Ausgabe 3 2/98

Die FolkWorld Herausgeber-Kolumne

Das online Editorial von den Mollis

Das Ende der internationalen Folkszene in Deutschland?
Schon lange ist es bekannt und spukt durch die Medien - doch allmählich beginnt sie richtig zu greifen: Die Ausländersteuer. Es sieht - zumindest in unserer Region (Ruhrgebiet) - so aus, als würde man bald kaum noch internationale Folkmusik zu sehen bekommen.
Zeichnung von Annegret Haensel; für weitere Infos zur Künstlerin im Impressum nachschauen!Eine große Mitschuld trägt unser werter Finanzminister Waigel. Die von ihm erfundene Steuer für ausländische Künstler, die in Deutschland auftreten, beträgt nahezu das doppelte der herkömmliche Künstlersteuer - teilweise kann man als Veranstalter bei der Kalkulation dann schon auf beinahe 40% Steuer kommen. Und diese Steuer wird nicht nur auf die Gage selbst erhoben, sondern auf die gesamten Unkosten drumherum - wie Hotelkosten und sogar das Bier, daß der Künstler während seines Auftrittes trinkt! Bei einem Folkmusiker, der sagen wir 1000 DM Gage bekommt, sieht dann die Kalkulation schon ganz anders aus.

Und jetzt reagieren allmählich und immer mehr die Städte und Veranstalter. Immer mehr Städte verbieten ihren Kulturämtern, ausländische Musiker zu buchen - mit der nachvollziehbaren Begründung, das sei Geld zum Fenster herausschmeißen. Wenn dann die Stadt daraus folgert: Es werden nur noch Musiker mit deutschem Paß gebucht, dann ist das noch die positivere Variante. Denn nahe liegt dann manchmal die Entscheidung, bei der Gelegenheit gleich Folk aus dem Programm zu streichen - schließlich sind ja sowieso die Stadtsäckel schon zu leer, um damit auch noch Kultur zu finanzieren.

Es sieht schon traurig aus - insbesondere wenn man gleichzeitig dauernd von den Politikern Worte hört von Europäischer Union, Verständnis für andere Kulturen etc pp. Mit Kultur hat für Deutschland die Europäische Union anscheinend überhaupt nichts zu tun - mit solch Steuer verhindert sie es, daß Kulturaustausch stattfinden kann. Schade eigentlich...
Zeichnung von Annegret Haensel; für weitere Infos zur Künstlerin im Impressum nachschauen!Es sieht ja doch so aus, als daß man in wenigen Jahren ins europäische Ausland - vielleicht Holland, ist ja gleich um die Ecke, und mit der europäischen Union und Euro hat man ja auch keine Probleme mehr mit 'Ausland' - fahren müßte, um einmal nicht-deutsche Folkmusiker zu sehen. Ob das der Sinn der europäischen Union sein soll? Irgendwie doch zweifelhaft.

Bleibt noch zu erwähnen, daß der Kultur-liebende Herr Waigel neulich eine weitere neue Steuer erheben wollte - bisher steuerfrei, sollte nun auch eine heftige Steuer auf Kultur-Sponsoring erhoben werden. Folge wäre gewesen, daß Firmen nicht mehr den Sinn sehen würden in Kultur-Sponsoring; und außerdem für die Veranstaltung auch nicht mehr soviel Geld verfügbar wäre. Vielleicht wäre das dann das Ende einiger Folkfestivals gewesen. Aufgrund vielfacher Proteste wurde diese Steuer dann aber doch nicht eingeführt - zumindest im Moment noch nicht. Aber wer weiß, was der Finanzminister sonst noch an guten Ideen in der Tasche hat, um den Rest an Kultur in Deutschland platt zu machen...

Bleibt nur zu hoffen, daß sich im September nach der Bundestagswahl zumindest die Kultur-Steuer-Politik ändern wird. Wir drücken die Daumen. Ansonsten heißt es in den nächsten Jahren: Auf nach Holland, Belgien, Frankreich, Polen, Österreich, wenn Ihr mal wieder 'ausländischen' Folk hören wollt...

Wir bleiben noch mal vorsichtig optimistisch, daß das Steuersystem bald doch wieder fairer mit Ausländern umgeht. Und ansonsten freuen wir uns schon darauf, öfter mal Holland zu besuchen - es gibt schließlich überall auch irgendetwas positives dran!

Eure FolkWorld Herausgeber.

Zeichnung von Annegret Haensel; für weitere Infos zur Künstlerin im Impressum nachschauen!

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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 2/98

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