FolkWorld Ausgabe 38 03/2009; Artikel von Karsten Rube
Radio Days (3)
Formatradios
Als ich vor einigen Tagen mit einem Musikredakteur eines mitteldeutschen Radiosenders sprach und ihn auf die Auswahl der Musik in seinem Sender hin befragte, gab er mir eine Antwort, die für die fortschreitende Demenz in der Radiolandschaft nicht bezeichnender hätte sein können. Er sagte: “Wir sind da etwas konservativ. Wir spielen nur das, was auf anderen Stationen bereits erfolgreich läuft.” Er sah dabei nicht sehr glücklich aus.
Noch unglücklicher wirkte er, als er mir mitteilte, dass er als Musikredakteur nicht sehr großen Einfluß habe bei der Gestaltung des Programms, da die Majorlabels bestimmen, was gespielt wird. Da die meisten Sender ihr Programm auf Grundlage von Marktforschungsanalysen gestalten, ist das Radiomachen für
![]() Radio Days @ FolkWorld: |
“Ein Formatradioprogramm dient dazu, die Hörerbedürfnisse der Zielgruppe möglichst optimal zu befriedigen, um so möglichst viele Hörer an das Programm zu binden und im Falle einer Werbefinanzierung des Senders diese Einschaltquoten gewinnbringend an den Werbekunden zu verkaufen.” Zitat: Prof. Dr. Klaus Goldhammer - Professor für Medienwirtschaft.
Der Markt kontrolliert die organisatorische, ökonomische und inhaltliche Grundstruktur eines Senders. Die Verantwortlichen einer Radio- wie auch einer Fernsehstation glauben nicht an Qualität, sondern an Effizienz. Sie glauben an ihre Überlebensängste in einem Medienbottich in dem sie wie die Frösche in der Butter strampeln müssen, um nicht unterzugehen.
Aber wenn derjenige, der über den Markt schlendert, der Hörer also, sich aussuchen kann, was er bevorzugt und was nicht, müsste es dann nicht bei der Vielfältigkeit menschlicher Geschmacksrichtungen ein vielfältiges Radioprogramm geben? Müsste das Radio nicht die Hörbedürfnisse des Hörers umfassend befriedigen? Leider ist der Radiomarkt kein bunter Wochenmarkt in der Provence, sondern einer am Rande eines provinziellen Rummelplatzes, der unter lärmender Technobeschallung mit einer sagenhaften Auswahl von Ferngläsern aus Armeebeständen, Rolexnachbildungen, pink- oder tarnfarbenen Tangaslips und Feuerzeugen mit Abbildungen nackter Atombusen zeigender Frauen lockt. Hinter den Kleingeldkassen der Stände stehen derweil aggressive Verkäufer, die einen anbrüllen, man solle den Mist kaufen, weil man sich dann besser fühlt.
Im Format-Radio sind es die ewig gleichen Musikteppiche, die müde machen und die lauten Marktschreier, die abstoßen. Zwischen jedem Titel hören zu müssen, dass DU die verdammt beste Musik auf der geilsten Radiostation der Welt hörst, dass DU das Beste
Download protest button : |
Radios gestalten keine Programme, sondern Hörer. Sie nehmen Hörer als Konsumenten wahr und benutzen deren Köpfe wie Briefkästen in denen meist unterbezahlte und häufig auch unqualifizierte Aushilfen die Werbeprospekte der Billigmärkte kippen. Sie klingeln an unsere Ohren und wenn man zum Tür geht, weil man netten Besuch erwartet, rufen sie: “Aufmachen! Werbung!”
Trotzdem sinken die Hörerzahlen. Oder vielleicht gerade deshalb? “Es sind die neuen Medien, die uns töten”, jammern die Stationen. “I-pod kills the Radiostar”, will man singen, wie es einst ein ähnliches Thema war, als der Videoclip aufkam. “Die hören nur noch Musik, die sie untereinander austauschen” erzählte mir ein gekränkter Moderator am Rande der Popkomm. “Dabei bieten wir doch alles, was sie wollen. Musik, die in den Verkaufscharts ganz oben steht. Tipps für die besten Partylocations, Informationen über die angesagten Popstars und was die so treiben, witzige Moderationen...”
Kann es sein, dass die Marktforschungsanalysten zwar ständig Hörerbefragungen veranstalten und die Ergebnisse dann ignorieren? Stellen sie die richtigen Fragen? Fragen sie wirklich?
Manchmal klingelt auch bei mir das Telefon. Da erreichte mich sogar einmal eine
Umfrage zu meinem Hörerverhalten.
Nach meiner Antwort, die das kürzlich von der
Sendeleitung des RBB unterbundene Programm von Radio Multikulti beinhaltete und
auch die Deutsche Welle nicht ausschloss, reagierten sie kurz angebunden. “Das sind
keine werberelevanten Sender, die für unsere Umfrage eine Rolle spielen. Wir streichen
sie mal aus der Liste der umfragerelevanten Personen.” Nach meinem Radioverhalten
fragt mich heute keiner mehr. Leider.
Zum Schluss noch mal Prof. Dr. Goldammer: "Man hat in den letzten zehn Jahren das Programm dahingehend optimiert, Ausschaltgründe zu eliminieren. Und man hat dabei vergessen, Einschaltgründe zu schaffen."
Vielleicht hat das Radio ja das Problem, dass es nur Senden und nicht Hören, schon gar nicht zuhören kann.
Photo Credits:
(1) Radioskala, (2) Karsten Rube (by Karsten Rube);
(3) Protestbutton
'Formatradios dieser Welt präsentieren: Sendeverbot für Folk & World Music'
(by Magnetic Music).
Zur englischen FolkWorld |
© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 03/2009
All material published in FolkWorld is © The Author via FolkWorld. Storage for private use is allowed and welcome. Reviews and extracts of up to 200 words may be freely quoted and reproduced, if source and author are acknowledged. For any other reproduction please ask the Editors for permission. Although any external links from FolkWorld are chosen with greatest care, FolkWorld and its editors do not take any responsibility for the content of the linked external websites.