FolkWorld #45 07/2011
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Irish Spring
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Jenseits von Hibernia

Zwischen Harz & Heide

Tommy Emmanuel

Fingerfertigkeit wie von einem anderen Stern – deshalb himmeln sie [Tommy Emmanuel] an.[32] Nicht wenige halten ihn für den besten Gitarristen der Welt. Was der Australier mit seinem Instrument macht, könnte filigraner kaum sein. Bei ihm sitzt nicht nur jeder Handgriff. Jeder Finger scheint trotz atemberaubendem Tempo genau zu wissen, was er zu tun hat. Mal mit Plektrum, mal ohne, gleiten sie über die Saiten, lupfen und zupfen sie unnachgiebig. [BZ, 07.04.2011]

Ja glaubt man’s? Es gibt sie noch, die Bots.[27][35] Jene niederländische Band, die in den 80er Jahren der Friedensbewegung sanfte linke Hymnen auf den batikgewandeten Astralleib schrieb. "Aufstehn!" etwa und das folkige "Was sollen wir trinken", das sich auf unzähligen Abi-Partys und Altstadtfesten seines roten Hintergrundes bierselig emanzipierte. 2007 starb der Sänger und Bandkopf Hans Sanders 61-jährig an Krebs. In Wolfenbüttel erweist sich [Rik Polman] als fähiger Frontmann. Die Musik des Sextets mit drei Bots-Veteranen um Bass-Urgestein Noutd Janssen ist brillant gespielter Folkrock mit Funk und Blues-Einsprengseln. [BZ, 29.04.2011]

Rund 25.000 Menschen besuchten das 13. Highland Gathering. Die zahlreichen Schotten und Freunde der Kiltträger kamen aus der ganzen Region und darüber hinaus, um in Peine gemeinsam das schottische Lebensgefühl zu zelebrieren. Obwohl die schottische Lebensart dem Klischee nach überwiegend aus Whisky, Kilts und der Musik besteht, bietet das Peiner Highland Gathering mit den Highland Games auch den passenden Sport dazu. Doch auch Tossing the Caber (Baumstammwerfen), Tug a Wa (Tauziehen) und Putting the Stone (Steinweitwurf) haben Konkurrenz bekommen. Beim ersten deutschen Wettbewerb im schottischen Hochlandtanz paarte sich grazile Eleganz mit Ausdauer und setzte einen gelungenen Kontrapunkt zur rohen Kraft. [BZ, 08.05.2011]

B.B. King

Glänzend aufgelegt präsentierte sich die Blueslegende B.B. King Samstagabend beim Konzert im Rahmen des Movimentos-Festivals in der Wolfsburger Autostadt. Mit seiner siebenköpfigen Band zelebrierte King fast zwei Stunden flotte Songs und langsame Balladen, die meist deutlich näher am Bluesrock als am Jazz lagen. Munter auf einem Sessel wippend, spielte der Bluesmann einige gelassene Gitarrensoli in seinem ureigenen, singenden Stil. Mittlerweile scherzt er auf der Bühne über sein Alter - vergisst vermeintlich den Namen seines Keyboarders, lästert über falsche Zähne. „Ich bin 85, take it easy, dann werdet ihr auch dahin kommen“, rät er dem Publikum. Er wolle bis zum Tag vor seinem Tod auftreten, beteuert er in Wolfsburg - nach dieser Show dürften sich viele wünschen, dass dieser Tag noch in weiter Ferne liegen mag. [BZ, 22.05.2011]

Sie rufen gleich alle die auf, für die sie singen: Die noch auf der Suche sind, die Verrückten, die Vergessenen, die Unterdrückten, die niemals Angepassten, die von der Macht stolz Verlachten. Solche Lieder sind ein Labsal gegen das schlechte Gewissen all derer, die auf dem Marsch durch die Institutionen Moos angesetzt haben. Wecker [45] und Wader [40] sind Wärme-Aggregate, die immer noch die Kraft haben, den modernen Zeitgeist im Zweifel eher ins Unrecht zu setzen. [BZ, 22.06.2011]

    "Was Wecker und Wader vonein-
    ander denken" [BZ, 27.04.2012]


Das Weltmusikfestival auf dem Klesmerplatz [Salzgitter-Bad] erfreut sich großer Beliebtheit. Schon in der Mitagszeit füllt sich der Platz vor der Bühne allmählich. Zariza Gitara [36] spielt Zigeunermusik aus Russland und animiert zum Verweilen. Mit eigenen Stücken erfreut der gebürtige, mittlerweile in Deutschland lebende Ire Mark Bennett [40] sein Publikum. Mit viel Spielfreude wird es eine Spur rockiger. Den krönenden Abschluss des Tags der Weltmusik liefern die Polkaholix [26]. Polka zwischen deutscher Tradition, Rock, Ska und Punk-Elementen. Ansteckend und final in die Beine gehend. [SZ, 27.06.2011]

Irish Spring - KulturFabrik Löseke, Hildesheim - 09. März 2011.

Die KulturFabrik Löseke ist ein soziokulturelles Zentrum in Hildesheim und wurde vor geraumer Zeit von der Agentur Music Contact für ihre Tourneen entdeckt. Das Bluegrass Jamboree hat hier bereits zweimal stattgefunden,[44] und nun zum ersten Mal das Irish Spring Festival, das frühjährliche Gegenstück zum herbstlichen Irish Folk Festival,[44] welches nun auch schon zum insgesamt 11. Mal die Frühlingsblumen sprießen lassen will.

Das erste Gewächs, das ihre Blüten öffnet, ist ein zartes Pflänzchen. Der gebürtige Neuseeländer Andy Laking ist vor allem bekannt als Bassist der irischen Gruppe Gráda, die sich in den vergangenen Jahren an die Spitze modern gespielter, traditioneller Musik gesetzt hat.[42] Gráda hat Andy jedoch nur wenig Gelegenheiten geboten, seine Songwriter-Qualitäten unter Beweis zu stellen.

Andy Laking

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Andy singt und spielt akustische Gitarre, begleitet von Sean Regan an Fiddle und Mandola. Er beginnt mit dem Lied "Endeavour" vom gleichnamigen Gráda-Album (2002),[23] der Name von Captain Cooks Segelschiff, mit dem dieser 1769 auf seiner ersten Entdeckungsreise Neuseeland anlief.

Es folgen Lieder von Andys gerade erschienenem Solo-Album "Here by the Fire".[45] Der Titel verweist schon darauf, dass dieses am ehesten vor dem offenen Kamin zu genießen ist. Nur gelegentlich zieht Andy das Tempo an wie bei dem swingenden "These Curving Streets", die meisten seiner Stücke wie das wunderbare "Panama" stammen aus der ruhigeren Ecke und sind leise und melancholisch.

Es ist vielleicht nicht die klügste Entscheidung gewesen, den Abend mit so sanften Tönen zu beginnen. Es ist an Siobhan Miller und Jeana Leslie, das Publikum aus süßen Träumen zu reissen.

Und das tun die Schotten denn auch gleich mit dem Song "Blythe Blythe and Merry Was She" von ihrem aktuellen Album "Shadows Tall",[44] einem Trinklied aus dem 18. Jahrhundert. Siobhan singt, Jeana begleitet auf der Geige. Unterstützt werden beide an der akustischen, aber mit diversen Effekten verfremdeten Gitarre von Ewan MacPherson, bekannt als Mitbegründer von Fribo[34] und musikalischer Begleiter von der Battlefield Band[40] bis zum Treacherous Orchestra.

Für die "Midlothian Miners" aus Siobhans südschottischer Heimat vom Debütalbum "In a Bleeze"[37] wechselt Jeana zum Klavier. Unter dem Titel "Midlothian Mining Song" ist selbiger auch auf dem Album der deutsch-schottischen 2Duos zu finden,[39] und mit der 2Duos-Hälfte Gudrun Walther und Jürgen Treyz spielt Jeana auch seit vergangenem Jahr bei der deutschen Irish-Folk-Truppe Cara.[45]

Es folgt ein Medley bestehend aus zwei Schlafliedern, zunächst Kate Rusbys "Who Will Sing Me Lullabies?" für den verstorbenen Davy Steele,[45] dann zwei Strophen in Jeanas heimatlichem Orkney-Dialekt. Hierher stammt auch der aktuelle CD-Titel: lies low the sun, and shadows tall across the fields are creeping ...

Jeana Leslie

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Das Trio macht wieder Druck mit dem instrumentalen "Giant Set" (der Stoned Giant steht hinter mir und juchzt bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit), und zwei gesanglichen und wohlbekannten Abräumern. Einmal "Mad Tom of Bedlam" (aka "Bedlam Boys"), sowie "The Trooper and the Maid", eigentlich eine traurige Geschichte über das vom Soldaten zurückgelassene Mädel, aber mit einem Augenzwinkern erzählt: cups o' tea for auld maids, bonnie lads for bonnie lasses ...

Nach der Pause führt die ebenfalls gebürtige Neuseeländerin Aislinn Ryan in die Finessen des irischen Stepptanzes ein. Die ehemalige Solotänzerin der Riverdance-Show steppt federleicht zum Geigenspiel von Sean Regan und Andys augenzwinkernden Übersetzungen ihrer Erläuterungen (... sucht reichen Bauern ...). Wir lernen, dass man den 6/8-Rhythmus des irischen Jigs mit der Formel Bratwurst und Sauerkraut (oder im Englischen Rashes & Sausages) auf die Reihe kriegen kann, und den Reel mit Jägermeister, Jägermeister (Black & Decker, Black & Decker).

Nun aber endlich zu original irischen Gewächsen. Das vom Danú-Akkordeonisten Benny McCarthy[45] protegierte Quintett Caladh Nua spielt traditionelle irische Musik frisch, fromm und frei, ohne in jazzige oder weltmusikalische Gefilde abzudriften.

Die jungen Iren beginnen mit einem Reel-Set, der auch der fulminante Auftakt vom Debütalbum "Happy Days" (2009) ist.[41] Die sich stürmisch drehende "Windmill" des Altan-Fiddlers Ciaran Tourish[42] eröffnet den Reigen mit Derek Morrisseys B/C-Knopf-Akkordeon, "Larry's Favourite" bietet ausgezeichnetes Picking von Colm O'Caoimh und Eoin O'Meachair auf Gitarre bzw. Tenorbanjo. Bei Billy McComiskeys[40] "The Commodore" schließlich stehen die beiden Geigen von Paddy Tutty und Lisa Butler im Zentrum.

Das restliche Programm entstammt der aktuellen CD "Next Stop"[45] - die unschuldigen Happy Days sind vorbei, man ist einen Schritt weiter und es wird Zwischenbilanz gezogen. Ein Set Hornpipes; Reels getragen von Dereks Wunsch Go bananas! Mit Bill Monroes "Gold Rush" wird ein Ausflug über den großen Teich unternommen, mit rasanten Jigs nach Irland zurückgekehrt. Die Tunes sind überwiegend traditionell, wurden aber weit weg vom Wegesrand gepflückt.

Caladh Nua

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Lisa Butler ist zudem eine Sängerin mit einer kräftigen, aber warmen Stimme, die gut zu den von ihr bevorzugten Themen - traurige Liebesgeschichten - passt. "Fuigfhidh mise 'b baile seo" (ich werde die Stadt verlassen) ist ein ruhiger gälischer Song. Die Mordballade "The Cruel Lowland Maid" entstammt einem eher unbekannten Liedflugblatt des 18. Jahrhunderts; hier wird ein Seemann wegen seines Goldes von der Maid und ihren Kumpanen umgebracht. "Farewell to You" schließlich stammt von Lisas Bruder Eric und hat wie die beiden anderen Songs eine einfache, aber eingängie Melodie, klare Worte und ein subtiles Arrangement.

Erst zum Abschluss wird wieder auf die erste CD zurückgegriffen und es gibt die Gelegenheit für ein paar Soloeinlagen. Zunächst pickt Colm den Jig "The Humours of Ballyloughlin" auf der akustischen Gitarre - auf den Weg gebracht hat ihn einst ein Videoclip aus den 1970ern mit den Gitarrenveteranen Paul Brady[41] und Arty McGlynn[38] -, bevor Geigen und Akkordeon einsteigen. Der kleine Patzer beim Übergang lässt sich fast nur am Lächeln der Protagonisten erkennen. "Whelan's Jig" stellt Eoins flüssiges Banjospiel heraus und beim populären "Gravel Walk"-Reel wird dann ein Feuerwerk abgebrannt.

Wenn mich persönlich auch das Material ihres zweiten Albums emotional nicht so packt wie das vom Debüt, so ist es dennoch ein fulminanter Auftritt. Das Zusammenspiel von Geigen, Akkordeon, Banjo und Gitarre ist kompakter geworden, die fünf virtuosen Musiker sind im Laufe des vergangenen Jahres mehr zu einer Einheit zusammengewachsen.

Zugaben als solche sind nicht im Programm des Irish Spring Festivals vorgesehen, dafür gibt es die obligatorische gemeinsame Bühnensession. Andy wechselt nun zum Kontrabass. Siobhan Miller singt das schottische Trinklied "Tak' a Dram" aus der Feder von Ian Sinclair, das gerade erst der Whisky-Barde Robin Laing in einer deutschen Übersetzung eingesungen hat.[45] Ein Instrumental-Medley beginnt mit "Johsefins Dopvals" (der schwedische Walzer, den Dervish in die irische Szene eingebracht hat),[3] dann wird die Handbremse gelöst - zuerst mit einem amerikanischen Rag, dann dem Reel "Wing Commander Donald Mackenzie" des schottischen Akkordeonisten Phil Cunningham.[30]

Insgesamt kein irisches, sondern ein pan-keltisches Programm jenseits von Hibernia. Alle Beteiligten werden auf die Bühne herausgeklatscht und zum Grande Finale wird noch einmal alles aufgeboten. Ich möchte aber nur noch schnell ins Auto und ab nach Hause, um darauf einen wee dram trinken ... einen Single Malt so fein und exquisit wie die Musik des Abends.

Photo Credits: (1) Irish Spring Logo (by Music Contact); (2) Tommy Emmanuel, (5) B.B. King (unknown); (3) Andrew Laking, (4) Jeana Leslie, (6) Lisa Butler (by Walkin' Tom).


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