FolkWorld #65 03/2018
© Folk Club Bonn (Mario Dompke & Detlef Stachetzki)

Regelmäßig „brechend voll“

Folk Club Bonn

folk-club-bonn.blogspot.com

Lederhosen und Dirndlkleider ...

... waren auf dem Oktober(fest) Folkclub nicht vertreten. Vielleicht waren die woanders, denn ein Blick über das Publikum zeigte, dass noch ein paar Plätze frei waren, als das bekannte „Laaadies and Gentlemen....“ erscholl. Allerdings zeugten die freien Plätze nicht etwa von einer geringen Besucherzahl, sondern eher davon, dass der Folk Club Bonn inzwischen als regelmäßig „brechend voll“ bekannt ist. Ein kurzes Zählen brachte doch immerhin ca. 50 Besucher zusammen. Aber auch wenn die eine Lederhose oder das andere Dirndlkleid sich auf diversen Oktoberfesten vergnügten, gab es doch mindestens eine Gemeinsamkeit mit dem Folkclub – die Wälder. Sowohl das bayerische Oktoberfest wie auch die Special Guests des Abends kommen aus waldreichen Gegenden. Kanada und die Schweiz sind sozusagen die spendenden Gastländer der beiden besonderen Gäste ...

Ein großer Gitarrist auf ungewöhnlichen Instrumenten ist Attila Vural. Der Schweizer war nicht zum ersten mal Gast im Folkclub, und so hatten sich auch einige Zuhörer sehr gespannt auf neue und alte Songs des Künstlers eingefunden. Mit seiner zweihälsigen Resonatorgitarre hörte man ihn bereits beim letzten Stück von Vince aus dem Hintergrund, denn dieser hatte ihn aufgefordert doch ein wenig mit zu bluesen. Als dann nicht nur der Ton sondern auch das Bild des Instrumentes erschien, waren einige Zuschauer erstaunt. Eine Resonatorgitarre, die mit einem zweiten Hals eine Mandoline oder zumindest ein mit vier Doppelseiten bestücktes, an Mandoline erinnerndes Instrument integrierte. Die offene Stimmung dieses Instrumententeils ermöglichte eine häufige Einbeziehung des speziellen Klangs direkt in die Gitarrenmusik.

Attila Vural

Artist Video Attila Vural @ FROG

www.lavural.ch

Attila spielt fast ausschließlich instrumental, so dass über die Lieder immer die eigene Interpretation und das eigene Gefühl, an was die Melodien erinnern, stehen. Zwar hat er erläutert, aus welchen Zusammenhängen die Lieder entstanden sind, jedoch kann schwer das Gefühl eines anderen nachempfunden werden, und so wird in jedes Lied das eigene Gefühl hineingelegt. Das schaffen seine Lieder aber meisterlich. Mit „Little Picture Gallery“ wurde ein Klangteppich aus perkussiven Elementen, Frettapping (also das klingende Aufsetzen der Finger auf die Saite, ohne diese anzuzupfen) und strumming – sowohl in Akkorden wie in der offenen Stimmung des Mandolinen ähnlichen Teils vom Instrument ausgebreitet. Die Vorstellung durch eine Galerie zu gehen und ein Gesamtbild aus vielen kleinen Einzelbildern zu sehen, wurde so hervorragend umgesetzt. „Scan“ ist ein Coversong von D. Miller – jedoch schaffen es Gitarrenvirtuosen immer wieder, aus fremden Themen eigene Kreationen entstehen zu lassen. Mit „Mysterious Feel of Stonehenge“ beschreibt Attila bereits im Titel, dass jeder Zuhörer sich ein eigenes Bild dieses mysteriösen Gefühls bilden muss. Die Musik unterstützt ihn dabei lediglich – allerdings in einer absolut virtuosen Art. Mit der Ankündigung „Constantinople“ sei die Neufassung des ursprünglichen Songs Istanbul, beweist Attila, dass ernste Kunst (instrumentale Kompositionen im Gegensatz zu textlich geprägten (Mitsing)liedern) nicht davon abhält, mit eben dieser Musik Spaß zu haben und diesen zu verbreiten.

Es ist schwer, textlose Musik zu beschreiben, ohne in oft unverständliche Ausdrucksweisen von eigenen, empfundenen Gefühlen zu gelangen. Texte können nacherzählt werden. Geschichten, die durch Musik erzählt werden, sind oft nicht weniger inhaltsreich, aber jeder empfindet einen unterschiedlichen Inhalt. Deshalb möchte ich zu „Road That We Travel On“ gar nicht viel sagen, außer, dass auch in diesem Lied soviel Elemente des gitarristischen Könnens eingebaut sind, dass es einfach Pflicht ist die Lieder zu hören und sich die eigenen Gefühle zu der Interpretation der Titel selbst zu erklären. Als gedachten Abschluss hatte Attila Vural das Cover „The Moon is a Harsh Mistress“ von J. Webb im Gepäck – aber, wie sich die geneigte Leserschaft denken kann, blieb es nicht dabei. Eine vehement verlangte Zugabe wurde mit „Sounds of my Feet“ gerne gegeben.

(Mario Dompke, Folk-Club Nummer 84 am 6. Oktober 2017)

„Märchenhaft“ ...

Simon Kempston

Artist Video Simon Kempston @ FROG

www.simonkempston.co.uk

... das leicht abgewandelte Motto der 86. Auflage des Folk Club Bonn hat eigentlich Programmcharakter für die gesamte Existenz des Folk Clubs seit seinem ersten Abend im Februar 2010. Aus einer Idee mit kleinen Anfängen in der Gaststätte Zum Schützenhaus in Graurheindorf ist inzwischen eine sogar international beachtete Institution geworden, die bei jeder Auflage zwischen 70 und 100 Besucher anlockt. Im Gegensatz zu den hochsubventionierten Mammutbetrieben des öffentlichen Kulturbetriebes floriert das Pflänzchen Folk Club Bonn ohne jeglichen Zuschuss, ohne Eintrittsgeld und lediglich getrieben vom Spaß an d’r Freud’. Die Organisatoren stecken Zeit in das Projekt, hin und wieder werden ein paar Euro für das Stimmen des Klaviers locker gemacht (ist wieder dringend nötig!), und die Künstler – Amateure ebenso wie Profis – spielen ohne Gage.

Den größten Lohn für die Mühe aller Akteure spendet das enthusiastische Publikum. Die Künstler sind oftmals überwältigt von der konzentrierten Atmosphäre und der ungeteilten Aufmerksamkeit, die die Zuhörer ihrer Musik widmen. Das niederschmetternde Erlebnis jedes Musikers, nur Hintergrundberieselung zu sein, gibt es im Folk Club Bonn nicht. Eines der Geheimnisse dieses Erfolgs ist der komplette Verzicht auf elektronische Verstärkung. Mancher Künstler hatte schon darum gebettelt, wenigstens einen kleinen Verstärker für die Gesangsstimme einsetzen zu dürfen. Nach ihrem gezwungenermaßen unverstärkten Auftritt waren auch die Skeptiker restlos begeistert, denn unverstärkte Musik zwingt das Publikum zur Ruhe. Und so kommt ein für beide – Musiker und Publikum – wunderbares, märchenhaftes, Ergebnis zustande.

Nun, mittlerweile hat es für den Dezember Folk Club schon Tradition, dass uns unser Freund Simon Kempston aus Edinburgh als „Special Guest“ beehrt. Simon platziert seine sonstigen Tourneeauftritte stets so, dass eine Lücke für den Dezember-Folk Club in Bonn bleibt. Nach eigenem Bekunden ist dieser Auftritt für ihn der Höhepunkt des Jahres. Nun, wir fühlen uns sehr geehrt und können sagen, dass wir dies auch von unserer Seite so sehen. Neben einigen bekannteren Liedern präsentierte Simon auch neue Stücke von seiner druckfrischen CD „Onwards She Travels“. Die CD enthält ausschließlich instrumentale Stücke, die mit ihrer musikalischen Transparenz und Simons brillanter Gitarrentechnik bezaubern. Ein herrliches Weihnachtsgeschenk, und viele Zuhörer nutzten die Gelegenheit, sich mit CDs für sich und/oder ihre Lieben einzudecken.

Obwohl, wie bereits erwähnt, Simon viele seiner Stücke hier nicht zu ersten Mal gespielt hatte, lohnt es sich doch immer wieder, sie aufs Neue zu hören. Die Interpretation wird zunehmend reifer, brillanter und fesselnder. Besonders berührt war euer Chronist von den Liedern „You and I Must Remember Them“ und „Sweet Release“. Auch die Reaktion des Publikums spricht Bände: es ist so still – Ihr wisst schon, die Stecknadel. Als Abschluss seines Konzerts gab es noch etwas für die Seele mit dem einzigen Stück, das nicht aus Simons eigener Feder stammte: „Caledonia“ von Doughie MacLean aus dem Jahre 1977 – herzerwärmend. Das Publikum dankte Simon für die wunderbare Musik mit einem überwältigenden Applaus.

(Detlef Stachetzki, Folk Club Nr. 86 am 1. Dezember 2017)

Richtig alt ...

Juhana Iivonen

Artist Video
www.juhanaiivonen.com

... ist der Folk Club nicht, aber da wir nun seit acht Jahren erfolgreich unterwegs sind, kann man auch nicht mehr von „neu“ sprechen. Immerhin, der Folk Club ist eine feste Größe im Bonner Musikleben, und obwohl der General-Anzeiger zum wiederholten Mal unsere Terminankündigung nicht abgedruckt hatte, war die Bude wieder gut gefüllt. Für viele Gefolgsleute ist der erste Freitag im Monat offenbar inzwischen ein fest eingeplanter Termin – welch eine Ehre! Nun, da Lieder entweder alt oder neu sind, war es diesmal kinderleicht, einen Beitrag zum Motto zu finden – schlichtweg alle Beiträge passten.

Schon einmal für den Folk Club angekündigt, aber dann wegen Krankheit abgesagt, und nun tatsächlich hier war Juhana Iivonen aus Finnland. Mit seiner ganz ruhigen und bedächtigen Art stand er in kompletten Gegensatz zu den vorherigen Beiträgen. „Two Little Rooms“ war das erste Lied aus einer Serie von drei Stücken, die vor rund zehn Jahren in einem Rutsch entstanden waren, eine melodische Ballade mit unverschnörkelter und klarer Gitarrenbegleitung. Eine bezaubernde Liebesgeschichte beschreibt „Dream We Lived“. Juhana hat sie in eine berückende Melodie mit schönen Tonartwechseln gewandet. Man muss das Lied tatsächlich mehrmals hören, um seine Schönheit wahrzunehmen – mein Lieblingsstück von Juhana. „Break the Chain“ beschreibt, wie zwei Leute sich in der Eisenbahn begegnen. Die hin- und herschwingende Melodie untermalt die Geschichte perfekt.

Natürlich durfte auch ein Lied in finnischer Sprache nicht fehlen. Juhana verriet uns leider den Titel nicht, aber schön war’s. „Shine On“ beschreibt das Elend der reisenden Musiker, die ihren Beruf nur schwer mit einer funktionierenden Beziehung kombinieren können. „A Native One“ beschreibt die Situation, dass man so lebt, wie man geboren ist. „Fill This Room“ ist ein Lied über den Paten von Juhanas Sohn, der leider viel zu früh sterben musste. Das Lied spiegelt die Vorliebe des Verstorbenen für Punk Music wider. Auch „Hardly Knew My Name“ hat mit dem zu früh Verstorbenen Freund zu tun, ist aber eine ruhige und besinnliche Ballade. Natürlich durfte Juhana nicht ohne Zugabe gehen. „Taxi Drive“ lautete der Titel. Riesenapplaus für Juhana und seine Musik.

Damit endete wieder ein vielseitiger und unterhaltsamer Abend mit schönen und kunstvollen Beiträgen. Aber es ging natürlich nicht ohne den Abschied mit Jock Stewart, dem alten Schotten, „A man you don’t meet every day“.

(Detlef Stachetzki, Folk Club Nr. 88 am 2. Februar 2018)



Photo Credits: (1) Folk Club Bonn, (2) Attila Vural, (3) Simon Kempston, (4) Juhana Iivonen (by Folk Club Bonn).


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