FolkWorld-Artikel von Ambros Gruber:

Die Landlerpartie
Volker Derschmidt zum 70. Geburtstag

"Wir brauchen koane Hehner mit veränderte Gener, koa Turbo-Milch-Schwein und koan Wolf mit'n Heilignschein..." "Danke, das genügt. Ähm... Hättet ihr vielleicht auch etwas anderes, etwas Einfacheres? Das hier - der Landler und die Texte dazu - das ist zu anspruchsvoll!"

Landlerpartie Ende März dieses Jahres wusste der Regisseur des ORF-Fernsehfrühschoppens schon nach vier Zeilen, dass diese Musik nicht fürs "einfache Frühschoppen-Publikum" geeignet war. Schlussendlich spielten wir bei diesem Frühschoppen ein Programm, in dem kein einziger Landler vorkam... und machten so unserem Namen alle Ehre! Den Leser/innen des "Vierteltaktes" und des Euroots-Newsletters trauen wir aber zu, auch Anspruchsvolles bewältigen zu können, umso mehr, als der Text vom Kopf des Ensembles und gleichzeitig auch "Geburtstagskind" Volker Derschmidt stammt. Hier also das ganze Gstanzl:

Wir brauchen koane Hehner
mit veränderte Gener,
koa Turbo-Milch-Schwein
und koan Wolf mitn Heilignschein.
Kinnts es aber gar net lassn,
uns gfreuert's über d'Maßn
züchts an Amtsschimmel heran,
der 's Wiehern net kann!

Ein Gstanzl-Text wie aus dem Lehrbuch, in dem mit feiner Klinge Aktuelles aus Politik und Gesellschaft kritisiert wird! Volker Derschmidt bemüht sich seit jeher, sein umfassendes musikwissenschaftliches, musiktheoretisches und musikantisches Wissen und Können nicht nur in staubigen Archiven anzuwenden, sondern auch als aktiver Musikant zu leben und vor allem weiterzugeben.

So entstand auch die "Landlerpartie": Ursprünglich musizierten im Rahmen der "Welser Rud" (aber nicht nur dort) Volker Derschmidt, seine Tochter Rotraud Derschmidt und sein Bruder Rainer Derschmidt gemeinsam mit Karl und Gerarda Dickbauer unter dem Namen "Haus- und Hof-Musikanten". Im Sinne einer authentischen Aufführungspraxis von Landlern aus dem oberösterreichischen Zentralraum, insbesondere aus dem Gebiet rund um Wels (Steinhaus, Krenglbach, Gunskirchen, Lambach usw.) trat schon damals die Landler-Minimal-Besetzung (2 Geigen und 1 Bassgeige) aus diesem größeren Ensemble heraus und interpretierte wieder bzw. neu entdeckte Landler so, wie sie zur Zeit ihrer Entstehung geklungen haben mögen.

Dieses Landler-Ensemble wirkte dann 1992 bei der CD "Von den Linzer Tänzen zum Wiener Walzer" unter dem Namen "Zwoa Geign med oan Bassl" mit und konnte dort tatsächlich einige sehr gelungene Landler aufnehmen. Kurz nach der CD-Aufnahme - die damaligen Ensemble-Mitglieder können sich nicht mehr genau erinnern, wann - wurde dann der Name in "Landlerpartie" umgeändert. Weitere Aufnahmen in kleinerem Rahmen fanden vor allem beim Niederösterreichischen Volksliedwerk statt, wo auch heute noch als Warte-Melodie beim Telefonieren ein Landler der "Landlerpartie" zu hören ist.

Volker Derschmidt hatte während seiner Tätigkeit im Oberösterreichischen Volksliedarchiv die einmalige Gelegenheit, verborgene Schätze der traditionellen Musikkultur zu heben und einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dies tat er einerseits aufgrund seines Lehrauftrags am Brucknerkonservatorium, andererseits auf eigene Faust, indem er "Landler-Seminare" organisierte (unter anderem z.B. gemeinsam mit Willi Burgstaller). Auch die Volksmusikwochen in Burgkirchen sowie Seminare im Rahmen der Landl-Wochen in Grieskirchen und der dortige Landl-Tag waren Volker immer ein besonderes Anliegen, wollte er doch möglichst viele Geiger/innen mit dem Landler-Virus infizieren. Eine besondere Zielgruppe für ihn waren dabei immer die "klassischen Geiger/innen", von denen er zumindest einige überzeugen konnte. (Die jüngste CD-Aufnahme der "Fallsbacher Angeiger" mit Albert Fischer an der 1. Geige ist dafür ein beredtes Beispiel!) Dass bei dieser oft ausufernden Arbeit nicht nur Landler, sondern auch viele außergewöhnlich schöne Walzer, Polka, Bairische und Mazurkas zum Vorschein kamen und von Volker gewissenhaft herausgegeben wurden, ist nicht verwunderlich.

Dennoch waren und sind der Landler und die mit ihm verbundenen (kritischen) Gstanzl ein Hauptanliegen der "Landlerpartie". Hier noch eine Gstanzl-Kostprobe:

Der Transit in unsern Land
is a ganz a große Schand!
Die schlechte Luft, der Auto-Gstank
machen alle Kinder krank!
Is denn der EU des wurscht,
dass bei uns bald aniader huascht?
Tats drüber dischkeriern,
sonst werdn ma d'Autobahn blockiern!

Die Häufigkeit der Auftritte der "Landlerpartie" schwankte stark, auch aufgrund der Tatsache, dass Volker, der Unermüdliche, mit der Zeit ungefähr noch fünf andere Musikanten-Partien um sich scharte, um keine Gelegenheit zum Musizieren auszulassen.

Seit März 2004 ist die "Landlerpartie" nun sozusagen wiederbelebt und spielt in der Besetzung Volker Derschmidt, 1. Geige, Ambros Gruber, 2. Geige und Rainer Derschmidt, Bassgeige. Erraten Sie nun bitte das Verwandtschaftsverhältnis! (Das war übrigens schon zu Zeiten, wo alle Mitwirkenden Derschmidt hießen, schon für viele ein Rätsel!)

Einer der interessantesten und besten Auftritte liegt schon lange zurück: Im "Jazzland" in Wien wurde gemeinsam mit Karl Hodina musiziert. Erstaunlich ist immer wieder die Art, wie die "Landlerpartie" von einheimischen Kulturinstitutionen angekündigt wird: Trotz eines unmissverständlichen Fotos (Geigen und Bassgeige sind deutlich sichtbar) gelang es, uns am 30. Mai 2004 in Linz folgendermaßen anzukündigen: "Zwischendurch verwöhnt die 'Landlerpartie' mit zwei Zithern und Gitarre das Publikum mit musikalischen Gustostückchen." Eine Anekdote, die bei nächster Gelegenheit - natürlich am besten in Linz selbst - Inhalt eines Gstanzls sein wird!

Zum Abschluss noch ein Gstanzl für den Jubilar:

Is denn des wirklich wahr?
Der Volker is schon 70 Jahr!
Bein Landlerspieln und Gstanzlsinga
wirkt er für uns viel jünger!
Ja, die Musi halt'n jung
und gibt eahm Schwung.
Tuat er so weiter nuh a Zeit,
oft macht er uns die größte Freud!

Zuerst erschienen im Vierteltakt 4/2004, der Informationsschrift des Oberösterreichischen Volksliedwerks, und im EuRoots Folk/World-Newsletter November 2004.


Zum Inhalt der FolkWorld Beiträge
Zum Inhalt der FolkWorld Nr. 30

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 01/2005

All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission. Although any external links from FolkWorld are chosen with greatest care, FolkWorld and its editors do not take any responsibility for the content of the linked external websites.


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Home
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld