FolkWorld Live Review 09/2004 von Simon Wascher:

Notizen vom "drumherum"
Ein 'Volksmusikspektakel' im Bayrischen Wald


Zu Pfingsten war ich beim drumherum in Regen. Regen ist ein Staedtchen im Bayerischen Wald, an der Waldbahn halbwegs zwischen Plattling und der tschechischen Grenze gelegen. Das drumherum bezeichnet sich selbst als 'Volksmusikspektakel', so die Eigendefinition, in allgemeineren Begriffen ausgedrückt ein Festival traditioneller Musik mit starkem regional-bayerischem Schwerpunkt.

Eigentlich bin ich ia viel zu spät gekommen, bei meinem Eintreffen am Samstag Abend lief die Veranstaltung schon seit eineinhalb Tagen. Beim ersten dunklen Hefeweizen der lokalen Brauerei die ersten Eindrücke. Es ist nicht ganz leicht die Athmosphaere zu beschreiben. Vielleicht so: die einzigen verstockten Konservativen, so hatte ich den Eindruck, haben sich in der örtlichen Disko verbarrikadiert, während vor der Tür die Post abging. Eine lose Session aus Musikern diverser Gruppen und Passanten gebildet, spielt mitten in der Nacht, mitten auf der Strasse Fragmente von 'The Lion Sleeps Tonight' in der Besetzung Steirische Harmonikas, Flügelhorn, Trompeten, Bass, Congas. Graumelierte Herrren in kurzer Krachlederner und Strickweste dazu falsettierend als Background Vocals a-uuuuuuuuuuuuuuuu u-u-u-uuuu... Gepiercte Teenies am Polkatanzen. Ehepaare im Trachtenoutfit beim Charleston-tanzen auf Kopfsteinpflaster. Die Bassistin ist fast so umfangreich wie der Bass den sie spielt. Ihr violettes Dirndl kontrastiert innig mit den geilen Jazz-Riffs die sie routiniert und souverän aus dem Instrument zaubert. In jedem Wirtshaus, in jeder Pizzeria und jedem Imbiss des Ortes - mit Ausnahme der Disko - regieren die Musikanten. Zitherspieler mit Arrangements klassischer südamerikanischer Gitarrenliteratur, Stubenmusiken mit dem 'Dritten Mann' aber auch berückend stade Sängerpaerchen wechseln sich Runde um Runde ab und am Ende laesst sich die Wirtin nicht bezahlen. Tagsüeber gibt es mehrere Bühnen im Freien, teils mit Tanzfläche, teils konzertant. Die katalanische Gruppe sitzt am Biertisch und spielt Fandangos, die Rumänen haben sich aufs Kriegerdenkmal drapiert: neben der Blumenschüssel der Akkordeonist, flankiert vom Geiger und vom Klarinettisten auf den Sockeln des Denkmals, davor auf der Rampe das Tanzpaar. Marc Egea, PressefotoHinten auf der Tradimix-Bühne macht eine Blaskapelle in furioser musikalischer Perfektion einen auf böhmischen Kitsch: ein händchenhaltendes Pärchen singt bläserbegleitet zweistimmig vom Liebesglück - es sind zwei Männer. Zwiefache, Zwiefache, Zwiefache. Manche Gruppen spielen scheinbar nur Zwiefache. Auf der Tanzfläche immer die selbe Mischung: Paare älterer Damen - lilagrau mit Dauerwelle oder graumelierter Kurzhaarschnitt - Teens, Trachtenjanker und Turnschuhe. Applaudiert wird groovige Puristik genauso wie Jazziges. Mein Eindruck ist, hier kümmert sich niemand (mehr?) um die Beschränktheiten der 'reinen Volksmusik'. Im offiziellen Programm gibt es einen Tanzkurs "Vom Pflasterer zum Boogie".

So genug. An Sessions hab ich gespielt: Einmal zentralfranzösisch (mit Musikanten aus Regensburg) einmal katalanisch, einmal improviesiert mit einem schweizer Bassisten und dem katalanischen Drehleierspieler Marc Egea ,der mir seine neue CD gibt, die er mit Pascal Lefeuvre aufgenommen hat, dreimal mit dem bayrischen Bandoneonspieler Stefan Straubinger, Einmal abhotten mit Blech und wilden Riffs des Nächtens (in Es - trotzdem geil), und einmal regionale Tanzmusik mit einem Bockspieler aus der stuttgarter Gegend und seinem Ensemble. Geschlafen habe ich alles in allem etwa sechs, sieben Stunden in zwei Nächten, Ambiente und Wetter waren gut, Essen o.k. Das Festival findet das nächste Mal in zwei Jahren statt.

Festival Homepage: http://www.drumherum.com/

 

Photo Credit: Marc Egea, Pressefoto


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 09/2004

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