FolkWorld Ausgabe 38 03/2009; Kolumne von Walkin' T:-)M
Die FolkWelt zwischen Harz und Heide:
Folk'n'Fusion, Irish Folk Festival, Celtic Super Night ...
Folk & The City: Braunschweig |
Braunschweig steht im Jahre des Herrn 2009 ganz im Zeichen des 800. Jahrestages der Kaiserkrönung Ottos IV., gleichzeitig prominentester und unbekanntester Sohn der Stadt, der am 4. Oktober 1209 zum ersten und einzigen welfischen Kaiser gekrönt wurde. Doch bevor wir uns mit dem am Hof des sich als Troubadour betätigenden Onkels Richard Löwenherz aufgewachsenen und zeitweiligen Mäzens Walther von der Vogelweides beschäftigen, wollen wir noch einen Rückblick auf den vergangenen Herbst und Winter wagen.
Presseschau Kultur – Perfekt gefeilt Bischofsmühle, Hildes-heim, 31.10.2008. Insgesamt hat Meike Koester mehr den Weg Richtung des Akustischen eingeschlagen. Sicherlich, sie spielt nichts anderes als ihre beiden Akustikgitarren, drumherum ging das alles doch eher in Richtung Rock. Jetzt allerdings hat sie das gefunden, was am Besten zu ihrem Stil passt. Die überraschendste und beste Entwicklung ist aber, dass Meike Koester sich entschieden hat, endlich auch auf Deutsch zu singen. Die neuen Stücke überzeugen nicht nur mit den Texten, die einfach gut sind und schön klingen, sondern auch durch den frischen Stil. Der Gesamteindruck ist erwachsener, ausgereifter und eigenständiger, und besonders bei den deutschsprachigen Nummern war die eine oder andere dabei, die locker auch Radiohitpotenzial hatte. Mit dem, was Meike Koester in der Mühle zeigte, ist sie nahe dran an ihrem ganz persönlichen perfekten Konzept. [HAZ, 03.11.2008] Es gibt nichts Gutes, außer ... man tut es Kniestedter Kirche, Salzgitter-Bad, 01.11.2008. Die Lebenshilfe Salzgitter lud zu einem Kästner-Abend mit dem Duo Bernhard Selker und Hans-Walter Fechtel … und alle, alle kamen. Während sie sich bei ihrem Auftritt im Frühjahr des vorigen Jahres auf die politischen und erotischen Werke Kästners konzentriert hatten, stellten sie diesmal seine Lyrik und seine Epigramme aus den 1920er- und 1930er-Jahren vor. Es war ein nachdenklicher, empfindsamer Kästner, den sie den Zuhörern präsentierten, einer, der ein Gespür für die Nöte der "kleinen Leute" besaß und eine unnachahmliche Art, Menschliches in knappe, treffende Worte zu fassen. Auch bei diesen Liedern und Gedichten blieb einem das Lachen manchmal im Halse stecken und machte der Betroffenheit Platz. [SZ, 03.11.2008.] Zuversicht und Widerstand Gedenkstätte KZ Salzgitter-Drütte, 07.11.2008. Hoffnung ist nie gern gesehen in den Lagern. Egal, ob im KZ Mauthausen oder Dachau, im sibirischen Gulag oder heute in Guantanamo: Die Bewacher sehen es nicht gern, wenn sich ihre Opfer an irgendetwas aufrichten können. Da wurden Zeichnungen konfisziert, jeder mit Gedanken gefüllte Papierschnipsel verbrannt oder Schiefertafeln zerschlagen. Doch ihre Lieder, die konnten ihnen die Schergen nicht nehmen. Lieder, wie sie vielleicht auch in den Unterkünften der KZ-Außenstelle unter der Hochstraße im Hüttenwerk zwischen Drütte und Watenstedt gesungen wurden. Vor mehr als 60 Jahren, während der Nazi-Diktatur. Und nun wieder, während eines eindrucksvollen Konzerts in der Gedenkstätte KZ Drütte. Fast ein wenig überraschend ist die Zuversicht, die in den meisten Texten vorherrscht und die auch in der Interpretation der Sänger Barbara Boeker, Wiebke Rendigs und Christian Uhlig durchschimmerte. Alles in allem ein vorzügliches Ensemble wider das Vergessen - aber auch wider Trübsinn und Hoffnungslosigkeit. [SZ, 10.11.2008.] |
Folk'n'Fusion, Hildesheim, 24.-26.10.08 |
Hildesheim wurde durch die Aktivitäten des Trillke Trio auf die weltmusikalische Landkarte gesetzt. Zum vierten Mal fand bereits das Folk'n'Fusion Festival auf dem Trillke Gut am Westrand von Hildesheim statt. Auf dem Programm stand Weltmusik mit dem Schwerpunkt Europa und das zugrunde liegende Konzept sollte zwei Anliegen verfolgen: Musikalische Traditionen und Fusionen fördern und den "Folkgedanken" als kulturelle Praxis in Hildesheim etablieren.
Als Auftaktveranstaltung gab es die CD-Release-Party der Gruppe Anadolmanya, bereits in der Woche vor dem Festival fanden verschiedenen Musik- und Tanz-Workshops statt. Am Festivalwochenende folgten weitere Mitmachveranstaltungen, ein Kinderprogramm mit Unmada Kindel und dem Geschichtenerzähler Nuss Rost, sowie ein Konzertprogramm mit regionalen und überregionalen Bands wie z.B. Rotfront, der Band des Russendisco-DJ's Yuriy Gurzhy.
Als ich Samstag am späten Nachmittag auf dem Trillke Gut ankomme, herrscht noch eine trügerische Ruhe über dem Grundstück. Aber ab 18 Uhr spielt das R.A.N. Trio in der Kneipe und eröffnet den Konzertabend. R.A.N. ist das Kürzel des Singer-Songwriters Ralf Neite und spielt heute tatsächlich und zufälligerweise als Trio mit Perkussion und Cello. Groß, hager, mit dem Blues in der Stimme wirkt er wie ein wiederauferstandener Townes Van Zandt. Er trägt vor allem eigene Stücke vor, aber auch einen Blues, "See That My Grave Is Kept Clean", und Titel von Hank Williams.
Anschließend werden Workshop-Ergebnisse vorgestellt: Body-Percussion, Nasenflöten, Löffel und die Band auf Probe erfreuen die Zuschauer. Es geht in den Saal, ein überwiegend jugendliches Publikum ist aus der ganzen Republik angereist und ich habe das Gefühl, dass nur wenigen Eingeborene den Weg hierher gefunden haben.
Auf der Bühne steht der in Berlin lebende, aber aus Sibirien stammende Vladiswar Nadishana.
Dikanda @ FolkWorld: #22,#29,#38 |
Verstärkt duch GastmusikerInnen wie Nadishana und einer schwedischen Bauchtänzerin fährt das Hildesheimer Trio Ajeba mit Hackbrett, Flöte, Bass und Percussion zugleich sphärische wie tanzbare Klanglandschaften auf, bei denen man nicht genau weiss, ob sie streng durchkomponiert oder total improvisiert sind.
Die fünfköpfige polnische Band Dikanda treibt das Publikum zum Höhepunkt. Beim zweiten Stück sind alle auf den Beinen. Polnische Musik an sich ist das nicht, was vorgetragen wird, sondern ein Marsch durch den Balkan sowie Eigenkompositionen in diesem Stil. Das mit dem Marsch sollte man nicht so ernst nehmen, es handelt sich schließlich um leichtfüßige und schweißtreibende Tänze.
Während Bal Folk mit den Gonnagles und Fievklang das Programm im Saal abschließt, die Zeitumstellung sorgt für eine extra Stunde, hat sich in der Kneipe der jüdisch-kanadische Singer/Songwriter und Akkordeonist Geoff Berner eingefunden. Folk & Fusion ist im wörtlichen Sinne sein Ding. Seine Texte sind ironisch und bitterböse: come here and suffer with he rest of us. Jüdischer Humor war auch schon mal netter, und wenn er über die französischen Erbauer der Maginot-Linie, die Deutschen sind Weltkrieg #2 drumrum marschiert, singt stupid, stupid! und das Publikum singt mit, kann einen das schon mal Schauer des Entsetzens und des Vergnügens über den Rücken jagen.
P.S.: Anderthalb Monate später heisst es dann Endspiel für das Trillke Trio selbst. Im verflixten siebten Jahr geben sie ihr Abschiedskonzert und zum letzten Mal heisst es whirled Folk und Polkas, Klezmer, Ska und dem Ausflug nach Bavaria zum Mitmachen: unten Mitte Klatsch, rechts links Patsch ...
Zwischen Melancholie und Trommelakrobatik
Forum, Peine, 11.11.2008.
Irish Folk abseits der ausgetretenen folkloristischen Pfade erlebten am Dienstag
die Zuschauer im nahezu ausverkauften Peiner Forum. Vier Bands und Einzelkünstler
heizten den Besuchern ein, stampften, jauchzten und sorgten für Gänsehaut.
Außergewöhnlich und gewöhnungsbedürftig mutet der Gesang von Griogair "aus der
irischen Kolonie Schottland" an. Seine Lieder in gälischer Sprache: Eine Mischung
aus Jodeln und stakkatoartiger Rap-Musik aus den Highlands.
Ungeahntes Klangvolumen entlocken Niamh Ni Charra und Alan Colfer ihren
Instrumenten, einer kleinen sechseckigen Ziehharmonika und einer Gitarre.
Melancholisch und schwerelos zugleich besingen sie die selbstgemachte
Rhabarber-Ingwer-Marmelade der Oma, bevor sich mit der sechsköpfigen Band Liadan
Frauenpower auf der Bühne ausbreitet.
Trotz instrumentaler Vielfalt – zwei Geigen, zwei Flöten, Akkordeon und Harfe –
dominieren die klaren Stimmen des charmanten Sextetts. Sehnsuchtsvoll und voller
Hingabe besingen die Frauen das Trinken, gewitzt und hinreißend eine
Dreiecksbeziehung. Sie hinterlassen, ein begeistertes, pfeifendes Publikum in
genau der richtigen Stimmung für ihre Nachfolger.
Beoga – zweifelsohne die Rockband unter den Folkmusikern – erobert das Publikum
in Sturm. Alles andere als typisch irisch ist der Stil des Quintetts, der sich an
den Grenzen von Folk, Swing und Jazz entlang laviert.
Mit ihrem energiegeladenen und schrägen Sound gelten die vier smarten Typen mit der
Lady in ihrer Mitte als hoffnungsvolle Newcomer, die der irischen Musik wahrhaft ein
neues Gesicht geben. Sängerin Niamh Dunne im feurig roten Kleid gibt in hochhackigen
Stiefeln den Takt an und fiedelt, was das Zeug hält. Virtuos, fast akrobatisch
beherrscht der Musiker Eamon Murray die irische Rahmentrommel und sein Spiel ist
so mitreißend, dass es den Musiker selten auf dem Stuhl hält. "Ihr seid so
freundlick!", ist sein Kommentar auf den tosenden Applaus des Publikums. Spätestens
beim furiosen Finale, als alle Musiker des Abends auf der Bühne stehen, wippen
sämtliche Hüften, stampfen die Füße. Für drei Stunden haben es die Musiker
geschafft, ein außergewöhnliches Stück Irland nach Peine zu holen.
[PZ, 13.11.2008.]
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Irish Folk Festival, Peine, 11.11.08 |
Auf zur Rainbow Expedition! Ein Abend lang schillernde Musik aller Couleur! Das Irish Folk Festival macht Station im vollständig ausverkauften Forum in Peine. Man befindet sich am Ende der Tour, ist gut eingespielt, aber dennoch immer noch munter und spielfreudig. Auch Griogair (-> FW #36) zeigt noch keine Verschleisserscheinungen. Der junge Singer-Songwriter vom viel besungenen Loch Lomond in der Grafschaft Argyll singt ausschließlich auf Gälisch. Er beginnt mit Mouth Music, der Rapmusik der schottischen Highlands, anschließend drei schöne Balladen, wobei er auch schon mal das schottische Pendant zum Jodeln zum besten gibt. Das war's dann auch schon: The Irish won't let me play longer.
Niamh Ni Charra (-> FW #33) spielt Fiddle und Concertina, begleitet vom Gitarristen Alan Colfer. Es beginnt mit einem Set Polkas, Niamh stammt aus Kerry, wo diese Gattung besonders gepflegt wird. Sie erzählt, wie auf den Tanzparties im Wohnzimmer schon mal die Möbel verrückt werden, um Platz für die Tänzer zu schaffen. Es folgen Slip Jigs, ein Walzer, Reels, ein wunderbares Solo-Lament auf der Konzertina ("Nora Chrionna"), ein Clog und wieder ein Slip Jig. Dann sind schon wieder zwanzig Minuten und auch ihr Auftritt um. Es blieb rein instrumental, auf der Festival-CD hatte sie sich noch an einem Lied versucht.
P Stands for Paddy,Polkas @ youtube.com |
Die sechs jungen Damen von Liadan haben keine Gitarren oder Bouzoukis als Begleitinstrumente. Irlands Nationalsymbol, die gute alte Harfe, muss es richten, um zwei Geigen, zwei Flöten und ein Piano-Akkordeon zu unterstützen. So klingen die Tunes von Liadan, wie einst bei den Chieftains, fast schon orchestral. Ihr eigentliches Markenzeichen ist aber der bis zu sechs-stimmige Gesang. Auch diese Band beginnt mit Polkas. Es folgen eine Reihe von Jigs und Reels, sowie Lieder wie "P Stands for Paddy" und "Hannah Lovely Hannah" mit wunderbaren Harmonien im Refrain. Stoßseufzer eines Zuschauers: Die Gruppe ist gut ... und die Musik auch!
Es folgen 20 Minuten Pause, aber irische 20 Minuten, bevor Beoga (-> FW #31, #33) die Bühne betreten. Das Quintett mischt traditionelle irische Musik mit Swing und Jazz auf. Daher haben sie viele Preise gewonnen, nicht nur den IFF-Tischtennis-Pokal. Aber im Ernst: Es beginnt mit verjazzten Reels, dann ein ruhiger, swingender Slip-Jig, der sich dramatisch aufschaukelt, bei den folgenden Reels entlädt sich eine Klatschorgie. Bodhranspieler Eamon Murray erzählt seinen Standardwitz über den betrunkenen Autofahrer. Niamh Dunne singt "Both Sides of the Tweed", bei den folgenden rasenden Reels verabschieden sich die erste Haare des Geigenbogens. Für Abwechslung ist gesorgt: der Swingklassiker "Please don't talk about me when I'm gone", das traditionelle "Factory Girl", "Soggy's Slip Jigs" zur Entspannung. Eamon witzelt, dass beide Beoga-Alben in den Top-10-Alben ever made seien, die Liste wurde natürlich created by my mum. Es folgt das obligatorische Bodhransolo, auf dem Höhepunkt stöhnt Eamon auf Deutsch: Oh mein Gott!
Zur Zugabe finden sich alle Beteiligten noch einmal auf der Bühne ein. Machen Sie Spaß? wird gefragt, "Gile Mear" gesungen und ein paar Tunes gespielt. Sie werden noch mal rausgeklatscht, Griogair spielt zum Grande Finale auf seinen Bagpipes. Das Publikum erklatscht noch eine Zugabe und es gibt noch einmal Polkas - für Barack Obama!
Sinti-Swing erinnert an Django Reinhardt Kniki, Salzgitter-Bad, 30.11.2008. Die vierköpfige Band aus Leipzig hat sich der Musik Django Reinhardts verschrieben, der in den 30er-Jahren den Sinti-Swing entwickelte - damals ein neuer Musikstil mit Anleihen aus Jazz, französischem Walzer und traditioneller Sinti-Musik. 1934 gründete Danjo Reinhardt das legendäre Swing-Quartett "Hot Club de France", an deren Musik Hot Club d'Allemagne mit Violine, zwei Gitarren und Kontrabass anknüpft. Die Lust an der Improvisation ist allen Musikern der Formation eigen. Die Töne sprudeln nur so heraus. Im Sinti-Swing sehen die Hot-Club-Musiker eine Möglichkeit, der zunehmenden Kopflastigkeit moderner Jazzformen einen Stil entgegenzusetzen, der die Seele in Schwingung versetzt, eben "Swing" erzeugt. Die locker-flockige Darbietung vertrieb auch die letzten Wolken des morgendlichen Stimmungstiefs. [SZ, 01.12.2008.] Wo die Decke voller Geigen hing Sie war einst die jüngste Geigenbaumeisterin Deutschlands, und ihr Wissen und kunsthandwerkliches Können waren in Braunschweig und weit darüber hinaus gefragt: Elfi Rautmann ist am Mittwoch unerwartet im Alter von 69 Jahren gestorben. Mit ihr geht eine über 150-jährige Tradition des Geigenbaus in Braunschweig zu Ende, die von Carl Rautmann (1818-95) gegründet wurde und die sie in der fünften Generation vertrat. Das Herzstück war die kleine Werkstatt an der Schöppenstedter Straße. Hier, wo einem alle Hektik draußen wie weggewischt erschien, wo zwar nicht der Himmel, aber doch die Decke voller Geigen und Bratschen hing, hier ging ein und aus, wer ein Streichinstrument spielte und irgendwann irgendwelchen Kummer damit hatte. Elfi Rautmann half bei allen Gebresten, die ein so sensibles Instrument befallen können. Ob Meister- oder Schülergeige: bei ihr galt allen die gleiche Sorgfalt der handwerklichen Zuwendung, denn in jedem Instrument sah sie auch den Menschen vor sich, der es spielte und liebte. Heute befinden sich wichtige Instrumente aller fünf Rautmann-Generationen im Städtischen Museum. [BZ, 06.12.2008] Liederjan bietet "Loses zum Fest" Kniki, Salzgitter-Bad, 06.12.2008. Der dreistimmige Satzgesang, Markenzeichen von Liederjan, war auch in der Kniki wieder Höhepunkt der Darbietungen unter dem Titel "Loses zum Fest". Als a capella "Maria durch ein Dornwald ging" erklang, war es mucksmäuschenstill im Raum. Neben besinnlichen Weisen präsentierte Liederjan flotte Lieder aus seinem umfangreichen Repertoire aus 33 Jahren Bühnenpräsenz. Dabei kamen vielfältige Zupf-, Streich-, Blas- und Drückinstrumente zum Einsatz. Aber nicht nur Musik ist das Metier der drei Folk-Barden. Sie treten mit dem Publikum in Dialog, erzählen mit Augenzwinkern skurrile Geschichten und tragen spannende Gedichte und Texte vor. Überraschend war der Ausflug von Liederjan in andere musikalische Gefilde. Es erklangen Latin-Musik und ein knackiger Rap. Die originelle Mischung aus Musikalität, Witz, Charme und Spontanität ließ keine Langeweile aufkommen. Darüber hinaus stimmte Liederjan auf spritzige und humorvolle Weise auf Advent und das bevorstehende Weihnachtsfest ein. [SZ, 08.12.2008] |
Celtic Super Night, Wolfenbüttel, 18.11.08 |
Eine Woche später singt Seamus O'Dowd die "Cliffs of Dooneen" - gewidmet Barack Obama! Für Afro-Amerikaner muss die Präsidentschaft Obamas so etwas wie ihr Kennedymoment sein, frei nach dem Motto: wir sind endlich in der amerikanischen Gesellschaft angekommen. Und vielleicht hat für Iren wie für Schwarze Musik eine wichtige Rolle gespielt. Erst wurde ihre ethnische Musik populär, dann wurden die Menschen akzeptiert.
Während das Irish Folk Festival die jüngere Generation auf die Bühne gestellt hat, präsentierte die Celtic Super Night in Wolfenbüttel die Veteranen der Irish Music. Auf der Webseite der Konzertkasse stand noch am Tag der Veranstaltung der ursprüglich angedachte Ort Lindenhalle und es gäbe nur noch wenige Karten. Das Ereignis war allerdings schon eine Woche vorher in die kleinere Kuba-Halle verlegt worden, und da der Kartenverkauf scheinbar schlecht läuft, gibt es eine Celtic-Weekend-Aktion: Two for One mit 50% Ermäßigung. So ist es bei nicht ganz geringen Ticketpreisen wenigstens einigermaßen gefüllt.
Martin Hayes @ FolkWorld: FW #35, #35 @ compassrecords.com @ youtube.com |
Diejenigen die gekommen sind, wissen, was geboten wird. Ein Drittel des Publikums macht selbst irische Musik, selbst Mitglieder von Cara und Emerald sind aus Hannover angereist. Den Auftakt bestreitet das Trio um Mairtin O’ Connor (-> FW #22, #24). Der legendäre irische Akkordeonist spielte in Bands wie De Dannan und ist auf Tonträgern von Mark Knopfler bis Tanita Tikaram zu hören. Begleitet wird er an diesem Abend von Seamie O’Dowd (Gitarre), zeitweiliges Mitglied von Dervish, und Cathal Hayden (Geige), Mitglied von Four Men and A Dog.
Das Trio nimmt das Publikum auf eine "Road West", beginnend mit dem "Crossroads-Set". Tanzen an den Crossroads, so heisst auch die aktuelle CD. Seamus O'Dowd singt "Cedars of Lebanon", einem Lied von Tom Moore - dem kalifornischen Songwriter, nicht dem Autor der Irish Melodies -, sowie den Rory-Gallagher-Song "Barley Grape Rag", Bluegrass-Töne über drinking and partying, mehr braucht ein guter, traditioneller irischer Song nicht. Es gibt eine Banjo-Einlage von Cathal, Seamie leistet wunderbare Gitarrenarbeit. Zum Schluss steht Händels "Arrival of the Queen of Sheba" auf dem Programm. Das hat Mairtin schon damals mit De Dannan gespielt. Passenderweise fand das Konzert am Vortag in Halle a.d. Saale statt.
Der anwesende Geigenlehrer stöhnt nun, wie kann jemand mit einer solch schlechten Technik so geile Musik machen ... Gemeint ist Martin Hayes, Fiddle-Virtuose par excellence. Zusammen mit Gitarrist Dennis Cahill produziert er die lyrische Version von traditioneller irischer Musik. Eine perfekte Symbiose, Dennis spielt auf seiner klassischen Gitarre mit Nylonsaiten ökonomisch effizient und nur, was den Tune unterstützt. Sie beginnen ihr erstes Set mit sieben bis acht Tunes - irgendwann habe ich das Zählen aufgegeben - und steigern kontinuierlich die Spannung. Genauso wie die nachfolgenden Stücke ist das Tanzmusik, aber nicht unbedingt zum Tanzen geeignet. Jetzt weiss ich, woher der Ausdruck Sit Dancing herstammt. Martin erinnert daran, dass das abschließende "O'Neill's March" von den Horslips bekannt gemacht worden ist: Anybody knows? - Yes! - You must be 45 at least...
Der ebenfalls angekündigte Iarla O'Lionaird bleibt uns erspart. Nach der Pause dann endlich Lunasa (-> #32, #37), Tola Custy hat Sean Smyth heute an der Geige ersetzt. Nach einer Dekade immer noch unermüdlich dabei, macht das Quintett Feuer unter jeden Hintern. Ich erinnern mich, dass ich Lunasa zum ersten Mal im April 2000 auf dem Wiener Stadtfest gesehen habe. Damals brachten sie 5.000 Menschen zum Ausrasten, Wolfenbüttel stellt überhaupt kein Problem dar. Lunasa spielt ihre groovenden Sets, auch einige neue, noch nicht aufgenommene. Flötist Kevin Crawford macht seine üblichen Witze. Mit seinen Clownereien und der instrumentellen Vielfalt der Gruppe fällt überhaupt nicht richtig auf, dass kein einziges Lied gesungen wird. Stattdessen galizische Muneiras, das schöne Flöten-Duett "The Last Pint", Paul Meehans Gitarrensolo, und beim finalen "Ashplant"-Set bebt die Halle.
Wir wollen nur für den holländischen Veranstalter hoffen, dass nicht alle Zuschauer über die Gästeliste reingekommen sind. Es wäre jedenfalls schade, wenn solche hochkarätigen Veranstaltungen in der Region finanziell nicht funktionieren würden. Davon angesehen, dass man dadurch einmal andere Künstler zu sehen bekommt, die sich sonst eher rar machen. Der holländische Vorstoß nach Deutschland mit insgesamt vier Konzerten ist auf jeden Fall zu begrüßen und darf fortgesetzt werden.
"Ich bin immer noch etwas rockig im Inneren"
Herr Lohse, wenn Sie es selbst beschreiben müssten: Was zeichnet Ihre Musik aus?
Ich denke, die Vielfalt zeichnet sie aus. Es sind die verschiedensten Stile: Von der Klassik
angefangen über Rock, Pop, Jazz oder Chanson. Wie die Musik verschieden ist, sind es auch die
Texte. Sie greifen die verschiedensten Themen - auch mit aktuellem Bezug - auf.
Sie waren bis vor ein paar Jahren bei der Rockband Letzte Instanz. Wie passt das mit ihrer jetzigen Musik zusammen?
Es passt so zusammen: Es sind sogar noch drei Lieder im Programm drin, die damals dabei waren.
Außerdem bin ich immer noch etwas rockig im Inneren. Aber, da ich nicht mehr 20 bin, liegt es
mir, in der musikalischen Qualität mehr auf die Feinheiten zu achten als auf das Grobe.
Was erwartet die Besucher bei Ihrem Auftritt in Groß Elbe?
Wir spielen am zweiten Adventssonntag, es wird aber nicht allzu weihnachtlich werden. Es sind
trotzdem viele Stücke besinnlich, manchmal auch traurig. Das Motto unseres Albums "In medias res"
ist "vergnüglich, bissig, nicht ohne Hoffnung". Jeder, der sich noch mit anderen Dingen als seiner Verdauung beschäftigen will, kann gerne zu uns kommen. Jeder, der noch Lust hat, etwas Neues zu sehen und etwas Unerwartetes vorzufinden, ist herzlich willkommen. Wir werden uns größte Mühe geben, dass die Leute hinterher aus dem Café gehen und sagen: Es hat uns mit allen Sinnen
erreicht.
[SZ, 06.12.2008]
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Sebastian Lohse, Groß-Elbe, 07.12.08 |
Sebastian Lohse @ FolkWorld: FW #38 Aufgewachsen, Gegen den Strich |
In Berlin fiel tags zuvor das Konzert mangels Zuschauer aus, aber was ist schon Berlin, gibt es doch Kultur im Innerstetal. Der ehemalige Letzte-Instanz-Sänger Sebastian Lohse kam nach Groß Elbe, sah und siegte. Begleitet vom Pianisten Clemens Pötzsch präsentierte der schauspielernde Sänger und singende Schauspieler ein durch-choreographiertes Programm zwischen Chanson, Klassik und Jazz. In media res schlüpfte er in verschiedene Rollen, professionell, aber dennoch charmant. Als Motto könnte seine Version von Georg Herweghs "Leicht Gepäck" stehen:
Allein das Guinness kann es nicht gewesen sein… Kniestedter Kirche, Salzgitter-Bad, 17.01.2009. Zwei Gitarren, zwei Mikros, zwei Stühle – mehr haben Vater und Sohn nicht dabei. Seán und James Cannon brauchen keine zusätzlichen Effekte, damit sich das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt. Allein ihr Spiel und ihre Stimmen sind es, die die Zuschauer vom ersten Ton an in ihren Bann ziehen – zum Mitsingen, Klatschen oder gar Schunkeln anregen. Sichtlich Spaß haben die beiden Sänger, die musikalisch und stimmlich unterschiedlicher kaum sein können. Und dennoch oder vielleicht gerade deswegen harmonieren sie auf der Bühne perfekt, ergänzen sich und bringen mit unterschiedlichen Stilen permanent Abwechslung ins Programm. Egal, ob irischer, schottischer, englischer oder gälischer Song, alles passt zusammen. [SZ, 19.01.2009] "Wir vermissen Ronnie Drew sehr"
Ronnie Drew ist im August gestorben. Wie nahe geht Ihnen sein Tod, und wie sehr wirkt er sich auf die irische Musikszene aus?
Er spielt auf der Klaviatur des Gefühlslebens eines ganzen Volkes KZ-Dokumentationsstätte, Salzgitter-Drütte, 27.01.2009. Musik in der KZ-Dokumentationsstätte Drütte auf dem Gelände der Salzgitter AG ist immer ein besonderes Erlebnis. Während das Ambiente mit seinen kahlen Wänden und der Dauerausstellung die menschliche Kälte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vermittelt, bringt die Musik Lebendigkeit hinein. Mit seinen Liedern spannt [Daniel Kempin] den Bogen von der Schöpfungsgeschichte bis zum jüdischen Leben heute. Sein aktuelles Programm heißt "Masl un Schlamasl", übersetzt: "Glück und Unglück". Gebannt verfolgt das Publikum die von Daniel Kempin in Liedern und Berichten verpackte Geschichte des Judentums, erfährt von Exil und Befreiung der Israeliten, ihrem religiösen Glauben sowie den persönlichen Existenzkämpfen. Es macht Freude zu erleben, wie sensibel und mitreißend zugleich Kempin seine Lieder präsentiert. Frohsinn und Melancholie, Hoffnung und Verzweiflung – Daniel Kempin spielt auf der gesamten Klaviatur des Gefühlslebens eines Menschen, aber auch eines ganzen Volkes. Mit seiner kraftvollen Stimme, seiner wechselvollen Mimik und seinem Gitarrenspiel gelingt es ihm, die Zuschauer zu begeistern. [SZ, 29.01.2009] Im Ruhrgebiet bekannter als im heimatlichen Salzgitter Walter Schlächter ist Musiker aus Leidenschaft. Balladen, in denen die Ohnmacht des kleinen Mannes gegenüber der Obrigkeit oder den Reichen zum Ausdruck kommt, Lieder über die Sehnsucht, die Sorgen der irischen Auswanderer, Krieg, Frieden oder Ungerechtigkeiten sind die musikalischen Themen. Ihn haben nur die Lieder interessiert, die wahre Geschichten erzählen. Dazu zählen Folk-Balladen aus Irland, Großbritannien, auch die aus den USA, Deutschland und dem spanischsprachigen Raum. In seinem neuen Programm "From Athenry to Guatanamo" singt er über erlebte und erdachte Lieder. [SZW, 15.02.2009] |
Ich bin ein freier Mann und singe mich wohl in keine Fürstengruft,
Und alles, was ich mir erringe, ist Gottes liebe Himmelsluft.
Ich habe keine stolze Feste, von der man Länder übersieht,
Ich wohn ein Vogel nur im Neste, mein ganzer Reichtum ist mein Lied.
Folk in der Burg, Salzgitter, 28.02.09 |
Pferdestall wird vier Stunden lang zu irischer Musikhalle Wasserburg, Salzgitter-Gebhardshagen, 28.02.2009. Folk-Fans kamen am Samstag im ehemaligen Pferdestall der Wasserburg auf ihre Kosten. Zum fünften Mal hatte die heimische Band Dun Aengus zum Folkfestival eingeladen, das zum zweiten Mal in den Räumlichkeiten der Wasserburg stattfand. Während Dun Aengus und Peter Kerlin die ganze Bandbreite irischer und keltischer Volksmusik mit Jigs, Reels, Balladen und stimmungsvollen Liedern boten, ging es mit der Gruppe Mehravan rockig weiter. Mit ihrer Verbindung aus mittelalterlicher Musik mit Rock-, Blues- und Latinoelementen heizten die drei Musiker von Mehravan die Stimmung am späten Abend kräftig an. Die Folk-Lokalmatadoren Dun Aengus hatten wieder einmal ein ausgewogenes, abwechslungsreiches Programm zusammengestellt und erstklassige Musiker aus der Region eingeladen. Die Sänger und Multiinstrumentalisten gefielen in ihrer lockeren, sympathischen Art. Vier Stunden lang verwandelten sie die Veranstaltungsstätte in eine Musikhalle an der irischen Westküste. Die meisten Zuhörer harrten von Anfang bis Ende aus und erlebten dann am Schluss noch den gemeinsamen Bühnenauftritt aller Mitwirkenden. [SZ, 02.03.2009] |
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Die FolkWelt zwischen Harz & Heide (FW#37) |
Photo Credits:
(1) Meike Koester,
(4) Niamh Ni Charra & Alan Colfer,
(10) Daniel Kempin,
(13) Walter Schlächter
(unknown);
(2) Nadishana,
(3) Dikanda,
(5) Liadan,
(6) Martin Hayes & Dennis Cahill,
(7) Celtic Super Night Session,
(8) Sebastian Lohse,
(14) Klaus der Geiger
(by Walkin' T:-)M);
(9) Dun Aengus,
(11) Peter Kerlin,
(19 Mehravan
(by Anne König);
(15) Broom Bezzums
(by Adolf 'gorhand' Goriup).
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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 03/2009
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