FolkWorld Ausgabe 32 12/2006; Live-Bericht von Karsten Rube


Am Herzen vorbeigesungen
Mariza, Philharmonie Berlin, März 2006

Auf die Rolle der Diva des portugiesischen Fados hat sich Mariza nun endgültig festlegen lassen. Kaum eine Sängerin füllt die Lücke so anstandslos aus, die der Tod Amalia Rodrigues hinterließ, wie diese schlanke blondierte Frau mit den moçambiquanischen Wurzeln.

Seit Jahren werden ihre musikalischen Produktionen reifer und vollendeter. "Transparente" ist ihre dritte und bisher beste CD - nicht zuletzt durch den meisterhaften Schliff, den die CD durch den Brasilianer Jaques Morelenbaum bekam. Mariza Der Cellist und Arrangeur, der auch schon mit Sting zusammenarbeitete und stetiger Begleiter Caetano Velosos ist, produzierte das letzte Album Marizas nicht nur, sondern stärkte das Selbstbewusstsein der Sängerin in ihren eigenen Stil maßgeblich. Sie muss ihre Art den Fado zu singen nicht mehr unter dem bindenden Vorbild Amalias präsentieren, sondern kann voller Inbrunst "Meu Fado - Mein Fado” sagen, wenn sie von ihrer Musik spricht.

Gesprochen hat sie viel, an jenem Abend im April in der Berliner Philharmonie. Über sich, über den Fado und dessen Entstehung, über ihre Herkunft und über ihre Eltern und das Leben als Kind in den Gassen Lissabons. Ein wenig zu viel, was sie da an Eitelkeit zeigte, etwas zu viel Selbstpräsentation. Zudem vermisste ich die Nähe zum Publikum, die sie zwar gut vorzuspielen vermochte, die aber im Vergleich zu früheren Konzerten tatsächlich fehlte.

Mariza ist kein Geheimtipp mehr, sondern Konzerthallenfüllerin. Das schadet dem Fado mehr, als es ihm gut tut, denn der Fado braucht Nähe und Einfachheit. Zwar füllte auch Amalia Konzertsäle und auch Misia trat in der Philharmonie auf, doch die wirklich das Herz rührenden Konzerte finden in kleineren Räumen statt. Mariza ist noch immer ein aufstrebender Stern und der Eitelkeit, die damit einher geht, vollkommen ausgeliefert. Bedauerlich, denn es schadet ihren konzertanten Möglichkeiten, wie in der Berliner Philharmonie zu sehen war.

In tief bordeauxrotem Kleid, das an ihrer schlanken Gestalt herunterfloss betrat sie umjubelt von Fans und portugiesisch-sprachigen Zuschauern die Bühne. Hinter sich ein Halbkreis aus sechs Musikern, die sie begleiteten, drei Streicher sowie die klassische portugiesische Fadoinstrumentierung aus portugiesischer, akustischer und Bassgitarre. Sie selbst stand als uneingeschränkter Mittelpunkt vor der Publikum, mit großer Stimme und badete im Wohlwollen der huldigenden Zuhörer. Aus allen drei Alben, die sie bisher aufnahm, sang sie Lieder. Einige waren nicht wiederzuerkennen, teils, weil sie manchmal einen Tick am perfekten Timing vorbeisang und die Gitarristen Mühe hatten sich ihrer Tempoverschleppung anzupassen.

Manchmal aber, wie beim fröhlichen Song "Senhor vinho" versagte einfach nur die normalerweise brillante Akustik der Philharmonie. Dann war nichts zu verstehen, die Gitarren blieben Geräusch und Mariza hoppelte ihr Mikrofon schwingend tanzend im Kreis, als hätte sie eine Scherbe im Fuß. Ihr leicht vorgebeugter Oberkörper ließ sie zusätzlich aussehen, als habe sie einen Haltungsfehler. Solotänze mit auf dem Boden schleifendem Rock bergen die Gefahr, mit den Absätzen hängen zu bleiben. Am Stolpern tanzte sie gerade so vorbei. Der im Endkampf eines Fados weit nach hinten geschleuderte Arm richtete nur wegen der Größe der Bühne keinen Schaden an.

Nein, sie mag sich geben wie eine Diva, sich elegant kleiden - dass schafft sie, nachdem sie sich von den Glockenröcken trennte, doch der leise letzte Schritt zur Anmut, der fehlt ihr. Es war kein erhebendes Konzert und die wie Geschosse ins Publikum zielenden Scheinwerfer waren ein zusätzliches Ärgernis, das diesen Abend, als einen konzertant vergeudeten enden ließen. Nichts, was den Fado so sentimental und liebenswert macht, konnte Mariza vermitteln. Hier war eine hervorragende musikalische Handwerkerin dabei, ihr Konzertprogramm abzuarbeiten. An diesem Abend sang Mariza am Herzen vorbei.

Website: www.mariza.com

Photo Credit: Mariza (taken from website).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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