FolkWorld #81 11/2023

CD Rezensionen

Stockholm Voices "New Horizon"
S.V. Music Production, 2023

Artist Video

www.stockholmvoices.com

In der modernen Popmusik kommt man um die Kompositionen des Liverpooler Songwriters und Sängers Paul McCartney nicht herum. Er schrieb zahllose Titel von großer Popularität. Diese sind zweifellos zeitlos und in fünfzig Jahren Weltkulturgut. Natürlich wagen sich immer wieder Künstler aus den unterschiedlichsten Genres daran, seine Songs zu interpretieren. Das schwedische Gesangsquartett Stockholm Voices ließ sich für ihr aktuelles Album "New Horizon" von den Kompositionen Sir Paul McCartneys ebenfalls inspirieren. Die Damen Gunilla Törnfeld und Maria Winter, sowie die beiden Herren Alexander Lövmark und Jakob Sollevi besitzen wunderbar facettenreiche Stimmen. Bravourös singen sie mit bezaubernden Arrangements die Klassiker des Briten. Dabei erinnern ihre Interpretationen nicht zufällig an das legendäre Jazzquartett Manhatten Transfer. Die polyphonen Harmonien der vier Musiker überraschen mit Variationsreichtum und großer Bandbreite. Begleitet wird das Quartett von einem gut gelaunten Ensemble schwedischer Musiker aus dem Jazz- und Popbereich. So Klas Lindquist am Saxophon und Carl Bagge am Klavier. Die alten Beatlesklassiker und die Solokompositionen McCartneys werden von den Stockholm Voices auf ihrem Album "New Horizon" weit ins Jazzspektrum gerückt. So etwas ist immer ein Experiment. Bei den Stockholm Voices ein hervorragend gelungenes.
© Karsten Rube


Alexander Lövmark "Little Bird" (Live in Göteborg")
Naxos Sweden / Prophone Records, 2023

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www.alexanderlovmark.se

Der schwedische Sänger Alexander Lövmark gehört zum Ensemble de Stockholm Voices. Diese fühlt sich dem Vocal Jazz verpflichtet und sieht sich in der Tradition der Vocalgruppe Manhattan Transfer. Das Lövmark auch neben dieser Arbeit ein erfolgreicher Sänger und Entertainer ist, beweist sein Live in Göteborg aufgenommenes Album "Little Bird". Auf diesem Konzertmitschnitt interpretiert der Gewinner des Montreux Jazz Voice Competition 2017, eindrucksvoll Standards aus dem Great American Songbook, wie "Wrap Your Troubles in Dreams", "Take the A-Train" und "Passarim (Little Bird)".
© Karsten Rube


Keiko Matsui "Euphoria"
Shanachie Ent. Corp., 2023

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www.keikomatsui.com

Euphorie ist ein Hochgefühl, ein Empfinden von Leichtigkeit und Glückseligkeit. Die Welt ist plötzlich hell oder bunt. Viele Menschen können dieses Gefühl erfahren. Nach oder während einer außergewöhnlichen Leistung, bei einer befriedigenden Arbeit oder im Rausch. Künstler sind für Euphorie besonders anfällig. Die japanische Musikerin Keiko Matsui widmet diesem Gefühl nun ein eigenes Album. Es ist ihr Dreißigstes. Die vor allem im Smoothjazz bekannte Pianistin lotet auf „Euphoria“ die Stimmungen aus, die ihre Seele berühren. Beim Komponieren und Spielen ihrer Musik empfindet sie oft Euphorie, gibt sie zu. „Eine tiefe Freude aus dem Herzen, die die Seele berührt“. „Euphoria“ enthält zwölf emotional inspirierte Kompositionen, in denen sie neben ihren typischen sanften Klavieranschlägen auch afrikanische Rhythmen, spanische Gitarrenklänge, orientalische Flöten und elektronische Beats zum Klingen bringt. Das Album wirkt wie eine Reise durch verschiedene Kulturen und Stimmungen, die den Hörer in einen Zustand der Euphorie versetzen können. Manchmal lösen die Songs das Gefühl aus, einen Soundtrack zu einem Film zu erleben, der einem vertraut vorkommt. Und das, obwohl der nur im eigenen Kopf abläuft. Keiko Matsui hat sich für dieses Album mit einigen international renommierten Jazzmusikern zusammengetan. So mit dem Bassisten Richard Bona, und dem Schlagzeuger Vinnie Colaiuta. Der Saxophonist Kirk Whalum ist ebenfalls von der Partie und der Gitarrist Chuck Loeb. Gemeinsam haben sie ein Album geschaffen, das die Grenzen zwischen Ost und West, zwischen Klassik und Jazz, zwischen Tradition und Moderne verschwimmen lässt. Keiko Matsuis Album „Euphoria“ gelingt es, beim Hörer genau das Gefühl auszulösen, aus dem heraus es geschaffen wurde.
© Karsten Rube


Okra Playground "Itku"
Nordic Notes, 2023

Article: Finland's Best

www.okraplayground.fi

Nichts Gegenwärtiges existiert ohne Vergangenes. In der Musik ist jede moderne Strömung ein Fortgang auf vergangenen Spuren. Die finnische Band Okra Playground baut auf dieser kulturhistorisch relevanten Aussage ihr drittes Album "Itku". "Weinen" übersetzt man das Wort aus dem Finnischen. Allerdings klingt die CD alles andere als verheult. Die Gruppe setzt auf alte Gesänge aus Karelien, jener östlichen Region Finnlands, deren kulturelle Wurzeln weit in die Vergangenheit reichen. Sie arbeiten mit alten Instrumenten, wie der Kantele, einer Zither und der Jouhikko, einer meist dreisaitigen, mit einem Bogen gestrichenen Leier. Andererseits ziehen sie alle Register moderner Musikproduktion, spielen mit Synthesizern, elektrischen Bässen und computergenerierten Soundrhythmen. Bestimmend in der Musik von Okra Playground ist der mehrstimmige Frauengesang, der mal lieblich einlullend klingt und sich dann wieder bis ins Furienhafte steigert. Eine Gesangsdarbietung, die mich an die erfolgreiche Zeit der karelischen Band Värtinnä erinnert, die zwischen 1990 und 2010 die finnische Folkmusik dominierte. Okra Playground besteht aus Musikern, die in Finnland bereits gut bekannt sind. Allesamt haben sie an der Sibeliusakademie in Helsinki studiert. Maija Kauhanen ist eine gefragte Virtuosin auf der Kantele und eine imponierende Sängerin. Päivi Hirvonen spielt Fiddle und singt ebenfalls. Die dritte Frauenstimme gehört Essi Muikku, die ebenso auf Finnlands traditionellem zitherartigen Nationalinstrument Kantele bewandert ist. Veikko Muikku brilliert nicht nur auf dem Akkordeon, sondern bedient außer dem die Synthesizer. Sami Kujala und Oskari Lehtonen ergänzen das Ensemble an Bass und Percussion. Die Songs des Albums drehen sich um das "Weinen". Weinen in Not, wie in Freude. Texte, die von Verlust handeln, sind zu hören, aber auch von Licht und Schatten, von ewig währenden Tagen und noch länger andauernden Nächten im hohen Norden. Fröhlichkeit und Melancholie sind in der finnischen Mentalität keine gegensätzlichen Pole. Okra Playground loten diese emotionalen Spielweisen auf dem Album "Itku" meisterlich aus.
© Karsten Rube


Element of Crime "Morgens um Vier"
Vertigo Berlin (Universal Music), 2023

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www.element-of-crime.de

Nach dem ersten Querhören der CD "Morgens um vier" hatte ich eigentlich vor, mich dem Genörgel der abgeklärten Alles-schon-gehört-Fraktion anzuschließen. Aber ich dachte, lass mal und hör später noch mal rein. Und das war auch gut so. Denn die CD gewinnt mit jedem erneuten Anhören. Es ist - wieder einmal - ein Album geworden, das sich nicht dazu eignet die weinselige Weltverbesserungsdiskussion am Küchentisch der WG musikalisch korrekt zu untermalen, sondern durchaus Aufmerksamkeit erfahren darf. Element auf Crime klingen auf dem neuen Album wie immer. Das ist eine verlässliche Konstante. Und manchmal benötigt man sie, die verlässlichen Konstanten. Sven Regener ist reifer geworden, ja, vielleicht auch alt. Werden wir alle mit ein bisschen Glück. Das lässt ihn aber noch lange nicht altersweise klingen, sondern tatsächlich immer noch hoffnungsvoll romantisch. Auch seine Band hat sich im Laufe der Jahre, die Erfahrung erarbeitet, auf die sie mit Spielfreude und Leichtigkeit zurückgreifen können. "Morgens um vier" setzt auf bewährte Zutaten. Melancholische Romantik in Text und Musik. Element of Crime nutzt die bekannten Tricks der Harmoniebrüche. Die Melodien, fast zum Schunkeln einladend, präsentieren Mariachitrompeten. Und dann zerrupfen rotzige Gitarren den Moment. Auch schon mal gehört, aber immer wieder eine wohltuende Überraschung. Die Texte sind nicht wortgewaltig, sondern plaudernd, unterhaltsam, gefüllt mit Alltagsphilosophie. Und kaum hat man den einen oder anderen verdrehten und zurecht gekneteten Satz der Lieder begriffen, trifft sie unvermittelt ins Herz, die altbackene Romantik des Sven Regener. Doch was bitte ist an ein bisschen Romantik überholt? Auch darf man sich mit etwas Kitsch und Mundharmonika eine bessere Welt erträumen, wie im Lied "Alles in Ordnung". Und wenn irgendwer das peinlich findet? Ach, egal. Das Album wirkt, wie es der Titelsong verspricht. Wie der Moment, kurz vor der Morgendämmerung. Etwas übermüdet, aber auf gedämpfte Weise euphorisch.
© Karsten Rube


Natalie MacMaster "Canvas"
Linus Entertainment, 2023

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www.natalieanddonnell.com

Natalie MacMaster und Donnell Leahy sind schon seit Jahren ein Paar. Musikalisch erweist sich diese Partnerschaft als überaus fruchtbar. Das dritte Album der beiden kanadischen Geigenvirtuosen heißt "Canvas" und zeichnet ein mitreißendes musikalisches Bild der kanadischen Celtic-Folk-Musik. Die überwiegend eigenen Kompositionen besitzen einen treibenden und temporeichen Rhythmus. Die Bögen der beiden Musiker flitzen schwindelerregend schnell über die Saiten und gönnen sich nur in wenigen, ausgewählten Momenten eine Verschnaufpause. Natalie MacMaster konnte bei der Produktion der Platte auf die Mithilfe ausgezeichneter Gäste zurückgreifen. So auf die Banjospielerin und eindrucksvolle Sängerin Rhiannon Giddens, die bereits mit dem Grammy ausgezeichnet wurde. Außerdem erscheint als Gast der ebenfalls preisgekrönte Starcellist Yo-Yo Ma. Der irische Flötist Brian Finnegan ist mit von der Partie. Im Track "Dance Arnold Dance" hört man nicht nur das für Quebec so typische Steppgeräusch, sondern auch einen Bläsersatz, der bei La Bottine Souriante viel gelernt hat. Unter all den bemerkenswerten Songs des Albums sticht "Women of the House" am deutlichsten heraus. Hier kommen ein paar poporientierte Elemente vor, die sich mit der Cape Breton Fiddle von MacMaster verbinden und von der charismatischen Erscheinung Rhiannon Giddens geadelt werden. Songs, wie "So you love" bringen etwas dunkle Dramatik ins Album. "Galicia" ist ein Song zwischen europäischen Folk und Klassik. Polka, Country und gediegener Irish Folk kommen auf der CD ebenfalls nicht zu kurz. "Canvas" zeigt, dass Folkmusik auch 2023 noch in der Lage ist, mit frischen Überraschungen aufzuwarten.
© Karsten Rube


Bê Ignacio "Amazonia"
Be Musica, 2023

www.bê.com

Bê Ignacio lebt abwechselnd in Brasilien und in Süddeutschland. Die Sängerin wurde in Sao Paulo als Tochter einer deutschen Mutter und eines afro-brasilianischen Vaters geboren. Obwohl sie beide Kulturen in sich trägt, lebt sie musikalisch doch weitgehend ihre brasilianische Seite aus. Ihr aktuelles Album "Amazonia" widmet sie dem Thema bedrohter Regenwald. Der Fokus der Songs des Albums liegt aber nicht auf das laute Suchen nach Schuld, wie es in der Gesellschaft allgegenwärtig ist. Vielmehr nimmt Bê Ignacio den Hörer mit auf eine emotionale, melodische Reise durch die grüne Lunge der Welt, lässt mit ihrer warmen Stimme und eigenwillig schönen Arrangements die Atmosphäre zwischen Fluss und Wald, lebendig werden. Die der Musica Popular Brasileira zuneigenden Songs werden mit Streichern und immer wieder auch mit einer Klarinette ergänzt. Das ist für die brasilianische Musik eher ungewöhnlich. Hier hört man sonst eher die Querflöte. Doch diese Instrumentenwahl ist eine wohltuende Bereicherung. Das gesamte Album "Amazonia" ist, trotz des Themas von einer versöhnlichen Stimmung erfüllt. Es macht auf die Reichhaltigkeit des Lebens in den Wäldern am Amazonas aufmerksam, huldigt der Schönheit und macht gerade auf diese zurückhaltende Weise deutlich, wie groß der Verlust ist, den wir der Welt mit der Zerstörung dieses einmaligen Lebensraumes antun.
© Karsten Rube


Die Tüdelband "Koppheister"
Platt’n’Teller, 2023

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www.dietuedelband.de

Die Tüdelband aus Hamburg haben sich seit einiger Zeit mit plattdeutschem Liedgut einen Namen gemacht. Aber statt sich in altbekanntem Seemannsgarn zu verheddern, machen sie mit frischen und frechen Songs auf sich aufmerksam. Mire Buthmann und Malte Müller zelebrieren so etwas wie Friesenpop mit 'nem Schuß Elektroshanty. Doch auch die gefällige Popballade beherrschen die beiden sympathischen Musiker. Das alles ist aktuell auf ihrer CD "Koppheister" zu hören. Zwölf Songs hat das Duo auf die Scheibe gepackt. Lieder mit norddeutschen Charme. Lieder von Liebe, Sehnsucht, von Partystimmung und Heimatgefühl. Und manchmal einfach vom dicken Durcheinander, dass das Leben für einen bereithält. Das Lied "Krickelkrakel" handelt davon, dass man manchmal einfach nichts auf die Reihe bekommt, weil im Kopf ein ziemlicher Kuddelmuddel herrscht. "Koppheister", ein Song über das Hier und Jetzt und Sofort besteht aus einer Sammlung von Allerweltssprüchen, die einem beim ausgelassenen Partymachen von den Lippen springen. Romantisch und tröstend wird es beim Song "Mien Leevsten". Hier wird Mire Buthmanns Gesang ganz dezent mit Gitarre begleitet. Mehr braucht es hier auch nicht. Der Song "Galaxie" steht in seiner musikalischen Qualität, dem vorhergehenden Song ebenfalls in nichts nach. Zum Träumen schön. Mit den letzten vier Titeln des Albums bleibt die Tüdelband ihren Nordseethemen treu. Fische, Hafen, Anker und eine Meuterei stehen da als Themen zur Auswahl. Die Tüdelband fördert den Erhalt der plattdeutschen Sprache. Alle Lieder sind in diesem Idiom getextet und gesungen. Wer dem nicht mächtig ist, findet alle Texte der Band ins Hochdeutsche übersetzt auf ihrer Website. Dem Erhalt des Plattdeutschen als Sprache widmeten sich die beiden Musiker auch beim Festival "Liet International". Dieses Festival ist eine Art Eurovisionscontest für Kleinst- und Minderheitensprachen, das etwas unregelmäßig stattfindet. Dort war die Tüdelband 2022 am Start. Für Freude des Plattdeutschen findet sich übrigens auf der Seite von Die Tüdelband noch eine regelmäßige Kolumne auf Platt. Wie das Album „Koppheister“ ist auch diese sehr unterhaltsam.
© Karsten Rube


Bruce Cockburn "O Sun O Moon"
True North Records, 2023

Artist Audio

www.brucecockburn.com

Als wir noch die Empörten waren, die Mahnenden, die Protestierenden, als wir auf die Straße gingen gegen Atomkraft, gegen Aufrüstung, gegen das Waldsterben, im Westen, wie im Osten friedensbewegt das Establishment und die Diktatur verhöhnten, war er schon dabei, als musikalische Stimme des intelligenten Protests. Bruce Cockburn begleitet mich musikalisch, seit ich in den späten Siebzigern ersten pubertierenden Protest übte und später, als seine politische Weltsicht die meine sanft prägte. Heute, wo die protestierende und gesellschaftsverändernde Jugend der Achtziger längst als die Schuldigen der gegenwärtigen Gemengelage von einer neuen empörten Protestgeneration ausgemacht wurden, ist er immer noch da. Singt auf seinem neuen Album "O sun o moon" mit Weisheit, zurückhaltend und ergreifend seine Songs. Nichts haben sie verloren, von der Spiritualität, der Klarheit. Eine resignationsfreie Traurigkeit ergänzt heute seine Stimmung, eine Akzeptanz allem Endlichen gegenüber, der auch er sich unterworfen fühlt. Cockburn ist 78 Jahre alt, seit über 50 Jahren als Musiker unermüdlich, mit Preisen bedacht, die ihn ehrten, aber nie abheben ließen. "O sun o moon" ist ein würdiges Alterswerk des Songwriters. Manchmal, wie im titelgebenden Stück bemerkt man schon, wie Stimme nicht mehr ganz die Spannkraft früher Jahre hat. Doch das ist eines der zu akzeptierenden Momente einer langen, musikalisch außergewöhnlichen Karriere. Im Schlusssong "When you arrive" macht er das zum Thema, mit Witz und einer Andeutung von gemütlichem Altherrenjazz. Seine virtuose Gitarrenbeherrschung bringt er im einzigen reinen Instrumentalstück "Haiku" zu Gehör. Ein Song, der mich dazu verleitete, sein Album "Dancing in the Dragon's Jaw" von 1979 aus dem Plattenregal zu holen. Sein Blick in die Realität bleibt unverwaschen. "To keep the World we know" ist ein leidenschaftlicher Appell, die brennende und austrocknende Welt zu schützen und zu erhalten. Ein Thema, das sein Leben nicht erst seit dem Beginn seiner musikalischen Laufbahn in den Siebzigern ist, sondern Teil seines Antriebs, überhaupt Musik zu machen. Eigentlich müsste Bruce Cockburn auch heute noch eine Ikone jeder gegen Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung aufstehenden oder auch niederkniend und klebend Protestform sein. Aber Bruce Cockburn ist nicht empört genug, er ist weise. Und die Bezeichnung des "alten weisen Mannes" liegt zu nahe an der des "alten weißen Mannes", als dass man sich als im Umfeld der Erwachten der bewussten Wahrnehmung hingeben möchte, den Unterschied zu bemerken. Für mich reiht sich das Album nahtlos ein, in eine lange Reihe wunderbarer musikalischer, wie meinungsstarker Werke eines Künstlers, der mein Leben jedenfalls bis hierher wie ein helfender Handlauf an einer langen Treppe begleitete und das hoffentlich auch noch eine Weile so fortführt.
© Karsten Rube


Karan Casey "Nine Apples of Gold"
Absilone, 2023

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www.karancasey.com

Die internationale Musikpresse feiert Karan Casey bereits seit Jahren als die schönste Stimme Irlands. Mir sind solche Superlative immer etwas zu einseitig, schmälern sie doch die künstlerischen Leistungen anderer Interpreten. Letztlich kommt man an Karan Casey aber nicht vorbei, wenn man Irlands Folkszene betrachtet. 2001 habe ich Karan Casey auf dem Tonderfestival zum ersten Mal erlebt. Sie war kurz vorher aus dem Folkensemble Solas ausgetreten, um sich ihrer Solokarriere zu widmen. Die kleine Frau, die damals allein auf der Bühne stand und mit eindrucksvoller, fast klagender Stimme sang, faszinierte mich damals sofort und tut es bis heute. Ihr aktuelles Album "Nine Apples of Gold" hinterlässt wieder einen starken Eindruck, musikalisch, wie thematisch. Solidarität in Zeiten des Unglücks, Frauenrecht, die Sterblichkeit sind die engagierteren Eckpunkte. Kindliches Erstaunen angesichts der Wunder der Natur, das man sich auch noch im höheren Erwachsenenalter bewahrt hat, ist ein anderer Moment dieses wunderbaren Albums. Musikalische Anleihen an amerikanische Folkmusik sind zuweilen zu vernehmen. Orchestrale Arrangements, wie in "Return to the Wild" heben sich aus dem Gesamteindruck heraus. Ebenso vereinnahmend ist das leise Lied "When the Moon gets Tangled".Das Album ist erfüllt von einer zärtlichen Wärme, von gefühlvollen Momenten ehrlich inspirierter Musik. Zauberhaft.
© Karsten Rube


Who's the Cuban? "Pafata"
Smash, 2023

Artist Video

www.whosthecuban.com

Das zweite Album der französischen Latin-Pop-Band „Who's the Cuban?“ wird maßgeblich geprägt vom neuen, funkigen zur Band dazugestoßenen Gesangsduo. Die kolumbianische Sängerin Pao Barreto und der kubanische Trompeter Dayron Ramirez Hernandez ergänzen das Septett um die lateinamerikanische Note, die der Band rein besetzungsmäßig bisher fehlte. Die 9 Tracks des Albums "Pafata" tummeln sich munter und unbesorgt jenseits der Grenzen, die musikalisch kreatives Schaffen in Zeiten kultureller Aneignungsvorwürfe so schwer macht. Die Platte schafft Crossover vom feinsten, greift auf lateinamerikanische Musik ebenso zurück, wie auf Rhythmen aus Afrika und Funk. Feurige Percussion trifft auf gefühlvollen Gesang und Keybordsounds mit psychodelischen Ansprüchen. Die Platte hat alles, was man benötigt, um karibische Urlaubsstimmung aufkommen zu lassen.
© Karsten Rube


Aquabella "Heimatlose Lieder"
Jaro Medien, 2022

Artist Video

www.aquabella.net

Die Weltmusikszene lebt, wie es der Name schon sagt, von der Musik der Welt. Respekt. Vielseitigkeit und kulturelle Weitsicht ist dabei heutzutage genauso gefragt, wie musikalisches Können und ein spielerischer Umgang mit Interpretationen. Das Vokalensemble Aquabella beherrscht diese Gratwanderung perfekt. Das Ensemble besteht seit Mitte der neunziger Jahre und hat sich seitdem in ständig wechselnder Besetzung einen Namen in Jazz und Weltmusik gemacht. Die fünf Frauen widmen sich in der aktuellen Besetzung wieder Liedern, die sie auf Reisen gesammelt und bei Recherchen gefunden haben und nun frisch und frech aufgearbeitet auf dem Album "Heimatlose Lieder finden ein zu Hause" präsentieren. In fast vergessenen Sprachen, wie der des Bergvolkes Bunun in Taiwan, singen sie ebenso souverän, wie in dem ebenfalls nicht mehr ganz so weit verbreiteten Dialekt des deutschen Hauptstädters. Nina Hagens "Farbfilm" interpretieren sie in einem so breiten berlinerisch, dass ich mich erschrocken frage, ob ich auch manchmal so klinge. Ein ukrainisches Abschiedslied und ein Song in Hebräisch bringen auf dem Album politische Aktualität hervor. Gekonnt servieren sie ihre musikalische Virtuosität und bringen mit Leichtigkeit ihren Respekt vor den Sprachen und der Identität der von ihnen vorgestellten kulturellen Traditionen zum Ausdruck.
© Karsten Rube



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