FolkWorld Ausgabe 33 05/2007

Leserbriefe

+++ Was wollen wir trinken ++ Take Your Time ++ Lieder der Märzrevolution ++ Musik-Journalismus = Gefälligkeits-Journalismus ? +++

Hans Sanders, Folkwoods 2003Was wollen wir trinken

Hallo. Habe Dich als Autor des Textes "Auf zum bots" gefunden. Mein Anliegen: ich suche den Song "Was wollen wir trinken" von den bots (oder auch das Album "Aufstehn"). Habe bisher nur das Album 1x als Sammlerstück gefunden; für 60,- EURO ! Vielleicht hast Du ja eine Anregung ?!

Viele Grüsse, Christopher Delp

Kommentar: Es gibt eine Best-of-CD, die unter dem Titel "Zeven Dagen Lang" vertrieben wird. Wie der Titel allerdings sagt, mit den original holländischen Texten. Das Label ist: www.universalmusic.nl. Ansonsten wird das Stück hin und wieder mal gecovert. Unlängst von einer Gruppe namens Die Wilden Weyber (siehe CD-Rezension in einer der nächsten FW-Ausgaben). Im übrigen ist die Melodie des Stückes traditionell Bretonisch und heisst im Original irgendwas wie "Son ar Ghistr" oder "Chistre". T:-)M


Take Your Time

Hallo. Erst einmal ein großes Dankeschön für die Dreher Bügel-Rezension "Jadeboob Gump / Can Garriga". Aber ich muss auch Kritik an der Kritik üben. Wir haben keinen Johnny Cash-Song gecovert: "Take Your Time" stammt aus Dreher Bügel'scher Feder! Es wurde lediglich ein Interview mit Johnny Cash (auf der "The Man Comes Around" Bonus-CD, so glaube ich zumindest) zerhackstückt und in kreativer Form wieder zusammengewürfelt. Dass das nicht unbedingt den Urheber-Richtlinien entspricht, ist uns klar ... es ist aber lustig und zeigt Wirkung :-)

Nichts für ungut ... wir haben uns sehr über Deine Rezi gefreut! Viele Grüße aus Berlin, Wolfgang Bohlender
(www.dreher-buegel.com)


Lieder der Märzrevolution

Liebe Freunde und Freundinnen der Grenzgänger!

Im soeben erschienenen Folker - dem Magazin für Folk, Lied und Weltmusik - schreibt Birger Gesthuisen über das Phänomen des aktuellen deutschen "Volkslied-Revivals". Mehr als ein Dutzend Veröffentlichungen mit Neueinspielungen deutscher Volkslieder gab es im letzten Jahr. Das reicht von Achim Reichel bis zu der letzten Grenzgänger-CD, die wir gemeinsam mit Frank Baier produziert und eingespielt haben und die, wie die CDs davor, den Preis der deutschen Schallplattenkritik erhielt. Michael Zachcial, www.chanson.de Der Autor des Artikels stellt bei allen Produktionen einen frischen und unverkitschten Zugang zu den alten Liedern fest, erkennt aber auch reichlich Politikverdrossenheit und einen Hang zur unpolitischen, gefühlsbetonten Romantik - mit einer Ausnahme: eben unsere im letzten Jahr veröffentlichte CD "1920 - Lieder der Märzrevolution", die neben dem bereits erwähnten Schallplattenpreis an die fünfzig positive bis überschwengliche Rezensionen in Frankfurter Rundschau, Junge Welt, taz und anderen Publikationen erhielt und in der Liederbestenliste zwei Monate lang auf Platz 1 und außerdem dort "CD des Monats" war. Unsere Herangehensweise unterscheidet sich von den anderen aber nicht nur dadurch, daß Verbindungslinien von damals zu heutigen Ereignissen deutlich gemacht werden, sondern auch durch das beiliegende 68-seitige Booklet, das wir gemeinsam mit der Geschichtswerkstatt Oberhausen erarbeitet haben. Deutlich erwähnt wird darin die unrühmliche Rolle der SPD und die Bedeutung der Ereignisse für den späteren Sieg des Nationalsozialismus. Es war zu erwarten, daß sich der eine oder andere auf den Schlips getreten fühlt.

Zuletzt war die CD im "Folker" mit einem mehrseitigen Artikel gewürdigt worden. Daraufhin erscheint nun in der aktuellen Ausgabe ein ellenlanger Leserbrief eines "Dr. Werner Hinze", in dem er die Grenzgänger und Frank Baier als "KPD-Revival-Band" beschimpft, uns kommunistische Propaganda im DKP/KPD/SED-Stil vorwirft und unsere Arbeit als "schulmeisterliche Geschichtsklitterung" verunglimpft. Welcher Stachel da den Herrn Doktor Hinze schmerzt, wissen wir nicht und muß uns auch nicht interessieren. Der Inhalt seines Leserbriefs, den er auch als "Pressemitteilung" seines eigenen Verlages verschickt, grenzt aber an Rufschädigung. Alle Historiker (mit Ausnahme des auch im Westen anerkannten Volksliedforschers Wolfgang Steinitz), auf die wir uns im Booklet berufen, stammen aus der BRD. Keiner hat die DDR "verherrlicht", schon gar nicht die Professoren für Geschichte Erhard Lucas (Oldenburg) und Jens Flemming (Kassel). Dieses Thema gehört eben nicht in die "DDR-Geschichtsschreibung" sondern in die Mitte unserer Gesellschaft! Daß uns der "Herr Doktor Hinze" in die Nähe von Stalinisten rückt, obwohl keiner von uns je Mitglied einer kommunistischen Partei ist oder war oder vorhat, eines zu werden, müssen wir wohl hinnehmen. Doch daß wir als "schulmeisterlich" und "Lehrer der Nation" beschimpft werden, trifft uns in unserem Selbstverständnis: Wir distanzieren uns hiermit ausdrücklich von der Art Geschichtsunterricht, wie wir sie am eigenen Leibe in der Schule erdulden mussten!

Herzliche Frühlingsgrüße, Michael Zachcial (www.revoluzzen.de)


Musikjournalismus = Gefälligkeitsjournalismus ?

Die Konzertagentur Berthold Seliger ließ in seinem April-Newsletter folgendes verlauten:

"Waren zwei Kumpel in Kölle. Der eine hat eine Plattenfirma, der andere ist Journalist. Der Kumpel mit der Plattenfirma hat einen französischen Chansonstar unter Vertrag genommen und lädt seinen Journalisten-Kumpel nach Paris ein, damit der über den Chanson-Star schreibt. Und der Journalisten-Kumpel liefert auch brav eine Jubelarie über den Chanson-Star ab, nicht, ohne seinen Plattenfirmen-Kumpel in dem Artikel mit einem eigenen Jubelabsatz zu bedenken. Nun sind wir alle keine heurigen Hasen und wissen, daß neunzig Prozent des deutschen Musikjournalismus reiner Gefälligkeitsjournalismus ist, korrupt bis zum Gehtnichtmehr. Wenn man so etwas aber mal nicht beim Hintertupfinger Almboten, sondern bei der "Süddeutschen Zeitung" konstatieren darf, zieht man doch ein bisserl die Augenbrauen hoch. Vielleicht für eine Viertelsekunde, denn eigentlich weiß man ja, daß …"
So ganz unrecht hat er da ja wohl nicht, aber der Bremer Journalist Winfried Dulisch fühlte sich auf den Schlips getreten und schrieb einen offenen Brief:
"Liebe Kolleginnen und Kollegen. In seinem Presserundbrief 4 / 2007 vom 3. April 2007 behauptet der Berliner Konzertagent Berthold Seliger, dass neunzig Prozent des deutschen Musikjournalismus reiner Gefälligkeitsjournalismus ist, korrupt bis zum Gehtnichtmehr. Ich wiederhole: reiner Gefälligkeitsjournalismus und korrupt bis zum Gehtnichtmehr. Für neunzig Prozent des deutschen Musikjournalismus und damit auch für mich kann Berthold Seliger mit Gefälligkeiten nur gemeint haben: Gratis-Eintrittskarten, Rezensionsexemplare, Honorarfreie Nutzung von PR-Fotos und Infotexten. Ich mag nicht länger als korrupter Journalist bezeichnet werden. Deshalb werde ich CDs der von Berthold Seliger (siehe: www.bseliger.de) betreuten Künstler und Eintrittskarten für deren Konzerte ab sofort nur noch käuflich erwerben. Fotos werde ich von seinen Künstlern nur noch selbst anfertigen. Recherchen für meine Text-Beiträge über die von Berthold Seliger betreuten Künstler werde ich ab sofort aus eigener Tasche finanzieren."
Berthold Seliger hat mittlerweile darauf geantwortet:
[...] Was ich gar nicht verstehe, ist, dass sich ganz offensichtlich Winfried Dulisch angesprochen fühlt, wenn gesagt wird, dass „90 Prozent des deutschen Musikjournalismus reiner Gefälligkeitsjournalismus und korrupt“ sei. Denn die Aussage sagt, wenn man mal von der „biblischen“ Zahl absieht, die in diesem Kontext als „75%“, „98%“ oder „50%“ haargenau den gleichen Sinn erfüllen würde, ganz eindeutig, dass es auch einen nennenswerten Anteil des deutschen Musikjournalismus gibt, der nicht korrupt ist, der nicht „Gefälligkeitsjournalismus“ betreibt. Warum aber fühlt sich Winfried Dulisch nun ausgerechnet von der negativen Beschreibung angesprochen? Warum nicht von der positiven Beschreibung? Mal ganz ehrlich: wenn mir jemand schreiben würde „90% aller deutschen Konzertagenten sind korrupt“ oder „90% aller Tourneeveranstalter sind Idioten“ – ich würde mit den Achseln zucken, würde sagen, „hm, echt?“, aber ich würde mich keinesfalls angesprochen fühlen, weil ich ja weiß, dass ich weder korrupt noch ein Idiot bin. Und das scheint mir alles nicht nur ein sprachliches Problem zu sein… [...]
Ja, ich finde in der Tat, dass weite Teile des deutschen Musikjournalismus reinen Gefälligkeitsjournalismus darstellen, und ich finde in der Tat, dass dies zwar möglicherweise nicht im juristischen, ganz gewiß aber im moralischen Sinn „korrupt“ ist. Wo die Grenze ist, an der Journalismus zum „Gefälligkeitsjournalismus“ wird, an der Journalismus im moralischen Sinn „korrupt“ ist, das mag jeder für sich beurteilen. Ich bin der Meinung, dass die Grenze etwa bei folgenden Beispielen überschritten wird: Wenn Freunde über Produkte ihrer Freunde (seien es Tonträger, Konzerte, was weiß ich) schreiben, oder gar die Firmen ihrer Freunde oder Kumpel in diesen Artikeln hochleben lassen. Wenn sich Journalisten zum Beispiel Reisen zu Konzerten von Künstlern finanzieren lassen, sich Hotels von Plattenfirmen bezahlen lassen, oder ähnliches. Wenn Journalisten Bargeld oder Sachgeschenke von Firmen empfangen, deren Produkte sie in der einen oder anderen Weise besprechen.
Ich finde, das liegt doch völlig auf der Hand. Und wir alle wissen, daß die beschriebenen Fälle alles andere als Ausnahmen darstellen – nicht nur im Musikjournalismus natürlich (man denke etwa an den Lobbyismus der Nikotinindustrie und ihrer Schergen in Politik und Journaille). Oder kann mir mal jemand erklären, warum ich nirgendwo lesen konnte, daß die Aufführung der „Dreigroschenoper“, mit der der Admiralspalast in Berlin neu eröffnet wurde, mit angeblich 3,5 Millionen Euro von der „Deutschen Bank“ unterstützt wurde? Ob es daran lag, dass die „Deutsche Bank“ Anzeigen in vielen der Medien schaltet, die dieses Faktum unterschlagen haben?
Vollkommener Quatsch ist es, wenn man mir unterstellt, dass ich es für „Gefälligkeitsjournalismus“ oder gar „korrupt“ halten würde, wenn Journalisten freien Eintritt zu Konzerten erhalten, um darüber zu berichten, oder wenn sie Tonträger kostenlos zur Rezension bekommen. Mal ganz zu schweigen von Infotexten oder Fotos. Was soll denn dieser Blödsinn, Winfried? Natürlich sollen Journalisten ihre nötigen Arbeitsutensilien auch zukünftig zur Verfügung gestellt bekommen. Und natürlich wünsche ich mir eine kritische Auseinandersetzung mit den Künstlern meiner Agentur (und habe niemals Probleme damit gehabt – ganz im Gegenteil, letzten Endes gefällt mir ein gut geschriebener und gut argumentierender Verriß eines Konzertes besser als eine schlecht geschrieben Hofberichterstattung – auch wenn mir, man mags mir bitte nicht übel nehmen, eine gut geschriebene und gut begründete positive Rezension immer noch am meisten zusagt…). Und auch weiterhin werde ich Journalisten freien Zutritt zu meinen Konzerten gewähren, soweit es die Gästeliste zulässt, und ich werde auch weiterhin in aller Regel das berüchtigte „plus eins“ der Journalisten auf den Gästelisten akzeptieren, auch wenn es mir noch immer nicht einleuchtet, warum Journalisten ihre Freundin oder ihren Freund zur Arbeit mitnehmen… Um all das geht es doch hier nun wirklich nicht, und aus der beschriebenen Polemik lässt sich das auch beim schlechtesten Willen einfach nicht herauslesen.
Ich hoffe, ich habe damit einige Unklarheiten aus der Welt schaffen können. Und vielleicht lässt sich nun ein wenig konstruktiver und realitätsnaher über das Faktum an sich nachdenken – denn dass der deutsche Musikjournalismus sich seit Jahren in seiner Gesamtheit in eine eher unerfreuliche Richtung bewegt, scheint mir eine Weisheit der Marke „Binsen“ zu sein, und darüber können leider auch die zahlreichen großartigen und anständigen Journalistinnen und Journalisten nicht hinwegtäuschen, deren Arbeit ich sehr schätze."


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 05/2007

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