FolkWorld Artikel von Klaus Guhl:

Jim Fidler, blinder Kelte aus Neufundland


Jim Fidler Jim Fidler, blinder Multiinstrumentalist aus Neufundland, weiß sich in der Tradition der Vaganten, der fahrenden Musiker und Sänger, der keltischen Harfner und Fiedler, als "Gypsy" eben, wie denn auch konsequenterweise letztes Werk betitelt ist.

Erschienen bereits 1995 läßt die verdiente Anerkennung auf dem europäischen Kontinent jedoch auf sich warten. Anders in seiner Heimat. Dort schien die Vertragsunterzeichnung bei IONA Records (per Video Konferenz zwischen Schottland und Neufundland) ein Ereignis von kulturpolitischer Bedeutung, das von der Ministerin für Kultur, Tourismus und Erholung, der ehrenwerten Sandra Kelly, mit den Worten "Wir sind sehr stolz auf Jim und seine Fähigkeit die traditionelle Musik von Neufundland und Labrador mit anderen Stilen zu kombinieren und so einen einzigartigen schönen Sound zu produzieren." kommentiert wurde.

Die von Fidler selbst produzierte CD "Gypsy" umfaßt eigene 13 Songs, bei denen er 12 verschiedene Instrumente spielt, natürlich auch die Fidel. Vermutlich entdeckt wurde Fidlers Heimat von dem Wikingerhäuptling und Grönlandentdecker, Leif Erikson,. Besiedelt wurde die Insel im Laufe der Zeit dann von Schotten, Iren, Engländern, Franzosen, Spaniern und Basken. Multikulturelle Historie als Hintergrund seiner musikalischen Identität.

Fidler spricht vom weltweiten Fidler-Clan, der seine Herkunft im fahrenden Volk hat. Neben diesen historischen Einflüssen zählt er Bob Marley, Toure Kunda, Christy Moore, The Police, The Chieftains und (warum auch nicht) J.S. Bach zu seinen musikalischen Roots. Nach Erfahrungen in Klassik, Bluegrass, Folk, Ska und Reggae hat Fidler zu einer eigenen Form gefunden, die sich irgendwo zwischen rockigen Folk, Popsongs und keltischer Folklore einordnen läßt. Oder anders gesagt: Eine gelungene Mischung verschiedenster Einflüsse zu einer eigenständigen, zeitgenössischen und zeitgemäßen Form.

Jim Fidler "Gypsy" ist eine zugängliche CD, wohl nichts für Traditionalisten und Fundis, die am liebsten -als Zeichen unverwechselbarer Authentizität- bei den Hometapes mittelschwedischer Pentatonik Geiger die Fußbodendielen knarren hören mögen. Diese Hörer wird mit "Gypsy" kaum glücklich, wir anderen wohl um so mehr. Die liebevoll ausgestattete CD (inklusive der Texte) gibt in drei Sprachen knappe Auskunft über die einzelnen Songs. Schwungvoll startet es mit "The Rhythm of the Goat", einer Ehrung an die Bodhran. In "Through the Narrows", einem Instrumentalstück glänzt Fidler als beachtlicher Gitarrist. "The Rising oft the Moon" ist eine bewußte Anspielung auf den irischen Revolutionssong und bringt Fidler Sehnsucht und Hoffnung nach einer gerechten Welt angesichts der Jahrtausendwende zum Ausdruck.

Dann kommt endlich der herzerweichend schöne Titelsong "Gypy". Ein Ohrwurm erster Güte, den ich immer wieder und wieder, ohne Abnutzungserscheinungen hören mag, obwohl oder vielleicht auch gerade weil er knapp an musikalischen Manierismen vorbei geschrieben ist. Das muß man eben auch können. Gefolgt vom flotten "Gypsy“s Jig" ist es eine runde Sache.

Obwohl ich sonst so etwas überhaupt nicht mag, gefällt es mir in diesem Fall: Zum Abschluß gibt es eine erneute instrumentale Fassung des Titelsongs als "Gypsy“s Lament". Wo ansonsten freie Zeit mit einen langweiligen Aufguß gedehnt wird, ist hier Gelegenheit einem wunderbaren Song erneut nachzuschwelgen.

"Downtown Girl" ein witziger Song über verpaßte Gelegenheiten. "Bound for St. Pierre" und "The Loss of Fishery" sind schöne Instrumentals. Insgesamt wird die CD nun etwas ruhiger und "The Blooming of the Flower" reißt nicht mehr vom Hocker. Und "Say something" scheint ein mir Mißgriff. Fidler verirrt sich auf seiner musikalischen Expedition da irgendwie an die West Coast der Eagles und Jackson Brownes. Verzichtbar. Doch mehr als entschädigt wird man dann durch das erwähnte "Gypsy“s Lament".

Ingesamt gelingt Fidler eine überraschende, aufregende und zu Herzen gehende Musik, voller Weite, Temperament, Spielfreude, Sehnsucht, Witz und Melancholie. So wie eine gute CD halt sein soll. Mehr über Jim Fidler ist auf seiner web Seite (auch in Deutsch!!) zu erfahren, sowie auf der Homepage seines europäischen Label Iona Records.


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