Ausgabe 11 10/99

FolkWorld CD-Besprechungen

Dog

Silly + Gundermann & Seilschaft "Unplugged"
Amiga 74321608262; 31 Titel; Spielzeit: 147.41 min
"Einmal bleiben morgens meine Schuhe leer / Einmal hilft mir auch dein Fliedertee nicht mehr / Einmal fall ich in den schwarzen Trichter rein / Einmal lass ich dich allein ..." Im vergangenen Jahr starb plötzlich und unerwartet Gerhard Gundermann (siehe die Rezension der Live-CD "Krams"). Als "Singender Baggerfahrer" und "Springsteen des Ostens" wurde "Gundi" zu Lebzeiten betitelt, "von dessen hoffnungsvoller Hoffnungslosigkeit die meisten seiner Künstlerkollegen Reviere weit entfernt sind" (Leipziger Neue Zeitung). Bereits 1996 verstarb die "Tina Turner des Ostens", Tamara Danz. Die charismatische Frontfrau der Rockband Silly hat sich einst gegen die künstlerischen Vorstellungen des DDR-Regimes nach oben gespielt, dann gegen die dröge Musiklandschaft des Westens angesetzt. Zwei Blutspritzen, von denen man noch nicht sagen kann, ob sie in die gesamtdeutsche Szene etwas Leben gebracht haben. Nun liegt der musikalische Nachlaß vor, das gemeinsame akustische Konzert vom 22.11.1994 im Lindenpark Potsdam. Die "hiesigen wie globalen Verwerfungen" werden beleuchtet, Themen, "die längst der Bannstrahl der Musikwirtschaft getroffen hat". Das "Traumpaar" - "Der 7te Samurai" und "Die Wilde Mathilde" - tanzen an "Halloween in Ost Berlin", "Hurensöhne" zeigen "Kriminelle Energie", die "Grüne Armee" und das "Batallion d'amour" marschieren auf - und überhaupt sind sie "Einsame Spitze": "Alle oder Keiner"! In Gundis eigenen Worten: "Poppig bunte Wundertüten kann ich dir nicht bieten, nurn richtig guten Sonnenuntergang."
Walkin' T:-)M


Fiedel Michel "Es ist an der Zeit"
Slow Motion 391352; 13 Titel; Spielzeit: 55.16 min
In den 70er Jahren gegründet, haben die "Pioniere des deutschen Folkrevivals" zwei Schallplatten eingespielt, bevor sie sich 1982 auflösten: Thomas Kagermann (Geige) produziert esoterische Solo-Alben; Mick Franke (Bouzouki, Gesang) baut ein Studio und eine Plattenfirma auf; Martin Hannemann (Gitarre, Gesang) kehrt zum Irish Folk zurück und spielt mit der Rock Combo "Celtic Brew". 1998 taten sich die drei erneut zusammen, um das 25jährige Bandjubiläum mit einem Konzert im heimatlichen Münster zu feiern, das Folkfest Rudolstadt erlebt ein zweites Gastspiel. Gleichzeitig gibt es nun Fiedel Michel mit einer Kompilation aus den beiden Alben "Fiedel Michel" (1979) und "Kennst du das Land?" (1981) erstmals auf CD. Zusätzlich eingespielt wurde "Der Deserteur" von Boris Vian. (Nur was der Hinweis im Booklet auf das "Revoluzzer-Lied" soll, kann sich mir nicht erschließen; vielleicht muß man einen der Titel rückwärts hören!?) Beide Platten wurden einst mit Unterstützung von Paddy Moloney und Davey Spillane in Dublin aufgenommen. Vielleicht ist es dem irischen Einfluß zu verdanken, daß die Aufnahmen eine Frische und Leichtigkeit haben und mir weniger verstaubt erscheinen als vergleichbare Zeitgenossen oder Fiedel Michels eigene Livepräsentation heute. Aber darüber läßt sich bestimmt trefflich streiten!
Slow Motion
Walkin' T:-)M


Ulli Bögershausen "Sologuitar"
Laika 35101132; 15 Titel; 1999, Spielzeit: 50.10 min
Fingerstyle-Gitarrist Ulli Bögershausen prägt seit über 15 Jahren die deutsche Akustik-Gitarrenszene. Solo, als auch in Zusammenarbeit mit anderen Musikern (wie z.B. dem klassischen Gitarristen Reinhold Westerheide). Zahlreiche Rundfunkeinsätze und TV-Musiken zeugen von seinem Ruf. Ullis neuestes und insgesamt 10. Album "Sologuitar" enthält sowohl neue Stücke als auch neu bearbeitete und eingespielte Titel, die bislang nur auf alten LPs oder seiner "Best-Of"-CD erhältlich gewesen sind: "Ombrellino", "Frühling, Sommer, Herbst", "Ganz bestimmt vielleicht", "Weißt du noch". Seine Instrumentalmusik ist wie gehabt von zeitloser Schönheit. Es werden allerlei weltmusikalische Anleihen gemacht, mal klingt es melancholisch, dann fliegen wieder die Finger über das Griffbrett. Das Highlight, das lyrische "Es wäre schön gewesen", kann man sich zusätzlich mit Noten und Tabulatoren ausdrucken.
Laika
Walkin' T:-)M


Tim O'Brien "The Crossing"
Alula Records ALU-1014; 16 Titel; Spielzeit: 63.08 min
1851 emigriert Thomas O'Brien von Cavan nach West Virginia. 150 Jahre später gilt sein Urenkel Tim als einer der führenden Bluegrass-Sänger und erfahrener Multi-intrumentalist (Gitarre, Fiddle, Bouzouki, Mandoline). Wie viele Iro-Amerikaner neuerdings zeigt auch Tim Interesse an seinen irischen Wurzeln. "The Crossing" spürt irischer Musik und ihren Abkömmlingen in den Appalachen und im Bluegrass nach. Zur Hälfte traditionelle Lieder und Stücke, zur anderen Hälfte eigenes Material, werden irische Themen und amerikanischer Folk vermischt. Die Ballade "John Riley" (geschrieben mit Guy Clark) erzählt die Geschichte eines irischen Deserteurs im Mexikanisch-Amerikanischen Krieg, unterstützt von einer schaurigen Slide Gitarre (Kelly Joe Phelps). "Talkin' Cavan" ist ein humorvoller Talking Blues über Tim's Suche nach seines Urgroßvaters Haus in Cavan. Der bekannte Reel "Lord McDonald", aus dem Schottland des 18. Jahrhunderts überallhin verbreitet, wohin Schotten emigrierten, zeigt das transatlantische Duell zwischen Frankie Gavin an der Fiddle und Earl Scruggs am Banjo. Überhaupt ist die gesamte Gästeliste beeindruckend: Altan, Paul Brady, Ronan Browne, Seamus Egan, Maura O'Connell, ...
Fazit: Empfehlenswert!
Alula; Deutschland über Exil Musik GmbH
Walkin' T:-)M


Robin Huw Bowen "Hen Aelwyd / Old Hearth"
Sain SCD 2232; 10 Titel; Spielzeit: 59.39 min
"'Tis the Harp of Wales I love / See her shimmering bass strings move / Tight-tuned strings, a hundred-and-one / Servants all to fingers and thumbs." Wales hat eine ungebrochene Harfentradition von anno dunnemals bis zum heutigen Tag. Die walisische "Telyn" (Dreifach-Harfe) mit zwei diatonischen Saitenreihen auf jeder Seite und einer Reihe von Halbtönen in der Mitte, so daß das Instrument vollständig chromatisch zu spielen ist, wird in Barock-artigem Stil gespielt - Ornamentierung durch Thema und Variation - im Gegensatz zu irischer und schottischer Musik. Einer ihrer Meister ist Robin Huw Bowen, ein umtriebiger Spieler und Verfechter der "Triple Harp". Robin bezieht seine Inspiration von der "Königin der walischen Harfe", Nansi Richards (1888-1979), die einst noch von fahrenden Harfenisten lernte und von der auch das oben zitierte Gedicht stammt. Das Album enthält sechs traditionelle Stücke, allesamt gelassen und besinnlich, eine Originalkomposition, der Opener "Hen Aelwyd", der die Stimmung des gesamten Albums setzt, und drei zeitgenössische Stücke (u.a. "Mwynder Maldwyn" von Delyth Jenkins). Robin rät: "Man schließe die Tür, hebe den Telefonhörer ab, schüre das Feuer, lege die Füße hoch und lasse die Magie der herrlichen walisischen Melodien und der hellen, schimmernden Stimme der einzigartigen walisischen Harfe auf die Seele wirken ..."
Sain
Walkin' T:-)M


Beverley Martyn "No Frills"
Mystic Small Productions MSCD 001; 11 Titel; Spielzeit: 44.13 min
Die "Peerless Queen of Hip" (Art Garfunkel) sang Folk und Blues in den 60ern, trat auf dem Monterey Pop Festival 1967 auf, heiratete dann den Gitarristen John Martyn, mit dem sie die Alben "Stormbringer" und "Road to Ruin" 1970 aufnahm - und zog sich von der Bühne zurück, um ihre gemeinsamen Kinder großzuziehen. Geschieden von John - "Er war sehr altmodisch [...] Er sagte, ich könnte kreativ sein, indem ich mich zuhause um die Kinder kümmere, anstatt Musik zu machen" - begann Beverley wieder Lieder zu schreiben und aufzutreten. Ihr Comeback kommt in Form der limitierten CD "No Frills" mit elf Eigenkompositionen. Zu hören ist nur einfache Stimme und Gitarrenbegleitung, entspannt und träge und meistens bluesig. Man stelle sich ein schäbiges Folk- und Blues-Cafe in London vor, geschwängert von Alkohol und Nikotin, draußen fällt der Regen und die Gäste starren in ihre Gläser. Nicht für ungut, John, aber wir sind froh, daß Beverley wieder "on the road" ist.
Mystic Small Productions
Walkin' T:-)M


Los Compañeros "Pasiones"
Label: Yamenco Musica 1998, Comp 002; Spielzeit: 51 min
"Pasiones" ist die zweite CD des Pfungstädters Quartett "Los Compañeros". "Flamenco y Jazz" - Flamenco und Jazz titelt die Band ihren Musikstil. Konkret heißt das, daß das Saxophon (!) die Flamenco-Gitarre begleitet, während Flötist Helmut Eckstein ein wenig auf der Flöte improvisiert. Die meisten der elf Titel sind Eigenkompositionen, ergänzt durch Stücke von den Gipsy Kings, Traditionellem aus Mexiko und von Semtana und Mazanita.
Pasiones ist sicher keine typische Flamenco-Platte, meisterhaft wandelt die Musik auf dem schmalen Grat zwischen Tradition, Moderne und Improvisation. Oft feurig, mal melancholisch und immer sinnlich schleichen sich die Arrangements mit Gitarre, Flöte, Saxophon und Percussion ins Ohr und wecken die Erinnerung an den letzten Urlaub. Eine schöne Platte für den November-Abend, wenn es draußen in Strömen regnet und stürmt.
Übrigens begleitet bei den Liveauftritten die Flamenco-Tänzerin Rena Stork die Band und bietet eine überzeugende Performance, wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf.
J.A. Hommola, Tel. 06157/82878
Dorthe Lübbert


Tsufit "Under the Mediterranean Sky"
Label: Sunbird Records SBCD 001; 1999; Spielzeit: 42 min
Auf der Rückseite der CD steht: "Shelf as Folk/World/Roots". Passend wäre auch gewesen: "Shelf as Klezmer/Gipsy/Flamenco/Liedermacher". "Under the Mediterranean Sky" von Tsufit gehört zu der angenehmen Sorte von CDs, die sich in keine Kategorie so recht einordnen lassen wollen. Gleiches trifft auch auf die Biografie der kanadischen Sängerin zu: Geboren wurden die Tochter eines israelischen Vaters und einer rumänischen Vaters am Mittelmeer in Europa, die nächsten Jahre verbrachte sie in verschiedenen Ländern, bevor sie schon an der Highschool in örtlichen Folk-Clubs mir ihren eigenen Lieder auftrat.
Die dreizehn Songs sind abwechselnd auf Englisch und auf Hebräisch und verschmelzen Elemente von Klezmer, Flamenco und orientalischen Einflüssen. Begleitet wird die umtriebige Songwriterin von einer elfköpfigen Band z.B. mit Gitarren, Tambourine, Percussion, Accordion, Cello und Saxophon. "Under the Mediterranean Sky" überzeugt durch die gefälligen Arrangements und vor allem durch die hervorragende Stimme der Leadsängerin.
Tsufit e-mail und Homepage
Dorthe Lübbert


Ronnie Taheny "Briefcase"
Label:
Laika; 35101115.2; 1999; Spielzeit: 53 min
Was passiert, wenn Tom Waits und Janis Joplin sich an einem alkoholfreien Tag begegnen, fragt uns das Laika-Label. Dann kommt Musik heraus, wie sie sich auf der zweiten CD von Ronnie Taheny findet, lautet die Antwort. Aha. Aber Biß und Witz und musikalische Qualität hat diese CD, so daß der Vergleich passen könnte.
Langeweile kommt bei "Briefcase" nicht auf, denn Ronnie Taheny arrangiert Blues- und Folk-Elemente zu einer eigenständigen Songwriter-Kultur. Dabei hätte sich die Australierin gar nicht einmal besondere Mühe geben müssen, hat sie doch schon einige große Namen als Ex-Arbeitsgeber im Lebenslauf stehen: Crowded House, Fairport Convention, Neville Brothers. Mit ihrer ersten Single Saviour (1998) landete die eigenwillige Songwriterin auf Anhieb in den Single-Charts - genau zwischen Van Morrison und Oasis. Ronnie Taheny verzichtet dankenswerterweise darauf, den moralischen Zeigefinger zu erheben und uns über ein besseres Leben zu belehren. Statt dessen gibt es kleine, persönliche Wahrheiten zu Klavier- und Gitarrenbegleitung.
Die Künstlerin ist übrigens regelmäßig live in Deutschland zu sehen.
Laika
Dorthe Lübbert


Reifrock: "Ungeschoren"
Label: Eigenverlag, AR-9805; 1997; Spielzeit: 62 min
Neben stillgelegten Zechen und Fördertürmen hat das Ruhrgebiet noch etwas zu bieten: Mittelalterrock. "Tief aus dem Westen" rockt zum Beispiel "Reifrock" mit Keyboards, Geige, Gitarre und Flöte und diversen anderen modernen und alten Instrumenten. "Solider Deutschrock" dachte ich, als ich das erste Mal in die CD hereinhörte, aber wohlgetäuscht. Deutschrock à la Kunze ist nur eine Facette der Band, Eigenkompositionen mit mehrstimmigen Gesang, Geigen- und Flötensolo runden das Bild ab. Interessant und passend zum Goethe-Jahr: Eine Vertonung des "Erlkönigs" des alten Meisters der Dichtkunst, inszeniert von Sänger Jürgen Trimborn. Da darf natürlich auch Bert Brecht nicht fehlen, ihm zu Ehren hat Reifrock "Das Wasserrad" arrangiert.
Fazit: Wer "fetten Gitarrensound" mit Mittelalterelementen mag, dem sei "Ungeschoren" auf jeden Fall empfohlen. Gerade beim zweiten oder dritten Hören entdeckt man doch immer wieder interessante musikalische Seiten der Ruhrpott-Band.
Reifrock Homepage (im Bau), Kontakt: Till Bittrof, Höhenweg 225, 46147 Oberhausen
Dorthe Lübbert


Foggy Dew "When I am there"
Label: FD 005 / Fools' paradise; 1999; Spielzeit: 41 min
Folk-Rock aus Österreich präsentiert die Salzburger Band "Foggy Dew" auf ihrem fünften Album "When I am there". Das Album widerlegt alle Vorurteile, die man als Nordlicht gegen Musik aus dem Alpenlande haben mag, daß nämlich zwangsläufig Kuhglocken, Zittern und Alpenhörner erklingen müssen. Foggy Dew machen qualitativ hochwertige, abwechslungsreiche Musik, die sich wohltuend von Feten-Folkrock-Bands abhebt. Instrumentiert sind die fünf Jungs mit klassischen Rock-Instrumenten, also E-Gitarre, Bass und Schlagzeug, für den Folk-Anteil sorgen Akkordeon und Marimba. Balladesk kommen die elf Songs daher, ohne dabei an Energie einzubüßen. Empfehlenswert!
Daneben müssen Foggy Dew auch Künstler am Computer sein. Für ihre vierte CD "live", die erste österreichische CD-Extra mit Multimedia-Track, erhielt die Band 1998 den "Salzburger Landespreis für Marketing, Kommunikation und Design" verliehen.
Foggy Dew Homepage und e-mail
Dorthe Lübbert


Susan McKeown "Bushes & Briars"
Label:
Alula Records; ALU-1008; 1998; Spielzeit: 51.24 min
Die amerikanisch-irische Sängerin Susan McKeown war für mich der musikalische Höhepunkt der Irish Folk Festival Tour 98. Es ist nun wohl wirklich an der Zeit, daß ihr exzellentes traditionelles Album auch in FolkWorld Erwähnung findet!
Auf "Bushes & Briars" interpretiert Susan 11 eher weniger bekannte traditionelle keltische Lieder. Mit ihrer ausdrucksstarken, kräftigen und äußerst attraktiven Stimme gibt sie jedem der traditionellen Lieder ihre ganz persönliche, einfallsreiche Marke. Auch wenn die Stimme immer im Vordergrund steht, ist dieses Album bei weitem kein reines Soloalbum: Susan hat sich eine eindrucksvolle Liste einiger der besten keltischen Musiker ins Studio eingeladen. U.a. Seamus Egan, Johnny Cunnigham, Greg Anderson, Andy Irvine und Mick McAuley ergänzen die individuelle Interpretation der Lieder mit ebenso individueller Begleitung.Einzelne Lieder dieses Albums als Höhepunkte herauszupicken, erweist sich als schwierig - zu beeindruckend und verzaubernd sind die 50 min Musik, die zwischen dem Titelstück "Bushes & Briars" und dem letzten Stück "After Aughrim" erklingen.
Ein äußerst frisches, wunderschönes und spannendes Album, das Traditionen durch neue Interpretationen weiterentwickelt.
Alula Records, in Deutschland über Exil
Michael Moll


The Transylvanians "Jó!"
Label:
Megaphon; MEGA 758.0056.2; 1999; 51:12 Min
"Jó" ist nicht "Yo" und die neue CD der Transsylvanians ist kein Hiphop-Album. "Jó" heißt auf ungarisch "gut" und so ist diese Scheibe auch. Die Transsylvanians machen ungarischen Party-Folk mit Geige, Akkordeon und Kontrabaß, aber auch E-Gitarre und Schlagzeug. Sängerin Silvana und ihre Transsylvaner kommen aus Berlin, doch spielt auch ein echter Ungar mit. Nach Ungarn selbst wurden sie aber noch nie eingeladen - was ein ziemlicher Fehler ist. Denn das zweite Album der Transsylvanians grooved von vorn bis hinten sehr angenehm.
Gespielt (oder besser: verarbeitet) wurden alte ungarische Volkslieder - "1000 Jahre alt" heißt es etwas pseudo-genau auf dem Cover. Zwar versteht man die Texte nicht, sie sind aber sehr poetisch ("schlammig wurde Basa Maris Unterrock" - ein Lied über das Waschen am Fluß). Die Ukrainians machten Ende der 80er-Jahre mit einem ähnlichen Konzept Furore. Heute hört man kaum noch etwas von ihnen. Die Zukunft gehört den Transsylvanians.
Megaphon
Christian Rath


Vera Bila "Queen of Romany"
Label: BMG; GIG 74321 637042; 1999; 40:05 Min
Das ist die Musik für milde Sommerabende. Man sitzt noch im Garten oder auf dem Balkon, schwitzt nicht mehr und trinkt ein Glas Grapefruitsaft. Und bevor es richtig kühl wird, legt man die CD von Vera Bila ein. Bila macht Musik, die gleichzeitig federleicht daherkommt und doch angenehme Wärme ausstrahlt. Da bleibt der Sommerabend gleich noch ein Stündchen länger.
Vera Bila ist eine Roma-Frau und kommt aus einem tschechischen Dorf nahe der Bierstadt Pilsen. Die Musik, die sie mit ihrer Band Kale einspielt, nennt sie Roma-Pop. Das ist natürlich keine authentische Zigeunermusik, sondern eine gefällige Mischung aus Latin-Rhythmen und westlicher Folk-Tradition, versetzt mit Roma-Motiven. Ähnlich wie die Gypsy Kings aus Südfrankreich macht Vera Bila mediterran anmutende Popmusik, nur daß Böhmen gar nicht am Mittelmeer liegt.
Den Sound prägen akustische Gitarren, unter denen ein beweglicher Baß spaziert, der federnde Rhythmus entsteht auch ohne Schlagzeug und Percussion. Gesungen wird häufig mehrstimmig in dichten harmonischen Arrangements. Dabei steht die Stimme von Vera Bila zwar im Mittelpunkt, sticht aber nicht hervor. Mit den großen rumänischen und spanischen Gypsy-Sängerinnen will sie sich offensichtlich nicht messen. Bei Vera Bila ist - bis auf das unvorteilhafte Cover-Photo - einfach alles weichgespült.
BMG
Christian Rath


Jens-Paul Wollenberg und das Funkner-Quartett "Sag niemals Tango"
Label: Löwenzahn/RUM; LZ 2332; 1998; Spielzeit: 60:09 Min
Seine Zahnlücken waren zu DDR-Zeiten weithin sichtbarer Protest gegen das sauber-sozialistische Ideal vom gesunden Menschen. Wenn er Lieder sang gegen Fürsten und Gendarmen, dann wußte man schon, gegen wen das ging. Jens-Paul Wollenberg war das expressive enfant terrible der DDR-Folkszene. Doch er ist nicht mit dem Regime untergegangen, hat sich vielmehr zum gesamtdeutsch beachteten Liedersänger gemausert. "Mörder sind keine Soldaten", heißt der Refrain eines kleinen relativen Hits voll subversiven Unsinns. "Hauptsach Hauptmann, hauptsach Hausfrau, hauptsach einheitliches feldgrau". Wo andere Liedermacher argumentieren oder gar "träumen", da halluziniert Wollenberg einfach drauf los: "Generäle sind gar keine Gärtner", man ahnt nie, ob und wie seine Zeilen enden. Doch die meisten Stücke auf seiner jüngsten CD sind eher poetisch-atmosphärischer Blödsinn ("Bin ich morgen schon ein Echo?") Außerdem hat er den Tango entdeckt, musikalisch nicht ohne Reiz. Singen kann Wollenberg zwar auch, aber eigentlich tut er es nicht, brabbelt lieber und schüttelt die Worte aus sich heraus. Wie angemessen das ist, merkt man stets, wenn es zu Duetten mit der braven Frauenstimme von Co-Texterin Uta Pilling kommt.
Wollenberg pur wäre besser gewesen.
Löwenzahn, Ebert-Str. 66, 04109 Leipzig, Tel. 0341 / 211 84 95, Fax: 0341 / 211 84 96
Christian Rath


Mary McCaslin "Rain - The lost album"
Label:
Bear Family Records; BCD 162232 AH; 1999; Spielzeit: 54:20 Min
Etwas geschmeichelt und ziemlich aufgeregt erfuhr die US-Sängerin Mary McCaslin, daß ihre ersten bisher unveröffentlichten Aufnahmen nun auf CD erscheinen sollen, Aufnahmen aus den 60er-Jahren, an die sich die Folksngerin selbst kaum noch erinnern konnte. Angefragt hatte eine reichlich verrückte Plattenfirma aus Deutschland namens Bear Family Records - was ja auch mehr nach Kinderliedern klingt. Doch Mary McCaslin ließ sich überzeugen. Immerhin hat Bear Family mit derartigen Ausgrabungen inzwischen auch in den Staaten Respekt erlangt. Und vor allem fand McCaslin unter den Aufnahmen "eine gewisse Anzahl, die ziemlich gut klangen". Ja, verdammt gut - klassisch, zeitlos, herzanhebend. Man höre nur, was sie aus dem eher langweiligen Beatles-Stück "I need you" gemacht hat. Zwei eigenwillig vor sich hin perlende Akustik-Gitarren kontrastieren mit dem souveränen Ernst von McCaslins Stimme. Auch das abgedroschene Cohen-Stück "Suzanne" mag man in ihrem Arrangement wieder gerne hören. Eine Ausgrabung, die nicht nur Amerikaner freuen dürfte.
Bear Family Records
Christian Rath


Zur ersten CD-Seite
Zum Inhalt der FolkWorld CD Besprechungen

Zum Inhalt des FolkWorld online magazins Nr. 11

© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 10/99

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