FolkWorld Ausgabe 39 07/2009

Editorial
von Walkin' T:-)M

Varus

www.imperium-konflikt-mythos.de
www.kalkriese-varusschlacht.de
www.hermann2009.de

Arminius den man nent Hermann
ein junger Held, ein khüner Man
von Leyb und Gmüt wol auff erwachsen
geborn vom Hartz, ein Fürst von Sachsen
Burchard Waldis, 1543)
2009 - das ist auch der 2000. Jahrestag der berühmten Schlacht im Teutoburger Wald, als der germanische Cheruskerfürst Arminius drei römische Legionen unter dem Legaten Publius Quinctilius Varus niedermachte. Der furor teutonicus verhinderte die römische Expansion nach Germanien hinein und unseren germanischen Vorfahren blieb die Romanisierung und damit vorerst auch Aquädukte, Theater, Bäder, Straßen, Schulen und Städte erspart.

Hundert Jahre später wurde Arminius noch bei den germanischen Stämmen besungen, berichtet der römische Geschichtsschreiber Tacitus. Manche sagen, der Römertöter Arminius sei literarisches Vorbild für den Drachentöter Siegfried in den nordischen Sagas gewesen.

Das ist der Teutoburger Wald,
Den Tacitus beschrieben,
Das ist der klassische Morast,
Wo Varus steckengeblieben.
(Heinrich Heine, 1844)
Mit der Drucklegung der Schriften des Tacitus im 15. Jahrhundert trat Arminius wieder in die Erinnerung und avancierte unter dem Namen Hermann zum deutschen Helden. Ab dem 17. Jahrhundert folgte eine Flut von Hermannsgedichten, Hermannsliedern, Hermannsdramen, Hermannsromanen, Hermannsopern und Hermannsgemälden, die Arminius und seinen Kampf gegen die Römer zum Thema hatten.

Johann Gottfried Herder sollte sagen, dass die alten Deutschen mit dem Gesange wie mit dem Schwert fochten, und solange es Barden gab, war der Nationalgeist unbezwinglich und ihre Sitten und Gebräuche unauslöschbar. Auch Friedrich Gottlieb Klopstocks dreiteiliges Heldenepos stellte die angeblich große Bedeutung der germanischen Sänger und Dichter in den Vordergrund und er bezeichnete seine vaterländischen Dramen als Bardiete.

Als die Römer frech geworden
Zogen sie nach Deutschlands Norden
Vorne mit Trompetenschall
Ritt der Generalfeldmarschall,
Herr Quintilius Varus
(Joseph Viktor von Scheffel, 1849)
Die Einweihungsfeier des 1875 eingeweihten monumentalen Hermannsdenkmal bei Detmold, der sein Schwert gegen den Erbfeind Frankreich richtet, geriet zu einer Huldigung an das wilhelminische Kaiserhaus. Zur 1900-Jahr-Feier der Schlacht im Jahr 1909 zog ein riesiger Germanenzug durch Detmold. Der Zug bestand aus 900 Personen mit 200 Pferden und Zugtieren; im musikalischen Teil sah man einen germanischer Heerrufer, das Urhorn blasend, Barden und Siegeshymnen singende Knaben und Mädel, sowie römische Fanfare-, Tuba- und Aulosbläser.

Seit dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus spielt der Hermanns-Mythos bis auf Restbestände keine erkennbare Rolle mehr. Einzig Herman Grotes Niedersachsenlied, das vom NDR in den neunziger Jahren wegen des als faschistoid empfundenen Textes aus dem Rundfunk verbannt wurde, wird von niedersächsischen Sportvereinen, sowie bei politischen Veranstaltungen von den Jungen Liberalen bis zur NPD noch gerne gesungen. Das 2000jährige Jubiläum hat bislang nur die Bücherregale gefüllt; die Öffentlichkeit interessiert mehr Deutschland sucht den Superstar. Andere Zeiten, andere Helden.

Wo fiel'n die römischen Schergen?
Wo versank die welsche Brut?
In Niedersachsens Bergen,
An Niedersachsens Wut
Wer warf den römischen Adler
Nieder in den Sand?
Wer hielt Freiheit hoch
Im deutschen Vaterland?
Das war'n die Niedersachsen,
Sturmfest und erdverwachsen
Heil Herzog Widukinds Stamm.
(Herman Grote, 1926)
Ein großes Ausstellungsprojekt mit dem Titel Imperium Konflikt Mythos spürt den Geschehnissen noch bis Ende Oktober an drei Originalschauplätzen nach. Während das Halterner Römermuseum das römische Imperium zum Thema macht, beschäftigt sich das Museum in Kalkriese, in dessen Nähe Teile des Schlachtfeldes lokalisiert worden sind, mit dem Konflikt zwischen Römern und Germanen, und das Lippische Landesmuseum in Detmold greift den Hermannsmythos auf.

Der niederländische Liedermacher Hermann van Veen hat extra ein Kindermusiktheater komponiert, das in der neuen Waldbühne unter dem Hermannsdenkmal aufgeführt wird. Der Folkfrühling im Örtchen Venne in unmittelbarer Nähe zu Kalkriese gestaltete Friedenszeichen, ganz gemäß dem Luka-Bloom-Zitat: Wenn die Welt Krieg führt, müssen wir mehr Musik machen!

Ich persönlich wundere mich ja nur, dass sich die Filmindustrie noch nicht des Themas angenommen hat. Ein heroischer Schlacht-Schinken wäre sicherlich wenig angebracht. Aber es ginge ja auch anders; wenn man die Geschichte je verfilmen sollte, müsste man es aus Sicht des unglückseligen Varus und seiner Legionen machen, die a la Stalingrad dem Untergang entgegen gehen. Ich empfehle dazu den Roman Varus von Iris Kammerer.

Nun denn, hoffen wir auf ein weiterhin friedliches Jahr 2009. Salve, T:-)M



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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 07/2009

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