FolkWorld #47 03/2012
© Morten Alfred Høirup

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Die Magie in der Musik

Es ist ein schöner Abend im Mai auf einer großen Open-Air-Festivalbühne irgendwo in Kanada. Wir befinden uns mitten in einem Konzert des dänischen Quartetts Svøbsk, einer der gefragtesten Bands der dänischen Folkmusikszene.

Im Scheinwerferlicht vor der Bühne tanzt der Sänger und Violinist Jørgen Dickmeiss mit seiner Ehefrau, der Akkordeonspielerin Maren Hallberg. Sie genießen die volle Aufmerksamkeit des Publikums, die vielen Menschen sind ganz leise. Sie tanzen einen „Sønderhoning“, eine kleine, wehmütige Melodie von der kleinen dänischen Insel Fanø, die vor der Nordseeküste Jütlands liegt. Die Musik fließt aus der Mundharmonika, auf der Jørgen virtuos spielt, während er tanzt.

Als der Tanz beendet ist, bricht Applaus über sie herein. Sie stehen einen Augenblick dicht beieinander, bevor sie zurück zu ihren Plätze auf der Bühne eilen. Dort warten Pianist Theis Langlands und Perkussionist Simon Busk. Und sobald die Bandmitglieder wieder versammelt sind, legen sie mit ein paar schnellen Polkas los. Es wird auf Maultrommel, Geige, Akkordeon, Perkussion und Klavier gespielt, es ist temporeich und die Zuschauer jubeln und klatschen im Takt. Es ist Abend und Magie liegt in der Luft!

EINE MUSIKALISCHE LOVESTORY

Svøbsk

Svøbsk @ FolkWorld: FW#34, #41

www.myspace.com | www.youtube.com

www.svobsk.dk

Zurück in Dänemark in dem kleinen Dorf Davinde zwölf Kilometer von Odense entfernt. Odense ist die größte Stadt der Insel Fünen, hier ist der Dichter und Märchenerzähler Hans Christian Andersen aufgewachsen und hier hat der große dänische Komponist Carl Nielsen seinen Wehrdienst als Mitglied des Regimentsorchesters des 16. Bataillons abgeleistet.

Mitten in dem Dorf Davinde, das ungefähr 400 Einwohner zählt, liegt ein neurestauriertes Bauernhaus aus dem Jahre 1780 mit schwarzem Fachwerk und weiß gekalkten Mauern. Auf der einen Seite des Hauses fließt ein plätschernder Bach und man kann zu den Nachbarn schauen. Auf der anderen Seite öffnet sich der Blick über die Felder. Im Haus wohnen Jørgen und Maren mit ihrem 4-jährigen Sohn Alfred und der 2-jährigen Tochter Selma. Hier ist der Mittelpunkt ihrer Welt.

„Wir gründeten das Duo Svøbsk 2004“, erzählt Jørgen und fährt fort: „Eigentlich begann es damit, dass Maren und ich uns ineinander verliebt haben, bald darauf fingen wir an, miteinander zu musizieren. Es erwies sich als ein perfect match und wir entschieden uns für den Namen Svøbsk, denn ein Svøbsk ist ein schneller Tanz, bei dem man sich dreht und dreht und dreht, bis man ganz wirr im Kopf ist und sich ein wenig schwindelig und benommen fühlt, genau so als sei man frisch verliebt.“

2005 veröffentlichen Maren und Jørgen das Album „Sig Mig“ (Sage mir) und in den Folgejahren spielen sie hunderte von sehr unterschiedlichen Konzerten sowohl in Dänemark als auch im Ausland. Das Duo genießt mit der Zeit einen immer höheren Bekanntheitsgrad in der dänischen Folkmusikszene.

„Man muss einander sehr gut kennen, wenn man die Magie in der Musik einfangen möchte“, erklärt Jørgen, „und ich weiß immer, wenn wir spielen, dass Maren genau dort neben mir ist. Oft gelingt es uns, die nötige Magie einzufangen. Und wenn das mal nicht so ist, dann wissen wir es beide sofort.“

Nach einigen Jahren entscheiden sich Maren und Jørgen dafür, Svøbsk um Perkussion und Klavier zu erweitern – eine Entscheidung, die sie nicht bereuen werden. 2009 veröffentlichen sie das Album „En Klang af Tidløshed“ (Ein Klang von Zeitlosigkeit) und heute spielen Svøbsk sowohl als Duo, Trio als auch als Quartett. Die Band hat allein 2011 mehr als 100 Konzerte gegeben. „Wir sind mit diesem Konzept sehr zufrieden. Wir merken, dass sich die Kreise im Wasser ausdehnen. Immer mehr Leute treten mit uns in Kontakt und bieten uns an, auf ihrer Bühne oder im Rahmen ihres Festivals aufzutreten. Wir sind dankbar dafür, von der Musik leben zu können – zusammen als Duo auftreten zu können, aber auch über die Zusammenarbeit mit Theis und Simon.“

DAS KONZERT, DAS MAN NIE VERGISST

Maren und Jørgen sind mit ihrer Musik von Anfang an auch ins Ausland gereist. Svøbsk sind durch Länder wie Deutschland, Schweden, Finnland, Island, Schottland und Kanada getourt und haben gemerkt, dass sie etwas Besonderes anzubieten haben, wo immer sie auch hinkommen. Maren erinnert sich insbesondere an die erste Tournee ins Ausland. Sie führte nach Grönland und dauerte vier Wochen. Sie hatten sich gründlich vorbereitet und auch einige traditionelle Tanzmelodien anhand einer Musikkassette mit einem alten grönländischen Akkordeonspieler einstudiert.

Svøbsk

„Wir spielten an vielen lustigen Orten und haben viele tolle Menschen kennengelernt. Aber an ein Konzert erinnere ich mich ganz besonders. Wir sollten in einem Pflegeheim in Narssaq in Südgrönland spielen und als wir ankamen, saßen sie alle in ihren Rollstühlen, sie waren sehr alt und dement. Aber als wir die Polkas, die wir von der Musikkassette gelernt hatten, spielten, fingen die Alten an zu lächeln und sich in ihren Rollstühlen im Takt zu wiegen. Einer der Männer erhob sich sogar, warf die Krücken von sich und tanzte mit einer der lächelnden Pflegerinnen. Wir sprachen nachher mit dem Personal und erfuhren, dass der Akkordeonspieler auf der alten Kassette Spielmann der Siedlung war, in der die Alten aufgewachsen waren. Die Musik weckte all die schönen Jugenderinnerungen. Die Alten fingen an zu lächeln und in ihren Rollstühlen zu tanzen. Das war ein sehr schönes Erlebnis, das wir nie vergessen werden!“

DIE TRADITION

Svøbsk hat immer bewusst an einer Kombination aus traditioneller und neukomponierter Folkmusik gearbeitet. Maren und Jørgen kennen die Tradition, die sie auf ihre besondere Weise nutzen. Gleichzeitig komponieren sie ihre eigene Musik, inspiriert von unterschiedlichen Genres und Stilarten. „Wir arbeiten laufend daran, unser Repertoire zu erneuern“, sagt Jørgen, „das Material kommt aus dem ganzen Land. Wenn Dänemark auch ein kleines Land ist, so haben wir doch eine sehr große und variationsreiche Tradition voller musikalischer Dialekte.

Einige der Melodien, mit denen wir arbeiten, stammen von den vielen kleinen dänischen Inseln, einige finden wir bei alten Spielleuten weit draußen auf dem Land, andere entdecken wir in alten Notenbüchern! Unser Ziel ist es, den Nerv und die Besonderheit der Musik zu treffen, wir nutzen ganz bewusst den Stil und den Dialekt, aber wir entwickeln das Material auch weiter, so dass es zu unserem Svøbsk-Sound passt!“

DIE MAGIE IM TANZ

Sowohl Jørgen und Maren sind an dem Süddänischen Musikkonservatorium und der Schauspielschule in Odense ausgebildet worden. Marens Lehrer, der dänische Akkordeonspieler Carl Erik Lundgaard, hat Maren im Rahmen des Unterrichts mit auf die Bühne genommen, wenn er mit seinem Trio Lang Linken zum Tanz aufgespielt hat. Zwei Jahre lang hat Maren ihn musikalisch begleitet, während die Leute dazu tanzten.

„Das war einfach die beste Art zu lernen! Ich liebe die traditionellen Melodien, und ich liebe es zu spielen, während Leute tanzen, denn genau dafür sind die Stücke gemacht. Wenn man ein Konzert auf einer Bühne gibt, ist es natürlich etwas anderes als zum Tanz aufzuspielen, aber es ist trotzdem sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass das Magische der Melodien darin besteht, dass sie die Körper der Tänzerinnen und Tänzer direkt ansprechen.“

Svøbsk

„Jørgen und ich lieben es beide zu tanzen und wir möchten dem Publikum gerne beispielhaft zeigen, welche Magie dem Tanz innewohnt. Wir verlassen meist die Bühne und tanzen einen Sønderhoning von der kleinen Insel Fanø, die eine sehr starke Folkmusiktradition hat. Wir tanzen ganz allein miteinander, während Jørgen Mundharmonika spielt. Genau in diesem Augenblick ist unser Konzert immer voller Magie. Oft sitzen die Leute mit Tränen in den Augen, weil sie, wie sie sagen, spüren können, dass wir sie einladen, an unserer Musik teilzuhaben, und dazu, gemeinsam mit uns zu tanzen und zu singen und sich mit uns zu freuen.“

IM SCHLAF KOMPONIEREN

Als ich frage, wie sie an den Kompositionen arbeiten, gibt Maren zu verstehen, dass es nicht immer leicht ist, Zeit fürs Komponieren zu finden, wenn man sich gleichzeitig um zwei kleine Kinder kümmern muss. Das ist schwierig, obgleich die Kinder im Alltag wichtige Inspiration liefern und oft mit auf Tournee sind. Aber am Tag vor diesem Interview hat Maren tatsächlich zum ersten Mal seit langer Zeit etwas Muße am Klavier gefunden mit dem Ergebnis zweier Melodien, mit denen sie sehr zufrieden ist.

„Mir passiert es fast immer, wenn ich es am wenigsten erwarte“, erklärt Jørgen , „wenn ich z.B. ein paar neue Saiten oder ein neues Instrument ausprobiere und einfach vor mich hin spiele ohne darüber nachzudenken. Manchmal ist es nichts Besonderes, aber manchmal nehme ich es auf und lasse die Aufnahme ein paar Monate liegen. Wenn ich dann etwas Muße finde, knüpfe ich daran an und setze die Musikteile, die ich liegen habe, zusammen. Das ist genau wie ein Puzzle und plötzlich hat man eine Melodie mit A, B und C-Teil fertig gestellt. Für mich dreht es sich immer darum, zu versuchen zu vergessen, dass ich komponieren will.“

Hier unterbricht Maren: „Das Lustigste an dir ist, wenn du mitten in der Nacht aufwachst, aus dem Bett springst, die Geige greifst und eine ganz neue Melodie spielst, die du geträumt hast.“

„Ja, das stimmt“, lacht Jørgen, „ich glaube selbst, dass ich einige sehr gute Stücke auf diese Weise komponiert habe!“

Die Geschichte des dänischen Duos Svøbsk ist der stete Bericht der Reise eines musikalischen Projekts, das aus Liebe geboren ist. Die Erzählung von der Faszination der Tradition, der Freude am Neuen und dem Respekt vor der Magie in Musik und Tanz – und dies alles zur großen Freude eines beständig wachsenden weltweiten Publikums wie dem vor einer großen Open-Air-Bühne auf einem kanadischen Festival im Monat Mai.

Deutsche Übersetzung: Katrine Hoop


Photo Credits: (1)-(4) Svøbsk (from website).


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