FolkWorld #44 03/2011
© Walkin' T:-)M

Before the Wells Go Dry

Dass die Quelle irischer Musik einmal versiegen könnte, steht nicht zu befürchten. Davon konnte sich der Autor dieser Zeilen im November 2010 beim Irish Folk Festival im Forum Peine überzeugen.

Zwischen Harz & Heide (Presseschau) Irish Folk Festival Logo
Irish Folk Festival


Erst Pub-Atmosphäre ...

Was für ein furioser Abend. Das „Irish Folk Festival“ machte Station im Peiner Forum und begeisterte die rund 400 Besucher. Dabei begann der Abend eher in Pub-Atmosphäre mit dem kongenialen Duo Mat Walklate an der Mund-Harmonika und Matt Fahey an der Gitarre. Walklate zeigte sich als wahrer Meister der Reels und Jigs. Gemächlicher ging es mit Tom O‘Donovan weiter. Der 71-Jährige präsentierte zur virtuosen Gitarrenbegleitung von Ian Smith selbst verfasste Stücke. Gewöhnungsbedürftig war sein steifer Gesang. Sympathien waren dem irischen Original dennoch sicher. Wetterte der Umwelt-Aktivist in den Liedern doch gegen korrupte Politiker und Umweltverschmutzung. Niamh Ni Charra und ihre Band verbanden anschließend perfekt Tradition und Moderne. Die Frontfrau brillierte auf der Fidel und der Concertina. Immer wieder wurde die Band von Gerard Butler begleitet, der mit seinem Stepptanz Riverdance-Gefühle verbreitete. Die zweite Hälfte des Abends wurde angeführt von den seit mehr als 30 Jahren bestehenden Doonans. Dabei wirkte die Band mit Mike und Kevin Doonan, Stuart Luckley und Phill Murray frischer als manche Nachwuchsband. Das Quartett präsentierte mit dem flotten „Star of the county down“ irisches Liedgut und mit dem wunderbaren „Bring it on home to me“ sogar einen waschechten Blues. Dabei nahmen sich die sympathischen Herren selbst auf die Schippe. Am Ende stand eine mitreißende Session der Musiker, die echte irische Lebensfreude auf die Bühne brachte. Dem Peiner Publikum gefiel es so gut, das der tosende stehende Beifall beinahe kein Ende nehmen wollte. [PAZ, 13.11.2010]

Sands-Sound ist lebendiger denn je

Tommy Sands [40] machte seinem Ruf als "Urgestein des Irish Folk" alle Ehre. Seine textlich engagierten und musikalisch ausgezeichneten Songs überzeugten. Begleitet von Tochter Moya und Sohn Fionan zeigt sich der Sands-Sound lebendiger denn je. Das Trio spannt einen weiten Bogen von traditionellen Stücken bis zu zeitgenössischer Folk-Musik. Zwischendurch erzählt Sands kleine Geschichten und Anekdoten aus seiner irischen Heimat. Tommy Sands verbindet seine künstlerische Arbeit mit dem Anspruch, sich für Frieden und Freiheit einzusetzen. Brücken bauen zwischen den Kulturen, das ist sein Anliegen. Aber es ist nicht nur die politische Komponente, die seine Musik so populär macht, sondern seine mit Herz und Leidenschaft dargebotene Spielweise. [SZ, 06.12.2010]

Tommy Sands Trio

Wie wichtig ist es für Sie als Musiker, zu kritisieren, was in Ihrem Land vor sich geht? Ich begann mit dem Singen zu Hause – mit meinem Vater, meiner Mutter. Wir sangen Lieder über das, was passierte. Ich war keineswegs darauf aus, ein politischer Songwriter zu werden. Ich wollte beobachten und reflektieren. Dann stellte ich fest, dass es in der irischen Tradition des Barden nicht darauf ankam, etwas für einen Moment zu beobachten, sondern darauf, den Gedanken der Verbesserung voranzutreiben.
Glauben Sie, dass Sie mit Ihren Songs etwas ändern können? Ich glaube, alles kann etwas verändern. Auch ein Wort kann das, wenn es am richtigen Ort zur richtigen Zeit gebraucht wird. Immer wenn meine Eltern Musik machten, habe ich als Kind beobachtet, wie alle zu dem gleichen Rhythmus geklatscht haben, egal, welche politische oder religiöse Überzeugung sie hatten. Ich habe festgestellt, dass Musik ein Medium ist, eine gemeinsame Verbindung. Die Natur der Musik ist es, Menschen miteinander zu verbinden.
Bei vielen Leuten gelten Sie als Botschafter Irlands. Ich will vermitteln, was ich fühle, was – wie ich denke – das Beste und Richtige ist. Ich war im Sommer im Nahen Osten, habe auch in Gaza und Ramallah gespielt. Als Musiker kannst du Botschaften des guten Willens zu zwei unterschiedlichen Religionen, Stämmen bringen. Du kannst dich als Barde immer dazwischen bewegen. Deshalb ist Musik viel zu wichtig, um darauf beschränkt zu sein, auf der Bühne zu stehen und ein Star zu sein. Das ist das Musikgeschäft, nicht die Musik. [SZ, 01.12.2010]


Sean Cannon

Aus zwei, da wurden plötzlich vier

Irish Folk hat so gar nichts mit der weichgespülten, inhaltsleeren deutschen Unterhaltungs-Musik zu tun. Irish Folk ist rau und herzlich, erzählt Geschichten vom Saufen, vom Auswandern, von harter Arbeit, vom Scheitern, vom Erfolg, von der Liebe. In diesen Geschichten, in diesen Songs gehen Vater und Sohn auf. An der Gitarre begleitet werden The Cannons an diesem Abend von Seán Cannons jüngstem Sohn Robert. Es sind die seltener gespielten Titel, die die Cannons diesmal in den Vordergrund stellen. Darunter gälische Traditionals, die der Braunschweiger Geigen-bauer und Freund der Band, Joseph Boasson, auf dem Cello begleiten darf. [SZ, 16.01.2011] [SZ, 30.10.2010]

Bretonische Musik und diebische Geschichten

Eigentlich waren alle auf Sängerin und Harfenistin Sophie Garros gespannt. Doch ausgerechnet das Zugpferd der Brunswick Breizh Connection meldete sich krank. Aber die drei Bandmusiker machten das Beste aus der Situation und gestalteten zu dritt ein Programm, das sich hören lassen konnte. Das Publikum erlebte drei Vollblutmusiker, die bretonische Musik präsentierten, als ob sie selbst in diesem Kulturkreis aufgewachsen sind. Wie ein roter Faden zog sich die Geschichte von Bils, dem Dieb, einem bretonischen Till Eulenspiegel, durch das Programm, blumenreich erzählt von Sasahara Blumenstiel. [SZ, 24.01.2011]

Es ist die 19. Etappe der diesjährigen Festivaltour und dementsprechend sind die irischen und englischen Musiker auch bestens eingespielt. Dennoch sind keine Ermüdungserscheinungen auszumachen. Den Anfang macht der in Manchester lebende Mat Walklate mit einer Mundharmonika made in Germany, das Beste was Deutschland seiner Meinung nach - außer dem Bier - zu bieten hat. Und auf dem deutschen Instrument der Marken Hohner und Seydel lässt sich auch ein flotter "Kesh Jig" spielen. Aber der All-Ireland und All-Britain Harmonica Champion spielt auch eine flotte Flöte (Marke Aebi, also aus der Schweiz).

Mat Walklate

Mat Walklate @ FolkWorld:
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Sein Begleiter an der Gitarre ist Matt Fahey, mit dem der Mundharmonika-Virtuose zusammen bei den House Devils spielt. Matt (mit zwei T) singt ein traditionelles irisches Lied, das er von dem verstorbenen Frank Harte[31] gelernt hat. Ein typisch romantischer Song irischer Provenienz, d.h. das besungene Pärchen ist permanent am Trinken und Streiten. Mat (mit einem T), der sowohl in Folk-, Blues- als auch Jazzbands musiziert, spielt schöne Licks in den Gesangspausen.

Ein schwungvoller Auftakt, aber nun wird es erstmal ruhiger und dem Motto der diesjährigen Tour gerecht. Es geht zu den Quellen der irischen Tradition. Der 71jährige Tom O’Donovan widmet sein erstes Lied, "Rose of Tarbert Town", seinem Heimatort. Tarbert liegt im County Kerry im Südwesten Irlands; Touristen kennen vielleicht die Fähre, die von hier aus über den Shannon ins County Clare übersetzt.

Das nächste Stück besingt die "Flowers of Sweet Strabane", nun ein Ort im nördlichen County Donegal. Vielleicht ist es seinem musikalischen Partner Ian Smith gewidmet, der für die gefühlvolle Begleitung sorgt,[20][25][31] und bereits 2004 einmal Mitreisender des Irish Folk Festivals gewesen ist, damals als Gitarrist des inzwischen verstorbenen Jim Hayes. Nach diesen beiden romantischen Songs geht es mit "Future of Food" über gentechnisch manipulierte Nahrung dann richtig zur Sache, Tom ist ein engagierter Umweltaktivist. Das Emigrationslied "Hills of Kerry" schließt das kurze Set ab.

Es gibt Beifall für den schnellen Umbau und der Abend steuert auf den ersten Höhepunkt zu. Geigerin und Konzertinistin Niamh Ní Charra ist ebenfalls aus Kerry. Wie Tom O’Donovan nährt sie sich von den Quellen der Tradition, lässt sich aber auch gerne einmal von den Wassern mitreissen.

Zunächst greift Niamh zur Fiddle und nach einem kurzen Intro und einem swingenden Jig geht es mit zwei traditionellen Reels in die Vollen. Dann folgt eine Komposition von Niamh, "The Devil's Ladder". Der Name bezieht sich nicht auf das teuflische Tempo, sondern ist eine geographische Bezeichnung in den Bergen nahe Killarneys.

Niamh Ní Charra

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Im Jahre 2008 hatte das IFF bereits das Vergnügen, Niamh mit einem Begleitmusiker vorzustellen. Am heutigen Abend hat Niamh ihre Band - Flötist Cathall King, Gitarrist James Ryan und Bodhranspieler Robbie Harris (aka Bongo Bob) - mitgebracht. Zudem gesellt sich Steptänzer Mick Donegan bei jeder passenden Gelegenheit mit seinen Hard Shoes dazu.

Der Gelegenheiten gibt es viele. Zunächst folgt mit dem "Limerick Redowa" ein kontinentaler Walzer, gefolgt von drei Slides aus dem irischen Südwesten. Der erste hat den passenden Titel "Going for Water" und damit können doch nur die Wasser der Tradition gemeint sein.

Diese beide Instrumental-Sets starten - nur in umgekehrter Reihenfolge - auch Niamhs aktuelles Album "Súgach Sámh / Happy Out".

ZUr Abwechslung gibt es ein paar gälisch-sprachige Lieder. Bei "Cailleach an Airgid" (d.i. die Alte mit der Kohle). geht es um einen jungen Mann, der sich an eine ältere Dame heranmacht, die zwar mit Reizen geizt, aber stinkreich ist. Nimmt man die Melodie und spielt sie ein kleines bißchen geradliniger, erhält man einen bekannten Jig, der denn auch am Schluss angefügt wird.

"Sé Fáth Mo Bhuartha" kann man mit der Grund meines Kummers übersetzen. Ein Lied, das gut zu ihrer etwas mädchenhaften Stimme passt. Auf dem Album wird sie von ihrem Vater Eoin auf der Zither (sic!) begleitet. Hier schließt sich der Kreis, denn Niamhs Onkel Pádraig Ó Carra war nämlich ein passionierter Zitherspieler und zusammen mit Maire Ní Chathasaigh[37] und Maírtín O'Connor[39] unter dem Bandnamen Comhluadar zu Gast beim zweiten Irish Folk Festival im Jahr 1975.

Nur wenige Jahre später, etwa 1978, spielte der Flötist John Doonan beim Irish Folk Festival. Damals saß der heutige IFF-Veranstalter Petr Pandula als junger Spund im Publikum, heute geht Petr, die Haare sind etwas grauer geworden, mit den Doonan-Söhnen auf Tournee. Die von der Frankfurter Allgemeinen als graue Panther des Irish Folk beschriebene Formation ist eine fröhliche Truppe, die nichts anbrennen lässt. Im Gegensatz zu den Dubliners beispielsweise sind sie äußerst beweglich und agil und eher ältere Brüder der Oysterband.

Mick Doonan

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www.youtube.com

www.doonanfamilyband.co.uk

Zunächst knüpfen sie mit einem Instrumentalstück - Flöte, Fiddle, Gitarre, Akustik-Bass-Gitarre - an das Vorprogramm an, vervollständigt durch zwei junge Stepptänzerinnen. Dann geht es mit dem angerockten Gassenhauer "Star of the County Down" los.

Das Programm besteht aus mehr oder weniger bekannten Lieder, die man so aber noch nicht gehört hat. Ewan MacColls "Moving On Song" (Go Mo Shift) aus der BBC Radio Ballad "The Travelling People"[37] entwickelt sich nach einem schleppenden Anfang zu einer Mischung aus Folk und Indie-Rock mit dem Gypsy-Thema gemäßen, Flamenco-artigen Einlagen. Sam O'Cooke liefert die Vorlage für einen irischen Blues. Mick Doonan hat genau die richtige Stimme dafür und lässt die Uilleann Pipes aufheulen; Mat Walklate gesellt sich mit der Blues-Harp dazu.

Gleich darauf greift Mick zur Low Whistle und spielt eines der Lieblingsstücke seines Vaters John. Es handelt sich dabei um "Mná na hÉireann" (Women of Ireland), das Sean Ó Riada[28] in den späten Sechzigern für Ceoltóiri Chualann, der Urzelle der Chieftains, komponiert hat. Das Stück ist mittlerweile so weit herumgekommen, z.B. im Soundtrack zu "Barry Lyndon",[37] dass es häufig für eine uralte, traditionelle Melodie gehalten wird.

Es folgen ein paar funkige reels, eine komische Tanzeinlage der älteren Herren mit anschließender Sauerstoff-Beatmung, und zum guten Schluss mit "I'll Tell Me Ma" ein weiterer Gassenhauer. Seltsam mitunter, aber nicht schlecht.

Ein Konzert des Irish Folk Festivals ist nicht vollständig ohne die obligatorische Session. Zu "Sweet Home Alabama" kommen alle beteiligten Musiker nach und nach auf die Bühne, um dem Publikum weitere Songs und Tunes um die Ohren zu hauen. Tom O’Donovan singt "Muirsheen Duirkin", Mat singt "Step It Out Mary" und spielt zweite Pipes. Es ist der 11.11. um 11 Uhr 11, als ich den Wagen anlasse, aber nachts, und es war wahrhaftig kein Narhalla-Marsch zu hören gewesen.


Photo Credits: (1) Irish Folk Festival Logo (by Magnetic Music); (2) Mat Walklate, (4) Niamh Ni Charra, (6) Mick Doonan, (by Walkin' Tom); (3) Tommy Sands Trio (5) The Cannons (unknown).


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