FolkWorld #65 03/2018

CD & DVD Rezensionen

Emily Herring "Gliding"
Eight30 Records, 2017

www.emilyherringmusic.com

Emily Herring macht Countrymusik im ehrlichsten Sinne. Die Frau, die tagsüber Autos repariert, nimmt sich am Abend ihre Gitarre und singt über ihre Empfindungen und Eindrücke. Einfache Musik der Menschen vom Land, kann man denken. Doch Emily Herring ist um einiges erfolgreicher als der Gelegenheitsmusiker. Ihre mittlerweile vierte CD heißt “Gliding” und inzwischen hat sich ihre Songwriterqualität so weit herumgesprochen, dass sich bei der Produktion dieses Albums ein paar gestandene Countrymusiker mit ins Studio drängelten. Allen voran findet sich Steve Frisell als Produzent, der bereits Emmylou Harris betreute. Emily Herring fällt ein bisschen aus der Zeit. Man könnte ihr Album mühelos in den oldfashioned Stil des Western Swings einordnen. Ihre Stimme singt klar und kräftig von Trucks und Honky Tonk Heros, wie immer die auch aussehen mögen. Mit dem Song “Balmorhea” paart sie gekonnt Westernmusik mit Gipsy-Swing. Ein überraschendes und überzeugendes Country-Album einer jungen Frau mit dem Können alter Schule. Manch kommerzgesteuerter Countryheld könnte sich an der Lockerheit Emily Herrings ein Beispiel nehmen.
© Karsten Rube


Gerry Spehar "I hold Gravity"
Eigenverlag, 2017

Artist Video

www.gerryspehar.com

Gerry Spehar hatte schon eine erfolgreiche Karriere als Countrymusiker in den 70er und 80er Jahren. Der Musiker aus Colorado wendete sich 1986 vom Musikbusiness ab, um sich auf seine Familie zu konzentrieren. 30 Jahre später meldet er sich mit dem Album “I hold Gravity” eindrucksvoll in der Musikszene zurück. Sein Roots- und Countryalbum ist von bodenständiger Ehrlichkeit. Die Songs beschäftigen sich mit den Menschen und ihrer Arbeit, mit dem Staub auf den Feldern, dem Schweiß in trockenen Sommern, aber auch mit überambitionierten Bauern und dem Kampf gegen die Gentechnik in der Lebensmittelindustrie. Dieses feinfühlige Album entstand in einer Zeit, die für den Künstler nicht emotionaler hätte sein können. Während der Aufnahmen starb seine langjährige Partnerin und Ehefrau Susan an Krebs. Jeder Song dieser CD ist ihr gewidmet.
© Karsten Rube


Gregg Stewart "Twentysixteen"
Stewsongs Records, 2017

www.greggstewartmusic.com

Manchmal kommt es einem so vor, als würde der Tod zu bestimmten Zeiten eine besonders reiche Ernte einfahren. Meist häufen sich im ausgehenden Winter die Meldungen in den Nachrichten und Netzwerken, die das Ableben von einigermaßen oder ganz besonders prominenten Persönlichkeiten verkünden. 2016 war so ein Jahr, in dem sich zahlreiche populäre Künstler, Sportler, Politiker verabschiedeten. Alan Rickman, Rudi Altig, Umberto Eco, Muhammed Ali, Hans Dietrich Genscher, um jenseits der Musik ein kurzes Gedenken anzustoßen. Berühmten Musikern, die 2016 starben, hat der Songwriter Gregg Stewart aus New Jersey ein Gedenkalbum gewidmet. Es heißt simpel “Twentysixteen”. Vierzehn Coverversionen sind darauf zu hören, alle von Stewart liebevoll ausgewählt und mit einer Zurückhaltung eingespielt, die den Songs der verstorbenen Künstler gerecht wird. Gregg Stewart vermeidet es sorgfältig, seine eigene Person in den Vordergrund zu stellen. Seine Aufmerksamkeit gilt den Künstlern, die er ehrt. Aufgenommen hat er unter anderen “Raspberry Beret” von Prince, “A Different Corner” von George Michael, “If I could only Fly” des Countrystars Merle Haggard, “I found somebody” von Glenn Frey, “Leaving the Table” von Leonard Cohen und natürlich David Bowies “Starman”, um nur ein paar dieser Highlights auf diesem Album anzusprechen, das eine leichte Neigung besitzt, den Hörer in eine melancholische Stimmung zu versetzen. Gregg Stewarts ist mit “Twentysixteen” ein ausgezeichnetes Gedenkalbum an vierzehn Künstler gelungen, die auch nach ihrem Tod 2016 sicher nicht vergessen werden.
© Karsten Rube


Katy Moffatt "Where the heart is"
Centerfire Music, 2017

www.katymoffatt.com

Einfache Songs und gradlinige Texte sind die Markenzeichen der amerikanischen Songwriterin Katy Moffatt. Auf ihrem neuen Album “Where the heart is” dreht sich wieder einmal alles um die Liebe und die Belange des Herzens. Oft ist von Kalifornien und San Francisco die Rede. Sie wandelt dabei durch die Geschichte und durch Geschichten der altehrwürdigen Hafenstadt am Pazifik. Die unbeschwerten, bisweilen melancholischen Songs plätschern seicht dahin. Am Ende bleibt eine Platte, der man das Prädikat “Nett” geben könnte, bevor man sich wieder anderen Künstlern zuwendet.
© Karsten Rube


Lunch Noazh "An Droed Naturel"
Coop Breizh, 2017

Artist Video

www.lunch-noazh.com

Sich in der Bretagne zum Tanz zusammen zu finden, verbindet man entweder mit Fest Noz, Bombarden, Drehleier und Dudelsäcken oder mit der herkömmlichen Disco mit Popmusik aus dem angloamerikanischen Bereich. Dass das auch ganz anders geht, beweist die Gruppe Lunch Noazh. Fünf Musiker aus der ganzen Bretagne haben sich zusammengefunden, um die bretonische Sprache in die Popmusik zu integrieren. “Bretonisch ist so eine poetische Sprache”, sagen die Mitglieder und beweisen es auf dem Album “An Droed Naturel”. Energische Beats hört man, die an Fela Kuti erinnern, Querflötensolos wie von Jethro Tull, dazu chansonhafte Kompositionen, verbunden mit einem kleinen Bezug zur traditionellen Musik und voller heftiger Rhythm & Bluesdynamik. Das Album tanzt sich mühelos durch verschiedene Stil- und Zeitepochen. Es macht nicht halt vor E-Gitarrensolo und Saxophon und hält das hektische Tempo über eine Stunde hoch, ohne zu langweilen. Lunch Noazh ist eine ziemlich ausgeschlafene Kapelle mit einem fetzigen Album.
© Karsten Rube


Mari Kalkun "Ilmamötsan"
Nordic Notes, 2017

www.marikalkun.com

Die Sprache und die Musik des Estlands besitzen eine Eigenständigkeit, die in den baltischen Staaten nie verschwunden ist und die sich nach dem russischen Abzug aus dem kleinen Land ganz wunderbar neu entfalten konnte. Mari Kalkun hat es mit ihren gerade 30 Jahren geschafft, Estlands wichtigster musikalischer Kulturbotschafter zu werden. Ihr aktuelles Album heißt “Ilmamötsan”. Die Kompositionen auf dem Album sind weitgehend von ihr selbst. Dabei besticht, wie hervorragend sich die Künstlerin der alten Melodien bewusst ist. Kaum ein Song hört sich an, als wäre er nicht aus einer alten Tradition heraus geschrieben. Und doch, klingen ihre Lieder neu und frisch. Archaisch wirken manche der Gesänge, fast schamanisch. Dann wieder lässt die 12-saitige estnische Zither, auf der sie meisterhaft spielt, eine liebliche, Trost spendende Stimmung aufkommen. Ihre sanfte Stimme schwebt über allem. Ihr aktuelles Album “Ilmamötsan” ist ein Beispiel dafür, wie man traditionelle Bodenhaftung in die schnelllebige Gegenwart transportiert und dabei weder die Anmut, noch die klare Aussage der Ursprünglichkeit verraten muss.
© Karsten Rube


Päivi Hirvonen "Alku"
Brokensilence, 2017

www.paivihirvonen.com

Wenn man sich die Vielseitigkeit von Päivi Hirvonen anschaut, dann weiß man nicht, woher die Frau die Energie und die Zeit nimmt, mit der sie durch die Kunst und Kultur ihrer finnischen Heimat schnellt. Sie ist Musikerin, Komponistin, Wissenschaftlerin, Pädagogin, spielt Violine, Jouhikko - eine dreisaitige Leier - und sie singt. Ihre musikalischen Projekte beinhalten neben Soloprogrammen auch Arbeiten mit Maija Kauhanen und den Musikern von Okra Playground. Ihr aktuelles Soloalbum heißt “Alku - The Beginning”. Dieses Album verschafft ihrem musikalischen Kosmos den Raum, den er benötigt. Ihre Stimme klettert die Oktaven vom Keller hinauf in schwindelerregende Höhen. Die Leier bewegt sich auf den traditionellen Klangpfaden und ihre Violine verbindet als Drittes die beiden gegensätzlichen Elemente. Päivi Hirvonen erzeugt experimentelle Momente auf traditionellem Fundament. Ein eigenwilliges, aber faszinierendes Album.
© Karsten Rube


Riikka Timonen & Senni Eskelinen "Perillä"
Westpark Music, 2018

www.riikamusic.com

Riikka Timonen stand für ein paar Jahre bei Finnlands legendärer Weltmusikformation Värttinä auf der Bühne. Die Sängerin hat sich mittlerweile auf Solopfade begeben und veröffentlichte 2008 ihr Debütalbum. Ihr aktuelles Projekt “Perilla” entstand in Zusammenarbeit mit der Kantele-Spielerin Senni Eskelinen. Dieses unter virtuosen Händen enorm inspirierende Zupfinstrument ist das wichtigste nationale Musikinstrument Finnlands. Entstanden sind die Kompositionen und Texte vor dem Kamin im Hause der Familie von Riikka Timonen. Die Melodien, die auf traditionelle Ideen aufbauen, erzeugen eine märchenhafte Stimmung. Schnell nehmen sie den Hörer gefangen und lassen ihn durch seine Gedanken- und Gefühlswelt schweben. Auch wenn viele der Lieder in hellen Sommernächten entstanden sein sollen, so fühlt man sich doch, als säße man in einem gemütlich geheizten Haus, während draußen die Nordlichter über die Schneefelder tanzen. Ein kurzes Album gefüllt mit nordischem Zauber.
© Karsten Rube


Rónán Ó Snodaigh & Mark Gavin "Ór & Airgead"
Kila Records, 2017

www.ronanosnodaigh.ie

“Beim Anhören des Albums ist kein ordentliches Kleid notwendig”, sagt Rónán Ó Snodaigh über sein Album “Ór & Airgead”. Er muss es wissen, er hat es aufgenommen. Der irische Bodhramspieler, Sänger und Dichter aus Dublin hat die Songs mit dem Multiinstrumentalisten und Soundtüftler Mark Gavin 2017 zusammengestellt. Sieben Stücke hat er ausgewählt, wobei er auch unmittelbar mit der Zahl sieben hantiert. Sieben Blumen, sieben Farben, sieben Geister, sieben Rhythmen, sieben Flüsse, sieben Stimmen. Mit exzellenter Rhythmusführung und einer eleganten Verknüpfung traditioneller irischer Musik und modernen elektronischen Programmierungseffekten ist ihm ein außergewöhnlich schöner Brückenschlag zwischen ländlicher Tradition und urbaner Modernität gelungen.
© Karsten Rube


Sara Ajnnak "Ráhtjat"
Eigenverlag, 2016

www.saraajnnak.com

Sara Ajnnak stammt aus dem Süden Lapplands, aus der schwedischen Provinz Västerrbotten. Aufgewachsen ist sie in einer Familie von Rentierzüchtern. Obwohl sie dem Volk der Sami angehört, musste sie sich ihre Sprache erst im Laufe ihrer Jugend neu erarbeiten. Die Un-Samisprache ist fast ausgestorben und wird erst langsam wiederbelebt. Sara Ajnnaks zweites Album “Ráhtjat” lebt von der Sprache ihres Volkes und von der vorsichtigen Berührung der alten Traditionen mit der Moderne. Die Kunst, die Gegenwart zu akzeptieren, ohne die Tradition zu verlieren ist genau so schwierig, wie die Tradition zu bewahren, ohne die Modernität zu verachten. Von beiden Seiten muss mit Sensibilität aufeinander zu gegangen werden. Sara Ajnnak singt über die Problematik, über die Angst der Rentierzüchter ihre Herden an den Bergbau zu verlieren. Ihre Lieder handeln von der Natur, von den kurzen, aber wunderschönen Sommern im Norden Skandinaviens. Die Musik passt sich den Themen an, ist zuweilen mit den Kanten des Joikens versehen. An anderer Stelle wirkt die meditative Tiefe des Gesangs der Sami. Zwischen all den in der Tradition der Sami gesungenen Liedern, blitzen Blues- und Popelemente auf, die geschickt den Brückenschlag zwischen den Kulturen wagen.
© Karsten Rube


Steve Baker "Perfekt Getaway"
Timezone, 2017

www.stevebaker.de

Der Mundharmonikaspieler, Sänger, Songwriter, Produzent und gebürtige Londoner Steve Baker blickt auf seinem Soloalbum “Perfect Getaway” auf vierzig Jahre Musikkarriere zurück. Altbekannte Stücke hat er neu eingespielt, neue Stücke geschrieben. Seine stilistische Wandlungsfähigkeit ist auf diesem abwechslungsreichen Album gut herausgearbeitet. Blues und Rock gehen dabei eine ebenso harmonische Ehe ein, wie sanfte Balladen mit Countryanleihen. Charaktervolle Kompositionen, poetische Texte frei von Beliebigkeit und ausgezeichnete Arrangements machen dieses Album zu einem musikalischen Highlight von hoher Qualität.
© Karsten Rube


TríOlé "Le Vent"
Three Saints Records, 2017

Artist Video

www.triole.bz

Südtirol hat bereits einige musikalische Stilikonen hervorgebracht. Heimatmusik besitzt dort einen großen Stellenwert und die gibt sich breit gefächert. Von Frei.Wild bis zu den Spatzen findet sich allerhand Heimatgefühl betonendes. Eine Art regionale Volksmusik mit stilistischer Vielfalt hat sich entwickelt. Volksmusik neigt aber zu einer gewissen Schunkellastigkeit, die mal in die eine und mal in die andere Richtung deutlich ausschlägt. Fernab der Extreme finden sich jedoch ein paar Perlen am Fuße der Dolomiten, wie den wunderbaren Herbert Pixner und das von ihm produzierte fesche Sintijazz pflegende Ensemble TríOlé. Die drei Musiker haben mit ihrem zweiten Album “Le Vent” wahrhaft frischen Wind in die heimatliche Unterhaltungsmusik gebracht. Tiroler Ländler, Oberkrainer und Musik aus Bayern verbinden sie geschickt mit französischer Musette, Tango Argentino und eben dem Swing Manouche eines Django Reinhardt. Die fünfzehn Songs der CD “Le Vent” stammen aus eigener Herstellung. Stefan Geiger und Hanspeter Nocker haben sie komponiert und getextet, spielen vorzüglich Gitarre und Akkordeon. Wolfgang Winkler ergänzt mit einem lebhaften Bass. Singen tun sie alle drei und das mit großer Freude am pointierten Text. Das Album “Le Vent” ist eher beseelt vom Wind der Weltmusik, als von den regionalen Strömungen und ist dabei sehr unterhaltsam vom ersten bis zum letzten Ton.
© Karsten Rube


Tuulikki Bartosik "Storied Sounds"
Nordic Notes, 2017

Artist Video

www.tuulikkibartosik.com

Estland am äußersten Ostzipfel der europäischen Landkarte hat sich in den letzten Jahren immer wieder mit interessanten Neuerungen in der Musikszene hervorgetan. Gerade die Folkszene des Landes ist mit hoffnungsvollen und einfallsreichen Künstlern gut gesegnet. Tuulikki Bartosik heißt eine junge Akkordeonistin, die mit ihrem Debütalbum “Storied Sounds” für Aufmerksamkeit sorgt. Das Album ist weit davon entfernt ein Folklorehit zu werden. Es besticht vielmehr durch künstlerische Qualität. Die Klasse, mit der Tuulikki Bartosik Akkordeon spielt, sucht ihresgleichen. Als Absolventin der berühmten Sibelius Akademie hat sie bei den besten Musikern für skandinavische Folklore lernen können. Neben dem estnischen mandolinenvirtuosen Villu Talsi, gesellen sich zum Quartett der finnische Pianist Timo Alakotila und der walisische Gitarrist Dylan Fowler, Musiker, die nicht ausschließlich in der Folklore zu Hause sind. Genreübergreifend sind auch die Kompositionen, die folkloristische Elemente mit Klassik verbinden. Hier trifft Tradition auf ernste Musik und strahlt eine Leichtigkeit aus, die zum Träumen verführt. Experimentell geht sie dabei auch mit Naturgeräuschen um, bindet Vogelgezwitscher und Waldgeräusche in die Musik ein. “Storied Sounds” spricht eine ganz eigene musikalische Sprache, beschwört ihre Heimatliebe ebenso, wie märchenhafte, mystische Momente. Es ist eine instrumentelle Hommage an Estland und an Skandinavien.
© Karsten Rube


Various Artists "Voices of Ashkenaz"
Brokensilence, 2016

www.ashkenaz.eu

Wie normal, selbstverständlich und fröhlich jüdisches Leben war und auch heute wieder ist, zeigt das Album “Voices of Ashkenaz”. Der aschkenasische Jude lebte seit dem frühen Mittelalter in West- und Mitteleuropa. Seine Sprache war geprägt vom Mittelhochdeutschen. Pogrome, Vertreibung, Verfolgung ließ viele Juden in Osteuropa nach einer neuen Heimat suchen. Nun fingen andere Sprachen an, sich mit der jüdischen Sprache zu vermengen. Die getrennten Wege, die beide Zweige gingen, die kulturellen und sprachlichen Eigenheiten, die sie entwickelten, finden auf dieser sorgsam zusammengestellten CD auf gelungene Weise wieder zusammen. Lieder aus vielen europäischen Regionen aus Vergangenheit und Gegenwart erklingen auf “Voices of Ashkenaz”. Jiddisch und Deutsch wechseln sich innerhalb der Lieder gern ab und zeigen Parallelen zwischen den Kulturen. Die Musik ist mitreißend arrangiert. “Voices of Askenaz” ist ein Album, das die Vielfalt des jüdischen Lebens in Europa aufzeigt.
© Karsten Rube


Gabriel Fliflet "Sevje"
Etnisk Musikklubb, 2017

www.gabrielfliflet.no

Gabriel Filflet macht seit vierzig Jahren Heimatmusik. Der Mann aus Bergen in Norwegen interpretiert mit emotionaler Stimme und gefühlvollen Melodien auf seinem Album “Sevje” Texte von Robert Burns, Jon Fosse, Ragnar Hovland sowie ein paar eigene Lieder. Es sind Lieder aus einem langen Leben, Musik, die von Enttäuschungen und Genüssen erzählen, vom Warten und vom Verpassen. Eine Reihe von exquisiten Musikern sind mit Gabriel auf der Platte zu hören, darunter Arve Henriksen an der Trompete und Ole Hamre am Schlagzeug.
© Karsten Rube


Hanitra "Lasa"
ARC Music, 2017

www.hanitra.com

Wenig ist selbst eingefleischten Weltmusikfans über die Musikszene Madagaskars bekannt. Selten findet sich ein Musiker von diesem afrikanischen Eiland auf den Line-Ups europäischer Festivals. Erscheint doch mal ein Künstler aus Madagaskar, ist man überrascht, mit welcher musikalische Qualität man konfrontiert wird. Die Sängerin Hanitra aus Madagaskar hat 2017 ihr drittes Solo-Album herausgebracht. Es heißt “Lasa” und ist eine Hommage an die mexikanisch-amerikanische Lhasa De Sela. Trotzdem sie ihrem Idol Lhasa nacheifert, ist das Album doch tief in der afrikanischen Musik verwurzelt. Die ausschließlich in Malagasy vorgetragenen Lieder nehmen die Probleme ihrer Heimat ins Visier. Abholzung steht an oberster Reihe, ein Problem, das das Klima und die Lebensqualität für Mensch und Tier auf der Insel maßgeblich beeinflusst. Frauenrechte, bzw. ihr Fehlen macht sie zum Thema, ebenso das Verschwinden kultureller Identität in ihrer Heimat. “Lasa” ist ein spannender musikalischer Blick in eine, trotz medial globalisierter Weltsicht, doch nach wie vor recht unbekannte Ecke der Welt.
© Karsten Rube


Johanna Juhola "Divan Jäljet"
Westpark Music, 2018

Artist Video

www.johannajuhola.net

Eine Autopanne zu haben, ist nicht schön. Man muss auf den Abschleppdienst warten. Sitzt man allerdings mitten im Winter in Norwegen im Schnee fest, dann ist Bewegung bitter nötig. Johanna Juhola saß während einer Tournee mit ihren Musikern in solcher Situation einige Zeit auf der Straße fest. Damit keine Langeweile aufkam und der Frost nicht zu sehr biss, griffen die Musiker zu ihren Instrumenten. Gleich der erste Song des neuen Albums der finnischen Akkordeonmeisterin Johanna Juhola ist während dieser Wartezeit in Norwegen entstanden. Die musikalische Umsetzung ist das Gegenteil von Trübsal. Flott und fröhlich spielen sich die Musiker durch das rasante Thema des Titels und eröffnen damit ein Album, das nicht nach langen skandinavischen Nächten in sentimentaler Stimmung klingt. Johanna Juhola hat in den Jahren, in denen sie nun aktiv musiziert ihren eigenen Stil entwickelt. Einen fröhlichen und frechen Stil, der finnische Folklore und finnischen Tango zusammenbringt und sich nicht scheut auch elektronische Elemente einzubinden. “Diivan Jäljät” - Shadows of a Diva heißt ihr neues Album. Der Titelsong erzählt die Geschichte von einer Diva, die sich in einem Märchenland verliert. Diesen Song hat sie mit dem finnischen Rapper Tommy Lindgren eingespielt. Rap auf Finnisch dürfte wohl auf der Zungenbrecherskala eine ziemlich hohe Wertung bekommen. Aber auch der Moment des Innehaltens ist für sie von großer Bedeutung. Wer Vollgas unterwegs ist, muss auch mal anhalten und tanken. “Rauha” (Ruhe) heißt ein Lied, das für einen Moment das Tempo drosselt. ”Sadepäivä” (Verregneter Tag) ein anderes. Doch es kommt keine skandinavische Melancholie auf. Es ist eher, als würde man sich dem Luxus hingeben, saubere Luft zu atmen, und es bewusst genießen. Die Lieder des Albums hinterlassen einen starken visuellen Eindruck. Man glaubt die Geschichten, die die Künstlerin erzählen will, greifen zu können, sobald sie das Ohr erreichen. Die professionelle Musikerin Juhola lässt der kindlichen Spielfreude der Johanna freien Lauf. Das ist mitreißend und herzerwärmend. Dieses Album macht glücklich, glauben sie mir das ruhig und hören sie selbst.
© Karsten Rube


Mr. Hurley & die Pulveraffen "Tortuga"
Vertigo Berlin, 2017

www.pulveraffen.de

Der sechste Teil der erfolgreichen Piratenklamotte “Fluch der Karibik” ist schon geplant. Aber ehrlich, war nicht schon der dritte Teil zu viel? Der Witz und die Originalität verschlissen schnell. Mit der aktuellen CD von Mr. Hurley & die Pulveraffen verhält es sich etwa genauso. Nach etwa 15 Minuten, die man mit der Musik des Albums “Tortuga” verbringt, ist das Thema abgegessen. Der schmutzige Seeräuber mit seinem infantilen Charme, das Saufen, das Raufen und der Weiberkram, das ist der Grundtenor der Piratenpolonaise, die sich polternd und pöbelnd über eine knappe Stunde einmal um sich selbst windet. Klar handelt es sich bei den Pulveraffen um eine reine Spaßkapelle. Der Spaß den die Musiker beim Einspielen der CD und zweifelsohne auch bei den Liveaufführungen haben, ist deutlich zu hören. Doch leider finden sich keine Überraschungen auf dem Album, nicht in den Texten, nicht in der Musik und auch nicht im kurzen Hörspiel, das die Pulveraffen über die Platte verstreut in vier Teilen vortragen. Im Gegensatz zur DVD “Pulveraffen in Wacken” finde ich das Album “Tortuga” langweilig. Aber ich kann mit Karnevalsveranstaltungen auch sonst nicht viel anfangen.
© Karsten Rube


Sinéad "For You"
MVI Music, 2017

www.sineadmusic.com

Das Debütalbum der irischen Sängerin Sinéad Egan ist eine kleine Überraschung. Das ist das Schöne an Debüts. Häufig sind sie unbefangen, sind ehrlich und noch frei vom Erfolgsdruck. “For you” ist so eine unbefangene Produktion. Die Multiinstrumentalistin Sinéad Egan hat sich schon früh für die großen Stimmen des Folk, der Countrymusik und des Soul begeistern können, wie Sadé, Tracy Chapman, Joni Mitchell. Wenn man sich die zehn schwärmerischen und lebensfrohen Songs, die mit einer kleinen typisch irischen Note Melancholie versetzt sind, zu Gemüte führt, kann man die Vorbilder heraushören. Die Songs der in London lebenden Irin sind großartig in ihrer Leichtigkeit, die Arrangements einfallsreich, aber frei von Übertreibung. Sinéad kann Stimmungen mit stilistischen Elementen erzeugen, wie z.B. Fernweh im Stück “Nobody Nows”, das wie eine Zugfahrt über das grüne Irland anmutet. “No Excuses” folgt kurz darauf. Hier durchdringt etwas Schwermut die Szenerie. Wunderbar gesetzt sind in diesem Song die Streicher mit pointierten Pizzicati. Musikalisches auf den auf Wolken schweben, gelingt ihr in der souligen Schlussnummer “Love can be an Enemy”. Sinéad Egans Album “For you” ist es Wert, es mit größerer Aufmerksamkeit zu bedenken. Schleichend schmeichelt sich ihre Musik ins Gehör und Gefühl. Musik, die bleibt.
© Karsten Rube


Da Blechhauf'n "Wirtshaus"
Preiser Records, 2017

www.blechhaufn.at

Bei der Blaskapelle Da Blechhauf’n aus dem Burgenland erkennt man bei genauem Zuhören schnell den Bruch von der ernstgemeinten Wirtshausblaskapelle zur pointierten Freundesgruppe “Schöne Musik mit Druckluft”. Die sieben Bläser verstehen es, geschickt Polka und Marsch zur bierseligen Geselligkeit zu spielen. Doch ebenso sind sie geschickt darin bekannte Musik aus Pop, Klassik und Fernsehsendungen mit originellen Arrangements zu versehen. Dabei kommt die Ironie nicht zu kurz. Manche Lieder, wie das vom böhmischen Musiker Karel Valdauf erdachte “Wenn du mal grau bist, Mamilein” kann man nur dann mit Humor ertragen, wenn man auch Heintje vorsichtshalber für einen Comedian hält. Überhaupt hilft es, diese Form der Volksmusik, die der Blechhauf’n macht mit einem Stift bewaffnet, als Kneipenquiz zu tarnen und zu erraten, welche Songs im Laufe der CD so zitiert werden. Allein “Mariandl’s Homecoming” ist eine Fundgruppe für den Freund der Schellackplatte. Nach dem Einstieg mit dem “Olympiade Marsch”, der das schlimmste Stammtischgeschunkel vermuten lässt, entwickelt sich das Album “Wirtshaus” zu einer stellenweise witzigen Blasmusikunterhaltung. Nach einer Dreiviertelstunde können die Augenbrauen dann wieder an ihren angestammten Ort einparken.
© Karsten Rube


Dagadana "Meridian 68"
Universal, 2018

Artist Video

www.dagadana.pl

Eine gelungene polnisch-ukrainische Fusion geht die Gruppe Daga Dana ein. Ihr drittes Album “Meridian 68” stellt die Volksmusik der beiden Länder in den Vordergrund, blickt aber über den slawischen Tellerrand hinaus und lässt auch nah- und fernöstliche Elemente in die Musik Einzug finden. Chinesische Texte und mongolischer Kehlkopfgesang drücken den weltmusikalischen Anspruch aus. Jazz, elektronische Verfremdungen sowie klassische Instrumente erweitern die Klangfarben dieses experimentierfreudigen Quartetts, in dem die Vokalqualitäten von Daga Gregorowicz und Dana Vynnytska die tragende Rolle spielen.
© Karsten Rube


Die Wandervögel "Trüffelräuber"
VerdeFish Records, 2017

www.diewandervoegel.at

Das Wiener Trio Die Wandervögel hat sich auf recht lockere Weise alter Wander- und Volkslieder angenommen. Wienerlied, österreichische, jiddische und deutsche Volkslieder aus drei Jahrhunderten kann man auf ihrer CD “Trüffelräuber” hören. Dabei setzen sie nicht nur auf alte Melodien und den Versuch, die fast vergessenen Volksweisen so authentisch wie möglich wiederzugeben, sondern führen die Lieder in die Gegenwart. Altbacken klingt hier nichts. Neben den Volksliedern, die sie neu aufleben lassen, sind es vor allem die Neukompositionen des Trios, die sich bestens in die historischen Klangbilder mischen. Ein rundum stimmiges und freundliches Werk, das Tradition und Moderne zu verbinden versteht.
© Karsten Rube


Jaune Toujours "20sth"
Eigenverlag, 2016

www.jaunetoujours.com

Zwanzig Jahre macht die belgische Band Jaune Toujours bereits Dampf. Ihr Stil aus Balkan-Ska und Salsa-Punk sorgt seit der Gründung für volle Tanzsäle. Zum 20 Jubiläum brachten die Brüsseler Spitzenmusiker ein Doppelalbum auf den Markt, auf dem man ein paar der besten Songs aus ihrem Schaffen wiederhören kann. Die zweite CD des Doppelalbums wartet mit zahlreichen Extras auf. Darin werden einige ihrer Songs als Remix neu aufgemischt. Zudem hört man ein paar hervorragende Aufnahmen, die nur auf EPs mit der Gangbé Brass Band aus Benin erschienen sind. Hier bewegt sich Jaune Toujours auf deutlich jazzigen Pfaden. Insgesamt ein schöner Überblick über zwanzig Jahre Jaune Toujours.
© Karsten Rube


Kaunan "Forn"
By Norse Music, 2017

www.kaunan.eu

Als das Christentum noch nicht in Skandinavien angekommen war, lebten die Wikinger in ihrer eigenen Welt, hatten ihre eigenen Mythen und ihre eigenen Götter. Und ihre eigene Musik. Wie die tatsächlich geklungen haben mag, wissen wir heute nicht. Aber eine Idee von den Klängen der nordischen Mythen, wie wir sie uns mit heutigem Hörverständnis zurecht mogeln, kann man bekommen, wenn man dem Debüt-Album “Forn” der Band Kaunan zuhört. Zumindest behaupten die Musiker das im Booklet. Tatsächlich versuchen sie sich hervorragend darin, alte Melodien aufzuspüren und mit Instrumenten wiederzugeben, die die Musik der alten Folkszene recht gut wiedergeben. Die Frühform der Nickelharpa, wie die Gammelharpa taucht in Ensembles für Alte Musik gelegentlich auf. Mit Drehleier, Lyra und schwedischer Sackpfeife kann man auch sehr gut die Stimmung der alten Musik herstellen. Die Lieder die die Musiker in langen Jahren der akribischen Musikforschung heraus gesucht haben, stammen weitgehend aus dem 14. bis frühen 19. Jahrhundert, also aus der Zeit, als die Christianisierung längst durchgesetzt war. Aber sie besitzen etwas vom typisch nordischen Geist, der auch heute noch soviel mehr von Mythen und Sagen durchzogen ist, als sonst wo in Europa. Die Bandmitglieder stammen alle aus bekannten Folkbands oder spielen in der Alten Musik eine Rolle. Sie kommen aus Schweden, Norwegen, Österreich und Deutschland. Oliver S. Tyr, der bei Kaunan Zupfinstrumente, wie die Mandola, die Bouzouki, Lyra und Harfe bedient, kann hier etwas authentischer ins musikalische Mittelalter abtauchen, als es bei seiner anderen erfolgreichen Band Faun der Fall ist. “Forn” ist ein gelungener und überaus faszinierender Abstecher in den musikalischen Mythos des Nordens.
© Karsten Rube


Sultans of String with Anwar Khurshid "Subcontinantaldrift"
McKhool, 2015

Artist Video

www.sultansofstring.com

McKhool nennt sich ein kanadischer Geiger, Gitarrist, Komponist, Produzent und Songwriter, kurz ein umtriebiger Allroundmusiker. Mit zahlreichen Produktionen hat er bereits Preise eingefahren. Eines seiner ambitioniertesten musikalischen Projekte ist die Gruppe Sultans of String, die er 2007 mit anderen Instrumentalmusikern aus Toronto ins Leben rief. Die Band vermischt zahllose Elemente der Weltmusik zu einem gelungenen eigenständigen Musikstil, der Jazz, Flamenco, Latinmusic, Pop und asiatische Klänge einbindet. Das 2015 erschienene Album “Subcontinentaldrift” haben sie mit Anwar Khurshid aufgenommen. Khurshid hat klassische indische Musik studiert und steuert zum aktuellen Album mit Sitar und Klangfarbe eine indische Richtung bei. "Subcontinantaldrift" ist überaus stimulierend. Die Popelemente und die indische Musik fügen sich besser zusammen, als man erwartet, wenn man ähnliches aus Bollywood kennt. Eine tolle Coverversion von Dylans “Blowin’ in the Wind” haben die Sultans für das Album aufgenommen, eine Version aus Celtic, Pop, Folk und indischer Dancemusic. Im Gegensatz zur Kontinentaldrift ist die "Subcontinantaldrift" der Sultans of String eine rasante Achterbahnfahrt. Total “Khool”
© Karsten Rube


The Playfords "Luther tanzt"
Sony Music, 2016

Artist Video

www.the-playfords.de

Als es Luther dämmerte, dass das, was die katholische Kirche seiner Zeit verzapfte, ziemlich an der ursprünglichen Botschaft vorbeischoß, und er auch nicht müde wurde darüber zu mirakeln, sprach sich das schnell rum. Es war eine unruhige Zeit. Luther hatte den Nerv der Zeit getroffen. Doch wie die Botschaft unters Volk bringen. Ein funktionierendes Mittel - damals wie heute - ist es, die Message in Musik zu packen. Gassenhauer, bekannte Melodien, Wanderlieder dichteten die Reformjünger mit christlichem Eifer um und setzten Moral und Sitte neu ins Bild. Kirchenlieddichter folgten, dichteten und komponierten neue Kirchenlieder, die auch der einfache, des lateinischen nicht mächtige Bürger und Bauer singen konnte. 22 Lieder aus der Reformationszeit hat die Gruppe The Playfords ausgewählt und auf ihrem Album “Luther tanzt” neu in Szene gesetzt. Der Hörer bekommt einen guten Eindruck von der Musik der Renaissance. Mit Instrumenten historischer Herkunft, wie Laute, die damals sehr beliebte Blockflöte, die Viola da Gamba und verschiedenen Perkussionsinstrumenten begleiten sie den kunstvollen Gesang von Björn Werner. Das dabei die damals neu entstandenen Kirchenlieder fröhlichen und fast schon tänzerischen Charakter hatten, zeigt, welche Aufbruchsstimmung mit Luthers Reformationsgeist über die Menschen gekommen sein muss. Inzwischen sind 500 Jahre ins Land gegangen und auf den einstigen Blick nach vorn kann man heute nur noch zurückschauen. Mit dem Album “Luther tanzt” gelingt dieser Blick in die Vergangenheit ausgezeichnet.
© Karsten Rube



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