FolkWorld Ausgabe 40 11/2009; Live-Bericht

Bardentreffen
Nürnberg




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Bardentreffen 2008
Bardentreffen 2004-7

Wer hat's erfunden?
Bardentreffen Nürnberg, 31.07.-02.08.09

Kultur der Schweiz

In der traditionellen Schweizer Kultur hat die Schweizer Volksmusik, die zur Alpenländischen Volksmusik gehört, eine hohen Stellenwert. Spezifisch schweizerische Instrumente sind das Alphorn und das Schwyzerörgeli, aber auch Geige, Bassgeige und Klarinette sind häufig. Die verschiedene Stilrichtungen der Volksmusik werden in der Regel zusammenfassend als Ländlermusik (im Volksmund auch Hudigäggeler) bezeichnet. Anders als im übrigen deutschsprachigen Raum bezeichnet Ländler hier nicht nur 3/4-taktige Ländlermelodien, sondern eine zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Volksmusik des 19. Jahrhunderts hervorgegangene Tanz- und Unterhaltungsmusik. Instrumentale Schweizer Volksmusik wird in zahlreichen lokalen Gruppen mit wechselnder Zusammensetzung gepflegt, die meisten Spieler haben Amateur-Status, einige sind auch schweizweit bekannt, beispielsweise die Streichmusik Alder, Carlo Brunner oder die Swiss Ländler Gamblers. Die Musik ist überwiegend Tanzmusik wie Ländler oder Schottisch, wird jedoch oft auch ohne Tanzgelegenheit gespielt. Auch Blasmusik-Formationen sind sehr verbreitet, und das Eidgenössische Musikfest gilt als grösstes Blasmusikfestival der Welt. Beim traditionellen Gesang gibt es unzählige lokale Jodlergruppen, der Dachverband Eidgenössischer Jodlerverband hat 25'000 Mitglieder und ans letzte Eidgenössische Jodlerfest (2008) in Luzern kamen 360'000 Besucher. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat sich der Dialekt neben Englisch in der modernen Unterhaltungsmusik der deutschsprachigen Schweiz durchgesetzt. Frühe Vertreter waren die Berner Troubadours und Mani Matter, später dann Stephan Eicher und Polo Hofer. Bekannte Pop- und Rockmusiker und Bands sind: Patent Ochsner, Züri West, Florian Ast, Rumpelstilz, Yello, Krokus, DJ Bobo, Che & Ray, Gotthard, John Brack, The Young Gods, Les Reines Prochaines, Plüsch, Sina, Nubya oder die Lovebugs.

Jodeln ist Singen ohne Text auf Lautsilben bei häufigem schnellen Umschlagen zwischen Brust- und Falsettstimme (Registerwechsel). Das davon abgeleitete Wort Jodler bedeutet entweder „was geschieht, wenn jemand jodelt“ (Nomen Actionis), oder es bezeichnet „einen Menschen, der jodelt“ (Nomen Agentis). Der Stamm des Wortes „jodeln“ ist onomatopoetisch, ebenso wie der Stamm des Wortes „johlen“. Üblich sind Silbenfolgen wie beispielsweise „Hodaro“, „Iohodraeho“, „Holadaittijo“ und viele andere. Kennzeichnende Merkmale des Jodelns sind auch große Intervallsprünge und weiter Tonumfang. In wahrscheinlich allen gebirgigen und unwegsamen Regionen der Welt gibt es verschiedene Techniken, um mit Rufen weite Distanzen akustisch zu überbrücken. Die Ursprünge des Jodelns gehen auf vorhistorische Zeiten zurück: Jodelnd verständigten sich Hirten und Sammler, Waldarbeiter und Köhler. Nicht nur in den Alpen wurde von Alm zu Alm mit Almschrei (Almschroa) oder Juchzer (Juchetzer, Jugitzer, Juschroa) kommuniziert oder auch das Vieh mit einem Jodler (Viehruf) angelockt. Joseph Ratzinger (in Bayern aufgewachsen) vermutet, der bedeutende Theologe Augustinus von Hippo habe das Jodeln gemeint, als er vom Jubilus schrieb, einer „Form wortlosen Rufens, Schreiens oder Singens“, das „wortlose Ausströmen einer Freude, die so groß ist, dass sie alle Worte zerbricht.“ Jubili hießen später auch rituell festgelegte Melismen des Gregorianischen Chorals. Den Weltrekord im (Dauer-)Jodeln hält der Österreicher Roland Roßkogler mit 14 Stunden 37 Minuten. Einen weiteren Weltrekord hält der Schweizer Peter Hinnen: 1992 erhielt er einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde, als er mit 22 Jodel-Tönen in einer einzigen Sekunde den Weltrekord im Schnelljodeln aufstellte. [2] Den Sprung in Schweizer Hitparade schafften 2008 Oesch's die Dritten. Im alpenländischen Volkslied wurde der Jodler zum Jodel-Lied musikalisch weiterentwickelt. Hierbei unterscheidet man auch zwischen dem gesungenen Jodler- der nur in Bruststimme und meistens nur in kurze Sequenzen zwischen den Liedversen gesungen wird- und dem geschlagenen Jodler, bei dem Brust- und Falsettstimme häufig und kunstvoll wechseln. Geschlagene Jodler können sehr lang sein und verlangen regelrechte Stimmakrobatik. Ursprüngliche Jodler wurden oft solistisch praktiziert, die meisten Jodel-Lieder sind mehrstimmig und scheinen häufig als Kehr- und Schluss-Refrain von Volksliedern auf. Besonders in der Schweiz, aber auch im übrigen alpenländischen Raum hat sich im 19. Jahrhundert eine Pflege des Jodlers in Chören entwickelt. Auch die kirchliche, sakrale Volksmusiktradition, etwa in Südtirol, kennt ein- oder mehrstimmige Jodler. Und auch instrumentale Jodler werden von Kleingruppen gespielt. Lokale Bezeichnungen sind Wullaza (Steiermark), Almer (Oberösterreich), Dudler (Niederösterreich und Wien), Gallnen (Oberbayern), Ari (Bayrischer Wald), Roller (Oberharz), Zäuerli (Appenzellerland), Juchzer und andere. Die wohl umfangreichste Jodlersammlung wurde im Jahr 1902 von Josef Pommer veröffentlicht: 444 Jodler und Juchezer.

Schwyzerörgeli

Das Schwyzerörgeli ist eine Variante des diatonischen Akkordeons, es wird hauptsächlich in der Schweizer Volksmusik verwendet. Der Bass ist gleichtönig (chromatisch) und stellt den Vorläufertyp des Stradella-Basses dar. Moderne Instrumente sind meist mit drei Tastenreihen im Diskant ausgestattet. Obwohl der Diskant grundsätzlich wechseltönig (diatonisch) ist und im wesentlichen einer diatonischen Anordnung folgt, unterscheidet sich die Spielweise nicht unwesentlich von anderen diatonischen Handzuginstrumenten, auch die Konstruktion weicht stark von einfachen diatonischen Instrumenten ab. Kompakte Bauweise mit Cassotto und ein Balg mit Ledereckschoner sind heute typische Merkmale des Örgeli. Die ältesten Schwyzerörgeli waren die sogenannten «Langnauerli», die ab 1836 in Langnau im Emmental hergestellt wurden. Das Schwyzerörgeli hat seinen Namen vom Kanton Schwyz und nicht vom Land Schweiz. Der erste Schwyzerörgelibauer war Robert Iten (1859–1918) aus Pfäffikon im Kanton Schwyz. Die bekanntesten und heute noch sehr begehrten Instrumente sind sicher die Nussbaumer und alten Eichhorn. Joseph Nussbaumer wurde 1882 in Schwyz geboren und wird oft als Stradivari des Schwyzerörgelibaues bezeichnet. Er gehört zusammen mit Alois Eichhorn und Ernst Salvisberg zu den Schwyzerörgeliherstellern der ersten Stunde. Seine Örgeli heben sich vor allem klanglich von den anderen Instrumenten ab. Josef Nussbaumer stellte nicht nur Schwyzerörgeli her, sondern auch Akkordeon und acht-bässige Club-Modelle. Aber auch Spezialausführungen mit vier Melodiereihen hergestellt. Die Geschichte der Firma Nussbauer ist sehr bewegt, sie wechselte ein paarmal den Namen, den Standort und den Besitzer. Die Zeit von 1920 bis 1929 gilt als Höhepunkt, was die Qualität der erstellten Instrumente betrifft. Eine Nussbaumer zu besitzen ist für die meisten Schwyzerörgelispieler ein Traum. Nicht selten werden von Liebhabern Höchstpreise für ein solches Instrument bezahlt. Heute gibt es eine Reihe von Schwyzerörgeli-Herstellern, die sich auf das Kopieren des Nussbaumer-Originals spezialisiert haben. Zu den bekanntesten zählen Josef Gwerder, die Zürcher-Schmidig Örgeli ab 2009 Zürcher und Schmidig eigenständig und das Stradivarius-Schwyzerörgeli von Beat Kollegger aus Alvaneu. Bei beiden Herstellern verlassen nur wenige Instrumente jährlich die Werkstatt. Alois Eichhorn wurde 1865 geboren und zählt, wie Joseph Nussbaumer und Ernst Salvisberg, zu den ersten grossen Pionieren des Schwyzerörgeli. 1886 begann er mit der Herstellung und fabrizierte am Anfang seine Örgeli noch ohne Resonanzkasten. Im Jahre 1915 stellte Eichhorn eine erste Handorgel mit drei Melodiereihen und 36 Bässen her. Der damals bekannte «Stalde Franz» soll Eichhorn dazu gebracht haben, diese Handorgel zu bauen. Eichhorn baute später auch ein fünfreihiges Instrument mit 80 Bässen. Zusammen mit seinen Söhnen Alois, Josef und Ernst gewann Eichhorn immer mehr an Bedeutung und festigte den Begriff Eichhorn Schwyz und somit auch die Bezeichnung Schwyzerörgeli. Die Qualität der Instrumente wurde immer besser. Vor allem die 18-bässigen Schwyzerörgeli mit Würfel-Intarsien werden noch heute hoch geschätzt. Bekannte Schwyzerörgelispieler waren oder sind nach wie vor u. a. Franz Bissig, Dominik Marty, Rees Gwerder, Ludi Hürlimann, Hansruedi Kappeler, Ernst Jakober, Josias Jenny, Peter Zinsli, Thomas Lüscher, Hausi Straub, Res Schmid, Daniel Marti, Willi Valotti, Josef Stump und Balz Schmidig, Franz Schmidig sen., Arno Jehli, Bruno Raemy, Erhard Mischler, Paul Lüönd, Alois Lüönd, Daniel Lüönd, Martin Nauer sen., Martin Nauer, Peter Grossen, Reto Grab, Markus Flückiger und Marcel Oetiker, Kurt Baummann. Unter den tausenden von Ländlerkapellen werden viele als Schwyzerörgeliduett, -trio oder -quartett bezeichnet. Die Jenischen in der Schweiz bevorzugen ebenfalls das Schwyzerörgeli für ihre Musik, in welcher sie ihre eigenen traditionellen Rhythmen und Melodien mit Schweizer Volksmusik bunt vermischen. Fränzli Waser (1858–1895) war einer der ersten, der im Bündnerland auch Handorgeln bzw. Schwyzerörgeli in die Bündner Volksmusik einführte. In der Westschweiz mischen Jenische heute auf ihren Schwyzerörgeli gerne auch Ländlermusik mit Musette. Bekannte Vertreter dieser Stilrichtung sind die Musiker aus den Familien Werro und Mülhauser. Joseph Mülhauser, bekannt auch unter dem Künstlernamen Counousse, stellt in seiner Musik Verbindungen zwischen dem Ländler und der Musik der Roma und Sinti, insbesondere auch dem Zigeunerjazz her.

Alphorn

Das Alphorn ist ein Blasinstrument auf dem Prinzip der Polsterpfeife und gilt als Nationalsymbol der Schweiz. Es gehört aufgrund seiner Anblastechnik instrumentenkundlich zu den Aerophonen (wie alle Blechblasinstrumente) und wird traditionell überwiegend aus Holz gefertigt. Es besitzt weder Klappen, Züge noch Ventile und ist daher bezüglich der zu spielenden Töne auf die Naturtonreihe beschränkt. Ein Alphorn kann man, je nach Landschaft, 5 bis 10 km weit hören. Lange Holztrompeten gibt es in vielen Kulturen und Ländern, z. B. in Tibet, den Pyrenäen und den Karpaten, oder bei den Kirgisen. In der Schweiz erfreut sich das Alphorn jedoch allgemeiner Beliebtheit. Die erste bekannte schriftliche Erwähnung eines Alphorns in der Schweiz datiert auf 1527. Von damals stammt ein Eintrag in einem Rechnungsbuch des Klosters von St. Urban über „zwei Batzen an einen Walliser mit Alphorn“. Es gibt wenige klassische Kompositionen für Alphorn, die bekanntesten davon sind die Sinfonia pastorella für Alphorn und Streicher in G-Dur von Leopold Mozart sowie die Parthia auf Bauerninstrumenten von Jiří Družecký (Georg Druschetzky). Neuere Werke sind das Concertino Rustico des ungarischen Komponisten Ferenc Farkas sowie das Konzert für Alphorn und Orchester und Dialog mit der Natur für Alphorn, Piccolo und Orchester des Schweizer Dirigenten und Komponisten Jean Daetwyler. 1996 entstand das Concertino für Alphorn in F und Streicher von Franz Kanefzky. Vereinzelt wird das Alphorn auch im Jazz verwendet. Die Gruppe „Kerberbrothers Alpenfusion“ setzt das Instrument in den Stücken Alphornblues und Geierwalli, beide 1998 auf CD veröffentlicht, ein. Auch der Jazztrompeter und Komponist Matthias Schriefl benutzt teilweise mehrere Alphörner in verschiedenen Tonarten bei seiner Band 6, Alps and Jazz. Die Behauptung, dass Hirten früher ihre Hörner vorwiegend als Signalhörner benutzten, ist falsch. Die Ortung des Horns wäre in einem mit Bergen umgebenen Gebiet beinahe unmöglich, da der Schall von den Wänden reflektiert werden würde. Der Schall wäre somit mehrfach und von verschiedenen Seiten hörbar (Echo). Die Technik der Rohrherstellung aus Holz ist uralt, es wurden sogar bis in die jüngste Zeit die Wasserleitungen so oder ähnlich hergestellt. Heute gibt es einige spezialisierte Instrumentenbauer, die aus geeigneten Holzstämmen ein Alphorn herstellen. Seine seltsame, unten abgebogene Form rührt von der am Hang und somit krumm gewachsenen Fichte her, die geschält und der Länge nach halbiert wird. Das anschliessende Aushöhlen der beiden Hälften auf eine Wanddicke von einem halben Zentimeter ist eine über siebzig Stunden dauernde Handarbeit. Eine anschliessende Umwicklung aus Peddigrohr (früher Rindenblätter, Holzstreifen oder Wurzeln) dient als Wetterschutz und ein hölzernes Kesselmundstück als Erleichterung beim Blasen. Der Preis für ein solches Instrument liegt bei etwa 1.000 bis 2.500 Euro (Stand: 2003). Folgende Stimmungen werden heute gebaut:
Stimmung (Grundton) Länge tiefster Ton
Es 4,05 m Es1
E 3,89 m E1
F 3,68 m F1
Fis/Ges 3,47 m Fis1/Ges1
G 3,27 m G1
Gis/As 3,09 m Gis1/As1
B 2,75 m B1
C 2,45 m C

In der Schweiz ist das Fis/Ges-Alphorn am weitesten verbreitet, in Deutschland das F-Alphorn. In der üblichen Ausführung kann man Alphörner heute in zwei oder drei Teile zerlegen. Das bisher längste Alphorn mit einer Länge von 46 Metern wurde 1994 von der Fa. Stocker, Kriens gebaut. Das Instrument steht auf dem Grundton B, sein tiefster Ton ist das B5. Daher liegen die drei tiefsten Töne (B5, B4, F3) und für die meisten Menschen auch der vierttiefste Ton (B3) unterhalb der Hörbarkeitsgrenze. Heute werden vereinzelt Alphörner aus Glasfasern, Carbonfasern oder Acrylglas gefertigt, sie sind nicht mehr als ein knappes Kilogramm schwer und kosten ca. 2.500 Euro. Klanglich ist solch ein modernes Alphorn den Holzhörnern deutlich unterlegen. Versuchsweise wurden auch Instrumente mit Klappen oder einer Ventilmaschine (Wirkung der Ventile wie bei einer Trompete) gebaut, um den Tonumfang auf eine diatonische Tonleiter (Klappen) oder eine chromatische Tonleiter (Ventilmaschine) zu erweitern. Das Alphorn war im 18. Jahrhundert fast schon in Vergessenheit geraten, da die verarmten musizierenden Hirten in den Städten es im 17. Jahrhundert in Verruf gebracht und es als das Bettelhorn verspottet wurde. Doch die Romantik und die Touristen in den Schweizer Alpen (zuerst waren es vor allem die Engländer) brachten im 19. Jahrhundert die Folklore und auch das Alphorn zum Blühen. Heute gilt in der Schweiz das Alphorn und das Schweizer Taschenmesser neben Käse, Schokolade und Edelweiss als das Nationalsymbol. Die ersten Hirtenfeste (Unspunnenfeste) mit Alphorn-Musik fanden 1805 und 1808 statt. Derzeit zählt der Schweizer Jodlerverband allein an die 1800 organisierte Alphornbläser in der Schweiz und in der ganzen Welt zu seinen Mitgliedern – Tendenz steigend. In Orgeln findet man gelegentlich das Register Alphorn. Der spezielle Klang des Alphorns wird bei diesen Orgeln durch eine Orgelpfeife (meist aus Holz) imitiert, zu finden ist zum Beispiel in der Schwalbennestorgel von 1977 im Ulmer Münster als 16′-Register im Pedal. Der derzeit einzige Film über das Alphorn in Spielfilmlänge stammt von Stefan Schwietert und heisst Musik der Alpen – Das Alphorn. Er hat eine Spielzeit von 76 Minuten und ist auch als DVD erhältlich. Er behandelt die Ursprünge des Instruments und leitet über zu moderner Auffassung über das Alphornmusizieren – sozusagen vom Jodlerverband bis zum Jazz.

Aus: de.wikipedia.org/wiki/Kultur_der_Schweiz, de.wikipedia.org/wiki/Jodler, de.wikipedia.org/wiki/Schwyzer%C3%B6rgeli, de.wikipedia.org/wiki/Alphorn

Stand: Oktober 2009

Am ersten August-Wochenende lockte das 34. Nürnberger Bardentreffen mit 350 Musikern aus 23 Ländern Tausende von Menschen in die Nürnberger Altstadt. Musikalischer Themenschwerpunkt: Die Schweiz. Das Programm von Deutschlands größtem Umsonst & Draußen-Weltmusikfestival wollte zeigen, wie gut Alphorn und E-Gitarre, Rap und Jodelgesang zusammengehen. Und so wurden auch in diesem Jahr wieder einige liebgewonnene Klischees über den Haufen geworfen, und die vermeintlich ach so trägen Schweizer heizten den Franken mächtig ein.

Nuremberg, Germany

Für Saubermänner ist Patent Ochsner ein Kehrichtkübel, für Weltmusikfreunde die vielleicht beste und erfolgreichste Schweizer Band der letzten 20 Jahre.

Patent Ochsner, Bardentreffen 2009

Patent Ochsner @ FolkWorld: FW #40

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Sauber, wie die Truppe 1991 mit den Hits „Bälpmoos“ und „Scharlachrot“ neue Farbe in die Schweizer Musiklandschaft brachte. Büne Hubers blumiges Berndeutsch ging ans Herz, das Repertoire zwischen Heilsarmeegebläse und Emmentalromantik, zwischen Männerchor und Rock’n’Roll, zwischen sarkastischem Song, charmantem Chanson und säuselndem Soul lies niemanden kalt. Dank weltmusikalischem Flair überschritt die Band mit Konzerten in der französischsprachigen Schweiz, in Frankreich, Deutschland, Österreich und Madagaskar locker die Sprachgrenzen. Patent Ochsner sind ein Stück Schweizer Musikgeschichte: Für die ersten sechs Studioalben erhielt die Band Platinauszeichnungen. Und für die über 30.000 verkauften Exemplare des Live-Albums „Wildbolz & Süsstrunk“ gab’s 1998 eine Goldene Schallplatte. Nach der restlos ausverkauften Tournee 2005/2006 nahm sich Patent Ochsner zwei Jahre Zeit, ihr siebtes, bislang letztes Studioalbum aufzunehmen. Auf „The Rimini flashdown“ erzählen Monic Mathys, Andi Hug, Christian Brantschen, Daniel Woodtly, Menk Grossniklaus, Disu Gmünder und Büne Huber Geschichten über Ängste und Sehnsüchte, über Verlassenheit in einer dicht bevölkerten Welt. Geschichten über Irrsinn, Wirrsinn, Lebenslust und Laster von Getriebenen, von Suchenden und von stolzen Verlierern, die sich wie Schiffbrüchige verzweifelt an ihrer Hoffnung und an ihrer Liebe zum Leben festkrallen.

Ihr erstes Album „Sketches on Sea“ hat Sophie Hunger vor drei Jahren noch zuhause aufgenommen und einfach unters Volk gebracht, indem sie es an ihre Züricher Freunde verteilte. Es machte seine Runde, wurde zur Kultscheibe und schon sechs Monate später spielte die 26-jährige Schweizerin in Paris mit Stephan Eicher, in Prag mit Erik Truffaz und in London mit The Young Gods. Inzwischen ist ihr erstes Studio-Album „Monday’s Ghost“ erschienen und Hunger vom Szene-Tipp zur Hörempfehlung in der europäischen Fach- und Tagespresse avanciert. Mit ihrer Stimme und ihrem anspruchsvollen Jazz-Pop schmeichelt sich die Diplomatentochter, die in London, Bonn und Zürich aufgewachsen ist, in jedes Ohr.

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Selbst einen skeptischen Kritiker des Berliner Tagesspiegel konnte Sophie Hunger im Verlauf eines Konzerts überzeugen, „dass da viel mehr Schichten, Resonanzräume, Assoziationen sind, als man zunächst gedacht hatte. Plötzlich klingt sie wirklich wie eine alte Blueslady, dann singt sie seidig wie Norah Jones, meckernd wie Patti Smith, inbrünstig wie Janis Joplin. Und das alles, ohne jemals den Verdacht aufkommen zu lassen, sie würde versuchen, eine ihrer berühmten Kolleginnen nachzuahmen.“ Der Rolling Stone beschreibt die Stimmung auf Hungers Album mit den Worten „zeitlose, ortlose Jazzmelancholie, durch die sich Hunger seufzt und schreit, singt und kauzt“, während die FAZ feststellt: „Sie verleibt sich die Sprache ein, kostet jede Silbe aus, haucht ihren Songs eine Zärtlichkeit und einen Zorn ein, der keinen unberührt lässt.” Auch nicht die Kollegen von Spiegel Online, die sich mit einer Bitte an die eidgenössischen Nachbarn wenden: „Liebe Schweizer ihr habt Sophie Hunger erfunden, na gut. Aber wir würden sie liebend gerne mal ausleihen.”

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Unverblümter kann ein Musiker nicht für sich werben: „Probier mi doch mal us“ heißt das erste Solo-Album von Ritschi, Sänger und Texter von Plüsch, der erfolgreichsten Schweizer Mundartpopband der letzten Jahre. Wer der Aufforderung im Titel Folge leistet, muss sich auf deutliche Worte und einen weniger plüschig-weichen Ritschi gefasst machen. Auf das Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“ wollte sich Ritchi wohl nicht verlassen. Parallel zum Antritt seiner Schreinerlehre gründete er 1997 die Band V.I.P. und pünktlich zum Abschluss der Lehre veröffentlichte die ihr erstes Album mit eigenen Mundartsongs. Ein Jahr später wird daraus Plüsch und eine Erfolgsgeschichte. Die erste CD der Band hält sich 118 Wochen in der Schweizer Hitparade, die zweite steigt auf Platz 1 ein und bleibt dort 53 Wochen. Das dritte, bislang letzte Album „Früsch Gwäsche“ führte die Hitparade ebenfalls an: 36 Wochen lang. Zwei Jahre haben die Plüsch-Musiker dann ausgedehnt getourt und sich anschließend eine Auszeit genommen.

Christina Zurbrügg

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Ritschi hat die Zeit genutzt, um ein Album zu produzieren, das ganz seinen Vorstellungen und Wünschen entspricht. Der 30-jährige Berner Oberländer hat Songs mit unverblümten Texten geschrieben und musikalisch einen weiten Bogen gespannt von Rock über Pop und Soul bis hin zum Gospel. „Ich lebe auf der Grenze zwischen Balladen und härterer Gangart“, sagt Ritschi. Mit „Probier mi doch mal us“ wagt er den Grenzübertritt.

Christina Zurbrügg ist Schweizerin. Das Jodeln hat die Sängerin, Schauspielerin, Autorin und Filmemacherin allerdings nicht im Berner Oberland, sondern in Wien für sich entdeckt. Daran mag es liegen, dass ihre Jodler eher club- denn heimatabendtauglich sind. Zurbrügg hat eine originelle und einzigartige Kombination von Gesang, Rap und zeitgemäßem Jodeln geschaffen – eine Mischung aus archaisch-urbanen Sounds, Loops, Naturklängen und Elektronika. Ihre Musik ist eine Kreuzung aus dem „Wiener Dudler“ des 19. Jahrhunderts und dem alpinen Jodler mit der heutigen Remixkultur und Weltmusik. Das Ergebnis beflügelt. „Zurbrügg besticht durch ihre Stimme, ihren Wortwitz und ihr meisterhaftes Jodeln, das ihr (und den Hörern) Flügel verleiht...“, schwärmte die Südtiroler Wochenzeitung. Vor fünfzehn Jahren ist Christina Zurbrügg nach einem längeren Südamerikaaufenthalt in Wien gelandet. Sie hat dort Schauspiel und klassischen Gesang studiert und sich mit ihren Musiktheaterproduktionen über den spanischen Dichter Federico García Lorca einen Namen gemacht. Zurbrügg beschäftigte sich aber auch mit Volksmusik und drehte Filme, darunter der Dokumentarfilm „Orvuse On Oanwe“ über die „Letzten Dudlerinnen Wiens“, der sie zu ihren eigenen Wurzeln führte. 1999 veröffentlichte Zurbrügg die CD „Äs chönnti alls ganz anders sii“ mit neuen Jodlern und eigenen Texten. Darauf folgten das prämierte Soloprogramm und die gleichnamige CD „Christls Wunderwelt“, später das Livemusikprojekt „yodel ‚n’ bass“ und in diesem Jahr nun „best of yodel 99-09“.

Max Lässer nennt die Musik des Überlandorchesters bevorzugt Alpine Musik. Sie ist das Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit der Musik des Alpenraums oder, wie er es nennt, der „eigenen Weltmusik“. Mit dem 2001 gestarteten Projekt „Überland“ bringt Max Lässer die Schweizer Volks- und Tanzmusik in Verbindung mit zeitgenössischem Sound.

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So entsteht eine neue Art von Alpiner Tanzmusik, die sich unüberhörbar zur Musik des Alpenraums bekennt, die gleichzeitig aber auch neue harmonische und rhythmische Elemente mit einbezieht. Diese Symbiose von Tradition und Moderne ist derart gelungen, dass sich kaum mehr unterscheiden lässt, welche Melodien aus dem Fundus der Schweizer Volksmusik stammen und welche nicht. Erstmals zu hören war die Alpine Musik von Max Lässer auf der 2001 veröffentlichten CD „Überland“. Ein Jahr später sammelte er dann elf Musiker um sich, mit denen er die Musik auf ausgedehnten, sehr erfolgreichen Tourneen 2003 und 2007 vorstellte. Mit neuer Bandbesetzung präsentiert er nun das zweite Album „Überländer“.

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Pippo Pollina und Linard Bardill sind seit über 20 Jahren Freunde und musikalische Weggefährten. „I nu passaran“ hieß ihr erstes gemeinsames Programm: „Sie werden nicht durchkommen“. Gemeint waren Faschisten und Rassisten, Ausländerhasser und falsche Patrioten. Mit „Caffè Caflisch“ haben sich der Sizilianer und der Schweizer nun Ein- und Auswanderern angenommen. Von ihnen erzählen sie in „Liedern über die Fremde in der Heimat“. Schon im Programmtitel steckt eine Auswanderergeschichte. Wie viele Zuckerbäcker aus Graubünden, die Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Heimat verließen, um mit Bäckereien, Konditoreien und Cafes das Leben in Amsterdam, Moskau, Dresden oder Paris zu versüßen, schnürte auch Christian Caflisch sein Bündel. Um 1900 eröffnete er in Palermo das „Caffè Caflisch“. Auch Pippo Pollina saß während seiner Studentenzeit tagelang dort, trank Espresso, bereitete sich auf seine Juristenprüfung vor oder las Lampedusas Roman „Il Gattopardo“, der an einem Tisch im „Caflisch“ geschrieben worden war. Wer sein Glück machen will, muss die Insel früh verlassen, heißt es in dem Roman. Ein Ratschlag, den der Student befolgte.

Eliana Burki

Eliana Burki @ FolkWorld: FW #38

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Pollina ließ die Juristerei sein und wagte den Schritt übers Meer. Der Rest ist Geschichte: In der Schweiz entdeckte Linard Bardill den Sizilianer als Straßenmusiker und nahm ihn mit auf Tournee. Die Familie Caflisch ist wieder in die Schweiz zurückgekehrt und das Cafe heute fest in sizilianischer Hand, aber immer noch Pollinas Stammlokal, wenn er auf Heimatbesuch ist. Für ihn beweist der Ort, dass alle Ausländer sind, fast überall, und dass Toleranz und offener Geist die beste Voraussetzung sind, dass aus Fremden Freunde werden.

Schon als Fünfjährige wusste Eliana Burki ganz genau, was sie wollte: Alphorn spielen und nicht Klavier. Die Eltern ließen sie gewähren und bereuen das sicher nicht. Eliana Burki hat das Alphorn Rock-, Funk-, Blues- und Jazz-tauglich gemacht. Die 25jährige Schweizerin hat so ein neues Publikum für das traditionelle Instrument gewonnen und begeisterte Fans. Eliana Burki und die exzellenten Musiker ihrer Band werden weltweit geschätzt und bejubelt. Die Begeisterung für das 3,70 Meter lange Instrument war bei Eliana Burki so groß, dass sie ihre gesamte Freizeit ins Alphornspiel investierte. Die Mühe hat sich gelohnt. Eliana Burki ist heute die wohl beste Musikerin auf dem Naturton-Instrument. Sie brilliert mit Band, aber auch als Gast-Solistin mit großen Orchestern bei klassischen Alphornkonzerten. Im vergangenen Jahr hat Eliana Burki ihr erstes Album veröffentlicht. Es entstand in Zusammenarbeit mit dem langjährigen Queen-Produzenten David Harris und wurde in dessen legendären Mountain Studios aufgenommen. Nach Erscheinen war die junge Frau mit dem exotischen Instrument gefragter Gast in Talkshows, Musik- und Nachrichtensendungen.

Nuremberg, Germany

Und was gab's sonst noch ...?

Polkaholix, Bardentreffen 2009

Polkaholix @ FolkWorld: FW #26

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Kraja, Bardentreffen 2009

Kraja @ FolkWorld: FW #36

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Riserva Moac, Bardentreffen 2009

Riserva Moac @ FolkWorld: FW #37, #37, #40

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Diego Jascalevich, Bardentreffen 2009 Yungchen Lhamo, Bardentreffen 2009

Diego Jascalevich Trio @ FolkWorld: FW #39

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www.diegojasca.de

Yungchen Lhamo @ FolkWorld: FW #16, #17, #36

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Emily Smith, Bardentreffen 2009

Emily Smith @ FolkWorld: FW#24,#27,#31,#36,#37

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Tracey Curtis, Bardentreffen 2009 Ronnie Taheny, Bardentreffen 2009

Tracey Curtis @ FolkWorld: FW #30, #32

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Ronnie Taheny @ FolkWorld: FW #5, #11

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ronnietaheny.myshopify.com

Die Texte wurden mit freundlicher Genehmigung dem
Programmheft des Bardentreffens 2009 entnommen.

Nuremberg, Germany

Photo Credits: (1) Katharinenkirche, (5) Polkaholix, (13) Nürnberg (by Walkin' Tom); (2) Patent Ochsner, (8) Diego Jascalevich, (9) Yungchen Lhamo (by Marc Pfeiffer/Bardentreffen); (3) Christina Zurbrügg (from website); (4) Eliana Burki (by Wikipedia); (6) Kraja, (7) Riserva Moac, (10) Emily Smith, (11) Tracey Curtis, (12) Ronnie Taheny (by The Mollis).


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2009

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