Irlands derzeit bester traditioneller Sänger Seán Keane sprach mit Marcus Metz über seine Tourerfahrungen, seine Musik und sein musikalische Umfeld
Seán, du warst mit den Konzertreihen "Pure Irish Drops" und "Irish Folk
Festival" unterwegs. Genießt Du es, durch Deutschland
zu touren?
Seán Keane:
Ja, ich genieße es. Dies ist eigentlich mein zweites Mal bei der "Irish
Folk Festival"-Tour, ich war schon vor vier Jahren dabei.
Ich liebe es, durch Europa zu touren, besonders durch Deutschland, denn
ich denke, die Deutschen haben einen gutes Sinn für die
irische Musik, und das ist erfreulich für uns. Sie verstehen die Musik
gut.
Also magst du das deutsche Publikum?
Seán Keane:
Ja, denn sie können es verstehen und sich hineinversetzen, wenn Jigs,
Reels und Tanzmusik gespielt werden. Sie können es verstehen,
es genießen und sich hineinversetzen.
Aber sie verstehen genauso das, was ich mache, hauptsächlich ja
"Liedersingen". Sie verstehen und würdigen sie sehr. Und das ist
angenehm für mich.
Was ist der größte Unterschied zwischen einem irischen und einem
deutschen Publikum?
Seán:
Ich glaube nicht, daß es zwischen einem irischen und einem deutschen
Publikum oder einem Publikum an irgendeinem anderen Ort der
Welt einen Unterschied gibt.
Jeder Abend, an dem wir spielen, ist anders. Das Publikum ist anders,
der Veranstaltungsort ist anders, wie gestern abend, als wir
in der Schweiz waren: Es gab nur Stehplätze, die Leute standen und sind
herumgesprungen. Heute abend ist es ein bestuhltes Konzert
in Deutschland.
Man kann es einfach nicht vergleichen. Es gibt keinen wirklichen
Unterschied zwischen Zuhörern verschiedener Länder.
Es gibt nur einen Abend, der sich selbst vorstellt, und das Publikum hat
damit genauso viel damit zu tun, wie dieser Abend verläuft,
wie der Künstler.
Wenn du als Musiker auf der Bühne ein "feed-back" vom Publikum bekommst,
dann hilft es dir bei deiner eigenen Show. Gewissermaßen
hilft man sich gegenseitig.
Deine Schwester Dolores ist recht berühmt, sie hat bei DeDannan gesungen
und dann eine Solo-Karriere gemacht. Seid ihr in einer
sehr musikalischen Familie aufgewachsen oder in einem musikalischen
Umfeld?
Seán Keane:
In der Tat! Meine Eltern machten Musik und sangen traditionelle Lieder,
und deren Eltern und Geschwister machten Musik und haben
auch Lieder gesungen. Und alle meine Brüder und Schwestern machen Musik
und singen.
Also man hat mich nie gelehrt, Musik zu machen oder zu singen. Es war
etwas, was ich einfach tat, vielleicht zur gleichen Zeit,
als ich lernte, wie man Fahrrad fährt. Es passierte einfach. Ich kann
mir vorstellen, daß man es ein musikalisches Umfeld
nennen kann.
Und ich war sehr glücklich in der Hinsicht, daß andere großartige
Musiker aus dem ganzen Land in unser Haus kamen, um Lieder
und Tunes auszutauschen, als ich ein Kind war. Somit gab es jederzeit
Musik im Haus. Die Abende und Parties drehten sich
immer um die Musik und die Sessions.
Es war ganz bestimmt ein sehr musikalischer Hintergrund.
Kannst du mir ein paar Quellen deiner Lieder und deiner Musik nennen?
Seán Keane:
Einen Haufen der Lieder und Tunes, die ich spiele, hauptsächlich die
Lieder, habe ich von anderen traditionellen Sängern in
Irland. Das sind die traditionellen Lieder.
Aber ein Haufen der Lieder, die ich aufgenommen habe und singe, sind
zeitgenössische Lieder, die Leute wie Mick Hanly oder
Ewan MacColl geschrieben haben, verschiedene Liedermacher.
Meine musikalische Grundlage sind die traditionelle Musik und das
traditionelle Singen.
Und daher bekomme ich einen riesigen Haufen des Materials, das ich
aufführe.
Wann hast du mit dem Spielen der Flute angefangen?
Seán Keane:
Wieder ist es wie mit dem Singen: Ich weiß es nicht. Ich fing an...ich
weiß nicht...vielleicht war ich sechs oder sieben,
als ich anfing, die Whistle zu spielen. Und als ich ein paar Tunes
spielen konnte, gab mir mein Onkel eine Flute, der
er gespielt hatte. Und das ist die Flute, die ich heute noch spiele.
Er starb, als ich etwas zwölf war. Also spiele ich die Flute, seit ich
vielleicht elf war.
Glaubst du, daß die irische Musik in letzter Zeit stärker wächst?
Seán Keane:
Ich denke, daß die irische Musik noch nie so populär war - rund um die
Welt und genauso in Irland. Als ich aufwuchs, gab es
nicht besonders viel irische Musik, es gab eher Show-Bands und
Tanz-Bands. Das war die populäre Musik, als ich Kind war.
Heute, denke ich, ist es unglaublich, was für einen Weg die irische
Musik in der Welt beschreitet. Es gibt irische Bands wie
die "Chieftains", die mit Rock-Stars aufnehmen. Die Musik wird gemischt.
Und sie wird populärer bei Leuten, die vielleicht
noch nie irische Musik gehört haben.
Ein Haufen der alten Lieder und Tunes werden in der Pop- und Rock-Musik
verwandt in der ganzen Welt. Und das ist großartig!
Heutzutage ist in Irland die Zeit gekommen, daß man nicht mehr zwischen
Musik und Musik unterscheidet. Es ist bloß Musik.
Sie ist entweder gut oder schlecht. Und sie verschmilzt mit
Country-Musik und Rock-Musik.
Es sind wunderschöne Melodien, und warum sollten sie nicht in der ganzen
Welt gespielt und wahrgenommen werden?!
Aber ich denke, die irische Musik ist wirklich stark, und - weißt du -
es ist wirklich eine tolle Zeit, um zu Hause in Irland
Musik zu machen.
Kontakt für Buchungen und CDs: e-mail: Virginia Keane.
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