FolkWorld #47 03/2012
© Morten Alfred Høirup

Article in English Article in Danish

Die Wikinger kommen!

Wir stehen vor einer kleinen Bühne in Reikjavik, der Hauptstadt Islands. Der Raum ist heiß und voll. Die Leute reden, trinken, lachen und hören der lauten und intensiven Musik zu.

Auf der Bühne steht ein großer, langhaariger und bärtiger Mann mit einem durchdringenden Blick. Er schwankt vor und zurück, während er eine kleine Ziegenfelltrommel schlägt und mit einer gewaltigen und eindringlichen Stimme von Walküren, Gottheiten und Winteropferfesten singt. Neben ihm hantieren drei schweißnasse Musiker konzentriert mit einem Sammelsurium aus elektrifizierten Leiern, Rasselinstrumenten, Rahmentrommeln, Obertonflöten, Harfen und Maultrommeln sowie einem E-Bass.

Krauka

Krauka @ FolkWorld: FW#28

www.myspace.com | www.youtube.com

www.krauka.dk

Der Mann mit der tiefen Stimme ist Isländer und heißt Gudjon Rudolf. Er pflegt eine außergewöhnlich enge Beziehung zu den alten nordischen Göttern und Göttinnen. Die drei anderen Musiker sind Dänen und heißen Jens Villy Pedersen, Aksel Striim und Søren Koldsen-Zederkof. Gemeinsam nennen sie sich Krauka (Krähe, Red.), und haben sich auf Musik der Wikingerzeit spezialisiert, obwohl man streng genommen nur wenig darüber weiß, wie es damals geklungen haben mag, als die Wikinger die Welt bereisten.

Krauka – die Musik der Wikinger im 21. Jahrhundert

Seit 1999 hat Krauka weite Teile der Welt mit ihren seltsamen Instrumenten besucht. Sie sind auf unterschiedlichsten Veranstaltungen aufgetreten – sowohl auf Hochzeiten nach altnordischem Brauch, Winteropferfesten und Wikingermärkten als auch im Rahmen von Weltmusik- und Folkfestivals, Rollenspieltreffen oder in Museen und Wikingerzentren.

Ihr viertes Album ‚Odin‘ ist mit Sagen und Mythen gespickt, die von Zwergen, Trollen, Feen und Gottheiten erzählen. Die musikalische Untermalung entsteht dabei wie immer aus einer Mischung aus neuen und alten Instrumenten. Von Anfang an hat die Band einen Großteil ihrer Instrumente selbst anhand von Beschreibungen, Zeichnungen und archäologischen Fundstücken rekonstruiert. Aber nicht nur der Bau der Instrumente hat die Musiker vor Herausforderungen gestellt. Søren Koldsen-Zederkof, der Bassist der Band, erzählt:

„Wir machen unsere eigene Musik. Unser Repertoire beinhaltet zwar einige einfache neue Arrangements traditioneller nordischer Melodien, aber man weiß ja eigentlich nicht, wie Wikingermusik geklungen hat“, er erzählt weiter: „Wir haben Spuren alter Instrumente der Wikingerzeit gefunden, die uns natürlich inspiriert haben. Aber wir komponieren unsere eigene Musik und liefern damit unsere ganz eigene Version davon, wie Wikingermusik heute klingt!“

Der Arbeitsprozess

Jens-Villy Pedersen spielt Leier, Flöten, Bouzouki und verschiedene Perkussionsinstrumente bei Krauka. Er beschreibt, wie die Band jeweils zwei bis drei Tage zusammen verreist, um in Ruhe zu komponieren:

„Dann sitzen wir einfach und spielen und jammen. Und aus dem Material, das dabei entsteht, ziehen wir dann das beste raus. Einiges davon wird wiederum zu Stücken. Unser Sänger Gudjon arbeitet dann weiter an den Texten und nach etwa einem halben Jahr wird es zu einem Lied. Der Prozess ist langwierig, aber gut.“

Krauka

Auf diese Weise arbeitet Krauka an der Weiterentwicklung des Repertoires. So hat es immer funktioniert, schon seit den zaghaften Anfängen 1999 im archäologischen Freilandlabor Lejre bei Roskilde in Dänemark. So richtig los ging es aber erst mit einer Reise nach Grönland, zu der sich eine Gruppe Musiker und Erzähler zusammengefunden hatten, um auf verschiedenen Veranstaltungen aufzutreten, zunächst auf einem Wikingermarkt auf einem Platz in Narsarsuag und später bei einer Rekonstruktion des Hofes Erik des Roten in Brattalid. Im Anschluss ging es auf eine 14-tägige Tournee durch Südgrönland. „Die Erzähler hatten eine harte Zeit, weil keiner Dänisch verstand. Aber jeder versteht Musik.“

Die alten Instrumente und die Entwicklung

„Anfangs war das eher so ein Geschichtenerzähler-Ding“, erklärt Jens Villy Pedersen und fährt fort: „Wir hatten zwei Erzähler, die nach Musik gesucht haben, die das Publikum in eine passende Stimmung versetzen konnte, während sie den Geschichten lauschen sollten. Gudjon und Aksel kannten einander und ich kannte Aksel und plötzlich waren wir ein Trio. Zunächst war es nur Spaß. Es war auch interessant, die Instrumente zu bauen und lernen darauf zu spielen. Wir hatten uns eigentlich nur überlegt, ein paar kleine Auftritte anzunehmen. Der erste Auftrag in Grönland passte uns gut, weil wir alle gerne nach Grönland wollten. Danach gab es für uns kein zurück, wir spielten weiter – es war unglaublich spannend, mit diesen primitiven Instrumenten zu arbeiten und Musik mit so wenig Tönen zu erzeugen. Wenn du normale Instrumente gewohnt bist, hast du alle 12 Töne zur Verfügung, und plötzlich stehst du mit einer Leier da, die z.B. nur über 7 Töne verfügt. Nach unserem 3. Album war unsere Musik „schwerer“ oder „breiter“ geworden. Wir mussten uns eingestehen, dass uns hierfür etwas für die Live-Auftritte fehlte. Darum wollten wir gerne einen Bassisten mitnehmen. Wir kannten Søren, er war zwar Gitarrist, aber erwies sich als wirklich guter Bassist, daher wurde er 2006 in die Band aufgenommen und ist auf unserem letzten Album ‚Odin‘ mit von der Partie.“

Feen, Trolle und Götter als Inspirationsquelle

Krauka ist eine Band, die in unterschiedlichsten Zusammenhängen auftreten kann. Wikingerhochzeiten und Opferfeste machen nur einen kleinen Teil der Veranstaltungen aus, bei denen Kraukas Musik begeistert. In Dänemark hat die anerkannte altnordische Glaubensgemeinschaft „Forn Sidr“ beispielsweise nur 600 Mitglieder, von einer großen gesellschaftsumstürzlerischen Kraft kann also nicht die Rede sein, und die Band spielt so auch auf allen möglichen anderen Veranstaltungen in weiten Teilen der Welt. Die Band macht jedoch keinen Hehl daraus, wo ihre Inspiration herkommt. Kraukas Lead-Sänger, Gudjon Rudolf, fungiert sowohl als Säger als auch als „Forschungsminister“ der Band. Søren Koldsen-Zederkof erzählt über ihn:

Krauka

„Unser Lead-Sänger Gudjon Rudolf aus Island hat die isländische und nordische Mythologie studiert, d.h. die alten Geschichten von den Göttern und der Wikingerzeit. Das hat eine große Bedeutung für unser musikalisches Universum, denn seine Texte sind häufig von der Welt der Mythen inspiriert und den Wesen, die diese Welt bevölkern, den Feen, den Trollen und natürlich den Göttern und Göttinnen: Odin, Thor, Freja und Frigg ...“

Hier ergänzt Jens Villy Pedersen: „Island ist ein besonderer Ort. In Island glauben sie noch immer an Feen, Trolle und andere Wesen. Und wenn sie eine größere Straße bauen sollen und hierfür große Steine und Felsen wegsprengen müssen, um einen Weg durch die Landschaft zu brechen, ist ihnen auch heute noch sehr daran gelegen, besondere Männer oder Frauen aufzusuchen, die mit diesen Wesen in Kontakt stehen. Denn wenn man das versäumt, kann es Unglück bringen und dazu führen, dass es keine gute Straße wird!“

Krauka und die Zukunft

In diesem Sommer tourt Krauka über die vielen Wikingermärkte der nordischen Länder. Im Herbst machen sie sich auf den Weg nach Minnesota und North Dakota, um sich mit dem indianischen Flötenbauer und Erzähler Keith Bear zusammenzutun. Gemeinsam werden sie eine Rundreise machen und mit ihrer Mischung aus nordeuropäischer und nordamerikanischer Roots-Musik u.a. in den Reservaten der amerikanischen Ureinwohner auftreten. Schließlich werden sie nach Island fliegen, um die Arbeit am 5. Album aufzunehmen. Die Musik wird diesmal aus einer Kombination des früheren Zugangs der Band zum akustischen Material und den Experimenten der letzten Jahre mit teils elektrischer Musik bestehen.

Krauka ist eine gefragte Band und die Wikinger aus dem Norden sind das Reisen gewohnt, es lohnt sich daher einen aufmerksamen Blick auf das Programm deiner lokalen Veranstalter zu werfen. Halte dich auf dem Laufenden und mache dich dafür bereit, Freundinnen, Freunde und Familie zum Konzert einzuladen, wenn plötzlich der Ruf erschallt: „Die Wikinger kommen!“

Deutsche Übersetzung: Katrine Hoop


Photo Credits: (1)-(2) www.krauka.dk (from website).


FolkWorld Homepage German Content English Content Editorial & Commentary News & Gossip Letters to the Editors CD & DVD Reviews Book Reviews Folk for Kidz Folk & Roots Online Guide - Archives & External Links Search FolkWorld Info & Contact


FolkWorld - Home of European Music
FolkWorld Homepage
Layout & Idea of FolkWorld © The Mollis - Editors of FolkWorld