der hochgestellten Heckklappe ihres Transporters, während sie über einen See blickt und ein paar Griffe ausprobiert. Neuerdings spielt sie mit sich selbst im Duett. Faszinieren ließ sie sich von einem elektronischen Zauberkasten, der ihre gerade gespielten Töne in einer Art Schleife wiedergibt. Diesen "Loop" entdeckte sie beim Finnen Kimmo Pohjonen und mittlerweile benutzt sie das Gerät selbst auf ihren Solokonzerten. Minimal- Elektronik nennt sie das und wieder handelt es sich um etwas, dass man in dieser Form nur ganz selten zu sehen und zu hören bekommt.

Auf der CD "Lonely Tramp" zeigt sie nur einen Teil ihrer Vielseitigkeit. "Lonely Tramp" zeigt die Individualistin in ihr, die Solomusikerin, die betonen möchte, dass Traditionen eine Bedeutung besitzen, diese aber nie so starr sein sollten, um nicht mit ihnen spielen und ihnen farbige Kleckse aus anderen Teilen der Welt geben zu dürfen. "Lonely Tramp" zeigt aber auch, dass Cathrin Pfeifer, wenn sie denn Vorbilder hat, diese nicht kopiert oder sie überhaupt zu erkennen gibt. Regionale Vorlieben kennt sie nicht. Mögen französische Musette, Tango und lateinamerikanische Rhythmik in ihren Liedern mitschwingen, skandinavische und keltische Klänge völlig fehlen, so ist sie doch auf den Bühnen des gesamten Kontinents gern gesehen und gehört. Allein der Pressespiegel, der Cathrin Pfeifers künstlerisches Wirken reflektiert, zeigt, dass ihr in einem immer größer werdenden Europa, das sich noch vorsichtig beschnüffelt und umschleicht und noch nicht weiß, was es vonsich halten soll, das musikalische Europa bereits zu Füßen liegt.

Zuletzt veröffentlichte CD: "Lonely Tramp" Deutschland/Frankreich 2002 Saravah SHL2108 10 Tracks; 48:30 min
Homepage: www.cathrinpfeifer.de

Photo Credit: Cathrin Pfeifer / Cathrin Pfeifer und Topo Goia (von der Homepage von Cathrin Pfeifer)


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 04/2004

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