FolkWorld Ausgabe 34 11/2007; Artikel von Walkin' T:-)M
A Decade of Folk
Mike Kamp & Folker!
![]() www.weltmusikpreis.de |
Für 30 Jahre journalistische Tätigkeit in Sachen Folk wurde Mike Kamp in diesem Jahr der Ehren-Preis des Deutschen Weltmusikpreises RUTH verliehen. 1977 hatte Mike die Zeitschrift "Folk-Michel" gründet, 1998 fusionierte er das westdeutsche Szene-Blättchen mit dem ostdeutschen "Folksblatt" zum gesamtdeutschen "Folker!". Mit-Herausgeber und Redaktionsleiter Mike Kamp blickt zurück.
Wie fühlt man sich als frisch- gebackener RUTH-Preisträger? |
Geehrt, ziemlich gebauchpinselt. Ich habe zuerst wirklich gedacht: Was soll der
Quatsch? Ich könnte eine ganze Latte an Personen nennen, die es ebenso wie
ich verdient hätten. (Tu ich aber nicht.) Dann habe ich überlegt: Na ja, 30
Jahre sind für manche Menschen fast ein halbes Leben, das ist doch schon
enorm. Ausserdem muss man sehen, dass auch der Folker! ein Stück weit
mitgeehrt worden ist, ich also in gewisser Weise stellvertretend für all
die Mitstreiter und Mitstreiterinnen.
Dann ist das schon okay mit
der RUTH. Sie hat 'nen Ehrenplatz bei mir zuhause, so fürchterlich viele
Preise kriegt man ja nun auch wieder nicht.
Wie hast du mal zur Folkmusik gefunden? |
Ende der Sechziger hab ich erstmals die Dubliners gehört, aber eigentlich fing das schon früher an mit Blues, Chanson, Dylan, Baez etc. Das sehe ich so als Wegbereitermusik. Die Dubliners, Fairport Convention und Steeleye Span haben diesen latenten Folkvirus dann so richtig zum Ausbruch gebracht. Ich habe in den späten Sechzigern und frühen Siebzigern mit der Band Kalakan aktiv Rock gespielt. Bass und Gesang. Aber als mir diese Musik dann viel zu laut wurde und ich nicht mehr singen konnte, sondern schreien musste - es gab für Amateure wohl noch keine Monitorboxen -, da habe ich mich der eher akustischen Musik zugewandt. Theoretisch und praktisch. Wobei auch heute noch völlig klar sein muss: Folk- und Weltmusik ist nicht die bessere Musik, sie ist nur eben meine Musik.
Welche Musik hörst du am liebsten? |
In erster Linie bin ich seit weit über dreißig Jahren Hobbyschotte. Das Land ist
quasi meine spirituelle Heimat - ohne jetzt gleich metaphysisch werden zu
wollen. Danach kommt - allein schon aus familiären Gründen - die englische
Musik und, um die Insel komplett zu machen, liegt mir auch noch Wales am
Herzen.
Und intelligente Liedermacher, gerne auch mit moderneren
Stilmitteln. Generell jedoch hält sich mein Geschmack nicht gerne an
geografische oder musikalische Grenzen. Rap-Musik aus Sowjeto z.B. kann
auch ungemein spannend sein.
Musizierst du denn noch selbst aktiv? |
Nicht mehr! Damals nach meiner Rockphase war ich mit Gesang, Gitarre, Querflöte und Mandoline gemeinsam mit meinem Freund Mattes Götze, der heute noch mit der Gruppe Gambrinus Folkmusik macht, in zwei Formationen tätig: Wyhr und Zaunkönig. Irgendwann nahm einerseits die Arbeit an der Zeitschrift Überhand. Andererseits wurde mir auch die Kluft bewusst zwischen meiner Aufgabe als Musikpublizist und -kritiker und meinen eigenen, doch ein wenig limitierten Fähigkeiten als Musiker. Positiver formuliert: Ich merkte, dass mein Talent eher in der Theorie als in der Praxis lag. Man kann halt nicht alles können.
1977 war das deutsche Folk- Revival am Ende und du warst Begründer des Folk-Michels. |
Ach, die Geschichte mit dem großem kleinen schottischen Vorbild "Sandy
Bell's Broadsheet" ist schon tausendmal erzählt worden, nicht wahr?
Irgendwelche Wellen haben mich bekanntlich eh wenig interessiert. Ob das
Revival nun auf dem Scheitelpunkt war oder ihn lange überschritten hatte,
war völlig gleichgültig.
Ich war der Meinung, dass eine deutschsprachige
Zeitschrift nötig war, bei der die Liebe zur Folkmusik zu spüren ist. Da
habe ich mich einfach an die Arbeit gemacht und wie man sehen kann, ist die
Arbeit immer noch nicht völlig getan.
Wie habt ihr die 80er- Jahre überstanden? |
Weitermachen, einfach weitermachen. Ich habe damals gerne scherzeshalber gesagt: Ich hör erst auf, wenn der Virtuose auf den Highland Bagpipes generell die gleiche kritische Anerkennung genießt wie der klassische Konzertpianist. Da brauche ich wahrscheinlich noch ein bis zwei Leben, um das auf die Reihe zu kriegen.
1998 kam es zum Zusammenschluss des Folk-Michels mit dem ostdeut- schen Folksblatt zum Folker!. |
Das war ein absolut richtiger und logischer Schritt damals. Wir vom Michel
haben zwar die Initiative ergriffen, aber Jürgen Brehme vom Folksblatt
hatte bereits ähnliche Gedanken gehabt. Warum zweimal mehr oder weniger das
gleiche machen, zumal beide Zeitschriften an der gleichen Sache krankten:
ein fehlender Verlag. Wir haben dann alles zusammengeschmissen, wovon ein
paar wenige Folksblatt-Mitarbeiter nicht sonderlich begeistert waren:
Verlag in Moers, Redaktion in Bad Honnef, Layout in Witten, Anzeigen in
Leipzig und Druck in der Tschechei. Wir kannten ja von der Politik die
angebliche Wiedervereinigung von Ost und West, die im Prinzip eine
Übernahme des Ostens durch den Westen war, und sowas wollten wir unter allen
Umständen vermeiden.
Ich denke, es ist alles so fair und gleichberechtigt wie nur irgend möglich verlaufen. Zugestehen muss ich allerdings, dass ich die Fliehkräfte der Dezentralität unterschätzt habe. Viele informelle Kanäle blieben naturgemäß in Nordrhein-Westfalen, so dass sich der Jürgen im Osten manchmal und zu recht ausgeschlossen fühlte, was nie so gewollt war. Dass wir dennoch zusammengeblieben sind, hat sicherlich auch damit was zu tun, dass es trotz aller Unzulänglichkeiten menschlich ganz gut zwischen Jürgen und mir geklappt hat.
Wie und wohin hat sich der Folker! entwickelt? |
Wir haben die Auflage durch den Verlag erwartungsgemäß deutlich steigern
können und sind - ganz wichtig fürs Ansehen - an den Bahnhofskiosken
vertreten. Natürlich ist auflagenmäßig immer noch etwas Luft nach oben,
10.000 müsste eigentlich möglich sein. Optisch haben wir eine Identität
erreicht, die trotz gelegentlicher Schwächen mittlerweile absolut
professionell rüberkommt.
Und das ist uns auch wichtig: Folk ist eben nicht
klein, süss und amateurhaft, sondern darf den Vergleich mit anderen
Musikstilarten nicht scheuen.
Das gilt ebenso für die Publizistik. Auch inhaltlich kriegen wir unsere Mischung aus Folk, Lied und Weltmusik übers Jahr gesehen ziemlich ausgewogen hin. Und schließlich haben wir durchgehend Schreiber, die ihre Musik nicht nur lieben, sondern das auch sprachlich rüberbringen können. Sowas wächst nur langsam auf das gewünschte Niveau. Wichtig ist für uns Verantwortliche, sich einzugestehen, dass es immer noch viel zu verbessern gibt, dass wir uns entwickeln und offen bleiben müssen. Auch haben wir in der Vergangenheit ein paar Fehler gemacht - wäre ja noch schöner wenn nicht -, aber hoffentlich daraus gelernt.
Wie sieht der ideale |
Ganz einfach: Er oder sie muss die musikalische Toleranz und die Lust auf Neues besitzen, die wir als Macher auch haben. Scheuklappenleser können den Folker! nicht mögen und das wird sich auch nicht ändern, so lange ich was mit der Zeitschrift zu tun habe. Ein Fachmagazin z.B. exklusiv für schottische Folkmusik fände ich selbst als Hobbyschotte ziemlich langweilig und beschränkt, wenn ich sehe, wieviel andere spannende Musiken es weltweit gibt.
In diesem Sinne: Verschärfte und allerherzlichste Gratulation zu 10 Jahre FolkWorld. Da ist doch online auch was entstanden, das von der Liebe zur Musik geprägt ist.
Folker! – Das Magazin für Folk, Lied und Weltmusik - erscheint zweimonatlich im Christian-Ludwig-Verlag. Ein Einzelheft kostet 5,- Euro, das Jahresabo 25,– Euro. |
Photo Credits:
(1) Mike Kamp (by RUTH Weltmusikpreis);
(2) Hubert von Goisern,
(3) Pete Seeger,
(4) Mari Boine,
(5) Arlo Guthrie,
(6) Liederjan
(by Folker!).
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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2007
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