FolkWorld #69 07/2019
© Christian Hartl / Steirisches Volksliedwerk

Ohne Wirtsleit koa Musi?

Das Zusammenspiel von Musik und Gastronomie

Vierzeiler 2/2019

www.steirisches-volksliedwerk.at

Die Universität der Volksmusik ...

... wie Gasthäuser im Kreis der SängerInnen und MusikantInnen vielfach genannt werden, war und ist nach wie vor ein guter Nährboden für volksmusikalische Aktivitäten. Man kann in gemütlicher, ausgelassener Atmosphäre oder wie es so schön heißt, „frei von der Leber weg“ drauflosmusizieren, sich musikalisch ausprobieren und dabei hoffentlich auch noch die Gäste unterhalten. In den letzten Jahren musste man leider erkennen, dass es durch ein sich veränderndes Konsumverhalten der Bevölkerung, bürokratische Hürden und gewerbliche Auflagen zur Schließung vieler Gastronomiebetriebe gekommen ist – mittlerweile ist sogar vom „Wirtshaussterben“ die Rede.

Wirtshausleben in Eisenerz

Steirischer Geigentag 2005

Jahresprogramm 2019

7.-13. Juli Steirische Harfenwoche
	
13.-14. Juli Weisenbläserkurs
	
15. September Aufsteirern

23. Oktober Symposium „Musik ist meine Heimat“
	
8.-10. November  Musi, Hetz und Frühstücksei

www.steirisches-volksliedwerk.at

Wenn ich meinen Heimatort Eisenerz betrachte, so kann ich feststellen, dass musikalische Volkskultur eine große Rolle gespielt hat bzw. immer noch spielt natürlich auch im Wirtshaus: In den 1950er- und 1960er-Jahren war Eisenerz durch den Erzberg das wirtschaftliche Rückgrat der gesamten Region. Die Einwohnerzahl war mit 14.000 Menschen rund dreieinhalb Mal so hoch wie heute. Rund 4.000 Beschäftigte, die zum Teil aus der näheren Umgebung, aber auch aus weiten Teilen Österreichs bzw. den angrenzenden Ländern kamen, verdienten ihren Lebensunterhalt am Steirischen Erzberg und waren ein Mitgrund dafür, dass in Eisenerz viele volksmusikalische Traditionen ihren Niederschlag fanden. Die Arbeiter bekamen 14-tägig ihren Lohn ausbezahlt, was natürlich einen Freudentag für die gesamte Familie bedeutete. Viele Familienväter luden die gesamte Familie ins Wirtshaus ein – andere wiederum investierten eher in Alkohol oder verteilten ihr hart verdientes Geld noch am selben Tag beim Kartenspielen an die Kollegen.

Auf jeden Fall boomte die örtliche Gastronomie und die Zahl der geöffneten Gasthäuser wird mit mehr als 50 angegeben – und in den meisten davon hörte man die Leute singen und in den verschiedensten Besetzungen musizieren. Diese Zahltage waren natürlich auch für die vielen einheimischen Musikanten sehr ertragreich, da bei ausgelassener Stimmung das Geld der Gäste und Zuhörer doch ein bisschen lockerer saß als an herkömmlichen Tagen. Viele der MusikantInnen und SängerInnen waren sehr stolz auf ihr musikalisches Repertoire, denn es war ja gewisser Maßen ihr „Kapital“. Sogar auswärtige Gruppen kamen nach Eisenerz, um mit ihrer Musik ein bisschen Geld zu verdienen, beispielsweise Wiener Schrammelquartette.Deren Spielweise passte aber anscheinend nicht besonders gut in unsere gebirgige Gegend, sodass diese qualitativ durchaus sehr guten Darbietungen nur wenig honoriert wurden.

Musik, Wirtshäuser und Wirtsleute

Damals wie heute gibt es, natürlich nicht nur in Eisenerz, Volksmusik im Wirtshaus zu hören – leider nicht mehr in dem Ausmaß wie früher. Damit das auch so bleibt, oder vielleicht auch wieder mehr wird, gibt es seit mittlerweile 35 Jahren das vom Steirischen Volksliedwerk initiierte Projekt Musik beim Wirt, bei dem jährlich rund 1.100 MusikantInnen-Stammtische in vielen Regionen der Steiermark stattfinden und zwar genau dort, wo musikalische Volkskultur schon immer praktiziert wurde und einen guten Nährboden vorfand – im Wirtshaus!

Zu Beginn erzählt uns Univ.-Prof. und Buchautor Roland Girtler einiges über Wirtshäuser, Wirtinnen und Wirtshausmusik aus kultursoziologischer Perspektive. Von der Idee und Entwicklung des Projekts Musik beim Wirt erzählt Hermann Härtel in seinem Artikel. Daniel Fuchsberger hat mit musizierenden Wirten und Wirtshaus-affinen Musikanten gesprochen und Christian Kolbl, Geschäftsführer der WKO-Fachgruppen Gastronomie und Kino-, Kultur- und Vergnügungsbetriebe, berichtet vom "Wirtshaussterben" und möglichen Maßnahmen dagegen.

Damit wünsche ich Ihnen viel Freude mit der vorliegenden Ausgabe des Vierzeilers und hoffe, dass er vielleicht auch Lust macht, wieder öfter Musik in entspannter Wirtshausatmosphäre zu genießen oder sich selbst musikalisch auszuprobieren!


Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung dem Sommer-Vierzeiler 2019 des Steirischen Volksliedwerks entnommen. Der Vierzeiler erscheint jeweils vierteljährlich und kostet € 4,– pro Ausgabe.



Photo Credits: (1) Steirisches Volksliedwerk (unknown/website); Steirischer Geigentag 2005 (by Walkin' Tom).


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