FolkWorld Ausgabe 37 11/2008; Liedersammlung
'S ist wieder März geworden
Lieder des Vormärz und der Revolution 1848/1849
Vor 160 Jahren fand in den deutschen Staaten die Erhebung des liberalen Bürgertums für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit statt. Sind die sogenannte Märzrevolution und ihre Lieder in Vergessenheit geraten und stoßen nur noch auf Desinteresse? Oder frei nach Süverkrüp: Thront der 'Geldsack' nicht höher und höhnischer denn je über allem? Ist der 'gute Untertan' abhanden gekommen? Feiert die 'deutsche Zufriedenheit' nicht geradezu unheimliche Urständ?
ZeittafelVorrevolutionäre Entwicklung
Übergangsphase zur Märzrevolution
Revolutionäre Entwicklung ab Feb. 1848
Nachwirkungen bis Oktober 1849
Quelle: de.wikipedia.org (März 2008) |
'S ist wieder März geworden (1848/49)
'S ist wieder März geworden - vom Frühling keine Spur!
Ein kalter Hauch aus Norden erstarret rings die Flur.
'S ist wieder März geworden - März, wie es eh'dem war:
Mit Blumen, mit verdorrten, erscheint das junge Jahr.
Mit Blumen, mit verdorrten? O nein, doch das ist Scherz -
Gar edle Blumensorten bringt blühend uns der März.
Seht doch die »Pfaffenhütchen«: den »Rittersporn«, wie frisch!
Von den gesternten Blütchen - welch farbiges Gemisch!
Der März ist wohl erschienen. doch ward es Frühling? - nein!
Ein Lenz kann uns nur grünen im Freiheitssonnenschein.
Seht hier den »Wütrich« thronen, beim »Tausendgüldenkraut«,
Dort jene »Kaiserkronen« - die »Königskerze« schaut!
Wie zahlreich die »Mimosen«, das »Zittergras« wie dicht.
Doch freilich »rote Rosen« - die kamen diesmal nicht.
Die Gedanken sind frei (um 1800)
Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Sie fliegen vorbei wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen
Mit Pulver und Blei – Die Gedanken sind frei!
Ich denke, was ich will und was mich beglücket,
Doch alles in der Still und wie es sich schicket.
Mein Wunsch und Begehren kann niemand verwehren,
Es bleibet dabei: Die Gedanken sind frei!
Und sperrt man mich ein in finstere Kerker,
Das alles sind rein vergebliche Werke,
Denn meine Gedanken zerreißen die Schranken
Und Mauern entzwei – Die Gedanken sind frei!
Ich liebe den Wein, mein Mädchen vor allen,
Sie tut mir allein am besten gefallen.
Ich bin nicht alleine bei meinem Glas Weine,
Mein Mädchen dabei – Die Gedanken sind frei!
Drum will ich auf immer den Sorgen entsagen
Und will mich auch nimmer mit Grillen mehr plagen.
Man kann ja im Herzen stets lachen und scherzen
Und denken dabei – Die Gedanken sind frei!
Fürsten zum Land hinaus (um 1830)
Fürsten zum Land hinaus, nun kommt der Völkerschmaus!
Raus!
Erst jagt den Kaiser Franz, dann den im Siegerkranz!
Schub!
Bayernland ans Gewehr, Ludwig geniert gar sehr!
Fort!
Adlig Hannoverland, du wirst zur Affenschand!
Pfui!
Der schönste Schwabenstreich war Wilhelm aus dem Reich!
Raus!
Sachsen wo bleibst du dann? Der Mitregent muss dran!
Auf!
Zarter Kurfürstensohn, dein Stündlein läutet schon!
Bim!
Jagt den Vermeintlichen, bürgerlich freundlichen!
Hetzt!
Odenwald schleift die Sens, zieh in die Residenz!
Au!
Jagt über Feld und Au, NasSau und DesSau!
Heißa Sau!
Greiz, Schleitz und Lobenstein, husch in ein Mausloch hinein!
Katz!
Lichtenstein und Vaduz, ist ja nur lauter Utz!
Utz!
Braunschweig und Mecklenburg brennen beizeiten durch!
Durch!
Die freien Städte auch, sind ja nur Bäckerrauch!
Ha!
Quote milieu träges Thier, Rothschild und Staatspapier!
Hepp!
Jagt all die Dreißiger, Fußvolk und Reißige!
Piff, Paff, Piff, Puff, Paff!
Nun ist's im Lande Raum, jetzt pflanzt den Freiheitsbaum!
Hoch!
Die freie Republik (1837)
In dem Kerker saßen zu Frankfurt an dem Main
Schon seit vielen Jahren sechs Studenten ein
Die für die Freiheit fochten und für das Bürger Glück
Und für die Menschenrechte der freien Republik
Und der Kerkermeister sprach es täglich aus:
Sieh, Herr Bürgermeister, es reißt mir keiner aus
Und doch sind sie verschwunden abends aus dem Turm
Um die zwölfte Stunde bei dem großen Sturm
Und am andern Morgen hört’ man den Alarm
O es war entsetzlich der Soldatenschwarm
Sie suchten auf und nieder, sie suchten hin und her
Sie suchten sechs Studenten und fanden sie nicht mehr
Doch sie kamen wieder mit Schwertern in der Hand
Auf, ihr deutschen Brüder, jetzt geht’s fürs Vaterland
Jetzt geht’s für Menschenrechte und für das Bürgerglück
Wir sind doch keine Knechte der freien Republik
Und wenn die Leute fragen: Wo ist Absalom?
So dürft ihr ihnen sagen: O der hänget schon
Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick
Sondern an dem Glauben der freien Republik
Deutsche Zufriedenheit (19. Jhd.)
Mitbürger, ach, seid doch zufrieden und schickt Euch in die böse Welt;
Das Los, das Euch von Gott beschieden, trag jeder als ein Christ, ein Held.
Wer nur den lieben Gott läßt walten, der läßt auch alles hübsch beim alten:
Es gibt auf Erden weit und breit nichts Schön'res als Zufriedenheit.
Wenn Ihr als arme Schlucker lungert, wenn's Hemd Euch durch die Hose blickt,
Wenn Ihr vor'm Haus der Reichen hungert, und wenn der Frost Euch kneipt und zwickt,
Bedenkt: es kann ja hier auf Erden doch nicht ein jeder glücklich werden.
Den Großen Glück und Herrlichkeit, dem Volke - die Zufriedenheit.
Von Gottes Gnaden ist der König, wir sind nur seinetwegen da;
Und murren wir einmal ein wenig, schießt man uns tut - halleluja!
So tät man's allerorten treiben, so ist's, so sei's so muß es bleiben.
Drum, liebes Volk, sei doch gescheit, bewahre die - Zufriedenheit.
Zufriedenheit sei meine Freude, Zufriedenheit sei meine Lust.
In meinem abgeschabten Kleide hersch dies Gefühl in meiner Brust!
Und bin ich gleich verlumpt, verdorben, vor Hunger endlich ganz gestorben,
So schreibt aufs Grab mir groß und breit: Der Kerl starb an - Zufriedenheit.
Leicht Gepäck (Georg Herwegh, 1840)
Ich bin ein freier Mann und singe mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe, ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste, von der man Länder übersieht,
Ich wohn ein Vogel nur im Neste, mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Ich durfte nur, wie andre, wollen, und wär nicht leer davongeeilt,
Wenn jährlich man im Staat die Rollen den treuen Knechten ausgeteilt;
Allein ich hab nie zugegriffen, so oft man mich herbei beschied,
Ich habe fort und fort gepfiffen, mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Der Lord zapft Gold aus seiner Tonne und ich aus meiner höchstens Wein;
Mein einzig Gold die Morgensonne, mein Silber all der Mondenschein!
Färbt sich mein Leben herbstlich gelber, kein Erbe, der zum Tod mir riet;
Denn meine Münzen prägt ich selber; mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Gern sing ich abends zu dem Reigen, vor Thronen spiel ich niemals auf;
Ich lernte Berge wohl ersteigen, Paläste komm ich nicht hinauf;
Indes aus Moder, Sturz und Wettern sein golden Los sich mancher zieht,
Spiel ich mit leichten Rosenblättern; mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Nach dir, nach dir steht mein Verlangen, o schönes Kind, o wärst du mein!
Doch du willst Bänder, du willst Spangen, und ich soll dienen gehen? Nein!
Ich will die Freiheit nicht verkaufen, und wie ich die Paläste mied,
Laß ich getrost die Liebe laufen; mein ganzer Reichtum sei mein Lied.
Das Lied vom Hasse (Georg Herwegh, 1841)
Wohlauf, wohlauf, über Berg und Fluß dem Morgenrot entgegen,
Dem treuen Weib den letzten Kuß, und dann zum treuen Degen!
Bis unsre Hand in Asche stiebt, soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt, und wollen endlich hassen!
Die Liebe kann uns helfen nicht, die Liebe nicht erretten;
Halt du, o Haß, dein jüngst Gericht, brich du, o Haß, die Ketten!
Und wo es noch Tyrannen gibt, die laßt uns keck erfassen;
Wir haben lang genug geliebt, und wollen endlich hassen!
Wer noch ein Herz besitzt, dem soll's im Hasse nur sich rühren;
Allüberall ist dürres Holz, um unsre Glut zu schüren.
Die ihr der Freiheit noch verbliebt, singt durch die deutschen Straßen:
"Ihr habet lang genug geliebt, o lernet endlich hassen!"
Bekämpfet sie ohn' Unterlaß, die Tyrannei auf Erden,
Und heiliger wird unser Haß, als unsre Liebe, werden.
Bis unsre Hand in Asche stiebt, soll sie vom Schwert nicht lassen;
Wir haben lang genug geliebt, und wollen endlich hassen!
Sum ergo cogito (Hoffmann von Fallersleben, 1842)
Laßt uns unsern Geist versenken in des Wissens tiefstes Meer
Laßt uns denken, immer denken, ei, das ziert den Deutschen sehr
Und wenn man uns fragt: Wie geht’s? – fallera
Sagen wir: wir denken stets! – fallerahahaha
Alles denkt bei uns zu Lande, das ist deutsche Sitt’ und Brauch
Ja man denkt in jedem Stande, Schuster, Schneider denken auch
Und wenn sie auch nichts gemacht, sagen sie: wir habn gedacht!
Denken muß der Deutsche immer, Wo er sitzt und geht und steht
Und er läßt das Denken nimmer, wenn’s auch noch so schlecht ihm geht
Und sein Trost, sein Glück und Heil ist: ich denke mir mein Teil!
Du Gedankenland auf Erden, wenn dein Denken wird zur Tat
Ei, was kann aus dir noch werden, kommt’s nur etwa nicht zu spat
Daß man fragt: was machtet ihr? Und ihr sagt: stets dachten wir!
Der deutsche Philister (Hoffmann von Fallersleben, 1843)
Der deutsche Philister das bleibet ein Mann
Auf den die Regierung vertrauen noch kann
Der passet zu ihren Beglückungsideen,
Der läßt mit sich alles gutwillig geschehn
Befohlenermaßen ist stets er bereit
Zu stören, zu hemmen den Fortschritt der Zeit
Zu hassen ein jegliches freies Gemüt
Und alles, was lebet, was grünet und blüht
Sprich, deutsche Geschichte, bericht es der Welt
Wer war doch dein größter, berühmtester Held?
Der deutsche Philister, der deutscheste Mann
Der alles verdirbt, was man Gutes begann
Was schön und erhaben, was wahr ist und recht
Das kann er nicht leiden, das findet er schlecht
So ganz wie er selbst ist, so kläglich, gemein
Hausbacken und ledern soll alles auch sein
Solang der Philister regieret das Land
Ist jeglicher Fortschritt daraus wie verbannt
Denn dieses erbärmliche, feige Geschlecht
Das kennet nicht Ehre, nicht Tugend und Recht
Du Sklav der Gewohnheit, du Knecht der Gewalt
O käme dein Simson, o käm er doch bald
Du deutscher Philister, du gräßlichste Qual
0 holte der Teufel dich endlich einma
Doch leider hat Beelzebub keinen Geschmack
An unsern Philistern, dem lumpigen Pack
Und wollten sie selber hinein in sein Haus
So schmiß er die Kerle zum Tempel hinaus
Sah ein Fürst ein Büchlein stehn (Lebrecht Dreves, 1843)
Sah ein Fürst ein Büchlein stehn in des Ladens Ecken
Ging er rasch, es durchzusehn, las es noch vorm Schlafengehn
Doch mit tausend Schrecken, Büchlein, Büchlein, Büchlein keck
Aus des Ladens Ecken
König sprach: »Ich unterdrücks Büchlein aus dem Laden«
Büchlein lachte: »O des Glücks! Dann liest man mich hinterrücks
Und das kann nicht schaden«, Büchlein, Büchlein, Büchlein keck
Büchlein aus dem Laden
Und der gute Fürst verbot ’s Büchlein in dem Lande
Büchlein aber litt nicht Not, ging recht weg wie warmes Brot
Ging von Hand zu Hande, Büchlein, Büchlein, Büchlein keck
Büchlein bleibt im Lande
Das erwachte Bewusstsein (Hoffmann von Fallersleben, 1844)
Bei einer Pfeif Tabak, bei einer Pfeif Tabak,
Bei einer guten Pfeif Tabak und einem Glase Bier
Politisieren wir
Juja juja, gar glücklich ist fürwahr der Staat
Der solche Bürger hat, der solche Bürger hat
Da wird dann viel erzählt, da wird dann viel erzählt
Gar viel und mancherlei erzählt, gestritten und gelacht
Und mancher Witz gemacht ...
Dann stoßen wir auch an, dann stoßen wir auch an
Auch auf die deutsche Freiheit an und unsre Polizei
Sitzt fröhlich mit dabei ...
Und wenn die Stunde schlägt und wenn die Stunde schlägt
Und wenn die letzte Stunde schlägt, löscht man die Lichter aus
Und wir gehn brav nach Haus ...
Freifrau von Droste-Vischering (Rudolf Löwenstein, 1844)
Freifrau von Droste-Vischering, Vi-, Va-, Vischering
zum heilgen Rock nach Trier ging, Tri-, Tra-, Trier ging
Sie kroch auf allen Vieren, sie tat sich sehr genieren
Aie wollt gern ohne Krücken duch dieses Leben rücken
Ach herrje, herrjemine ach, herrje, herrjemine
Ach herrje, herrjemine Josef und Maria!
Sie schrie, als sie zum Rocke kam, Ri-, Ra-, Rocke kam:
"Ich bin an Händ´ und Füßen lahm, Fi-, Fa, Füßen lahm
Du Rock bist ganz unnähtig drum bist du auch so gnädig
Hilf mir in deinem Lichte ich bin des Bischofs Nichte" ...
Drauf gab der Rock in seinem Schrein, si-, sa-, seinem Schrein
Auf einmal einen hellen Schein, hi-, ha-hellen Schein
Der fuhr ihr in die Glieder, sie kriegt das Laufen wieder
Getrost zog sie von hinnen die Krücken ließ sie drinnen ...
Freifrau von Droste-Vischering, Vi-, Va-, Vischering
Noch selb´gen Tags zum Kuhschwof ging, Ki-, Ka-, Kuhschwof ging
Dies Wunder göttlich grausend geschah im Jahre tausend
Achthundertvierundvierzig und wer´s nicht glaubt, der irrt sich ...
Das Hungerlied (Georg Weerth, 1844)
Verehrter Herr und König, weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig, und am Dienstag aßen wir nicht.
Und am Mittwoch mußten wir darben, und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben wir fast den Hungertod!
Drum laß am Samstag backen das Brot, fein säuberlich -
Sonst werden wir sonntags packen und fressen, o König, dich!
Das Blutgericht (1844)
Hier im Ort ist ein Gericht, viel schlimmer als die Vehme
Wo man nicht erst ein Urtheil spricht, das Leben schenn zu nehmen
Hier wird der Mensch langsam gequält, hier ist die Folterkammer
Hier werden Seufzer viel gezählt als Zeuge von dem Jammer
Hier Herren Zwanziger die Henker sind, die Diener ihre Schergen
Davon ein jeder tapfer schindt, anstatt was zu verbergen
Ihr Schurken all, ihr Satansbrut, ihr höllischen Dämone
Ihr freßt den Armen Hab und Gut, und Fluch wird Euch zum Lohne
Ihr seyd die Quelle aller Noth, die hier den Armen drücket
Ihr seyd´s, die ihm das trockene Brot noch vor dem Mund wegrücket
Kömmt nun ein armer Weber an, die Arbeit wird besehen
Findt sich der kleinste Fehler dran, so ist`s um Euch geschehen
Erhält er dann den kargen Lohn wird ihm noch abgezogen
Zeigt ihm die Thür, und Spott und Hohn kommt ihm noch nachgeflogen
Hier hilft kein Bitten und kein Flehn, umsonst ist alles Klagen
Gefällt’s euch nicht, so könnt ihr geh’n, am Hungertuche nagen
Nun denke man sich diese Noth und Elend solcher Armen
Zu Hause oft kein Bissen Brodt, ist das nicht zum Erbarmen ?
Erbarmen, ha! Ein schön Gefühl, euch Kannibalen fremde,
Und jedes kennt schon Euer Ziel, der Armen Haut und Hemde
O, Euer Geld und Euer Gut, das wird dereinst vergehen
Wie Butter an der Sonne Gluth ,wie wird`s dann um Euch stehen
Wenn ihr dereinst nach dieser Zeit, nach diesem Freudenleben
Dort, dort in jener Ewigkeit, sollt Rechenschaft abgeben
Doch ha, sie glauben keinen Gott noch weder Hölle, Himmel,
Religion ist nur ihr Spott, hält sich an´s Weltgetümmel.
Ihr fangt stets an zu jeder Zeit, den Lohn herabzubringen
Und andere Schurken sind bereit, dem Beispiel nachzuringen
Der Reihe nach folgt Fellmann jetzt, ganz frech ohn alle Bande
Bei ihm ist auch herabgesetzt, das Lohn zur wahren Schande
Die Gebrüder Hoferichter hier, was soll ich von ihn´n sagen
Geschindet wird hier nach Willkühr, dem Reichtum nachzujagen
Und hat ja Einer noch den Muth, die Wahrheit Euch zu sagen
So kommt´s soweit, es kostet Blut, und den will man verklagen
Herr Kamlot, Langer genannt, der wird dabei nicht fehlen
Einem jeden ist es wohlbekannt, viel Lohn mag er nicht zählen
Von Euch wird für ein Lumpengeld die Ware hingeschmissen
Was Euch dann zum Gewinne fehlt, wird Armen abgerissen
Sind ja noch welche, die der Schmerz der armen Leut beweget
In deren Busen noch ein Herz voll mitgefühle schläget
Die müssen von der Zeit gedrängt auch in das Gleis einlenken
Und Eurer Beispiel eingedenk sich in den Lohn einschränken
Ich frage: Wem ist’s wohlbekannt, wer sah vor zwanzig Jahren
Den übermüthgen Fabrikant in Staatskarossen fahren?
Sah man wohl dort zu jener Zeit Paläste hocherbauen
Mit Thüren, Fenstern prächtig weit, fast fürstlich anzuschauen.
Wer traf wohl da Hauslehrer an, bei einem Fabrikanten
Mit Livreen Kutscher angetan, Domestiken, Gouvernanten ?
Ein neues Lied (Heinrich Heine, 1844)
Im traurigen Monat November war's, die Tage wurden trüber,
Der Wind riß von den Bäumen das Laub, da reist ich nach Deutschland hinüber.
Und als ich an die Grenze kam, da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar die Augen begunnen zu tropfen.
Und als ich die deutsche Sprache vernahm, da ward mir seltsam zumute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz recht angenehm verblute.
Ein kleines Harfenmädchen sang. Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr gerühret von ihrem Spiele.
Sie sang von Liebe und Liebesgram, Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt, wo alle Leiden schwinden.
Sie sang vom irdischen Jammertal, von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt verklärt in ew'gen Wonnen.
Sie sang das alte Entsagungslied, das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint, das Volk, den großen Lümmel.
Ich kenne die Weise, ich kenne den Text, ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiß, sie tranken heimlich Wein und predigten öffentlich Wasser.
Ein neues Lied, ein besseres Lied, o Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein, und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch, was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust, und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann, sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir den Engeln und den Spatzen.
Und wachsen uns Flügel nach dem Tod, so wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch die seligsten Torten und Kuchen.
Ein neues Lied, ein besseres Lied, es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei, die Sterbeglocken schweigen.
Die Jungfer Europa ist verlobt mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm, sie schwelgen im ersten Kusse.
Und fehlt der Pfaffensegen dabei, die Ehe wird gültig nicht minder -
Es lebe Bräutigam und Braut, und ihre zukünftigen Kinder!
Ein Hochzeitcarmen ist mein Lied, das bessere, das neue!
In meiner Seele gehen auf die Sterne der höchsten Weihe -
Begeisterte Sterne, sie lodern wild, zerfließen in Flammenbächen -
Ich fühle mich wunderbar erstarkt, ich könnte Eichen zerbrechen!
Seit ich auf deutsche Erde trat, durchströmen mich Zaubersäfte -
Der Riese hat wieder die Mutter berührt, und es wuchsen ihm neu die Kräfte.
Die schlesischen Weber (Heinrich Heine, 1844)
Im düstern Auge keine Thräne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
Altdeutschland wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten,
In Winterskälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt,
Und uns wie Hunde erschießen läßt –
Wir weben, wir weben!
Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulniß und Moder den Wurm erquickt –
Wir weben, wir weben!
Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht –
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch,
Wir weben, wir weben!
Michels Abendlied (Hoffmann von Fallersleben, 1845)
Ich bin ein freier Mann, nie ficht die Furcht mich an.
Für Fortschritt nehm' ich stets Partei, ich denke, red´ und handle frei -
Mit Polizeierlaubnis, Erlaubnis.
Ich habe Kraft und Mut, zu opfern Gut und Blut:
Ich gebe Geld, ich sammle Geld für die Verfolgten aller Welt -
Wenn’s nur nicht ist verboten, verboten.
Ich bin beseelt zumal für das was liberal.
Zu Dankadressen nah und fern geb’ ich auch meinen Namen gern -
wenn’s nur nicht ist gefährlich, gefährlich.
Ich bin ganz rücksichtslos, ich werde furios,
ich schimpf' und fluch' auf Tyrannei, Zensur, geheime Polizei -
wenn niemand ist zugegen, zugegen.
O wag es doch nur einen Tag (Georg Herwegh, 1845)
Frisch auf, mein Volk, mit Trommelschlag im Zorneswetterschein!
O wag es doch, nur einen Tag, nur einen, frei zu sein!
Und ob der Sieg vor Sternenlicht dem Feinde schon gehört –
Nur einen Tag! es rechnet nicht ein Herz, das sich empört.
O wart in deiner tiefen Not auf keinen Ehebund;
Wer liebt, der gehet in den Tod für eine Schäferstund:
Und wer die Ketten knirschend trug, dem ist das Sterben Lust
Für einen freien Atemzug aus unterdrückter Brust.
Laß deine Weisen fort und fort nur Tod und Schrecken sehn,
Dem Volk soll vor Prophetenwort der Ruf der Ehre gehn.
Horch auf, der letzte Würfel fällt, dein Abend, er ist nah,
Noch einmal stehe vor der Welt in deiner Größe da!
O tilg nur einen Augenblick aus deiner Sklaverei,
Und zeig dem grollenden Geschick, daß sie nicht ewig sei;
Erwach aus deinem bösen Traum: reif ist, die du gesucht,
Und schüttle nicht zu spät vom Baum, wenn sie gefault, die Frucht.
Wach auf! wach auf! die Morgenluft schlägt mahnend an dein Ohr –
Aus deiner tausendjähr'gen Gruft empor, mein Volk, empor!
Laß kommen, was da kommen mag: Blitz auf, ein Wetterschein!
Und wag's, und wär's nur einen Tag, ein freies Volk zu sein!
Bürgerlied (1845)
Ob wir rote, gelbe Kragen, Helme oder Hüte tragen, Stiefel tragen oder Schuh;
Oder ob wir Röcke nähen und zu Schuhen Drähte drehen: Das tut, das tut nichts dazu.
Ob wir können präsidieren oder müssen Akten schmieren, ohne Rast und ohne Ruh;
Ob wir just Collegia lesen oder aber binden Besen: Das tut, das tut nichts dazu.
Ob wir stolz zu Rosse reiten, oder ob zu Fuß wir schreiten fürbaß unserm Ziele zu;
Ob uns Kreuze vorne schmücken oder Kreuze hinten drücken: Das tut, das tut nichts dazu.
Aber ob wir Neues bauen oder Altes nur verdauen, wie das Gras verdaut die Kuh;
Ob wir in der Welt was schaffen oder nur die Welt begaffen: Das tut, das tut was dazu.
Ob im Kopfe etwas Grütze und im Herzen Licht und Hitze, daß es brennt in einem Nu;
Oder ob wir hinter Mauern stets im Dunkeln träge kauern: Das tut, das tut was dazu.
Ob wir rüstig und geschäftig, wo es gilt zu wirken kräftig, immer tapfer greifen zu;
Oder ob wir schläfrig denken: Gott wird’s schon im Schlafe schenken! Das tut, das tut was dazu
Drum ihr Bürger, drum ihr Brüder, alle eines Bundes Glieder, was auch jeder von uns tu
Alle, die dies Lied gesungen, so die Alten wie die Jungen, tun wir, tun wir was dazu!
Bürgermeister Tschech (1845)
War wohl je ein Mensch so frech wie der Bürgermeister Tschech?
Denn er traf um knapp ein Haar unser teures Königspaar
Kaum die Uhr stand auf halb acht, war noch niemand da, der da Schäbiges dacht
Kam der Mann ganz ungeniert durchs Portal hereinspaziert
’S Königspaar tritt grad heraus, sehen beide noch ganz wie Versoffene aus
Tschech zieht sein Pistol hervor, schießt dem König fast ins Ohr
Ihm ging’s durch’n Mantel, ihr ging’s durch’n Hut.
Ihm ging’s durch’n Mantel und ihr ging’s durch, durch und durch durch’n Hut
Ja, der Landesmutter schoß er durch mittendurch und durch durch’n Rock
In das Unterfutter von dem Rock, von dem hochwohlgeborenen Rock.
Hatte je ein Mensch so’n Pech wie der Bürgermeister Tschech?
Denn es trug der Bösewicht unsern Gott im Herzen nicht
Pocken trug er im Gesicht, weiter sah man an ihm was Verdächtiges nicht
Als der König ihn erblickt, von Gendarmen ganz umstrickt
Dreht er sich zum Volk und spricht: «Kinder, ick habe nischt von dem Schuß abjekrischt!»
Dick und fett, es fehlt ihm wenig, ales brüllt: «Es lebe der König!»
Ihm ging’s durch’n Mantel ...
Hatte je ein Mensch so’n Pech wie der Bürgermeister Tschech?
Daß er diesen dicken Mann auf zwei Schritt nicht treffen kann
Herr Biedermeier (Ludwig Pfau, 1846)
Schau, dort spaziert Herr Biedermeier, und seine Frau, den Sohn am Arm;
Sein Tritt ist sachte wie auf Eier, sein Wahlspruch: Weder kalt noch warm.
Das ist ein Bürger hochgeachtet, der geistlich spricht und weltlich trachtet;
Er wohnt in jenem schönen Haus und - leiht sein Geld auf Wucher aus.
Regierlich stimmt er bei den Wahlen, denn er mißbilligt allen Streit;
Obwohl kein Freund vom Steuerzahlen, verehrt er sehr die Obrigkeit.
Aufs Rathaus und vor Amt gerufen, zieht er den Hut schon auf den Stufen;
Dann aber geht er stolz nach Haus und - leiht sein Geld auf Wucher aus.
Am Sonntag in der Kirche fehlen, das wäre gegen Christenpflicht;
Da holt er Labung seiner Seelen - und schlummert, wenn der Pfarrer spricht.
Das führt ihn lieblich bis zum Segen, den nimmt der Wackre fromm entgegen.
Dann geht er ganz erbaut nach Haus und - leiht sein Geld auf Wucher aus.
Ach! Wandrer, die gen Westen streben! Wie rühret ihre Not sein Herz!
Wohl sieht er sammeln, doch zu geben, vergißt er ganz in seinem Schmerz.
»Ihr Schicksal ruht in Gottes Händen!« spricht er - dann geht er auszupfänden,
Nimmt einem Schuldner Hof und Haus und - leiht sein Geld auf Wucher aus.
Den einz'gen, hoffnungsvollen Sprossen - denn mehr, das wäre Überfluß -
Den hält er klösterlich verschlossen: die Sünde stammt ja vom Genuß.
Die Mutter führt ihr Küchlein sittig wie eine Henne unterm Fittig;
Sie sorgt für strenge Zucht im Haus und - leiht ihr Geld auf Wucher aus.
O edles Haus! o feine Sitten! Wo jedes Gift im Keim erstickt,
Wo nur gepflegt wird und gelitten, was gern sich duckt und wohl sich schickt.
O fromme Bildung! Glaubensblüte, daß der Besitz dich heg' und hüte! -
Respekt muß sein in Staat und Haus: sonst - geht dem Geld der Wucher aus.
Ich bin ein guter Untertan (Adolf Glaßbrenner, 1848)
Ich bin ein guter Untertan, das leidet keinen Zweifel
Mein Fürst, das ist ein frommer Mann, o wär´ er doch beim teu-
ren Volke immer, so würd´ es niemals schlimmer.
Wir haben ihn wohl of betrübt, doch nimmermehr belogen,
Er sagte, daß er uns geliebt, doch hat er uns betro-
ffen oft auf Taten, die er uns nicht geraten.
Die Staatsbeamten taten recht, sie wahrten seine Rechte,
Und der war ihm der liebste Knecht, der sich recht viel erfre-
freulich zu uns neigte und Mitleid uns bezeigte.
Der Schwur, den er geleistet hat, Erfüllung alles dessen,
Was seine Pflicht an Gottes statt, den hat er ganz verge-
bens halten wollen, es hat nicht glücken sollen.
Die Polizei, die dazu da, das wilde Volk zu zügeln,
Dich möchte ich nur einmal, ja, so recht von Herzen prü-
fen und dich fragen, Wer über dich könnt' klagen.
Ihr Ritter des Philistertums und ihr gelehrten Raben
Am Friedenshof des Altertums, o, lasst euch doch begr-
eiflich all machen, wie sehr wir euch bewachen
Ihr Mönche, vornehm, schwarz und weiss, das Volksglück, das verpuffte
Wir eurer steten Mühe Preis, denn ihr seid große schu-
lgerechte Lehrer und fleißige Bekehrer
Ihr Stolzen, ihr im deutschen Land vom Rheine bis nach Polen
Ihr seid mir durch und durch bekannt, euch soll der Kuckuck ho-
hes Alter melden, euch weisen Friedenshelden
Schulerbuben's Wanderlust (Ludwig Eichrodt, 1848)
Nach Italien, nach Italien
Möcht' ich, Alter, jetzt einmaligen,
Wo die Pommeranze wohnt:
Wo die wunderschönen Mädchen
Unter süßen Triollettchen
Singen wandelnd unterm Mond -
Dahin, Alter, laß mich ziehn!Nach Sicilien, nach Sicilien
Sollst Du in die Reise willigen,
Wo von Wolken nicht die Spur:
Wo die Menschen müßig gehen,
Wo die Augen ewig sehen
In das himmlische Azur -
Dahin, Alter, laß mich ziehn!Nach Hispanien, nach Hispanien
Laß mich, Alter, auch hinanigen,
Wo der Zigarito weilt;
Wo die stolzen Donnen kosen,
Wo die edlen Räuber tosen,
Und die Wunde niemals heilt -
Dahin, Alter, laß mich ziehn!Nach Algerien, nach Algerien Laß mich in den Osterferien, Hehrer Alter, laß mich gehn; Wo die Datteln heimlich reifen, Wo die Arabesken schweifen, Und die Antilopen stehn - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Aegypten, nach Aegyptigen Laß mich ziehn mit der Geliebtigen, Wo der Sturm der Küste pfeift; Wo der Weise stets zufrieden Auf erhab'nen Pyramiden Stumm in seinen Busen greift - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Arabien, nach Arabien Laß mich mit dem Wanderstabigen, Wo der Emir einsam trinkt; Wo die edlen Wüsten brennen, Wo die flinken Stuten rennen, Und die Karawane klingt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem Lande Palästinien Dem gelobten, laß mich ziehnigen, Wo der ew'ge Oelkrug rauscht; Wo die Büßer sich bestrafen, Wo das Meer sich todt geschlafen, Und der Hirt den Zedern lauscht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kleinasien, nach Kleinasien Sende mich, dem wellengrasigen, Wo die sanfte Sclavin sitzt; Wo die Palmenwälder glühen, Wo die heil'gen Löwen fliehen, Wo's am blauen Himmel blitzt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Türkanien, nach Türkanien Zieht mich's unwiderstehlich anigen, Wo der Pascha mordend schmaucht; Wo die Dardanellen sausen, Wo die krummen Säbel hausen, Und man so viel Geld verbraucht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach den Thälern der Hellenigen, Thut mein Sinn sich mächtig sehnigen, Wo der Boden klassisch schweigt; Wo der eingestürzte Tempel Seines Alters düstern Stempel Aus beredten Trümmern zeigt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Wallachien, nach Wallachien Laß mich einen Ausflug machigen, Wo sich krümmt der Hospodar; Wo die Russen sich geberden, Wo die Rosse anders werden, Und so manches noch nicht klar - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Croatien, nach Croatien Laß mich ziehn, wo durch Dalmatien, Brummend rennt die Drau und Sau; Wo der kluge Banus waltet, Wo der Mantel roth sich faltet, Und für's U man macht ein Vau - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Magyarien, nach Hungarien, Schwärmt ich schon in jungen Jahrigen, Wo das Roß die Zügel beißt; Wo die ew'gen Sporen klirren, Wo aus güldenen Geschirren Der gesammte Adel speist - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach der Flur der alten Schwedigen Will ich mich des Drangs entledigen, Wo der Dalkerl sich verpelzt, Wo durch Belte, geographisch, Kattegattlich der Walafisch In das Skagerak sich wälzt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem Land der sieben Bürgen Nördlich von dem Land der Türgen Laß mich schlupfen durch den Paß; Wo der Sachse freundlich mäckelt, Wo der Szekler furchtbar szekelt, Und der rothe Thurm kein Spaß - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Brittannien, Großbrittannien, Boxet mich der Spleen von dannigen, Wo das Parlament sich dehnt; Wo die Sonne schwimmt im Nebel, Wo der Mensch lebt comfortebel, Und der hohe Bootsmann gähnt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Gallizien, nach Gallizien Hab' ich schändliche Kupizigen, Wo der Jude häufig hegt; Wo die Waldschlucht voll der Schauer, Wo der schwarzgelockte Bauer Lächelnd seinen Herrn versägt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Polakkien, nach Pollakkien Lasse mich den Ranzen packigen, Wo die Sense blutig schwillt; Wo man lebt auf bösem Fuße, Wo der lärmende Krakuse Sich in seinen Mantel hüllt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem eis'gen Moskowitien Möcht' ich einen Paß besitzigen, Wo der Pope lebt und leibt; Wo das Volk lebt in Verblendung, Wo der Czaar in starrer Wendung Seinen grimmen Ukas schreibt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Norwegien, nach Norwegien Lasse mich den Fuß bewegigen, Wo der Fels gen Himmel schreit: Wo der Ocean sich brandet, Wo der Lotse fröhlich strandet, Und von fern der Hekla speit - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem grünen Land der Iren Möcht' ich, Alter, mich verlieren, Wo die armen Teufel sind; Wo sich die Mylords, die reichen, Freuen der Kartoffelseuchen, Und der Mensch mit O' beginnt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! In dem hohen Land der Schotten Möcht' ich mich zusammenrotten, Mit den Söhnen edler Lairds; Wo für Ossians Nebelhalden Noch dem Sprößling wilder Skalden Glühet sein gewürfelt Herz - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach der Mark der kecken Dänen Schwärm' ich mit des Nordlands Schwänen, Wo der Sundzoll gierig schnaubt; Wo sich die Fregatten rüsten, Und die Scharlachröcke brüsten, Und man sich so viel erlaubt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Provanzien, nach Provanzien Eil' ich, dem olivenranzigen, Wo das Reich der Minne stund; Wo die Troubadoure johlten, Wo die Päpste sich erholten, Und die Dame hielt den Mund - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Hollandien, nach Hollandien Fahr' ich hin, dem dünensandigen, Wo die Treckschwit schwappelt schwer, Wo mit Wechseln aller Welten Unter köstlichen Gemäldten Wandelt hin der Millionär - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Hin nach Belgien, fort nach Flandern, Werd' ich dann, o Vater, wandern, Wo die Industrie sich spreizt; Wo der Handel blüht, der Wandel, Wo der Wandel für den Handel Stets Locomotiven heizt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Franzosien, nach Franzosien, Wo die Rebellion ging losigen, Reißt es meine Jünglingsbrust; Wo die Marselljäse strotzet, Wo der Flüchtling friedlich trotzet, Seiner Menschlichkeit bewußt - Dahin, Alter, laß' mich ziehn! Nach dem tapfern Portugallien Lasse mich den Gürtel schnalligen, Wo die Waldung korken knarrt; Wo das Porto feurig fackelt, Wo der Boden haltlos wackelt, Und das Haus Braganza starrt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Helvezien, nach Helvezien Lasse mich, dem schweizerkäzigen, Wo die Lawin donnernd rutscht; Wo zerstäubt der Jesuide, Wo noch der Europamüde Mit dem Stier von Uri putscht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem Rheine, nach dem Rheine Wall' ich wieder, wenn ich weine, Wo des Deutschen Vaterland; Deutscher Wein und deutsche Eichen, Wo sich Volk und Fürsten reichen Ihrer Hände Hochverband - Dahin, Alter, werd' ich ziehn! Nach Kalifornien, nach Kalifornien Fang' ich an das Lied von vornigen, Wo die Sonne tropisch wärmt; Wo die gold'nen Adern ziehen Durch die schweigenden Prärieen, Und der Sacramenter lärmt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Dort, wo unter jeder Scholle Von Dukaten eine Rolle Schlummernd uns entgegen lacht: Wo das Silber ist Lappaligen, Wo der Mensch mit Viktualien Glänzende Geschäfte macht - Dahin, Alter - muß ich ziehn! Nach Chinesien, nach Chinesien Möcht' ich, wo ich nie gewesigen, Wo die Seelen stille steh'n; Wo die Menschen wahrhaft wimmeln, Frauen ihren Fuß verstümmeln, Und der Tusch am schwärzesten - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Mongolien, nach Mongolien Soll mich gleich der Teufel holigen, Wo die Grenzen unbestimmt; Wo Kirgisen und Kalmücken So sich ineinander schicken, Daß es einen Wunder nimmt - Dahin Alter, laß mich ziehn! Nach Sibirien, nach Sibirien Zu den wildgebornen Thierigen Jetzt es meinen Busen drängt; Wo die Bären murmelnd springen, Wo in unwirthbaren Schlingen Sich der biedre Zobel fängt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Tscherkessien, nach Tscherkessien Treibt es mich, den Unablässigen, Wo im Aug die Aepfel sprühn; Wo die Panzerhelden rasen Mit den kühnen Adlernasen Und die Leichenhügel blühn - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem Iran, nach dem Persien Mach ich schnell mich auf die Fersigen, Wo der Schach sich selber spielt; Wo der alte Zoroaster Für das allergrößte Laster Seiner Zeit das Lügen hielt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Doch, o herrlichster Erzeuger, Mir die Steuern nicht verweiger', Wandr' ich nach Beludschistan; Wo aus der Hyänenwüste Zu der muschelreichen Küste Niedersteigt der böse Khan - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem wunderbaren Tybet, Wo die Katze maust, die Zibet, Kitzelt arg mich das Gelüst; Wo das Paradies gewesen, Wo im Zeitungsblatt zu lesen, Wann der Dalai Lama püßt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Ostindien, nach Ostindien Möcht' auch ich den Pfad ergründigen, Möcht' ich jetzt mit Hand und Ohr; Wo die Elefanten kreisen, Wo die Enkel stiller Weisen Singen den Bramanenchor - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach den heißen Sunda-Inseln Laß mich nicht vergebens winseln, Wo der Utang Orang heißt; Wo das Borneo sich breit macht, Wo mit ungeheurer Streitmacht Der Marhattenhäuptling reist - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Newyorkien, nach Newyorkien Wolle, Alter, Geld mir borgien, Wo die Waare stumm sich kreuzt; Wo genest der Europarier, Wo der letzte Proletarier Sich in seid'ne Tücher schneuzt - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach Kanadien, nach Kanadien Schweif ich fort in kühnen Radien, Wo der Niagara fegt; Wo schon ab sich kühlt die Zone, Wo sich seitwärts der Hurone Nimmer in die Büsche schlägt - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach dem Strand der Eskimosen Saus' ich in des Nordlichts Hosen, Wo man geht in Seehundstracht; Wo das Unschlitt Lieblingsspeise. Wo von tausendjährigem Eise Man sich eine Beißzang macht - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach dem heißen Mexikonien, Mach ich auf mich und davonigen, Wo der Vollmond wüthig saust; Wo verzaubert Hans und Gretl Steht am Popokatepetl, Und der Vitzliputzli haust - Dahin, Alter, muß ich ziehn; Nach Columbien, nach Columbien Muß ich, Alter, Dich anpumpigen, Wo die Erde gräßlich bebt; Wo die Geistlichkeit in Masso, Wo über dem Chimborasso Der blasirte Condor schwebt - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach Brasilien, nach Brasilien Jagen jetzt mich die Gefühligen. Wo der Käfer leuchtend hüpft; Wo sich bäumt der Krokodile, Wo verwegen der Mandrile Durch die seltnen Pflanzen schlüpft - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach Kannibalien, nach Kannibalien Möcht' ich aber auch einmaligen, Wo das Durcheinander ist; Wo der Teufel selber los ist, Wo es übrigens famos ist, Und der Mensch den Menschen frißt - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach Jesuitien, nach Jesuitien Laß mich hin, dem aberwitzigen, An dem tiefen Paraguay; Wo der Landesherr ein Dokter, Ein Jesuit ist, ein verstockter, Und der Mensch ein Papagai, - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach Molukkien, nach Molukkien Will mir schon der Buckel juckigen, Wo der Pfeffer wachsen thut; Wo im ganzen Panorama Schweift das herrlichste Aroma, Und das Meer entsetzlich ruht - Dahin, Alter, muß ich ziehn! Nach dem Cape, nach dem Cape Laß mich ziehn, geliebter Pape, Wo die gute Hoffnung wächst; Wo des Meridianes Odem Aus dem Hottentottenboden Den famosen Capwein hext - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach den Polen, nach den Polen Brennen mir die raschen Sohlen, Wo sich die Extreme fliehn; Dorthin, wo der Eiswind wüthet, Dorthin, wo der Aether süthet, Nach dem Nord- und Südpol hin - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kafferien, nach Kafferien Will mich inn're Gluth verzehrigen, Wo sich die Giraffe härmt; Wo der Kaffer schändlich händelt Wo das Gnu die Zeit vertändelt, Und der Missionarius schwärmt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Zum Aequator, zum Aequator Laß mich eilen, greiser Vator, Wo die schwarze Linie glüht; Wo der Wüstenkönig schreitet, Wo der Neger Unrecht leidet, Und das Weib vor Götzen kniet - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem rothen Nadowessien Laß mich mit dem Branntweinfäßchen, Wo der Anstand aufrecht haucht; Wo die Schenkel fliehn behender Als der Hirsch, der Zwanzigender, Und zum großen Geist man raucht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Australien, nach Australien Zieht es mich zum letzten Maligen Nach des Welttheils fünftem Strand, Wo die Erdumsegler stehen, Wie Verbrecher in sich gehen, Und noch Alles unbekannt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem alten Abessynien Möcht' ich auch, o Vater, hinigen, Wo der Strauß entschwirrt dem Ei; Wo die Nilkataraktere Zu des großen Negus Ehre Schäumen in die Nubierei - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Weiter nach Mesopotamien Laß mich ziehn in Gottes Namigen, Wo da Milch und Honig fleußt; Wo die schrecklichen Kalifen Rasend zu der Bulbul schliefen, Und der Schakal um sich beißt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Domingo, nach Domingo Laß mich flattern, ein Flamingo, Wo man lebt in Saus und Braus; Wo die wüsten Negerprinzen Aus Papiermanschetten grinzen, Und die Republik ist aus - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Aber auch im Feuerlande War ich noch nicht, o der Schande, Wo der Hai den Kiel beschnappt; Wo die Pescherähs, voll Blattern, Hüpfend um ein Feuer schnattern, Und herum der Tapir tappt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Patâgo, Patagonien, Wo der Bär aufpaßt den Honigen, Locket mich ein alter Wahn; Wo das Klima strotzt von Räubern, Wo mit riesenmäß'gen Leibern Sich die Reitersmänner nahn - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach dem Peru, nach Peruzien Zieht es mich zu den Mestuzzien, Wo die Garbe selig reift; Wo sein Schwert der Capitano, Haushochlagernd auf Guano, Gegen Cara-iben schleift - Dahin, Alter, laß mich ziehn! In La Plata, in Laplatien Unterm Schatten der Akazien Laß mich, Alter, Hütten baun; Wo die Wasser silbern wallen, Wo die frischen Büffel fallen, Und dem Tiger nicht zu traun - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Kamtschatka, Kamtschadalien, Gib mir pelzerne Sandaligen, Wo der Hund sich langeweilt; Wo der Tschuktsche saugt am Häring, Wo die Straße heult des Behring, Und der Schlitten furchtbar eilt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Neufundland, nach Neufundland, Welches ist das wahre Hundland, Laß mich fliegen aus dem Nest; Wo der Vorweltsalligador Im Gesteine des Labrador Bläulich sich beleuchten läßt - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Neuseeland, nach Neuseeland, Auch ein schönes Ei- und Schneeland, Dahin, Alter, laß mich hin! Wo die bösen Menschenfresser Und die bösen Beefsteakesser Fuchtelnd ihre Messer ziehn - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Havannah, nach Havannah Fahr' ich auf dem Susquehannah, Wo die Importirte glüht; Wo die Spanier sich verrammeln, Abenteurer spurlos sammeln, Und der Arak ostwärts blüht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Freilich grad nach Madagaskar Zieht mich's, Alter, jetzo fast gar, Wo herüber Frühroth glänzt; Wo der Madegasse handelt, Wo gestreift das Zebra wandelt, Und die Königin entmenscht - Dahin, Alter, laß mich ziehn! Nach Utopien, nach Utopien Laß mich ziehn nach allem Obigen, Wo die luft'gen Schlösser sind; Wo kein Scheiden und kein Meiden, Wo man lebt in ew'gen Freuden Und der Communismus grünt - Dahin, Alter, laß mich ziehn!
Diskographie
Deutscher Nationalreichtum / Trotz alledem / Vetter Michels Vaterland / Das Blutgericht / Die freie Republik / Das Reden nimmt kein End / Bürgerlied / Ca Ira / Reveille / Mein Deutschland, strecke die Glieder / Die Fürstenjagd / Heckerlied / Das Lied von Robert Blum / Der gute Bürger / Badisches Wiegenlied / Achtzehnter März
Bürgermeister Tschech / Das Bürgerlied / Mamele, gib mir Brot / Die Gedanken sind frei / Lasst uns unsern Geist versenken / Sah ein Fürst ein Büchlein stehn / Die freie Republik / Wanderlust / Bei einer Pfeif Tabak / Das Blutgericht / / Es lebe Hecker / Die Festung von Landau / Das Altenburg-Lied / Robert Blum / Badisches Wiegenlied / Der deutsche Philister / Mein ganzer Reichtum ist mein Lied / Trotz Alledem
Pfingstlied / Lied der Verfolgten / Deutsche Zufriedenheit / Freifrau von Droste-Vischering / Wohlgeboren / Das Hungerlied / Das Blutgericht / Polens Sache, deutsche Sache / Fürsten zum Land hinaus / Bürgerlied / Lied vom Bürgermeister Tschech / Ein neues Lied / Neue Rheinische Zeitung / Der erste Berliner Kommunistenprozeß / Der gute Untertan / Zum 18. März / Lieder Amnestierten im Ausland / Der Geldsack / Das neue Lied vom deutschen Kaiser / Badisches Wiegenlied / Das Prolatariat / Prinz von Preußen
Ein stolzes Schiff / Mein Michel / Deutschland, was im März errungen / Im Krug zum Grünen Kranze / Ich bin ein freyer Bauernknecht / Soldatenschicksal / Bibel und Flinte / Ich bin Soldat / Fordre niemand mein Schicksal zu hören / Mein Vater wird gesucht / 'S ist wieder März geworden / Bürgerlied / Der Revoluzzer / Victor Jara / Andre, die das Land so sehr nicht liebten / Tsen Brider
Deutschlandlied / Ein neues Lied aus meiner Zeit / Der Regierungsrat / Das erwachte Bewusstsein / Ich bin also denke ich / Der deutsche Philister / Michels Abendlied / Fetter Michels Vatterland / Knüppel aus dem Sack / Schleppt den Frühling in den Kerker / Hier am Mississippi / Hör gut zu (Notabene) / Sehnsucht in die Heimat / Hinüber, herüber / Vom Schlaraffenland / Kinderhymne / Deutschlandlied / Lied vom schweren Anfang |
Alarm (Hermann Rollett, 1848)
So greift nun zu den Waffen, ihr deutschen Mäner all!
Lasst uns das Glück eringen in lautem Kampfesschall!
Und lasst uns freudig singen bis zu des Sieges Stund':
Es sei ein Bund des Volkes und nicht ein Fürstenbund!
Zu Frankfurt dort am Maine, da sitzen sie voll Trug
Und schmieden an der Fessel, die uns in Knechtschaft schlug.
Wir aber geben brausend den heil'gen Willen kund:
Es sei ein Bund des Volkes und nicht ein Fürstenbund!
Wir wollen kühn erstürmen der Willkür hohen Wall.
Mit ihren schlechten Räten verjagen wir sie all!
Wir haben lang' geschwiegen - nun schall's von Mund zu Mund:
Es sei ein Bund des Volkes und nicht ein Fürstenbund!
Herbei zum heil'gen Kriege was Schwerter tragen kann!
Leb wohl, du treues Liebchen, ich kehr' als freier Mann!
Herbei, herbei zum Siege! Herbei zur guten Stund':
Es sei ein Bund des Volkes und nicht ein Fürstenbund
Die Fürstenjagd (1840)
Auf, auf zum wilden Jagen auf jedes Kronenthier!
Seht, es beginnt zu tagen im ganzen Jagdrevier!
Herab, du treue Büchse! Von stiller Hüttenwand,
Zum Schuß auf Fürstenfüchse im großen Vaterland!
Heraus, ihr scharfen Klingen! Aus engem Eisenschrein;
Bald sollt ihr lustig springen im männlichen Verein!
Die Freiheitsmaid, so minnig, lad´t euch so dringend ein:
Zu Freuden, rein und innig, im stillen Kämmerlein.
Schämt euch ihr Millionen, die ihr euch Menschen nennt,
Und unterm Joch der Kronen zur Knechtschaft euch bekennt!
O! fühlt die Menschenwürde, die die Natur euch gab,
Und werft die schwere Bürde mit starken Armen ab!
Was saust von hohen Bergen? Was braust durch's tiefe Tal?
Das gilt den Fürstenschergen, beim Völkertränenmahl!
Heraus! Ihr Menschenwürger! In's weite Jagdrevier!
Wild jagen freie Bürger heut' jedes Kronentier.
Hui Sau! mit straffen Borsten, von Polenblut so rot!
Dich jagt in freien Forsten der wilde Jäger tot.
Ho! Ho! So! So! Verende, du fürstliches Gewild!
Den Fang gibt dir behende der Jäger kühn und wild!
Das Schwarz der Knechtschaft schwindet in Kampfes blut'gem Rot.
Der Freiheit Gold verkündet das Ende aller Not.
Zielt gut, haut scharf, ihr Treuen! Du Büchse und du Schwert!
Das wird die Nachwelt freuen am freien eig'nen Herd.
Zum 18. März (Ludwig Pfau)
Vor dem Berliner Schlosse
Ertönt ein Trauerlied:
Da liegen viel hundert Tote,
Sie liegen in Reih und Glied.
Und Leich’ um Leiche tragen
Die Bürger stumm heran,
Als wollten sie sagen: König!
Da sieh, was du getan!Da liegen sie, Mann und Knabe,
Starr mit zerfetztem Leib;
Da kommen sie weinend und klagend,
Braut, Schwester, Bruder, Weib.
Da schauen Väter und Mütter
Die toten Söhne an -:
Herrgott! Und das hat ein König,
Ein deutscher König getan!Viel tausend Stimmen drohen:
Der König muß herab;
Er salutiert die Toten
Und nimmt die Mütze ab.
Da bluten all aufs neue
Bei ihres Mörders Nahn,
Als sprächen sie: das hat ein König,
Ein deutscher König getan!Und viele werden's sprechen,
Viel tausend fern und nah;
Die Völker werden rächen
Den Frevel, der geschah.
Auf Sturmesflügeln bricht sich
Durch Land und Länder Bahn
Der Zornesschrei: Das hat ein König,
Ein deutscher König getan!Weh! Volk, vom eignen Blute
Sind deine Hände rot;
Der Bruder schlug den Bruder,
Weil es ein Fürst gebot.
Ein großes Grab soll alle
In seinen Schoß empfah’n;
Drauf schreibet: Das hat ein König,
Ein deutscher König getan!Dies Grab, es wird zum Grabe
Der königlichen Macht;
Die Blut gesäet haben,
Die ernten eine Schlacht.
Im Blute wird ersticken
Der alten Treue Wahn:
Gottlob! und das hat ein König,
Ein deutscher König getan!
Das Altenburg-Lied (1848)
Steh ich in finstrer Mitternacht zu Altenburg auf Postenwacht,
so denk ich oft: Gott sei’s geklagt, was wir Soldaten sind geplagt!
Statt heim zu meiner Liebsten gehn, muß ich in Wind und Regen stehn.
Man kommandiert uns Nacht und Tag: Spürt den Republikanern nach!
Statt daß bei braven Bürgern wir auf Betten schlafen im Quartier,
Sperrt man uns wie die Hämmel ein, sobald’s sechs Uhr tut Abend sein.
Kaum daß wir warm im Stübchen sind, heißt’s schon: Soldaten packt geschwind
Marsch aus der Stadt, hinaus aufs Land! Mit Gott für König und Vaterland!
Verdammt, Kameraden! Ich hab es satt! Von Land zu Land, von Stadt zu Stadt!
Und all dies, heißt’s, für unser Wohl. Man lügt uns nur die Hälse voll!
Ich weiß es besser, was uns frommt, und, wenn’s zum Kampf mit Bürgern kommt,
auf wen den ersten Schuß ich richt’. Doch davon, Freunde, spricht man nicht.
Deutschland! Was im März errungen (1848)
Deutschland! Was im März errungen, Recht und Freiheit schwinden hin.
Auf, mein Volk, das Schwert geschwungen, die Verräter müssen fliehn.
Deutschland, großes Vaterland, dich umschlingt ein Bruderband
Deutschland, deine Völker alle ringen nach der Freiheit Glück,
Doch nur mit der Fürsten Falle blüht die Freiheit, Republik.
Stürzt der Fürst, so ist er Knecht, und der Mensch hat gleiches Recht.
Reichet uns die Hand, Soldaten, und sie stürzen ohne Blut,
Die euch stets mit uns veraten, diese Fürsten mit der Knut.
Bürger und Soldatenstand, reicht für die Freiheit Hand in Hand!
Freiheit ist der Knechtschaft Schande, Freiheit ist der Notdurft Qual,
Frei ein Volk, das Herr im Lande durch die Männer seiner Wahl.
Adel von Geburt und Geld schwind auf ewig aus der Welt!
Hecker, Struve, hoch! Sie streiten für das Volk mit Wort und Tat.
Ihr sollt unser Wohl bereiten, euch vertrauen wir den Staat.
Hecker, Struve, Republik: Unsre Freiheit, unser Glück!
Drum bedenket, ihr Soldaten, wofür zieht ihr in den Streit?
Für die Herrn von Gottes Gnaden euch zu rechnen stets bereit.
Ihr seid Bürger so wie wir - sind wir frei, so seid's auch ihr!
Es lebe Hecker (Ludwig Schanz, 1848)
Es klingt ein Name stolz und prächtig im ganzen deutschen Vaterland;
Und jedes Herz erzittert mächtig wenn dieser Name wird genannt
Ihr kennt ihn wohl, den edlen Mann: Es lebe Hecker – stoßet an!
Wir wurden lang genug beraten, hinweg mit jedem feigen Rat!
Wir wollen Männer, wollen Taten, und Hecker ist der Mann der Tat
Der kühn für Freiheit kämpfen kann: Es lebe Hecker – stoßet an!
Wir wollen nichts vom Frieden hören, bis durchgekämpft der letzte Krieg,
Wir lassen nimmer uns betören, die Losung ist: Tod oder Sieg!
Und der mit Mut uns geht voran: Es lebe Hecker – stoßet an!
Die Scharen jener feigen Lumpen verachten wir für alle Zeit,
Sie ehrten ihn bei vollen Humpen und verließen ihn beim Streit.
Die Volksacht tut sie in den Bann. Es lebe Hecker – stoßet an!
Die Freiheit ist noch nicht verloren; bald in des Ruhmes Flammenschein
Zieht er durch festgeschmückte Tore erneut im Vaterlande ein.
Und allerwärts ertönt es dann: Es lebe Hecker – stoßet an!
Ins Feld, ins Feld mit Hecker! (Karl Heinrich Schnauffer, 1848)
Deutsch' Volk, ergreif' die Waffen, der Hecker zieht in Krieg!
Der Freiheit Weg zu bahnen, eilt unter seine Fahnen,
Der Hecker führt zum Sieg!
Er hat für's Volk gestritten, und ist ihm heut noch treu!
Er kämpft mit Schwert und Rede, drum auf zur heiligen Fehde,
Der Hecker macht uns frei!
Zu pfänden und zu schänden, das ist der Fürsten Art:
Eilt hin, ihr deutschen Bürger, wo sich zum Fall der Würger,
Das Volk um Hecker schart!
Die Kerker und die Ketten sind schon für uns bestellt,
Was heilig uns und teuer, ist hin, wenn Heckers Feuer
Und Schwert den Feind nicht fällt!
So sei's! ins Feld mit Hecker, wir schmieden unser Glück;
Kommt Männer, kommt ihr Jungen, bald haben wir errungen
Die deutsche Republik!
Die Republik soll leben! So sei das Feldgeschrei.
Der Hecker zieht vom Leder, ihr Kinder auf und Väter,
Ein Schlag - und wir sind frei!
Hecker hoch! (1848)
Hecker, hoch! Dein Nam' erschalle an dem ganzen deutschen Rhein!
Deine Treue, ja dein Auge flößt uns all Vertrauen ein.
Hecker, der als deutscher Mann für die Freiheit sterben kann.
Wird auch mancher jetzt nicht achten, was dein Mund von Freiheit spricht,
Erst wenn sie in Fesseln schmachten, dann erkennen sie dein Licht.
Hecker, der als deutscher Mann für die Freiheit sterben kann.
Doch so manche Freunde brachen ihren Schwur der Treue feig,
Und zum Staatsmann sich erhoben, fühlen sie sich mächtig reich.
Doch durch den gerechten Gott trifft sie nur des Volkes Spott.
Bist du gleich in fernem Lande, ist doch stets bei uns dein Geist.
Brechen müssen bald die Bande, wie es uns dein Mund verheißt.
Hecker, großer deutscher Mann, komm und stoß bald mit uns an!
Ja, wenn einst dein Atem fliehet und dein blaues Auge bricht,
Dann liest man auf deinem Grabe: Hecker starb und wankte nicht.
Hecker sei als großer Mann unsre Losung nur fortan!
Dreiunddreißig Jahre (1848)
Wenn die Roten fragen, lebt der Hecker noch,
Sollt ihr ihnen sagen, ja er lebet noch.
Er hängt an keinem Baume, er hängt an keinem Strick,
Sondern an dem Traume der Roten Republik
Gebet nur ihr Großen, euren Purpur her
Das gibt rote Hosen für der Freiheit Heer
Ja 33 Jahre währt die Sauerei,
Wir sind keine Knechte, wir sind alle frei
Wenn in Flammen stehen Kirche, Schul und Staat,
Kasernen untergehen, dann blüht unsre Saat.
Ja 33 Jahre währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden von der Reaktion.
An den Darm der Pfaffen hängt den Edelmann
Laßt ihn dran erschlaffen, hängt ihn drauf und dran
Ja 33 Jahre währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden von der Reaktion!
Schmiert die Guillotine mit Tyrannenfett
Reißt die Konkubine aus dem Pfaffenbett
Ja 33 Jahre währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden von der Reaktion.
Fürstenblut muß fließen, muß fließen stiefeldick
Und daraus ersprießen die rote Republik
Ja 33 Jahre währt die Knechtschaft schon
Nieder mit den Hunden von der Reaktion!
Was zieht dort zur Brigittenau (1848)
Was zieht dort zur Brigittenau im blut´gen Morgenrot?
Das sind die kroatischen Jäger, die führen den Fahnenträger
Der Freiheit hin zum Tod.
Sie haben ihn gefangen trotz Recht und Reichsgesetz
Es hat ihm das Urteil gesprochen, es hat ihm den Stab gebrochen
Der Mörder Windischgrätz.
Zum Richtplatz sie ihn führen, ihn schreckt nicht Tod noch Grab;
Doch als er denkt der Lieben, die ihm daheim sind geblieben
Fällt still eine Träne herab.
Die Träne für Weib und Kinder entehret keinen Mann
Lebet wohl! Jetzt gilt es zu sterben, für die Freiheit Herzen zu werben
Ihr Jäger, wohlauf, schlagt an!
Er schlingt sich selbst die Binde wohl um der Augen Licht:
0 du Deutschland, für das ich gestritten, für das ich im Leben gelitten
Verlaß die Freiheit nicht.
Es krachen die Gewehre, im Blute liegt der Held
Es haben die Büchsen der Jäger der Freiheit Fahnenträger
Den Robert Blum gefällt.
Der Fähnrich ist erschlagen, es fiel der Robert Blum.
Auf Brüder, die Fahne zu retten, der Freiheit aus Banden und Ketten
Zu Deutschlands Eigentum!
Des Morgens in der vierten Stunde (1848)
Des Morgens in der vierten Stunde da öffnet sich das Brandenburger Tor. [!]
Die Hand am Rücken festgebunden tritt Robert Blum mit stolzem Schritt hervor.
Die Ketten rasseln an den Händen, kein deutscher Mann, der ihm zur Seite stand;
Der Henkersknecht nur in der Mitte er kündet ihm sein Todesurteil an.
Er sprach: „Ich bin bereit zu sterben, gern opfre ich mein Leben für euch hin.
Doch eins, das liegt mir schwer am Herzen, das ist mein vielgeliebtes Weib, mein Kind.
Hier diesen Brief gebt meinem Freunde, hier diesen Ring, den gebet meinem Weib,
Und diese kleine goldne Uhr, die gebet Alfred, meinem jüngsten Sohn.
Der erste Schuß, der traf ihn in die Schläfe der zweite traf das Herz mit vollem Ruhm
Und so erschossen sie den treuesten den deutschen Freiheitskämpfer Robert Blum
Im März da hast du gestritten (1848)
Im März, da hast du gestritten mit Schwert, mit Büchse und Speer
Da hast du erkämpfet die Einheit, mein Deutschland, was willst du mehr?
Jetzt hast du den Schmetterling, den Peucker, hast auch den Reichsverweser,
Und vierunddreißig Fürsten, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast den gerechten Mohlen, den Mann von Mild' und Ehr'
Das Standrecht ließ er verkünden, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast den Minister Duckewitz, den Zollvereins-Freihandeler
Mit Zöllnern ließ er's beim Alten, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast den sinnigen Reckerath, den Reichsfinanzminister
Zahlst wiederum zehn Millionen, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast in Köllen am Rheine, den Dom, er schauet so hehr
Bleibst doch in den Händen der Pfaffen! Mein Deutschland, was willst du mehr?
Die Vereine hat man verboten, entwaffnet die Bürgerwehr
Beschenkt dich mit russischen Noten, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast die Reichsversammlung, du hast das stehende Heer,
Und eine zukünftige Flotte, mein Deutschland, was willst du mehr?
Du hast mit der Reichsversammlung gequälet dich so sehr,
Jetzt bist du zugrunde gerichtet, mein Deutschland, was willst du mehr?
Schwarz-Rot-Gold (Ferdinand Freiligrath, 1848)
In Kümmernis und Dunkelheit, da mußten wir sie bergen!
Nun haben wir sie doch befreit, befreit aus ihren Särgen!
Ha, wie das blitzt und rauscht und rollt!
Hurra, du Schwarz, du Rot, du Gold!
Pulver ist schwarz, Blut ist rot, Golden flackert die Flamme!
Das ist das alte Reichspanier, das sind die alten Farben!
Darunter haun und holen wir uns bald wohl junge Narben!
Denn erst der Anfang ist gemacht,
Noch steht bevor die letzte Schlacht!
Pulver ist schwarz, Blut ist rot, Golden flackert die Flamme!
Die Freiheit ist die Nation, ist aller gleich Gebieten!
Die Freiheit ist die Auktion von dreißig Fürstenhüten!
Die Freiheit ist die Republik!
Und abermals: die Republik!
Pulver ist schwarz, Blut ist rot, Golden flackert die Flamme!
Ausgelitten, Ausgerungen (Hoffmann von Fallersleben, 1848)
Ausgelitten, ausgerungen hast du endlich, deutsches Herz -
Gut, daß er einmal verklungen, dieser deutsche Freiheitsmärz !
Gut, daß wir geworden kühler, wie es zum Dezember paßt.
Unsere freiheitstrunkenen Wühler waren uns von je verhaßt.
Gut, daß wir jetzt ohne Zittern nehmen jedes Blatt zur Hand,
Uns das Leben nicht verbittern um das liebe Vaterland.
Gut, daß möglich ist geworden, wie' s zur guten Zeit doch war,
Zu erhalten einen Orden, oder einen Titel gar.
Gott sei Dank, daß alles wieder nun zur Ordnung kehrt zurück:
Nur vom Throne träufelt nieder wie vom Himmel Heil und Glück.
Weg mit allen Barrikaden! Weg mit aller Bürgerwehr!
Hoch der Herr "von Gottes Gnaden"! Hoch sein sieggewohntes Heer!
Mit der Friedenspfeif' im Munde, geht' s ins Bierhaus auf die Wacht,
Trinkt man bis zur Bürgerstunde, und dann - Freiheit, gute Nacht!
Das Reden nimmt kein End (Georg Herwegh, 1848)
Zu Frankfurt an dem Main – sucht man der Weisen Stein;
Sie sind gar sehr in Nöten, Moses und Propheten,
Präsident und Sekretäre, wie er zu finden wäre –
Im Parla – Parla – Parlament, das Reden nimmt kein End!
Zu Frankfurt an dem Main – da wird man uns befrein;
Man wird die Republiken im Mutterleib ersticken,
Und Bassermann und Welcker beglücken dann die Völker
Im Parla – Parla – Parlament, das Reden nimmt kein End!
Zu Frankfurt an dem Main – die Wäsche wird nicht rein;
Sie bürsten und sie bürsten, die Fürsten bleiben Fürsten,
Die Mohren bleiben Mohren trotz aller Professoren
Im Parla – Parla – Parlament, das Reden nimmt kein End!
Zu Frankfurt an dem Main – ist Alles Trug und Schein.
Alt-Deutschland bleibt zersplittert, das Kapitol erzittert.
Umringt von Feindeslagern, die Gänse giga – gagern
Im Parla – Parla – Parlament, das Reden nimmt kein End!
Zu Frankfurt an dem Main – so schlag der Teufel drein!
Es steht die Welt in Flammen, sie schwatzen noch zusammen,
Wie lange soll das dauern? Dem König Schach, ihr Bauern!
Dein Parla – Parla – Parlament, o Volk, mach ihm ein End!
Die Festung von Landau (1849)
Seid lustig, ihr Brüder, das Ding freut uns mächtig
Der Kronprinz von Preußen gefällt uns gar prächtig
Er schickt sein’ Trompeter in die Stadt bald herein
Und lässet uns melden: die Festung wär sein
Der Kommandant von Landau gab die Antwort darauf:
«Die Festung von Landau die gebn wir nicht auf!
Die Festung ergibt sich nie und nimmermehr
Wenn die Preußen sie wolln, solln sie nur kommen her!»
Wir lieben die Freiheit und brauchen keinen König
Wir sind freie Männer und fürchten uns wenig
Und wenn auch die Stadt liegt zerschossen in Asche
Wenn nur unser Schnupftuch nicht brennt in der Tasche
Wir haben Kanonen, auch Pulver und Blei
Und es sind dazu gute Patrioten dabei
Wohlauf, Patrioten, auf die Schanze hinaus
Wir jagen die Preußen zum Lande hinaus
Mein Deutschland, strecke die Glieder (Georg Herwegh, 1849)
Mein Deutschland, strecke die Glieder ins alte Bett, so warm und weich;
Die Augen fallen dir nieder, du schläfriges deutsches Reich.
Hast lange geschrien dich heiser – nun schenke dir Gott die ewige Ruh!
Dich spitzt ein deutscher Kaiser pyramidalisch zu.
O Freiheit, die wir meinen, o deutscher Kaiser, sei gegrüßt!
Wir haben auch nicht einen Zaunkönig eingebüßt.
Sie sind uns alle verblieben; und als wir nach dem Sturm gezählt
Die Häupter unsrer Lieben, kein einziges hat gefehlt.
Deutschland nimmt nur die Hüte den Königen ab, das genügt ihm schon;
Der Deutsche macht in Güte die Revolution.
Die Professoren reißen uns weder Thron noch Altar ein;
Auch ist der Stein der Weisen kein deutscher Pflasterstein.
Wir haben, was wir brauchen; gesegnet sei der Völkerlenz!
Wir dürfen auch ferner rauchen in unsrer Residenz.
Wir haben Wrangels Säbel, Berlin und seinen Wolkensteg;
Das Maultier sucht im Nebel noch immer seinen Weg.
Wie freun sich die Eunuchen! Die bilden jetzo den ersten Stand,
Der Welcker frißt die Kuchen den Königen aus der Hand.
Du hältst dir einen Gesandten, Deutschland, im Stillen Ozean
Und fühlest den Elefanten in Indien auf den Zahn.
Die Fragen sind erledigt, die Pfaffen machen bim bam bum;
Den Armen wird gepredigt das Evangelium.
Wir bauen dem lieben Gotte den hohen Dom zu Cöllen aus
Und geben eine Flotte auf Subskription heraus.
Die schwarz-rot-goldnen Wimpel besorgt der Jakob Venedey,
Als Wappen nahm er den Gimpel, sein eignes Konterfei.
Fünfhundert Narrenschellen zu Frankfurt spielen die Melodie:
Das Schiff streicht durch die Wellen der deutschen Phantasie.
Badisches Wiegenlied (Ludwig Pfau, 1849)
Schlaf, mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß
Deinen Vater hat er umgebracht, deine Mutter hat er arm gemacht
Und wer nicht schläft in guter Ruh, dem drückt der Preuß die Augen zu
Schlaf, mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß
Der Preuß hat eine blutige Hand, die streckt er übers badische Land
Und alle müssen wir stille sein, als wie dein Vater unterm Schrein
Schlaf mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß
Zu Rastatt auf der Schanz, da spielt er auf zum Tanz
Da spielt er auf mit Pulver und Blei, so macht er alle Badener frei
Schlaf mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß
Schlaf, mein Kind, schlaf leis, dort draußen geht der Preuß
Gott aber weiß, wie lang er geht, bis daß die Freiheit aufersteht
Und wo dein Vater liegt, mein Schatz, da hat noch mancher Preuße Platz
Schrei’s, mein Kindlein, schrei’s, dort draußen liegt der Preuß
Ein stolzes Schiff (19. Jhd., Thomas Friz/Erich Schmeckenbecher 1978)
Ein stolzes Schiff streicht einsam durch die Wellen,
Es führt uns uns´re deutschen Brüder fort!
Die Flagge weht, die weißen Segel schwellen,
Amerika ist der Bestimmungsort.
Auf dem Verdecke stehen, noch einmal anzusehen,
Das Vaterland, das heimatliche Grün,
Mann, Weib und Kind, eh sie von dannen ziehen.
Dort zieh'n sie hin, wer wagt es, noch zu fragen
Warum verlassen sie ihr Vaterland?
0, altes Deutschland, kannst du es ertragen,
Daß deine Völker werden so verbannt?
Schaut her. Ihr Volksbeglücker, schaut her, Ihr Unterdrücker,
Seht eure besten Arbeitskräfte flieh'n,
Seht, wie sie über's große Weltmeer zieh'n.
Wir stehen hier am heimatlichen Strande
Und blicken unsern deutschen Brüdern nach.
Nicht Hochmuth treibt sie aus dem Vaterlande,
Nein, Nahrungslosigkeit und Noth und Schmach.
Was hier nicht war zu finden, wollen sie sich dort begründen;
Sie segeln von dem deutschen Boden ab
Und suchen in Amerika ein Grab.
Dort zieh'n sie hin auf wilden Meereswogen,
Arm kommen sie im fernen Welttheil an,
Ud unter'm fremden, weiten Himmelsbogen
Erwartet sie ein neues Schicksal dann:
Elend, Armuth und Kummer wiegt sie gar oft in Schlummer.
0 altes Deutschland, kannst du ohne Grau'n
Die Flucht der armen Landeskinder schau'n?
Achtzehnter März (Georg Herwegh, 1873)
Achtzehnhundert vierzig und acht, als im Lenze das Eis gekracht.
Tage des Februar, Tage des Märzen, waren es nicht Proletarierherzen.
Die voll Hoffnung zuerst erwacht, Achtzehnhundert vierzig und acht ?
Achtzehnhundert vierzig und acht, als du dich lange genug bedacht,
Mutter Germania, glücklich verpreußte, waren es nicht Proletarierfäuste,
Die sich ans Werk der Befreiung gemacht Achtzehnhundert vierzig und acht ?
Achtzehnhundert vierzig und acht, als du geruht von der nächtlichen Schlacht,
Waren es nicht Proletarierleichen, die du, Berlin, vor den zitternden, bleichen
Barhaupt grüßenden Cäsar gebracht Achtzehnhundert vierzig und acht ?
Achtzehnhundert siebzig und drei, Reich der Reichen, da stehst du, juchhei !
Aber wir Armen, verkauft und verraten, denken der Proletariertaten -
Noch sind nicht alle Märze vorbei, Achtzehnhundert siebzig und drei.
Mitschnitte einer Veranstaltung der Amateur-Singgruppe "Demokratisches Lied", 1975, Mannheim Brüder, so kann's nicht gehen / O König von Preußen, du alter Potentat / Es wird geschehen, es wird geschehen / Ist es denn gewißlich wahr / In dem Kerker saßen... / Ich bin ein freier Mann und singe / Hungerlied / Bürgerlied / Lied vom Bürgermeister Tschech / Es war ein armer Schneider / Herr Biedermeier / Der Polenmutter Wiegenlied / Trotz alledem / Hecker, hoch! / Schwarz-Rot-Gold / Ausgelitten, ausgerungen / Ich bin ein guter Untertan / Mein Deutschland, streck die Glieder! |
Trotz Alledem (Ferdinand Freiligrath, 1848)
Das war ’ne heiße Märzenzeit, trotz Regen, Schnee und alledem!
Nun aber, da es Blüten schneit, nun ist es kalt, trotz alledem!
Trotz alledem und alledem, trotz Wien, Berlin und alledem
Ein schnöder scharfer Winterwind durchfröstelt uns trotz alledem!
Die Waffen, die der Sieg uns gab, der Sieg des Rechts trotz alledem,
Die nimmt man uns nun wieder ab, samt Pulver, Blei und alledem!
Trotz alledem und alledem, trotz Parlament und alledem,
Wir werden unsere Büchsen los, Soldatenwild trotz alledem!
Ob Armut euer Los auch sei, hebt hoch die Stirn trotz alledem!
Geht kühn den feigen Knecht vorbei, wagt’s arm zu sein trotz alledem!
Trotz alledem und alledem, trotz niederm Pack und alledem,
Der Rang ist das Gepräge nur, der Mann das Gold trotz alledem!
Heißt "Gnäd’ger Herr" das Bürschlein dort, man sieht’s am Stolz und alledem
Doch lenkt auch Hunderte sein Wort, ’s ist nur ein Tropf trotz alledem.
Trotz alledem und alledem, trotz Band und Stern und alledem
Der Mann von unabhängigem Sinn sieht zu und lacht trotz alledem
Denn ob der Reichstag sich blamiert professorhaft, trotz alledem!
Und ob der Teufel reagiert mit Huf und Horn und alledem
Trotz alledem und alledem, trotz Dummheit, List und alledem –
Wir wissen doch: Die Menschlichkeit behält den Sieg trotz alledem!
Nur was zerfällt, vertretet ihr, seid Kasten nur, trotz alledem.
Wir sind das Volk, die Menschheit wir, sind ewig drum, trotz alledem.
Trotz alledem und alledem, so kommt denn an, trotz alledem,
Ihr hemmt uns, doch ihr zwingt uns nicht, die Welt ist uns trotz alledem!
Drum jeder fleh, daß es gescheh, wie es geschieht trotz alledem,
Daß Wert und Kern, so nah wie fern den Sieg erringt trotz alledem.
Trotz alledem und alledem, es kommt dazu trotz alledem,
Daß rings der Mensch die Bruderhand dem Menschen reicht trotz alledem!
Photo Credits:
(1) Zupfgeigenhansel, Alle die dies Lied gesungen;
(2) Hein & Oss, Deutsche Lieder 1848/49;
(3) Leipziger Folksessions Vol. 1, 18 aus 48- Das Beste von der Barrikade;
(4) Siebenpfeiffer, Singt das Lied der Freiheit;
(5) Dieter Süverkrüp, 1848 - Lieder der deutschen Revolution
(6) Grenzgänger, Knüppel aus dem Sack
(all album covers unknown).
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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2008
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