FolkWorld Ausgabe 32 12/2006; Live-Bericht von Walkin' T:-)M


"Haben Sie Spaß ...?"
Lúnasa, Gastwerk Braunschweig, 15.11.06

Hallowe'en ist vorbei; den maskierten Kids mit ihren futuristischen Schießprügeln habe ich sowieso nicht die Tür aufgemacht. Auch wenn ich es durchaus begrüße, dass unsere Nachkommen schon mal Alternativen einüben, wenn es später mal mit Job und Karriere nicht klappen sollte. Doch kaum ist die neo-keltische Geisterparade vorbei, lugt schon der nächste Festtag um die Ecke. Das Fest zu Ehren des Gottes Lugh wird jedoch in musikalischer Form begangen; mit einer der herausragendsten irischen Bands, die es derzeit zu haben gibt.

Die irische Supergroup Lúnasa gibt eines ihrer raren Gastspiele in Deutschland und hat sich Braunschweig dafür ausgesucht. Dem Veranstalter sei Dank! Im Braunschweiger Gastwerk erklingen nun alte Hadern als auch brandneue Sets des aktuellen Albums "Sé" Lunasa, photo by Tom Keller (siehe CD-Rezension in dieser FW-Ausgabe). Das ist Gälisch für sechs und weist auf die Zahl ihrer Alben als auch den nun beinahe zehnjährigen Zeitraum hin, in dem die Band ihr musikalisches Handwerk vervollkommnet hat.

Lúnasa spielt 100 Prozent instrumental. Außer Kevin Crawfords launigen Ansagen kommt kein Laut über ihre Lippen. Was hält das Publikum davon? Ich sehe eine ganze Reihe Musiker aus der regionalen Szene, aber das können doch nicht alles nur Irish-Music-Hardcore-Freaks sein!? Ich beobachte verschränkte Arme, höflicher Applaus, hie und da wippt ein Fuß im Takt. Wir sind hier in Braunschweig. Die Leute sind nun mal so.

Bei Lúnasa haben sich einige der begabtesten traditionellen Musiker Irlands zusammengefunden. Das Quintett spielt perfekt und routiniert Reel um Reel, Jig um Jig. Das Niveau ist schwindelerregend und kann neidisch machen. Kevin Crawford spielt diverse Flöten (und gelegentlich Bodhran), Cillian Vallely die Uilleann Pipes und Low Whistle (-> FW#24), Sean Smyth die Fiddle (und auch gelegentlich mal die Whistle) und Trevor Hutchinson konzentriert sich auf den Bass.

Uns Kritiker und uns Gitarristen interessiert natürlich der neue Mann an der Gitarre, Paul Meehan. Donogh Hennessy, der für manch einen Tune im Repertoire der Band verantwortlich war, hat nämlich die Gruppe verlassen, Lunasa, photo by Tom Keller um sich mehr seiner Partnerin und Sängerin Pauline Scanlon (-> FW#30) zu widmen. (Und wie es der Zufall so will, sind die beiden zur selben Zeit auf Deutschland-Tournee.) Der Neue ist der Bruder des Flötisten Martin Meehan (siehe CD-Rezension in dieser FW-Ausgabe). Paul spielt gerader als Donogh, hat vielleicht weniger harmonische Einfälle, ist aber dieselbe Rhythmus-Maschine und ein mehr als qualifizierter Ersatz.

Dann ist Pause. Das Braunschweiger Publikum hat sich ihre Energien zurückgehalten und kämpft sich an den Merchandising-Stand. Jetzt sind sie wild und CDs und Noten gehen weg wie warme Semmeln. In der zweiten Konzert-Hälfte kommen sogar die Hände freiwillig aus den Taschen und es wird ekstatisch geklatscht. Wie ich schon sagte, wir sind hier in Braunschweig und ...

Kevin erlernt seine dritte deutsche Phrase: "Haben Sie Spaß?" Alle haben ihn und verlangen nach mehr. Die Jungs müssen für zwei Zugaben wieder auf die Bühne. Und damit endet ein fulminantes Lúnasa-Konzert - ohne tricks & treats, aber auf höchstem Niveau.

Diskographie: Lúnasa (1998), Otherworld (1999), The Merry Sisters of Fate (2000), Redwood (2003), The Kinnitty Sessions (2004), (2006).

Website: www.lunasa.ie

Photo Credit: (1) & (2) Lunasa (by Walkin' Tom, Tønder 2006).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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