FolkWorld Ausgabe 43 11/2010

FolkWorld CD Kritiken

Galandum Galundaina "Senhor Galandum"
Label:
Emiliano Toste; 2009; 14 Tracks; 50:12 min
Siehe auch die englischsprachige
Rezension in dieser FW-Ausgabe
Senhor Galandum stammen aus dem Nordosten Portugals, aus der Region Trás os Montes. In dieser Gegend, die wörtlich übersetzt "Hinter den Bergen" genannt wird, gibt es eine alte Sprache, das Mirandes. Diese eigenständige Regionalsprache verwenden die Musiker von Senhor Galandum, um die traditionellen Lieder ihrer Heimat vorzutragen. Galandum bedeutet in Mirandes "galant". Der galante Herr ist hierbei der höflich und zuvorkommende Tänzer bei den örtlich sehr populären Tanzveranstaltungen. Tanz besitzt in den ländlichen Regionen eine wesentlich soziale Bedeutung. Die CD "Galandum Galundaina" erzählt davon mit den musikalischen Mitteln der traditionellen Musik dieser Region. So finden sich neben dem Gesang vor allem Drehleier, Trommel, Pandereita, Gaita und Flöte. Die galizische Sängerin Uxia hat auf der CD einen eindrucksvollen Gastauftritt.
www.galandum.co.pt
Karsten Rube


Lisa Downing "A Delicate Balance"
Label: Vision Quest; 2009; 12 Tracks; 41:54 min
"Bleiben sie entspannt", möchte man sagen, angesichts der Musik, die von der CD "A Delicate Balance" plätschert. Die Kompositionen, die sich am besten der New-Classic zuordnen lassen, sind nicht zum bewussten Zuhören gemacht, sondern für den Hintergrund. Es ist auch nicht möglich, den Melodien zuzuhören, ohne dabei ein wenig wegzudämmern und in eine Phase der Beruhigung von Körper und Geist zu gelangen, sich einfach treiben zu lassen. Lisa Downings Musik ist dabei allerdings nicht so belanglos, dass sie sich als Fahrstuhlmusik verheizen ließ oder aus Palmen in Hotellobbys rieseln könnte. Dazu besitzen die einzelnen Tracks zu viel Fantasie. Die Kompositionen sind nicht ohne Dramatik. Es ist Musik zum Geschichtenausdenken, aber mit einer insgesamt beruhigenden, friedlich stimmenden Wirkung. "A Delicate Balance" ist so entspannend wie ein warmes Wannenbad.
www.lisadowning.com
Karsten Rube


Pollyanna "On Concrete"
Label: Waterhouse Records; 2008; 12 Tracks; 43:07 min
Sanften und leider weitgehend belanglosen Indifolk hört man auf der CD "On Concrete" des Pariser Duos Pollyanna. Isabelle Casier und David Lopez treiben in Schwermut ohne recht deutlich zu machen warum. Die 12 Songs sind zwar nicht ärgerlich oder störend. Im Gegenteil, handwerklich sind sie gelungen. Doch sie dudeln so simpel und abwechselungsarm vor sich hin, das man sie bereits beim Zuhören wieder vergisst.
www.pollyanna.org
Karsten Rube


Divertimento Folk "Nómadas"
Label: Armando Records; 2008; 8 Tracks; 40:26 min
Die Dulzaina ist in der traditionellen spanischen Musik schon seit vielen Jahrhunderten im Einsatz. Dieses Holzblasinstrument klingt etwas quakig. Eine Art Oboe, die auch als Pfeife an Dudelsäcken eingesetzt wird. Divertimento Folk nimmt es mit den traditionellen Gepflogenheiten nicht ganz so genau und verwendet dieses altertümlich anmutende Instrument auch mal bei kleineren Tanzmusikeinlagen, die eher jazzig klingen, bisweilen an Dixieland erinnern. Dadurch wirkt die CD unfreiwillig komisch. "Cabaré Folk" ein Titel der CD klingt wie der Soundtrack zu einem Klamauk mit hochgedrehter Geschwindigkeit. Das haben die Musiker nicht nötig, denn wo sie rockige Töne mit folkigen mischen, hören sie sich wie eine Avantgard Folkkapelle aus den Siebziger Jahren an. Diese Momente haben Stil, sind auf der CD aber leider zu selten. Divertimento Folk scheinen sich nicht recht entscheiden zu können, wo sie sich stilistisch hingehörig fühlen.
www.divertimentofolk.com
Karsten Rube


Kosmo Koslowski "Krautschuk"
Label: PJR; 2009; 16 Tracks; 66:11 min
Ich weiß nicht, ob die selbst gewählte Kategorisierung Piratenjazz, die sich Kosmo Koslowski gibt eine brauchbare Bezeichnung ist. Aber das Problem hat man ja immer, wenn man etwas in eine Kategorie einordnen will, das sich solcher Ordungssysteme gekonnt entzieht. Um die vielgestaltige Musik dieses bunten Haufens Musiker halbwegs gerecht zu beschreiben, müsste ich über die nächsten Zeilen zahlreiche Musikstile aufführen, die alle irgendwie auf Kosmo zutreffen. Das lass ich lieber bleiben. "Krautschuk" ist einfach nur kosmopolitischer Trash. Und genau, wie ihre Musik sich zwischen den verschiedenen musikalischen Kosmen hin und her bewegt, wie die Enterprise zwischen den Welten, so wird auch der Hörer durchgeschüttelt, als würde die Besatzung der Kapelle bei den häufigen Rhythmuswechseln immer mal wieder auf Mopsgeschwindigkeit beschleunigen. Nebenbei faszinieren sie mit einer eindrucksvollen Titelgebung. "Mohammed Müllers Mutter" oder "Der intergalaktische Datteltransport" heißen die Songs. Gesang ist allerdings Mangelware. Zwar wird mal zur musikalischen Begleitung das Gravitationsgesetz rezitiert, doch sonst beschäftigen sich die Musiker lieber mit ihren Instrumenten. Die Grafik auf dem Plattencover der CD "Krautschuk" erinnern an Terry Gilliams Tricksequenzen bei den Python Filmen. Was die Musik der Kapelle angeht, so scheinen sie auf ähnliche Weise brillant durchgeknallt zu sein.
www.wurstwear.de/kosmoblog/
Karsten Rube


Pankraz "Seiltänze"
Label: Eigenverlag; 2009; 16 Tracks; 46:36 min
Seiltänzer leben gefährlich, denkt man. Seiltänzer sehen das anders. Sie leben mit der Gefahr, sie suchen sie. Sie brauchen sie. Pankraz' "Seiltänze" sind Lieder, die von Abgründen erzählen. Abgründen, an denen man sich entlang hangelt oder die man überwinden will, in den Texten der Lieder meist sogar mit Erfolg. Musikalisch bedienen sie sich dabei aus einem reichhaltigen Repertoire, das nach Volksweisen, Klezmersongs, und Liedermachergesängen klingt und doch meist von Thomas Fimpel, Gitarrist und Sänger von Pankraz komponiert wurden. "Seiltänze", das sind lauter Lieder zum Nachdenken und Träumen, Lieder um am Abgrund zwischen Wachzustand und verträumten Fantasiewolken entlang zu hangeln.
henrikejaehme@hotmail.com
Karsten Rube


A Consommer De Préférence "Doré à Point"
Label:
Home Records; 2009; 21 Tracks; 53:48 min
Genauso verspielt und witzig, wie das CD-Cover ist die Musik des belgischen Ensembles A Consommer de Préférence. Das Cover zeigt ein Kinosaal in Comicdarstellung und das ganze Booklet erzählt in eben diesem Stil eine Comicgeschichte, in der ein Zauberer ein sehr fragwürdiges Eiergericht zubereitet und anschließend seinen Diener auffordert, es zu servieren. Dabei trifft er auf allerhand skurile Figuren, die vollkommen unsinnige Operationen vollziehen, um einen König zu heilen, der sich am Ende in eine wandernde Ente verwandelt.
Sehr seltsam. Doch während man sich das Booklet anschaut und die Musik dazu anhört, stellt man fest, dass alles zusammenpasst. Die Illustrationen begleiten die Kompositionen stimmig. Die Musik ist wie ein musikalisches Daumenkino. Melancholisch träumend spielt das Klavier. Doch dann wirbelt der Geigenbogen verspielt über die Saiten. Schließlich quiekt das Saxophon infernalisch. Jeder Takt ist direkt auf eine Emotionsreizung beim Hörer ausgerichtet. Hier wagt man einfach nicht einen einzelnen Musiker hervorzuheben, denn die Musik von "A Consommer De Préférence" ist eine nahezu perfekte Ensembleleistung, die man am besten mit geschlossen Augen genießt. Es wäre ein literarischer Genuss irgendwann einmal all die Geschichten zu lesen, die sich beim Hören der Musik in den verschiedenen Köpfen der Zuhörer entwickeln.
www.aconsommer.net
Karsten Rube


Jaffa Road "Sun Place"
Label: Jaffa Road Music; 2009; 10 Tracks; 46:33 min
Die Jaffa-Road in Jerusalem ist eine lange und sich wechselhaft gebende Straße. Zum einen zeigt sie, wie modern Jerusalem baut, was besonders an der String Bridge zu sehen ist, die mit ihren gebogenen und gewundenen Bauelemente futuristisch, wie ein Raumschiff die Straße auf ihrer westlichen Seite einleitet. Unterwegs auf der Jaffa Road finden sich hässliche Hotels und Büros aus Glas und Stahl, verfallende kleine Geschäfte, schöne gepflegte Bürgerhäuser an denen blumengeschmückte Balkone hängen, und natürlich die ewige Baustelle der geplanten Straßenbahn. Auf der Jaffa Road, die Jerusalem vom Westen zum Osten durchzieht findet sich die ganze Breite vom Hang zur westlichen Modernität, über mediterrane Lebensfreude bis hin zu nahöstlicher Tradition und Geschichte. Nebenbei findet sich dort ebenfalls eine überall auf der Welt gleichermaßen anzutreffende Baumentalität: anfangen, aufreißen, stilllegen und warten. Ein multikulturelles Gemisch aus Welt. Jaffa Road - der passende Name für eine Fusion aus ost-westlicher Musik und Lebenseinstellung. Dass sich so etwas dann ausgerechnet in Kanada findet, verwundert nur auf dem ersten Blick. Kulturen bleiben heute nicht mehr zu Hause, eingegrenzt auf bescheidenem Raum.
Globalisierung heißt auch Kulturtourismus und so wandern Klänge und Eindrücke über den Planeten und finden dort ein zu Hause, wo sie hingehören: in den Herzen und Ohren der Menschen, die sie hören und mögen. Das kanadische Kulturexperiment Jaffa Road beweist das mit seiner Mischung aus Jazz, jüdischer Musik, sephardischen Einflüssen, indischen Klängen und westlicher Elektronikverliebtheit. Aviva Chernick singt Hebräisch und Englisch, klingt mal wie eine indische Bollywoodsängerin, mal wie eine leise unergründliche Wüstenprinzessin, und mal wie eine israelische Folkpopdiva. Stimmliche und stilistische Anklänge zu Ofra Haza sind ebenfalls zu finden. Damit ist der West-östliche Diwan gut besetzt. Bei Jaffa Road wird Saxophon, mit Tablas ergänzt der Text eines sephardischen Liedes von einem in Kanada lebenden Dichter aus Venezuela geschrieben, die Geschichte des Exodus mit Afro-Cuban-Jazz unterlegt und eines der erotischen Kapitel der Bibel zu einer psychodelischen Kreuzfahrt über die Meere der Elektronikeffekte des Jazz und des fernöstlichen Trancesounds. Es ist alles so wie entlang der Jaffa-Road an einem Markttakt. Bunt, geschäftig, staubig, laut, voller Duft und den Klängen, die die Zeiten verbinden.
www.jaffaroadmusic.com
Karsten Rube


Tini Trampler und die Dreckige Combo "Eiscréme Raspoutine"
Label:
Extraplatte; 2009; 11 Tracks; 51:08 min
Die dreckige Combo liefert mit "Eiscréme Raspoutine" ihre zweite CD ab, eine CD die sich aller Stilistiken bedient, die sich im Kleinkunstbereich anbieten. Ska, Chansons im Weillschen Sinne und avantgardistischer Slow-Punk wird mit leichter Note gespielt und mit schwerer Vertextung gesungen. Tini Trampler taumelt mal als Vamp, mal als naive Stimme durch die elf Lieder wie eine ruhelose Großstadtschwärmerin mit literarischem Anspruch, alles genießend, alles haben wollend, alles durchlebend wie im Rausch. Und doch voller sehnsuchtsvoller Träume nach einem Sinn. So wirkt auch diese Musik - wie so viel andere Musik, die mir aus Österreich bekannt ist - nicht sehr lebensbejahend. Im Gegenteil, irgendwas ist an den österreichischen Kleinkünstlern, das tiefe ausweglose Traurigkeit erzeugen will, eine Melancholie, die noch mit beschwingten Rhythmen Niedergeschlagenheit ausdrückt. Die Musik von Tini Trampler und der Dreckigen Combo ist Musik für Leute, die sich nach durchlebter Nacht nur noch lebensmüde fühlen.
www.dreckigecombo.at
Karsten Rube


Wortfront "Freilandherz"
Label:
Brokensilence; 2010; 13 Tracks; 47:37 min
Wortfront ist ein Berliner Chanson-Duo, dem man manisch lauschen muss. Sandra Kreisler und Roger Stein verstehen es pointiert zu erzählen, leichtzüngig zu reimen und musikalische Welten zu erschließen, die den allseits bekannten Chanson-Klangmustern neue Facetten hinzufügen. Die Texte sind bissig und poetisch gleichermaßen, tragen allerdings auch allerhand Sehnsüchte in sich. "Wieder auf der Reise" ist solch sehnsuchtsvolles Lied, das von der Stimmung fast schon zum Schlager hin tendiert, allerdings besitzt es eine sprachliche, wie musikalische Qualität, die diese Tendenz glücklicherweise verhindert. Brillant und ein Leckerbissen für alle Markenverächter ist "Leben aus der Dose". Hier wird alles, was uns aus den Medien entgegen blabbert kurz und pointiert auseinandergenommen.
Der Bonustrack "Berlin" gefällt mir wunderbar. Berlinlieder gibt es viele, viele sind verliebt, manche sind so dreckig wie die Realität in der Stadt. Aber selten ist ein Lied über Berlin und seine Bewohner mit solch intelligenter Rotznäsigkeit geschrieben worden, wie dieses Lied von Wortfront. Eine Liebeserklärung ist es nicht, aber eine Beobachtung mit wachen Augen und wachem Geist. Das gilt für alle Texte der CD. Intelligente Chansons, manche witzig, manche melancholisch, aber alle ohne Bitterkeit. Sandra Kreislers dunkle Stimme klingt geheimnis- und verheißungsvoll. Roger Stein findet zu den Texten jederzeit ein passendes musikalisches Arrangement. Immer wieder individuell und nie beliebig. Eine rundum gelungene CD voller moderner Chansons. Lieder vom Leben in der Stadt. Lieder vom Leben.
www.wortfront.com
Karsten Rube


Marcel Adam "Hautnah"
Label: Eigenverlag; 2009; 22 Tracks; 78:41 min
Die Grenzregionen Lothringen, Saarland und Südbaden fließen so harmonisch ineinander, dass man als Besucher kaum bemerkt, wo die eine Region aufhört und die andere beginnt. In den Jahrhunderten gab es ohnehin so viele Verschiebungen, dass sich die Idee einer stabilen und teilenden Grenze als das erwies, was sie ist, als nutzlos und überflüssig. Deshalb ist Marcel Adam kein Grenzgänger, sondern ein regionaler Beobachter im Elsass, im Saarländischen und Südbadischen. Auf der Live-CD "Hautnah" liefert der Chansonnier ein umfassendes Abbild seiner vielfältigen musikalischen Fertigkeiten. So singt er Chansons so weich und sensibel, wie Julien Clerc. Seine mundartlichen Lieder weisen ein hohes Maß an Beobachtungsgabe auf, sind ironisch und heimatfreundlich und bewegen sich musikalisch wie literarisch auf hohem Niveau. Mit dem Akkordeonisten Christian Di Fantauzzi hat er sich einen Meister frankofoner Klangharmonie zur Seite geholt. Die Swinggitarre beschwört den Geist von Django Rheinhardt. Auch abgewetzte Lieder wie Charles Trenets "La Mer" klingen bei Marcel Adam lebendig. Nur den Junge Gemeinde-Schlager "Von Guten Mächten" hätte er sich sparen können.
www.marcel-adam.de
Karsten Rube


Afenginn "Bastard Ethno"
Label:
Westparkmusic; 2010; 10 Tracks; 43:09 min
"Bastard Ethno" lässt schon als Titel die Erwartungen hochkochen und tatsächlich, musikalisch kocht da einiges, zuweilen auch über. Das dänisch-finnische Quintett besitzt keinerlei Respekt vor Grenzen oder Stilen. Fröhlich und laut lassen sie es krachen, verheizen Balkanklänge mit nordischem Folk, Polka und Punk. Das ist wilder Speedfolk bis zur Atemnot. Allerdings wirkt das Album insgesamt recht chaotisch, denn die Respektlosigkeit, mit der Afenginn in den Musikstilen wildert, wirkt häufig unkontrolliert. Überzeugend sind die wenigen leisen Töne, die eine abendlich, melancholische Ruhestimmung erzeugen. Hier wird Afenginn dem nordischen Folk ebenso gerecht, wie der Sentimentalität osteuropäischer Klezmermusik.
www.afenginn.dk
Karsten Rube


Contradanza "Tentenelaire"
Label:
Galileo Music; 2010; 13 Tracks; 53:06 min
In Sevilla sehr populär ist die Band Contradanza. Hört man sich ihr drittes Album "Tentenelaire" an, ahnt man warum und fragt sich anderseits, weshalb sie bisher kaum über die Grenzen Andalusiens bekannt geworden sind. Ein überraschend unterhaltsames Album ist "Tentenelaire". Die 13 Titel geben sich nicht vordergründig als traditionelle andalusische Musik zu erkennen. Pointierte Bläsersequenzen modernisieren die folklastigen Elemente, die Flöte und Geige hervorbringen. Die klassisch folkigen Arrangements werden immer wieder durch das Saxofon aufgefrischt. Geige, Akkordeon und Percussion harmonieren aufs Beste miteinander. Überhaupt erinnert Contradanzas Album "Tentenelaire" an die besseren Zeiten, der zuletzt recht müde wirkenden galizischen Band Berrogüetto. Die spanische Folkszene erweist sich erneut als eine der reichsten Europas. Nicht nur an Musikern, Stilen und Veröffentlichungen, sondern auch, wie so oft an angenehmen Überraschungen.
"Tentenelaire" sei jedem ans Herz gelegt, der moderne europäische Folkmusik mag, ohne mit allzu ausgiebig vollzogener Wilderei in der weltmusikalischen Vielfalt konfrontiert zu werden.
www.galileo-mc.de
Karsten Rube


Bob Lanois "Snake Road"
Label: Cordova Bay Records; 2006; 9 Tracks; 23:50 min
Ich gebe zu, als ich die CD "Snake Road" von Bob Lanois das erste Mal hörte, fühlte ich mich an den "Mann mit der Mundharmonika" erinnert, den 2008 die Talentschmierenkomödie von Dieter Bohlen von der Straße geholt hat. Die Solo-Mundi mit Bandbegleitung gehört nicht unbedingt zu den bevorzugten Musikstilen, die ich mir ins CD-Fach lege, was mir aber sicher nicht alleine so geht.
Auch "Snake Road" wird nicht zu meiner Lieblingsplatte werden. Bob Lanois hat unter Mithilfe seines bekannten Produzenten-Bruders Daniel Lanois diese erste Solo-CD veröffentlicht. Es ist ein kurzer Ritt durch die quebecoisen Wurzeln der Familie Lanois. Anklänge europäischer Herkunft schwingen mit und ein paar unterlegte Elektro-Beats beweisen, dass es auch in Kanada moderne Großstädte gibt. Aber eigentlich ist "Snake Road" eine Platte aus dem Wald. Eine Reminiszenz an die Lagerfeuer der Pionierzeit. Daniel Boone wäre begeistert. Mir ist sie zu verschnarcht.
www.boblanois.com
Karsten Rube


Kuljit Bharma "Bhanga Latina"
Label: KEDA-Records; 2009; 8 Tracks; 59:04 min
Es gibt Kulturen, die so gegensätzlich scheinen, dass man ihnen keine Chance auf Gemeinsamkeit gibt. Die lateinamerikanische Musik und die Musik Indiens zum Beispiel wollen auf den ersten Blick nicht passen.
Kuljit Bhamra gibt sich mit der offenkundigen Unvereinbarkeit nicht ab, sondern verbindet drauf los. Mit dem Salsamusiker Alex Wilson an seiner Seite wird indische Musik mit dem Lebensgefühl der Karibik vermischt. Indien meets Westindische Inseln. Endlich passen die Namen mal zusammen. Die Tatsache, dass sich diese Kulturen finden, liegt aber sicher zu allererst in den Lebensräumen, in denen sich die Musiker aufhalten. Das ist London, ein Schmelztiegel in dem die Kulturen ohnehin so eng zusammenleben, dass sich Gemeinsamkeiten irgendwann zwangsläufig ergeben. Zum lateinamerikanischen Sound von Alex Wilson passt der Bhangrarhythmus des Inders Kuljit Bhamra recht gut. Jazzige Piano- und Bläsersolos geben der Musik zusätzlich einen coolen Anstrich. "Bhangra Latina" ist aber zu allererst eine Tanzplatte, bei der man auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen glaubt.
www.kuljitbhamra.com
Karsten Rube


Johannes Kirchberg "Über die Verhältnisse"
Label:
Acoustic Music; 2009; 14 Tracks; 51:58 min
Nein, wirklich böse ist er nicht, der Johannes Kirchberg. Er ist Kabarettist und will doch bloß spielen. Und das tut er auf seiner CD "Über die Verhältnisse". Spielen auf seinem Klavier, spielen mit Worten und spielen mit den Erwartungen der Hörer. Immer wieder überrumpelt er den Hörer, der aufgrund der Melodieführung und der textlichen Einführung der Lieder gediegene Chansons erwartet und ein paar hinterhältige Pointen verpasst bekommt. Liebeslieder klingen wie Liebeslieder und sind es irgendwie auch, aber dann doch wieder nicht. "Gaby Schulze" ist ein Beispiel dafür. Warum, weil Gabi Schulze nämlich... , nee, das verrate ich hier nicht. Selber anhören lohnt. Auch sein Fortpflanzungsschlager gerät als solide Liebeserklärung etwas außer Kontrolle. Der Besuch im Supermarkt mit der anschließenden Schlägerei mit Rentnern, naja. Geschmacklos könnte man sagen, wenn man nie einkaufen geht. Sehr schön ist übrigens die Übersetzung des gesellschaftlichen Überwachungswahns in die Komplettverwanzung von Heim und Familie. Kirchbergs Programm ist unterhaltsam und reich an Witz. Einem Witz, der aus der täglichen Beobachtung resultiert und dabei nicht so verbissen und verbittert herüber gebracht wird, wie bei der Mehrzahl der in Deutschland agierenden Comedians. Kein verkrampfter Spaß, sondern ironisches Liedgut in der besten Tradition von Georg Kreisler und Ulrich Roski.
www.dermenschistgut.de
Karsten Rube


Various Artists "Taranta Nights"
Label:
Italian World Music ; 2009; 28 Tracks; 60:41 + 67:45 min
Die Tarantella besitzt in Süditalien denselben Stellenwert, wie beispielsweise der Flamenco in Südspanien. Die verschiedenen Volkskunstgruppen spielen und tanzen die Tarantella häufig sehr traditionsbezogen. Die Tarantella ist ein Volkstanz, der mit dem Biss der Tarantel in Verbindung gebracht wird. Man solle angeblich so lange tanzen, bis das Gift der Spinne vertrieben werde. Andere Quellen sagen, der Name stamme von der Hafenstadt Tarent.
Was auch immer richtig sein mag, die Tarantella gehört zum Leben im Süden Italiens. Ganze Festivals werden veranstaltet auf denen sich zahlreiche Tarantella-Ensembles präsentieren. Jede Region in Italiens Süden scheint dabei eine eigene Form der Tarantella zu entwickeln. Einen guten Überblick über die vielen Möglichkeiten die Tarantella zu tanzen und zu spielen findet sich in den Taranta Nights Sammlungen des ItalianWorldMusic Labels. "Taranta Nights 2" ist eine mit stimmungsvollen Tarantellas vollgepackte CD, die den Hörer die Hitze des Südens, wie die Hitze dieses Tanzes in jedem Lied spüren lässt.
www.italianworldmusic.com
Karsten Rube


Sterzinger "Sterzinger"
Label: 2008; 15 Tracks; 49:13 min
Sterzinger schmerzt. Der Wiener Kabarettist gehört nicht zur Fraktion derer, die mit Wiener Schmä das Wienerlied feiert. Keine Musik zum Heurigen. Nein, seine kleinen finsteren Gesänge in Moll wollen eins mit Sicherheit nicht: unterhalten. Das in gequälter Stimme vorgetragene ohnehin sperrige Wiener Sprech, nur von einem spartanisch bedienten Akkordeon untermalt, lässt den Hörer kaum eine Chance lange zuzuhören ohne zu verkopfschmerzen. Irgendwo in seinen Liedern scheint etwas Witz zu lauern, nur hab ich ihn nicht gefunden. Weder in "Schönster Mann von Wien" noch im sehr makabren Lied "Ringlgschbübsizza", das sehr deutliche Züge des Dadaismus aufweist. Gefallen hat mir allerdings "Ge kum", eine melancholische Weise, wie sie begabtere Straßenmusiker zu spielen pflegen. "Sterzinger", das ist für mich Begleitmusik zur Aussichtslosigkeit. So gewollt verstörend er wirken will, so verstörend wirkt er auch. Insofern ist die CD gelungen. "Dein ist mein ganzes Herz", den alten Lehar-Schlager, interpretiert er auf diese Weise deutlich zerstört. Sterzinger ist begabt und verwendet alle seine Kraft darauf, so zu klingen, als wäre er es nicht. Und das schmerzt.
www.sterzinger.priv.at
Karsten Rube


Terri Hendrix "Cry till you laugh"
Label: Wilory Records; 2010; 15 Tracks; 46:50 min
Als sich die amerikanische Countryszene in den 1980 Jahren etwas steif und unbeweglich zeigte und in Nashville Stillstand in der musikalischen Entwicklung herrschte, traten vermehrt junge Künstler ins Rampenlicht, die traditionelle amerikanische Countrymusik mit Punk- und Popelementen vermischten. Den Traditionalisten ging das etwas weit, aber der Szene hat es viele variationsreiche Facetten hinzugefügt. In der Folgezeit fanden sich immer neue Spielarten, die die Countrymusic zu einer modernen amerikanischen Musikform reformierten. Entsprechend mussten für die zahlreichen amerikanischen Musikpreise einige neue Kategorien erfunden werden.
Seit Ende der 1990-Jahre zählt Terri Hendrix zu den Erneuerinnen der Countryszene. Die Texanerin macht nicht nur mit recht pfiffigen Texten auf sich aufmerksam, sondern auch mit interessanten musikalischen Arrangements. "Cry till you laugh" ist randvoll gefüllt mit Songs, denen der traditionelle Countryeintopf überhaupt nicht anzuhören ist. Ihre Songs leben von Blueseinflüssen, besitzen jazzig verspielte Improvisationselemente, vergessen dabei aber trotz allem nicht Countrymusic zu sein. "Come Tomorrow" ist so eine Ballade, die hervorragend das Sujet des Country-Sounds bedient, ohne altbacken zu wirken. "Take my Places" und "You Belong in New Orleans" sind wiederum richtige Ballroom- Kracher. Mein Lieblingsstück auf der CD ist allerdings "Sometimes" ein gefühlvoller Jazzschlager, der sehr an Madeleine Peyroux erinnert. Wer also abwechslungsreiche Musik sucht, die nach Amerika klingt, modern ist und trotzdem nicht austauschbar, der ist mit Terri Hendrix "Cry till you laugh" bestens bedient.
www.terrihendrix.com
Karsten Rube


Adrienne Hindmarsh "Blue Skies"
Label: Eigenverlag; 10 Tracks; 39:38 min; 2009
Eines der seltsamsten Instrumente der Populärmusik ist zweifelsohne die Hammondorgel. Mitte des letzten Jahrhunderts sehr beliebt fristet sie heute eher ein Schattendasein in kleineren Kirchgemeinden, auf zweifelhaften Tanzparties der Kreis-und Sternschifffahrt und in preislich hoch kategorisierten, aber geschmacklich überforderten Hotelbars. Kaum ein ernstzunehmender Musiker nutzt heute noch die Hammondorgel - abgesehen von Van Morrison.
Adrienne Hindmarsh trällert fröhlich Jazz-Klassiker des 20. Jahrhunderts, während sie diese auf ihrer Hammondorgel auf einen geselligen Schmusesound herab pegelt der Verkaufskanälen nicht die Einschaltquoten verdirbt.
Auf ihrer CD "Blue Skies" spielt sie all die Songs auf eine ernüchternd naive Art, die als Original so lange originell waren, wie sie nicht jeder Abendunterhalter zersägte. Nina Simons "My Babies just care" zum Beispiel. Genau wie "Blue Skies" von Irving Berlin. "Fly me to the moon" spielt sie mit der Souveränität einer Lottozahlenziehungsbegleitung. "Agua de beber", ein einst wunderbarer brasilianischer Song, wird auch nicht von der Hindmarshen Orgel verschont. "Wave", wie "Agua de Beber" ebenfalls von Antonio Carlos Jobim kenne ich in zahlreichen Versionen. Adrienne Hindmarsh interpretiert dieses Lied ausreichend reduziert, um jeden Friseursalon mit gesetztem Publikum glücklich zu machen - der Soundtrack zur Blauspülung. Sie bügelt alle diese Klassiker durch ihre Hammond B3 Orgel. Dabei beherrscht sie das Instrument noch weitaus besser, als ihre Stimme. Beim Hören der Musik von Adrienne Hindmarshs CD "Blue Skies" fühle ich mich "Lost in Interpretation".
www.adriennehindmarsh.com
Karsten Rube


Orchestra Bailam "Harem Bailam"
Label:
Felmay Records; 11 Tracks; 48:25 min; 2009
Das Orchestra Bailam aus Genova spielt bereits seit 1989 und versucht dabei italienischen Folk mit arabischen Einflüssen zu kreuzen. Die 2009 im Theatro della Tosse eingespielte Live-CD zeigt die Kapelle auf ihrem derzeitigen Höhepunkt. Ihre Fähigkeit als Speedfolkband die Leute von den Sitzen zu reißen, ist dabei nur eine Facette ihrer musikalischen Fertigkeiten. Besondere Hingabe beweisen sie bei der Interpretation arabischer Texte, die Franco Minelli, Gitarrist und Orchesterleiter vertont hat. Es finden sich auch osteuropäische Kompositionen im Repertoire des Orchesters, doch der Haupteinfluss der Musik stammt eindeutig aus dem arabischen Raum. Überraschend ist allerdings die Interpretation des David McWilliams Hits "The Days of Pearly Spencer". 1969 gab es davon bereits eine italienische Version, die auf dem San Remo Festival vorgetragen wurde. Die Version des Orchestra Bailam ist der alten Coverversion von Caterina Caselli aber in jedem Fall vorzuziehen. "Harem Bailam" ist ein sehr stimmungsvoller Livemitschnitt einer hochinteressanten Band.
www.orchestrabailam.net
Karsten Rube


Oquestrada "Tasca Beat"
Label:
Jaro Medien GmbH; 2010; 13 Tracks; 43:36 min
Kleinkunstensembles haben häufig ein überschaubares Publikum. Dass sich daraus eine erfolgreiche, sogar gefeierte Band entwickelt, ist eher die Ausnahme. Genau das scheint allerdings derzeit mit der portugiesischen Band Oquestrada stattzufinden. Eigentlich wurde Oquestrada 2000 als mobiles Straßenorchester gegründet, das im Umland Lissabons die Feierabendstimmung aufbessern wollte. Schnell sprach sich deren Einzigartigkeit herum. Ihre Darstellung portugiesischer Themen zwischen Landluft und Stadtmief, zwischen Saudade und Spaß spiegelte den Zeitgeist der Besucher auf den kleinen Konzerten recht genau wieder. In ihrem Programm "Tasca Beat" findet sich der scheppernde Klang der Hafenviertel, die langatmige Ruhe brachliegenden Ackerlandes, die unbekümmerte Direktheit des Proletariats und die Sehnsucht des Menschen nach der Ferne. Diese Mischung ist kein willkürlich zusammengerührter Eintopf, sondern ein Seelenzustand.
Oquestrada bündelt die typischen portugiesischen Stimmungen musikalisch und poetisch mit viel Witz und einer Menge Spaß. Hier ein fröhlicher Tanz, dort ein Blinzeln in Richtung Fado, ein Hauch von Bossa Nova und eine Brise Morna von den Kapverden, eine kleine Salve Balkansound. Genug Material ist vorhanden von den vielfältigen Einflüssen, die in Portugal die Kultur ausmachen. Und doch kann man Oquestrada nicht einfach eine Weltmusikkapelle nennen. Es ist immer noch ein kleines Orchester, das die Musik der Straße spielt. Mit zunehmendem Erfolg.
www.oquestrada.com
Karsten Rube


Carmen Souza "Verdade"
Label:
Galileo-Music; 2008; 12 Tracks: 48:43 min
Gelegentlich ergibt es sich, dass man ein Vorgängeralbum nach dem Nachfolger bekommt. "Verdade" von Carmen Souza ist bereits 2008 erschienen. Also vor dem Erscheinen des recht erfolgreichen Albums "Protegid". Vom Erfolg angestachelt schob Galileo-Music die CD "Verdade" im neuen Outfit kurzerhand noch einmal auf den Markt.
"Verdade" ist randvoll von soulig-jazziger Weltmusik. Dabei bestimmen die afrikanischen Einflüsse deutlich das Klangbild. Die junge Frau von den Kapverden versteht es wunderbar, diese Fusion aus verträumten Mornas, angolanischer Semba und portugiesisch geprägtem Jazz mit einer zarten, ja fast zärtlichen Stimme zu verbinden. Das klingt niemals nach hektischem Nachmittag, sondern immer nach entspanntem Abend. Und doch ist "Verdade" alles andere als seichtes Geplätscher. Es ist ein reifes, überaus exzellent arrangiertes Album einer hoch talentierten Musikerin. Die Wiederveröffentlichung dieser CD durch Galileo-Music ist in musikalischer Hinsicht durchaus ein Gewinn.
www.myspace.com/carmensouza
Karsten Rube


Gordie Tentrees "Mercy or Sin"
Label: Yukon Economic Develompment; 2009; 12 Tracks; 41:01 min
Gordie Tentrees stammt aus Yukon. Dieses kanadische Territorium liegt ganz im Nordwesten Kanadas, dicht neben Alaska. Ein Landstrich, der geschichtlich durch den Pioniergeist und den Goldrausch geprägt ist. Tentrees CD "Mercy or Sin" liefert den Soundtrack zur Gegend. Urwüchsiger Americanasound, kraftvoll, steckenweise ungehobelt, in jedem Fall authentisch. Die zwölf Songs erzählen in bester Songwritertradition vom einsamen Cowboy, den nie ein Mädchen halten konnte, von der Einsamkeit in einem Hotelzimmer, von der Suche des Yukon-Boys nach dem Sinn im Leben und von all den anderen Themen eines einsamen reisenden Songwriters. Die ewige Selbstanalyse des Liedermachers. Erfrischend daran ist, dass Tentrees Englisch singt. Dadurch ist das Album ganz gut anzuhören.
www.tentrees.ca
Karsten Rube


Various Artists "AfroCubism"
Label:
World Circuit Records; 2010; 14 Tracks; 58:33 min
Der Buena Vista Social Club hat Ende der 1990er Jahre das weltmusikalische Hörbewusstsein um eine sehr interessante Klangerfahrung bereichert. Streckenweise so massiv, dass man sich etwas weniger kubanische Rhythmen in der weltweiten Fusion musikalischer Spielformen wünschte. Damals jedoch, als Ry Cooder und Nick Gold in Havanna dieses Projekt initiierten, sollten neben den Helden des kubanischen Sons auch zahlreiche Musker aus Mali dazustoßen. Da diese aber irgendwie nie ankamen, blieb die Musik des Buena Vista Social Clubs eine rein kubanisch orientierte.
Solche Projekte muss man ja nur wegen des überaus erfolgreichen Abschneidens des eigentlich so nicht gedachten musikalischen Vorhabens nicht komplett in den Wind schreiben. Das dachte sich Nick Gold und hat nun 14 Jahre nach dem Buena Vista Social Club das ursprüngliche Vorhaben endlich in die Tat umgesetzt. Zwar sind ein paar der ursprünglichen Musikern nicht mehr abkömmlich, doch die Musik hat zahlreiche Freunde und Erben gefunden.
Nun steht also die Grupo Patria, deren Bandleader Eliades Ochoa bereits zu den legendären Buena Vistas zählte, neben afrikanischen Superstars wie Toumani Diabate. Die Nähe des kubanischen Son zur westafrikanischen Musik ist dabei so deutlich, dass man stellenweise die Grenzlinien nicht mehr erkennt. Besonders, wenn die lateinamerikanischen Gitarrenklänge den Rhythmus des Son anspielen und die westafrikanische Kora sich hinzugesellt. "Jarabi" ist der Song, der vielleicht am deutlichsten veranschaulicht, wie harmonisch sich ArfoCubism zusammenfügt. Dieses Album ist eine musikalische Horizonterweiterung, wie sie in dieser Form seit Langem nicht mehr gelungen ist.
www.afrocubism.com
Karsten Rube


Corde Oblique "The Stones of Naples"
Label:
Prikosnovénie; 2009; 12 Tracks; 52:40 min
Corde Oblique ist ein Projekt des italienischen Gitarristen Riccardo Prencipe. "Stones of Naples" heißt sein aktuelles Album, auf dem er eine eigene fast mythische Klangwelt erschafft. Prencipe spielt neben der klassischen Gitarre auch die mittelalterliche Laute. Der Feengleiche Gesang der zahlreichen Gastsängerinnen, die er zu diesem Projekt eingeladen hat, tun ein Übriges dazu, den Hörer zum Träumen zu verführen. Ob man sich dabei in die mittelalterliche Kulisse Neapels versetzt fühlt - Titel, Texte und Musik sind inspiriert von dieser Thematik - oder seine Gedanken in eine völlig andere Richtung abdriften lässt, bleibt jedem Hörer selbst überlassen. Riccardo Prencipe lässt sich aber nicht auf reine Mittelalternostalgie ein, sondern trägt seine Musik über die Zeiten hinweg. So gerät ausgerechnet das Lied "Barrio Gotico" zu einer musikalischen Zeitreise, die musikalisch tatsächlich im Mittelalter zu beginnen scheint und sich mühelos in ein temporeiches Lied gegenwärtiger Prägung verwandelt. Besonders schön gerät auch das leise Lied "Dal Castello di Avella". Caterina Pontrandolfos Stimme ist hingebungsvoll und hypnotisierend. Dem süchtig machenden Einfluss der Musik von "Corde Oblique" kann man sich nur schwer entziehen.
www.cordeoblique.com
Karsten Rube


Arlo Guthrie & Wenzel "Every 100 Years"
Label:
Matrosenblau; 2010; 14 Tracks; 49:23 min
Siehe auch den Live-Be-
richt in dieser Ausgabe
Mir war Arlo Guthrie bisher ausgesprochen Wurscht. Ich kannte ihn kaum und was ich kannte, hat mich nicht besonders aufgeregt. Meine erste Erinnerung an ihn beläuft sich auf eine Episode der Muppet-Show, in der er Ende der 70er aufgetreten ist. Natürlich ist mir der Gassenhauer "City of New Orleans“ bekannt. Aber das war's auch schon. Nun höre ich die CD "Every 100 Years" und bin angenehm überrascht. Da singt ein alter Folkhaudegen souverän und mit spielerischer Leichtigkeit seine Songs. Eine wunderbare Vertrautheit liegt in seinen Liedern, er ist schließlich mit den meisten davon bereits über Jahre verbunden. Es sieht ganz danach aus, als hätte ich ein Stück angenehmer Folkgeschichte verpasst. So könnte die CD "Every 100 Years", die 2006 auf der Wartburg live eingespielt wurde, ein folkiges Aha-Erlebnis der besonderen Art sein. Doch überraschenderweise zeigt sich wieder einmal, dass dieselben Lieder die von zwei Personen interpretiert werden, nicht unbedingt die gleiche Wirkung erzielen müssen. Das kann ganz interessant sein, ist aber im Falle von Hans-Eckardt Wenzel ärgerlich. Denn wenn bei Arlo Guthrie die Lieder leicht und frei von Eitelkeit von der Bühne kommen, wirken dieselben Lieder, mit fast identisch ins Deutsche übertragenem Text bemüht und überakzentuiert, so als wäre nicht der Text das Wichtige, Schöne, Bedeutende, sondern sein Interpret. Das schmälert die Leistung von Arlo Guthrie in keiner Weise. Es gibt sicher genügend CDs von ihm, auf denen er musikalisch als Solokünstler überzeugt, ohne dass ein Hofstaat darauf hinweist.
www.arlo.net, www.wenzel-im-netz.de
Karsten Rube


Franco Morone & Raffaella Luna "Songs we love"
Label:
Acoustic Guitar Records; 2008; 15 Tracks; 55: 17 min
Wer Coverversionen mag, kann sich an der CD von Italiens Fingerstilspezialist Franco Morone freuen. Gemeinsam mit seiner Gesangspartnerin Raffaella Luna hat er das Album "Songs we love" eingespielt, eine Sammlung von Liedern aus der amerikanischen Songwriterszene. Dazu zählt Suzanne Vega's "My name is Luka", das hier wesentlich schneller, als im Original interpretiert wird. Beinahe hektisch klingt diese Version. Natürlich dürfen Dylan-Klassiker, wie "Forever young" und "It's all over now baby blue" nicht fehlen. Raffaella Luna singt sie mit dem Schmelz einer jungen Joan Baez. "Where have all the flowers gone" ist so perfekt gecovert, dass sie diesen Song ohne Weiteres auf einem Joan Baez Konzert singen könnte, wenn diese gerade nicht bei Stimme ist. Doch beschränkt sie sich nicht allein darauf, so zu klingen, als wäre sie jemand anderes. Ein paar Songs, so wie das französisch gesungene "La Nuit", das sie selbst geschrieben hat und das italienische "Il tempo per noi" - ebenfalls von ihr - stechen aus dem weitgehend perfekt interpretierten Fremdmaterial heraus. In der harmonischen Begleitung durch Franco Morone sind diese Lieder die eigentlichen Schmuckstücke dieses rundum sehr gefälligen Albums.
www.francomoroneraffaellaluna.com
Karsten Rube


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2010

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