FolkWorld Ausgabe 32 12/2006; Live-Bericht von Karsten Rube


Popmusik als Klassenkampf
Johnny Clegg, Kulturbrauerei Berlin, Nov. 2006

Seit über zehn Jahren hat Johnny Clegg nichts mehr von sich hören lassen. Kaum Konzerte, wenige neue Veröffentlichungen. Im Radio hörte man vielleicht mal sein "Scatterlings of Africa", den großen Clegg-Hit. Einmal hörte ich ihn beim Einkaufen auf Radio-Kaisers. Er schien also langsam in Vergessenheit zu geraten, der "Weiße Zulu", wie man ihn nennt. Doch schließlich tauchte er mit Konzertankündigungen wieder auf. Zweimal wurden angekündigte Konzerte in Deutschland zwischen Herbst 2005 und Frühling 2006 verschoben oder abgesagt. Dann stand er bereits hinter der Bühne der Berliner Fanmeile während der Fußball-WM in Deutschland. Da aber kurz vor Konzertbeginn ein Auto in die Menschenmenge raste, fiel auch dieser Auftritt aus.

Am 9. November 2006 schließlich gelang es ihm doch, in der Kulturbrauerei Berlin die Bühne zu betreten. Alle Zuschauer, die sich dort einfanden, wussten, worauf sie sich einließen. Keiner von denen war wohl nur zufällig vorbei gekommen. Das wurde während des Konzertes auch deutlich, denn viele der Besucher besaßen eine enorme Textsicherheit, selbst bei seinen in der schwer sprechbaren südafrikanischen Sprache Zulu vorgetragenen Liedern. Johnny Clegg und seiner sechsköpfige Begleitband gelang es vom ersten Ton an, das normalerweise nur schwer zugängliche Berliner Publikum zum Tanzen zu bringen.

Clegg wurde in Großbritannien geboren, ist aber in Simbabwe und Südafrika aufgewachsen. Er lernte in seiner frühen Jugend den Zulu Siphu Mchunu kennen, mit dem er auch später noch als Johnny Clegg und Juluka Musik machte, was im Land der Johnny Clegg, www.johnnyclegg.com Apartheid nur in kleinen Clubs und unter Umgehung der strengen südafrikanischen Apartheidgesetze möglich war. Früh vermengte er die Musik der Zulus mit westlicher Folk- und Popmusik. Mit seinem Township-Jive, wie er die Mischung nannte, gelang es ihm sehr zum Ärger der Apartheidverfechter in europäischen Hitparaden Spitzenplätze zu erringen. Cleggs Musik ist heute noch Zeugnis für eine Zeit, in der man mit poppigen Protestsongs politische Gefangene freisingt und menschenverachtende Regime in die Knie zwingt. Seine Songs beschreiben seit jeher das Leben im Süden Afrikas, die Probleme, die man mit korrupten Behörden hat, immer noch mit Rassismus, mit Armut und Krieg und Aids und Unterernährung. Diese Problemstellung bedeutet für Clegg nicht Betroffenheitsgejammer zu produzieren, wie es hierzulande häufig von engagierten Afrikafahrern aus der Kultur- und Popszene zum Selbstzweck inszeniert wird. Für Clegg bedeutet dies lebendiger Kampf mit den Mitteln, die er am besten beherrscht.

Popmusik als Klassenkampf. Ein alter Hut will man meinen, politisches Bewusstsein in Popkonsumenten zu wecken. Doch das war einmal möglich und man könnte glauben, dass auch Cleggs Musik seinen Beitrag zur Befreiung Mandelas und das Ende der Apartheid besaß. Das Kuriose daran ist allerdings, das Clegg selbst am großen Benefizkonzert für Nelson Mandela im Juni ‘88 wegen des Boykotts gegen das Apartheidregime nicht teilnehmen konnte. In der Zeit des Boykotts boykottierte man international nicht nur das Regime, sondern auch die Leute, die darin lebten und einiges dafür taten, es zu verändern.

Johnny Clegg ist nun zurück, um einige Jahre gereift, aber dynamisch, wie eh und je. Noch immer sind seine Songs poetisch, engagiert und tanzbar. Noch immer hüpft er über die Bühne, wie ein entfesselter Derwisch, wirft die Beine hoch wie ein afrikanischer Tänzer und entlockt seiner Gitarre jene fröhlich perlenden Töne, wie sie nur die afrikanische Popmusik hervorbringt. Die Musik seines neuen Albums “One life” setzt nahtlos dort an, wo er nach der Trennung von seiner Band Savuka Mitte der neunziger Jahre abbrach. Zwei Stunden spielte er in Berlin, redete über seine Lieder, darüber, was ihn bewegt, Musik zu machen, und zauberte mit seinem unverkennbaren Sound Afrikas Sonne in die Kulturbrauerei und in die Gemüter der tanzenden Besucher. Genug, um auch nach Konzertende noch zu afrikanischer Konservenmusik weiterzutanzen.

Website: www.johnnyclegg.com

Photo Credit: Johnny Clegg (taken from website).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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