FolkWorld #56 03/2015

CD & DVD Rezensionen

Various Artists "American Songbirds - Sing Me a Song"
Jaro Medien GmbH, 2014

Article: American Songbirds

Als man im Frühjahr 2014 das American Songbirds Projekt ins Leben rief, auf dem vier Künstlerinnen ihre musikalische Vielfalt unter Beweis stellen sollten, ahnte man noch nicht, wie groß der Anklang beim Publikum sein würde. Letztlich war man überwältigt und plant nun schon das nächste Festival für 2015. Im März 2014 trafen sich zur ersten Ausgabe drei Amerikanerinnen und eine Britin - alle nebst musikalischem Gefolge in der Berliner Passionskirche. Kyrie Kristmanson aus Kanada agierte vor allem mit experimenteller, jazzorientierter Stimmgewalt. Rachelle Garniez aus New York trat mit Akkordeon und witzigen Texten an. Wer erwartet schon von einer ernsthaften Songpoetin, eine Hymne auf Jean Claude van Damme zu hören. Aus Portland kamen Ashia & The Bison Rouge. Eigensinnig klangen hier Gesang und Streicher. Klassik traf sich mit Avantgarde. Vierte im Bunde war Daisy Chapman. Diese Frau stammt aus dem britischen Bristol. Hier hörte man ruhiges Singer-Songwriting und rockiges Lied in kurzer Abwechslung. Mit klarer Stimme und einfachen, aber wunderbar stimmigen Arrangement, verzauberte sie die Besucher in der Berliner Passionskirche. Ausschnitte aus diesem Konzert, mit Einzelbeiträgen der Künstlerinnen und ein paar gemeinsamen Aufnahmen finden sich auf dem schön zusammengestellten Mitschnitt "American Songbirds - Sing me a Song" der bei Jaro-Medien im Januar 2015 erschienen ist.
© Karsten Rube


Herbert Pixner Projekt und Charly Rabanser "Schnee von Gestern"
Three Saints Records, 2014

FolkWorld Xmas

www.herbert-pixner.com

Mitte Februar. Der Winter hat es immer noch nicht geschafft Fuß zu fassen und allmählich sagt man sich, dass er nun auch nicht damit anfangen muss, kalt und weiß zu werden. Weihnachten liegt bereits in der Vergangenheit, auch wenn die Weihnachtsbäume immer noch gegenwärtig vor den Müllplätzen gammeln, weil die Stadtreinigung es in diesem Jahr versäumt hat, daran was zu ändern. Weihnachtsmusik wäre also das Letzte, was man sich jetzt ins CD-Schubfach tut. Doch genau das tue ich. Der Winter, der nicht kommt und Schmuddligkeit bevorzugt, macht aggressiv oder depressiv, je nachdem wozu man neigt. Weihnachtsmusik beruhigt und befriedet. Das Herbert Pixner Projekt befriedet besonders, denn seine Versionen der weihnachtlichen Befriedung ist so vollständig anders, als alles, was einem die kitschige Weihnachtsversion alljährlich vorlügt. "Schafe im Wolfspelz" heißt das Intro seiner CD. Ein ganz besonderes Weihnachtsmärchen, denn wo verstecken sich denn unter dem Mantel der Abschreckung schon wahrhaft friedliche Geister? Pixner, der Multiinstrumentalist lässt es zu, dass man zu warmer Musik, die nur ganz zart als weihnachtlich zu erkennen ist, ins Schunkeln, ins Schwärmen, ins Träumen gerät. Mit einem diatonischen Akkordeon, Klarinette, Flügelhorn und Harfe, ja selbst mit Flamencogitarre - die allerdings wird von Manuel Randi gespielt - gaukelt er uns die schöne, friedliche Welt vor und es gelingt ihm, dass man ihm diese glaubt. Zitate von kirchlichen Weihnachtsliedern, wie "Maria durch den Dornwald ging" kann man raushören, muss man aber nicht. Seine Lieder wirken harmonisierend, ohne auf religiöse Hintergründe zu verweisen. Vielleicht sollte man seine Musik auf Gipfeltreffen spielen. Track 12 versteckt übrigens noch einen Hiddentrack, den man sich aber erst zu Weihnachten anhören sollte. Dann besitzt die Überraschung ein besseres Timing. Die zweite CD trägt ein Hörbuch in sich, eine Geschichte, die Weihnachtsgeschichte nach Rabanser, Charly Rabanser. Der hat die Geburt Christi neu nachempfunden und seine eigene Version gesponnen. Eine eigenwillige, moderne, etwas respektlos wirkende Version, die, wenn man sie sich angehört oder im Booklet gelesen hat, gar nicht so respektlos gemeint ist, sondern einfach nur zeitgemäß klingt. Die Lesung des Autors untermalt das Pixner Projekt ebenfalls sehr stimmig. Beides, Musik und Geschichte, hilft einem auch zu anderer Jahreszeit über die Runden. Denn Weihnachten ist keine Frage des Terminkalenders sonder eine Frage der Einstellung.
© Karsten Rube


The Bevvy Sisters "Plan B"
Interrupto Music, 2014

www.bevvysisters.co.uk

Die Bevvy Sisters aus Schottland frischen mit ihrer aktuellen CD "Plan B" den Begriff Genrehopping auf. American Roots, Countrymusik, Gospel und jazzig swingender Retropop fließen harmonisch ineinander. Der Satzgesang der drei Schwestern ist von vereinnahmender Schwerelosigkeit. Ihre Songs sind auf moderne Weise altmodisch, frisch, frech und aufmüpfig, süß und gefährlich. Hört man sich Songs, wie "Row my boat" an, weiß man erst, was Eliza Carthy meint, wenn sie über die Bevvy Sisters sagt: "Sie können dir den schmutzigsten Martini der Stadt mixen und dabei zuckersüß singen«. Die Bevvy Sisters greifen dabei auf ein paar traditionelle Songs zurück, wie "Willow Garden", eine alte Mörderballade aus den Appalachen. Doch überzeugend sind vor allem die Kompositionen der Sängerin und Banjospielerin Cera Impala, sowie die des Bassisten David Donnelly. Während Frau Impala eher die Countrynote einbringt, fetzt Donelly mit seinem Jazztemperament. "Plan B" ist eine wunderbar abwechslungsreiche CD, die von Anfang an gut klingt, aber mit jedem Mal Hören immer noch besser wird.
© Karsten Rube


Tibetréa "Peregrinabundi"
BSC Music, 2014

www.tibetrea.de

Artist Video

Ruhelos trollt sich die Münchner Fantasyfolkkompanie Tibetréa durch die Mythen Europas und des Nahen Ostens. Frei von Zeitgefühl durchstöbern sie Altertum, Mittelalter und die Gebiete Mittelerdes, greifen tief in die Schatztruhen der Sagenwelt und fördern Wesen und Geschichten zu Tage, die lange und gut im Dunkeln schliefen. Die Geister, die sie riefen, haben zum Beispiel solch berühmte und berüchtigte Namen, wie Echnaton, der alte Ägypter. Den Geist von Merlin, dem keltischen Zauberzausel, beschwören sie im Lied "Saltus Carmina". Hierbei bedienen sie sich eines Stilmixes, der vom Bellidance, über mittelalterliche Drehleiherakustik, bis hin zum australischen Didgeridoo alles vereinnahmt, was den Mythos von Traumwelten nahebringt. Den ewigen Kreislauf der Natur, den Wechsel von erwachendem Land hin zum sterbenden Jahr widmen sich Tibetréa im Tanztempo des Liedes "Der grüne Mann". Zwischen keltischer Mystik und griechischer Orpheussaga siedeln sie diesen Titel an, der sich musikalisch nicht zwischen Folk und Schlager entscheiden kann. Danach betreten sie die rauen Küsten der Bretagne und covern - sieht man von der störenden Trompete ab - recht atmosphärisch zwei traditionelle Lieder des keltischen Ausläufers Kontinentaleuropas. Mit dem "March to Minas Tirith" wechseln sie nach Mittelerde und schaffen es eine Orkarmee, wie einen angeschickerten Shantychor mit AC-DC-Sozialisierung klingen zu lassen. Da erholt man sich gern beim anschließenden Lied "Ketri, Ketri", einer Gipsyweise, die auf diesem Album ebenso angenehm heraussticht, wie der folgende Friedhofswalzer. Tatsächlich gelingt es Tibetréa im mittleren Teil des Album "Peregrinabundi", eine gewisse Kontinuität in ihre Musik zu bringen. Osteuropäische Klänge mischen sich in die Kompositionen, die Lieder werden weltmusikalisch interessanter, rhythmischer und tanzbarer. Das hält bis zum Popsong "Dantes Reise", dem mit der Harfe die Harmonie hinzugefügt wurde, die ihm im Gegenzug durch die ewig gleichförmige Hupe des Trompeters wieder genommen wird. Und dann zieht der Skandinavienklassiker "Herr Mannelig" die Kurve deutlich nach unten. Den alten Bergtroll hätten die Musiker besser in der Kiste lassen sollen. Wachbekommen haben sie ihn jedenfalls nicht. Dass Mystikmusiker gern auch mal einen Drachen beschwören müssen, ist nur allzu bekannt. Aber welchen Geist haben Tibetréa denn da in »Dragons« aus der Flasche gezerrt. Ähnlich wie im folgenden Trinklied glaubt man hier, in das dunkelste Kapitel von Dschingis Kahn versetzt worden zu sein. Und zwar nicht in das des Mongolenfürsten, sondern das der deutschen Kostümschlagerkatastrophe aus den Achtziger Jahren. Nur mäßig versöhnt hört man sich danach noch durch eine traditionelle bulgarische Weise, ehe ein Techno-Remix des bereits Minuten vorher gehörten bretonischen Traditionals "Ar Rannou" dafür sorgt, dass beim Hörer endgültig die Lichter ausgehen. Dabei machen sie handwerklich alles richtig. Sieht man mal von dem Mann mit der Hupe ab, scheinen die Musiker ein sehr feines Gespür für den stimmigen Einsatz ihrer Instrumente zu besitzen. Die Flöten klingen wunderschön barock, die Drehleiher besitzt einen sauberen, fast reinen Klang, nicht so zerrig und gequält, wie sie auf vielen Mittelaltermärkten zu hören ist. Der Einsatz der Perkussion ist so dezent abgemischt, dass weder Djembe, noch Schlagzeug die Oberhand gewinnen, der Bassgitarre gelingt es beinahe unbemerkt die Linie aller Lieder vorzugeben, an denen sie beteiligt ist. Und es fällt auf, dass man in Aufnahme und Abmischung viel Zeit und Professionalität investiert hat. Auch deshalb ist es schade, dass das musikalische Gesamtkonzept am Ende unentschlossen und taumelig erscheint.
Die Wanderung, die auf dem Album stattfindet, kann man im Innencover der CD grafisch verfolgen. Auf einer stilisierten Europakarte markieren dicke, schwarze Kreuze die Orte, die die deutsche Truppe auf dem Album "Peregrinabundi" musikalisch besetzt halten. Hier hätte man in der grafischen Gestaltung nun aber wirklich sensibler agieren können.
© Karsten Rube


Harri Stojka "Hot Club de Vienne"
Galileo Music, 2014

www.harristojka.at

Bei besonders flinkfingrigen Gitarristen ist man ja gern geneigt, den Jimmy Hendrix Vergleich zu ziehen. Gerade beim Hören der Musik des Österreichers Harri Stojka glaubt man kaum daran, dass der Mann nur mit jeweils fünf Fingern an jeder Hand auskommt, so enorm ist die Geschwindigkeit, mit der er über die Saiten seiner Gitarre herfällt. Der Musiker gehört heute zu den gefragtesten Jazzgitarristen seiner Zunft. Speziell der Gipsy-Swing ist sein Metier. „Der Sinti Swing ist die europäische Antwort auf den amerikanischen Jazz“, sagt Stojka selbst und er mag Recht haben. Dieser Stil hat seit Django Reinhardt eine Vielzahl begnadeter Musiker hervorgebracht und zählt zur prägendsten Stilrichtung des Jazz. "Hot Club de Vienne" zeigt den in Österreich ansässigen Musiker, der selbst zur Dynastie der Lovara-Roma zählt in Bestform. Vierzehn Swingklassiker interpretiert Stojka und dazu will ich die drei Eigenkompositionen des Künstlers gleich mitzählen, auf diesem tempogeladenen Album. Fats Wallers "Honeysuckle Rose" gehört dazu, ebenso der Grappelli-Reinhardt-Standard "Minor Swing" und Count Basies "Them they Eyes". Begleitet wird Stojka von Claudius Jelinek und Gidon Öchsner an der Rhythmusgitarre, Peter Strutzenberger am Bass und Herbert Berger, der ganz wunderbare Momente mit Klarinette und Harmonika einbringt.
© Karsten Rube


Hower Glazer "Looking in the Mirror"
Lazy Brothers Records, 2014

www.howardglazer.com

Mit "Looking in the Mirror" setzt der Detroiter Bluesmusiker ein kräftiges Ausrufezeichen auf seine Karriere. Der mit dem Detroit Music Award ausgezeichnete Gitarrist und Sänger lotet auf der CD eine große Palette des Detroitblues‘, dessen berühmtester Vertreter John Lee Hooker war aus. Das Markenzeichen des Detroitblues sind die elektrisch verstärkten Gitarren. Glazer ist ein Meister dieses Instrumentes. Zwölf Songs teilt der Musiker mit seiner Hörgemeinde. Dabei zitiert er den britischen Blues der Sechziger, macht einen Abstecher in die südlichen Sümpfe, wie in "Misunderstood the Devil", lässt sich mit dem Rock'n Roll ein und versucht sich immer wieder mit Psychodelic-Anspielungen. "Looking in the Mirrow" ist ein Bluesalbum der besseren Sorte.
© Karsten Rube


Kyriakos Kalaitzidis "The Musical Voyages of Marco Polo"
World Village, 2014

Die Reisen des Marco Polo gehören zu den frühen Versuchen, Kulturen unterschiedlichster Herkunft voneinander wissen und profitieren zu lassen. Am Hofe des Mongolenfürsten Kublai Khan berichtete Marco Polo dem Herrscher von seinen Reisen durch dessen Provinzen und vermittelte ihm damit wertvolles Wissen über sein Reich, zugleich aber auch über die Welt außerhalb seines Machtbereiches. Was, wenn Marco Polo nicht nur Reiseaufzeichnungen gemacht, sondern auf seinem Weg die Musik zwischen Venedig und Kambaluk gesammelt und mitgebracht hätte? Dieser Vorstellung widmet sich der Grieche Kyriakos Kalaitzidis mit einem erlesenen Stamm an Musikern. Er verfolgt den Weg der Seidenstraße und verbindet die mittelalterliche Kultur Europas mit den Klängen des Nahen Ostens. Im Bereich des Mittleren Osten inspiriert sich das Ensemble vor allem durch die Musik des Iran. So findet sich mit dem Titel "Migrant Cicles" ein Poem aus dem Iran des 14. Jahrhunderts. Im Fernen Osten angekommen gibt es schließlich auch mongolischen Obertongesang zu hören, sowie eine chinesische Weise. Es lässt sich anhand der CD sehr gut nachvollziehen, wie fremdartig dem jungen Marco Polo diese fernen Kulturen vorgekommen sein müssen. Gleichwohl lies er sich von diesen faszinieren. Er öffnete Herz und Verstand und erfuhr dadurch eine Bereicherung seines Lebens, die er bis nach Europa zurücktrug. Erstaunlich bleibt, dass sich heute viele Menschen ebenso von exotischen Reisebeschreibungen faszinieren lassen, selbst weite Reisen unternehmen, sich im Gegenzug aber schwertun, das Fremde in der Nachbarschaft zu tolerieren.
© Karsten Rube


Beat'n Blow "Über die Ufer"
Herzog Records, 2014

www.beatnblow.de

Auch das ist Blasmusik. Beat'n Blow aus Berlin lassen elektronische Instrumente außen vor, verzichten auf Bass und Gitarre und legen ihren ganzen Fokus auf die Blasinstrumente und die soulige Stimme von Frontfrau Katie la Voix. Moderner kann Funk und Soul gar nicht klingen, wie auf dem Album "Über die Ufer", das Beat'n Blow frisch in die Welt geblasen hat. In vierzehn windigen Nummern eilen sie durch die Gegenwart, beklagen hektische Zeiten oder widmen sich im Lied "Du" der Liebe. Sehr gut gelungen ist die Coverversion des Caterina-Valente-Schlagers "Wenn es Nacht wird in Paris". Ein Song, der mit ungewissen Ängsten spielt und weder im Original noch in dieser groovigen Version altbacken wirkt. Ein Schuss Reggae gibt es mit dem Lied "So much the Music" zu hören. Reggae aus Berlin funktioniert meistens gut. Botanisch betrachtet gehören ja eh einige Berliner Balkone zur selben Wachstumszone, wie Jamaica. Sehr verspielt ist die Idee der Gruppe, drei verschiedene Versionen eines Songs vorzustellen. "Blow Air" klingt in jeder Version hervorragend. Mir gefällt die kurze Variante (Rio Layover) musikalisch am besten. Zusammengefasst: "Über die Ufer" klingt so mitreißend, wie ein Fluss der Hochwasser führt. Man hat einfach keine Chance dieser eindrucksvollen Welle zu entkommen. Allerdings hinterlassen Beat'n Blow keine ernsthaften Schäden - hoffe ich.
© Karsten Rube


Various Artists "Azerbaijani Love Songs"
Felmay, 2013

Aserbaidschan fühlt sich heute als Bindeglied zwischen Europa und dem Mittleren Osten. Einerseits islamisch geprägt und der arabischen Welt verpflichtet, sucht es andererseits die Nähe zu Europa. Einer der Versuche, sich europäischen Ideen anzunähern, ist die mehrfache und erfolgreiche Teilnahme am Eurovision Songcontest, der alljährlichen Europameisterschaft im Singen. 2011 gewann Aserbaidschan den Wettbewerb, 2012 richtete Baku das Event aus. Weit entfernt von einer Europäisierung der musikalischen Werte ist glücklicherweise das Album "Azerbaijani Love Songs" dass das italienische Worldmusiclabel Felmay zusammengestellt hat. Ein paar der leidenschaftlichsten und populärsten traditionellen Liebeslieder des Landes sind auf dieser CD zu hören. Die Lieder geben auf ihre einzigartige Weise verschiedene emotionale Nuancen der Liebeswerbung wieder. Von der Bewunderung des/der Geliebten, der Erwartung, vom hoffnungsvollen Glück, bis zum Trennungsschmerz und der Unerträglichkeit der Einsamkeit. Die Lieder kommen aus den unterschiedlichen Regionen des Landes, aus den Bergen des Kaukasus, die dem Leben ohnehin schon viel abverlangen, bis hinab zu den goldenen Stränden des Kaspischen Meeres, wo die Sonne die Herzen verzaubert. Die Melodien zeigen wie tief verwurzelt die Kultur Aserbaidschans im Orient ist.
© Karsten Rube


Don & Giovannis "Dolce Vita"
PP Records, 2014

Artist Video

www.dongiovannis.ch

Crossover findet heute in beinahe jedem Musikgenre statt. Nur ganz wenige Richtungen lehnen diese "Verwässerung" ab. Was zwischen den meisten Musikstilen bei Pop- und Weltmusik selbstverständlich ist und meist harmonisch gelingt, ist bei der Verbindung zwischen Klassik und Unterhaltung lange nicht so selbstverständlich. Zwar gibt es da heute auch größere Schnittstellen, doch scheint es wesentlich schwieriger zu sein, selbstverständliche Harmonien herzustellen. Ein Versuch unternimmt der Österreicher Andreas Winkler. Der Tenor mit italienischen Wurzeln gibt am Züricher Opernhaus derzeit den Scaramuccio in der Aufführung der Adriane auf Naxos. Er ist ein erfahrener Operntenor und Gesangslehrer. Die ihn begleitenden Musiker sind allesamt Spezialisten an ihren Instrumenten, kennen sich im Gipsy-Swing, im Jazz, in Weltmusik und Folklore aus. An der musikalischen Qualität kann es also nicht liegen, dass das Album schwer zugänglich ist. Der Gesang von Winkler ist schön, weich, fliegt in wunderbare Höhen, die Instrumentierung durch Akkordeon, Saxophon, Bass und Gitarre ist leicht und beschwingt und der liebenswerten Stimme der Gastsängerin Celine Rudolph kann man sich ohnehin nur entziehen, wenn man vollkommen taub ist. Und trotzdem - sobald die leichte Musik dieser wie eine sympathische Straßenkapelle wirkenden Gruppe mit der kunstgeschwängerten Stimme des Tenors aneinandergerät, wirkt die Musik schwer und schleppend. Vielleicht ist es auch die Mischung. Wenn die Opernarien von Puccini, Verdi und Rossini - alles Popsongs der vergangenen Jahrhunderte - auf Sintiswing, Tango und Reggae treffen, will bei mir keine rechte Harmonie eintreten. Ausnahmen machen da lediglich "Lascia ch'io pianga" ein Stück von Händel, das musikalisch klassischer angelegt ist, als beispielsweise das Lied "Ebben" von Alfredo Catalani. Hier will nichts zusammenpassen, am allerwenigsten der Gesang von Franca Masu, die etwas tut, was sie nicht nötig hat: sie überschreit den Tenor und gerät ins Plärren. Die zweite positive Ausnahme ist das Duett mit Celine Rudolph. Ich will nicht ausschließen, dass diese CD nur für meine Ohren wenig Erfreuliches bietet. Aber wenn einem etwas in den Ohren beißt, sollte man nicht unbedingt so tun, als würde man sich drüber freuen.
© Karsten Rube


Buda Folk Band "Magyar Világi Népzene"
Fonó, 2014

English CD Review

www.budafolkband.hu

In der urbanen wie in der ländlichen Kultur Ungarns spielt die Volksmusik eine beachtliche Rolle. Selbst die moderne Stadt Budapest hält an vielen Ecken Überraschungen bereit, die auf traditionelle Musik verweisen und das nicht nur, um den Touristen möglichst authentisch zu kommen. Eine der angesagtesten Tanzkapellen Ungarns ist die Buda Folk Band. "Magyar Világi Népzene" heißt ihr vorliegendes mitreißendes Album. Mit dem traditionellen Instrumentarium ungarischer Musik wie Zymbal und Akkordeon, sowie Geige und Gesang mischen sie die ungarische Folkszene auf. Sie bringen moderne Arrangements in die Folkmusik, ohne die alten Melodien zu verfälschen. Mit Tempo und Witz spulen sie ein energiegeladenes Programm ab, das ihnen bereits eine vordere Platzierung in den Worldmusik-Charts gebracht hat. Ungarns Folkmusiker scheinen derzeit aus dem Dornröschenschlaf aufzuwachen. Seit Marta Sebestyens Band Muzsikás kamen nur vereinzelt Künstler zum Vorschein, die über ihre Heimat hinaus für Furore sorgten. Laiko Felix war der letzte Zaubergeiger, der zu erwähnen ist. Mit der Buda Folk Band tritt nun ein weiteres bemerkenswertes ungarisches Folkensemble ins Licht.
© Karsten Rube


Barbo "Résistance"
La Prûche Libre, 2013

www.bandpage.com

Die drei Folkmusiker aus Quebec Véronique Plasse, Jean Desrochers und William Turcotte verbindet seit Jahren die Leidenschaft für die traditionelle Musik ihrer Heimat. Und die ist sehr reich an Melodien, Facetten und Einflüssen verschiedener Einwanderkulturen. Unter dem Bandnamen Barbo fanden sie sich 2010 zusammen. 2013 veröffentlichten die Drei ihr erstes gemeinsames Album "Résistance". Wer des Französischen ein wenig mächtig ist, erkennt den Begriff Widerstand hinter dem Namen. Welcher Art Widerstand Barbo damit meint, ist nicht erklärt, denn die Musik der CD surft auf der Welle erfolgreicher neuer kanadischer Folkmusik. Gegenüber dem Pop bleibt man in der Weltmusik immer in einer eigenen Nische - aber das ist auch ganz in Ordnung. Die Musik Quebecs besitzt ohnehin ein sehr selbstbewusstes Auftreten. Wie auch immer man mit dem Albumtitel umgehen will, die Musik der jungen Band ist frisch, frech und fröhlich. Traditionellen Melodien verpassen sie einen modernen folkigen Anstrich. Ihre Arrangements leben nicht vom Wiederkäuen alter Weisen, sondern von einer lebendigen Neuinterpretation. Ein paar schöne Eigenkompositionen sind darunter, aber auch Folkstandards, wie "Moustache", ein quebecoiser Folklorehit, den wohl bereits jede Folkband des Landes gespielt hat. Véronique Plasse agiert mit einer klaren und sicheren Stimme sowie einer agilen Fiddle. Jean Desrochers steuert Gitarre, Mandoline, Banjo und Gesang bei und Guillaume Turcotte spielt nicht nur Piano und Flöte, sondern ist außerdem für die in Quebec typische Fußperkussion verantwortlich. "Résistance" ist ein weiterer angenehm frischer Wind, der aus Quebec durch die Folkszene bläst.
© Karsten Rube


Lars und Timpe "Schiet op La Paloma"
Regenbogenmusik, 2013

www.larsundtimpe.de

Es passiert ja öfter mal, dass man erdigen Blues nur schwer versteht. Im Fall der Bluesplatte von Lars und Timpe liegt das daran, dass sie Blues auf Platt singen. Da muss man schon ziemlich gut hinhören, um zu ahnen, worum es geht. Lars-Luis Linek und Wolfgang Timpe sind gestandene Vollblutmusiker, die vom Werbespot, über Deutschlands Schlagerstars bis hin zur Sendung mit der Maus schon so ziemlich allen ihre musikalischen Dienste anbieten konnten. Irgendwann gerieten die beiden Hamburger aneinander und verstanden sofort, dass sie von nun an wirklich Wichtiges zu produzieren hatten: norddeutschen Bluesrock in Mundart. "Schiet op La Paloma" ist das Ergebnis. Auf diesem Album lassen sie es krachen, sie gehen auf eine energische Weise aus sich heraus, wie es nur die Norddeutschen können, wenn man sie erstmal ernsthaft entfesselt hat. Dann kann ihnen kein Wind und Wetter was vormachen, sie toben selber los. "Schiet op La Paloma" ist ein vorzügliches, rotziges Bluesalbum, musikalisch, ebenso wie textlich, wenn man dann begriffen hat, was da gesungen wird. Da geht es um das Leben in der Großstadt, darum, wie diese nerven kann. Auch geht es um verflossene Liebe und natürlich um all die Themen, die die Waterkant so bewegen, wie z. B. die Heimatverbundenheit an der Küste. Gitarre, Mundharmonika und zwei kräftige Stimmen, die wissen, wie man den Blues rüberbringt, mehr braucht es nicht für eine drei viertel Stunde bester Unterhaltung.
© Karsten Rube


Franca Masu "Almablava"
Felmay, 2013

www.francamasu.com

Man kann ja auf den ersten Gedanken hereinfallen und glauben Sardinien ist eine italienische Insel. Aber mit den kulturellen Einflüssen und der Geschichte ist das so eine Sache. Franca Masu ist eine Sängerin aus Alghero an der Westküste Sardiniens. Ein kurzer Blick auf die Karte genügt und man sieht, dass der Blick von diesem Ort westwärts übers Meer direkt nach Barcelona reicht. In Alghero hat sich die katalanische Sprache als Dialekt erhalten und Klein-Barcelona nennt nicht nur Franca Masu ihre Stadt. So lässt sich vielleicht besser verstehen, dass ihre neue CD "Almablava" so wenig nach Italien, doch so sehr nach der Musik der Iberischen Halbinsel klingt. "Almablava" lebt von der großen Emotion des spanischen Liedes, von der Leidenschaft des andalusischen Flamencos, von der Sehnsucht des portugiesischen Fados und von der Melancholie der Kapverden. "Vida" ist das große, sehnsuchtsvolle Chanson der CD, "La Rosa Blanca" das andalusische Liebeslied. "Un Tango", begleitet von Fausto Becaclossi am Akkordeon, richtet den Blick bis an den Rio de la Plata. Die wunderbare Stimme der Sängerin, die sie hier mit gezügelter Leidenschaft und viel Schmelz einsetzt, umschmeichelt den Hörer schnell. Eine leichte Jazznote umweht die Kompositionen und versetzt sie in eine Stimmung, die an Abendluft, letzte verschwimmende Sonnenstrahlen und Lichter einer Hafenstadt denken lassen. "Almablava" schaut mit melancholischer Hoffnung in die Ferne. Und kehrt zum Ende der CD mit der großen Leidenschaft eines Flamencos zurück. Franca Masus Album "Almablava" ist voller Intimität und zugleich voller emotionaler Wucht.
© Karsten Rube


Sigrid Moldestad "Brevet til kjærleiken"
Heilo, 2014

www.sigridmoldestad.net

Jedes Land hat seine Heimatdichter. Jan-Magnus Brunheim gehört zu den Dichtern, die für Norwegen eine besondere Bedeutung besitzen, denn seine Gedichte, seine Kinderbücher, seine Romane beschäftigen sich vor allem mit dem Leben an der Küste seines Landes. Zum 100. Geburtstag des Dichters hat sich die norwegische Folkmusikerin Sigrid Moldestad an ein paar Texte Jan-Magnus Brunheims gewagt und sie sehr sensibel vertont. "Brevet til kjærleiken" (Briefe an die Liebe) ist das vierte Soloalbum von Moldestad. Suchte man auf den vorherigen Alben der Künstlerin lautere Töne vergeblich, wagt sie auf dieser CD einige Schritte hin zu moderneren Arrangements. So hört man neben ihrer Folkfiddle oft auch E-Gitarre und treibende Perkussion. Manche Songs weisen einen deutlichen Trend zur Countrymusik auf. Andere sind fest mit der Folklore Norwegens verbunden. Der tiefe Ernst, den die Künstlerin den Texten Brunheims bescheinigt, durchzieht die Lieder mit feiner Melancholie.Traurigkeit wechselt ganz unvermittelt ins Begreifen von Schönheit. Diesen Umschwung glaubhaft vorzutragen, ist die große Kunst Sigrid Moldestads auf diesem wunderschönen Album. Auch wenn ich kein Wort Norwegisch verstehe, vermag sie mit ihrem Gesang und den harmonischen Arrangements eine Stimmung zu erzeugen, die den Texten Brunheims sicher gerecht wird.
© Karsten Rube


Echo vom Locherguet "Musik aus der Schweiz"
Narrenschiff, 2014

www.locherguet.ch

Die Schweiz hat nicht nur Berge, sondern auch Hochhäuser. Das Locherguet-Viertel ist in etwa so attraktiv, wie das Märkische Viertel in Berlin. Ein großer Neubaukomplex mit reichlich Problempotenzial niten in Zürich. Dass man in einem Haus sitzt und traditionelle Musik aus der Schweiz spielt, während man sich die Fassade des Betonberges betrachtet, klingt irgendwie nicht nach Heidi. Trotzdem haben sich ein paar Musikliebhaber aus den Landregionen, die es irgendwie in die Stadt Zürich verschlug, ganz diese Aussicht genießend, auf die alten Weisen des Alpenlandes besonnen. Echo vom Locherguet nennen sich die Enthusiasten und auf ihrer CD bringen sie die Musik aus verschiedenen Kantonen und Regionen zum Klingen. Polka, Walzer, Marsch aus dem Jura, dem Wallis, dem Bünderland spielen sie und benutzen dazu alles an Instrumenten, was die lila Kuh zum Milchgeben anregt. Da hört man Hackbrett, Schalmei, Kerbflöte, Tuba, Geige und die Schwyzerörgely (diatonisches Akkordeon). Aber auch ein Charango haben sie im Gepäck. Das kommt zwar aus den Anden, aber so anders ist das Gebirge in Südamerika auch nicht. Schließlich unterhält man sich auch dort in verschiedenen Gegenden jodelnderweise. Die Musik auf dem Album ist unterhaltsam, manchmal bedächtig, manchmal aber lassen sie es auch volkstümlich krachen. Ein gelungener Einblick in die Volksmusik der Schweiz ist das Album vom Locherguet allemal geworden.
© Karsten Rube


Doppelbock "Wyt drüberuus"
Narrenschiff, 2012

www.doppelbock.ch

Denkt man oberflächlich an Schweizer Volksmusik, fallen einem zuerst Jodelworkshop und Gastspiele beim Musikantenstadl ein. Zu sehr wurde die Musik der Schweiz in den letzten Jahren nicht ernsthaft wahrgenommen. In der Zwischenzeit haben sich dort allerdings einige ausgezeichnete Musiker der Heimatmelodien angenommen. Doppelbock ist ein Schweizer Musikprojekt um die Künstlerin Christine Lauterburg. Besonders bekannt ist die Musikerin auf Grund ihres modernen Umgangs mit dem Gesang und dem Jodeln. Die CD "Wyt drüberuus" überschreitet die Grenzen der volkstümlichen Musik der Schweiz und verwandelt sie mit ihrer Mischung aus modernen Arrangements und traditioneller Melodieführung in eine Alpenvariante der Weltmusik. Beispielsweise verbindet Doppelbock in dem alten Lied "Menuett Ska" aus dem Jahre 1804 Klassik und Alpenfolklore mit Karibik. Die Blockflöten der Elisabeth Sulser vermögen es immer wieder eine barocke Stimmung zu erzeugen, während das hervorragend gespielte diatonische Akkordeon von Simon Dettwiller, das in der Schweiz als Schwyzerörgeli bezeichnet wird, zum Tanz auffordert. Die Drums geben einen treibenden Rhythmus vor, während verschiedene Dudelsäcke wiederum für die Folkkomponente sorgen. "Wyt drüberuus" ist als Titel maßgebend. Die Musik auf diesem anregenden Weltmusikalbum geht weit über die heimischen Schweizer Gipfel hinaus.
© Karsten Rube


Volxtanz "Welcome to the Gardens"
Commode Records, 2013

www.volxtanz.com

Was den Berlinern SEEED ist den Stuttgartern Volxtanz. Die bläserorientierte Partyband hat gerade ihr Album "Welcome to the Gardens" herausgebracht auf dem sie beweisen, dass Speedfolk und Hochleistungsbrass nicht unbedingt nur qualitätsarmer Krawall sein müssen. Mit ungeheurer Energie lässt vor allem die Bläsersektion musikalische Genregrenzen verschwimmen. Afropop und Balkanbrass wechseln dabei ebenso schnell die Stellung, wie Soul und Jazz. Dazu streuen sie gelungen gereimte Hip-Hop Gedichte in die Songs. Auf technisch ausgefeilte Weise lässt Volxtanz Partystimmung aufkommen, bei der man nicht nur flippig tanzen muss, sondern ganz nebenbei das spielerische Vermögen der Band bewundern sollte. Besonderes Highlight auf der CD ist für mich das Schlusslied "Exit the Volx". Das fängt wie ein Balkanbrass an, läuft dann über Hip-Hop mit Skaeinflüssen langsam zu einer großartigen Bigband-Jazznummer mit avantgardistischer Note aus. "Welcome to the Gardens" ist ein Album, bei dem man sich festhalten sollte. Sonst springt man im Kreis.
© Karsten Rube


Bubamara Brass Band "Balkanteka"
Sketis Musik, 2013

www.bubamarabrass.ru

Den Balkanbrass gibt es in den Gebieten des Gebirgszuges in Südosteuropa bereits seit über hundert Jahren. Doch erst seit der musikalischen Globalisierung und vor allem seit der legendären Zusammenarbeit zwischen dem serbischen Regisseur Emir Kustorica und dem serbo-kroatischen Musiker Goran Bregovic hat die Blasmusik vom Balkan bei einem größeren Publikum an Interesse gewonnen. Zahllose Bands vertreten heute diesen Musikstil und noch mehr Bands bedienen sich des Balkanbrass', um mit ihm entweder musikalisches Crossover zu fabrizieren oder einfach nur Krach zu machen. Die Bubamara Brass Band aus Russland veröffentlicht mit der CD "Balkanteka" so etwas wie den Balkanbrass der reinen Schule. Aleksandar Kashtanov hat die meisten Songs der CD selbst geschrieben, alle auf die traditionelle Weise, wie sie auch in Serbien gespielt werden. Ein paar Lieder sind sehr melancholisch, wie etwa das Schlusslied "Zajdi Jasno Sonce". Doch die meiste Zeit lässt der Bandleader seinen Bläsern ordentlich Raum zum Pusten. Als Gast unterstützt die Band auf dem Album "Balkanteka" der serbische Trompeter Marko Markovic.
© Karsten Rube


Ahlberg, Ek & Roswall "Näktergalen"
Westpark Musik, 2014

www.ahlbergekroswall.se

Musik aus Nordschweden, aus der historischen Region Medelpad hören wir auf der CD "Näktergalen" des Folktrios Ahlberg, Ek und Roswall. Die Songs der drei Musiker bewegen sich zwischen Klassik und traditionellem Liedgut. Mit ungewöhnlichen Instrumenten, wie einer alten Violine, einer Harfengitarre und einer Nickelharpa interpretieren sie Tänze aus der Region und erzählen damit Geschichten aus dem Leben und der Vergangenheit des Medelpad. Es sind vor allem die Polskas und Walzer, die man in der Region tanzt. Die Tänze sind beschwingt und leicht, aber selten ausgelassen und wild. "Näktergalen" zeigt die reiche Musiktradition des Landes auf beruhigte und unspektakuläre Weise und ist vielleicht gerade deshalb eines der Alben, das tief in die Seele des Hörers zu dringen vermag.
© Karsten Rube


Fairytale "Forest of Summer"
Magic Mile Music, 2015

Artist Video

www.fairytale-folkmusic.de

Um den Nachwuchs in der Mystic-Music muss man sich derzeit keine Sorgen machen. Neo-Romantik voll mystischer Themen in Verbindung mit einer naturverbundenen Lebensweise liegt bei jüngeren Leuten deutlich im Trend. Nicht umsonst schwärmen viele junge Erwachsene von fantasydurchtränkten Liebesgeschichten mit veganen Snacks und gelegentlicher Baumumarmung. Passend dazu liefert die junge Gruppe Fairytale den Soundtrack. Ihr Debüt-Album "Forest of Summer" ist entspannter Mystic-Pop mit keltischer Note. Die beiden Damen Laura Isabel und Berit Coenders verzaubern mit wohlgefälligem Gesang. Berit spielt dazu gekonnt Violine und kann besonders mit ihrem professionellen Spiel den Hörer in Bann schlagen. Ruth Meisingers ergänzt die Lieder mit dezentem Cellospiel, das die neoromantische Stimmung wunderbar unterstreicht. Für den etwas poppigen Einschlag sorgt Oliver Oppermann mit der Gitarre. Er hat auch die meisten Texte des Albums beigesteuert. In den bewegteren Songs des Albums denkt man schnell mal an die Musik der Corrs. Die zwölf Songs besitzen eine unterhaltsame Note mit Hang zu sphärischen Wohlfühlharmonien. "Forest of Summer" ist besonders wegen seiner instrumentalen Umsetzung ein ganz angenehm anzuhörendes Debütalbum.
© Karsten Rube


Federspiel "Live im Wiener Musikverein"
Feder-Records, 2014

Artist Video

www.feder-spiel.at

Blasmusik ist Weltmusik. In fast jeder Kultur hat sich irgendwann irgendwer irgendein Rohr an die Lippen gesetzt und reingehupt. Im Laufe der Jahrhunderte sind unterschiedliche und meist sehr laute Instrumente daraus geworden. In Europa besitzt die Blasmusik häufig einen biederen Anstrich. Volkstümlichkeit und Kirchenmusik sind die ersten Assoziationen, die einem dazu durch den Kopf gehen. Dort spielt die Blasmusik eine große Rolle, doch man sollte sie nicht darauf begrenzen. In jüngerer Zeit machen immer mal wieder Bands deutlich, dass Blasmusik ziemlich cool sein kann. Nicht nur LaBrassBanda bewies, das Blaskapellen Popkultur sein können. Eine Blaskapelle von bewundernswertem Abwechslungsreichtum ist Federspiel aus Österreich. Zum zehnten Jahrestag des Bandbestehens haben sie im Wiener Musikverein ein Konzert gegeben, das nun als Album vorliegt. Die ganze Vielfalt der Blasmusik, die Federspiel in allen Facetten beherrscht, hat die Kapelle bei diesem Konzert zum Besten gegeben. So beginnt sie pompös, als spielte sie einen Soundtrack zu einem epischen Science-Fiction und feuern den Hörern kurz danach die schnellen Stakatos des Balkenbrass‘ um die Ohren. Später machen sie aus einem Volkslied eine gesangliche Posse, jodeln und polkan durch die Halle. Csardas und Mazurka sind ihnen ebenso wenig fremd wie Mariachi und Marsch. Die Musik von Federspiel kommt einer musikalischen Blechlawine gleich, die den Hörer kurzerhand überrollt. Doch nicht immer erweisen sich die Musiker aus Krems als ungestüm. Auch leisere Klänge voller wunderbarer Harmonien bringen sie mit ihren Blasinstrumenten hervor, wovon besonders die Komposition "Spiegelungen" zeugt. Federspiel beweist sehr eindrücklich, dass Blasmusik nicht in eine dunkle Ecke der Volksmusik gehört, sondern eine facettenreiche Form der Weltmusik ist.
© Karsten Rube


Tim Köhler "also:"
backyard Studio, 2013

www.tim-köhler.net

Kreativität ist oft nichts anderes als das öffentliche Ausbreiten der eigenen Befindlichkeiten. Wer nicht gerade als politischer Liedermacher auf gesellschaftliche Strukturen eindrischt, der versucht mit Liedern die eigene Gefühlswelt zu ordnen. Liedermacher sind also zu allererst damit beschäftigt, sich selbst zu therapieren. Da Liedermacher keine Inseln sind, treffen sie häufig den Nerv derjenigen, die ähnlich fühlen. Tim Köhler spielt eigentlich in einer Funk-Band. Doch neuerdings sind ihm die leisen Töne wichtiger. Seine CD "also:" will ihm die Tür zur Veröffentlichung seiner Innerlichkeit aufhalten. So greift er auf das Klavier zurück, dem er die dunklen Moll-Akkorde entlockt, die seiner Stimmung zuträglich sind. Tief blickt er in die aufgewühlte eigene Seele und legt sie bloß. Keine Masken, keine falschen Spiele, keine Lebenslügen hören wir von ihm, sondern nackte Ehrlichkeit. Das schmerzt immer dann, wenn man feststellt, dass er, auch wenn er von sich selbst spricht, den Zuhörer am eigenen wunden Punkt erwischt. Schwer ist es, sich zu verschließen und über ihn hinweg zu hören. Seiner rauen, oft gebrochene Stimme, seinen schwermütigen Songs gelingt es aber nie, Mutlosigkeit zu verbreiten. Köhler ist ein Liedermacher für die seltenen Momente der unverlogenen Einkehr.
© Karsten Rube


Richard Bargel "It's Crap!"
Meyer Records, 2014

www.richardbargel.de

Abseits gängiger Bluesklischees produzierte der deutsche Musiker Richard Bergel sein neues Album »It’s crap!«. Nach der Auflösung der vorherigen Band "Men in Blues" stellte Bargel eine neue Gruppe zusammen, die sich Dead Slow Stampede nennt. In den zwölf meist leisen Bluessongs der CD sieht sich Bargel in seiner Umwelt um und betrachtet kopfschüttelnd die Manieren seiner Mitmenschen. Er singt Lieder darüber, dass alles nach Billigkeit giert, aber Qualitätsmangel beklagt. Er bedauert eine zerbrochene Freundschaft und amüsiert sich über die in den Medien immer beliebter werdenden Formate mit möglichst bildungsresistenten Protagonisten. Richtig los legt Bargel beim Song "Devil's Bar-B-Que" in dem er davor warnt, sich jeder Versuchung hinzugeben, die gerade auftaucht. Ein bisschen Zurückhaltung empfiehlt er jedem, der nicht auf des Teufels Grill landen will. Bargel fährt nicht die erdenschwere Bluesschiene, nicht den Blues der Verzweiflung, sondern betrachtet seinen Blues als Mittel zum Erzählen von Geschichten aus dem Leben. Und das hat, wenn man so aufmerksam in die Runde schaut wie Richard Bargel, seine düsteren, aber oft auch seine witzigen Momente.
© Karsten Rube


Jodymoon "The Life you never planned on"
G-Records, 2013

www.jodymoon.com

Aus Holland kamen in den letzten Jahren erstaunliche musikalische Ideen mit Americanageschmack. Ich erinnere an The Common Linnets die mit qualitativ hochwertigem Western-Folk den zweiten Platz des Eurovision Contest 2014 errangen. Auch die Sängerin und Pianistin Digna Janssen und der mit ihr agierende Multiinstrumentalist Johan Smeets bringen Klassik, Americana und den Folk der Songwriter in einem sehr stimmigen Paket unter. Selbst eine Nuance Pop findet sich darunter, dezent genug um an die von schlichter Brillanz gestalteten Songs Beth Nielsen-Chapmans zu erinnern. Klavier und Banjo bekommen oft Unterstützung von Cello und Violine, was zu interessanten Klangmustern führt. Sehr gelungen ist der Song "City Lights", der beginnend mit tiefen Streichern und dem sich anschließenden Gitarrenspiel eine einsame Stimmung, wie am Rande einer kalten Steppe aufbaut und dann allmählich eine beängstigende, beinahe bedrohliche Form annimmt. Ebenfalls von beeindruckender musikalischer Schönheit ist "Money in your Pockets" und das kurze Streichersolo "Clouds". Die Musik auf "The Life you never planned on" ist nicht immer gefällig, manchmal sogar kantig. Doch abwechslungs- und vor allem ideenreich ist das Album vom ersten bis zum letzten Ton.
© Karsten Rube


Wenzel "Viva la Poesia"
Matrosenblau, 2014

Artist Video

www.wenzel-im-netz.de

Die wievielte CD „Viva la Poesia“ im Gesamtwerk Hans-Eckardt Wenzels ist, wird man vermutlich auch bei peniblem Nachzählen kaum eindeutig herausbekommen. Der Songpoet, Liedermacher, Clown, Autor, Regisseur, kurz der Tausendsassa des deutschen Liedguts, kann nur innehalten um Neues zu ersinnen. Jemand wie Wenzel findet auch auf Reisen keine Ruhe. Eine Tournee führte ihn nach Mittelamerika und Kuba. Und wie so viele, die sich von südlicher Sonne, dem Leben und Leben lassen in fremden Kulturen inspirieren ließen, kam auch er mit neuen Liedern im Gepäck wieder nach Hause. Wer jetzt denkt, Wenzel legt sich jetzt eine Rassel zu und macht auch mal auf Weltmusik, kann sich getrost enttäuschen lassen. Zwar bleibt er von der Musik und der Stimmung der Karibik nicht unbeeinflusst, aber Wenzel wäre nicht Wenzel, wenn er dies nicht in eine eigene Form der Darstellung bringen würde. „Viva la Poesia“ ist nur ein bisschen Buena Wenzel Social Club geworden. Aber die Entdeckung der Langsamkeit tut der Musik gut. Das Album wirkt wie ein Bilderbuch seiner Gedanken, Empfindungen und Erlebnisse, gepaart mit einem Schuss karibischer Leichtigkeit und kubanischer Melancholie. Wenzel bleibt in der Fremde selbst dann noch heimatverbunden, wenn er mit karibischem Rhythmus singt, wie sehr er sich freut, dass das „Vaterland so Ferne ist.“ Das ironische Lied „Ich hab mein Vaterland so gerne“ hat einen sympathisch albernen Anstrich, besonders bei Wenzels Rap-Einlage, die so klingt, als würde Sid, das Faultier ein Gedicht aufsagen. Die Stimmung auf dem Album ist entspannt, warm und versöhnlich. Deutlich zu hören beim Lied „In der Nacht von Santa Clara“. Das Leben in Kuba in Erwartung einer Veränderung, die wohl keine Revolution sein wird, beschreibt der Sänger sehr bildreich in Lied „Havana wartet“. In „Der Schönste Tag“ kreist die Welt, wie immer sehr poetisch, um Wenzels persönlichen Mittelpunkt – Wenzel. Der Einstieg des Albums ist der bissige Ausreißer auf der CD. „Halte dich von den Siegern fern“ listet eine ganze Menge Dinge auf, die aus Wenzel Sicht das Leben unnötig erschweren. Dabei bezieht er sich hauptsächlich auf Deutschland, kann aber Parallelen zu seinem Gastland Kuba nicht ganz unterdrücken. Seinem bildungsnahen Zielpublikum, macht es der preisverwöhnte Barde indes nicht wirklich leicht. Der Typ raucht. Öffentlich. Bildbeweise gibt es zu Hauf im Netz. Theoretisch müsste er beim klassischen Freund der Liedermacher, dem aufgebracht die Verbesserung des Menschen nach eigenem Vorbild einfordernden Bürgerinitiativisten unten durch sein. Ist er aber nicht. Bei Statements, die im „Gruppenbild mit Protestnote“ enden, findet man ihn selten. Statements gibt er lieber selber ab. Die fallen auf „Viva la Poesia“ deutlich harmonischer aus, klingen aber immer noch eindeutig nach Wenzel.
© Karsten Rube


Gankino Circus "Franconian Boogaloo"
Beste Unterhaltung, 2014

www.gankinocircus.de

Volksmusik für das neue Jahrtausend, so etwa kann man die Musik der fränkischen Band Gankino Circus zusammenfassen. Die Musiker aus dem beschaulichen Marktflecken Dietenhofen in der Metropolenregion Nürnberg haben sich ihre Anregungen in den Tanzschuppen von Belgrad, Sofia und Kiew geholt und munter in den fränkischen Traditionsfluss gekippt. "Franconian Boogaloo" ist die fränkische Antwort auf die Russendisco. Polka-Ska mit bayrischen Roots und Balkanbrass. Der Spaß an den Songs, die seltsame kleine Geschichten erzählen oder einfach nur albern sind, ist der Band über die volle Länge des Albums anzuhören. Und musikalisch geht das Album gewaltig in die Hüften.
© Karsten Rube


Eva Billisich "Steig ein in mei Bluatbahn"
Eiffelbaum Records, 2013

www.billisich.at

Die Schauspielerin Eva Billisich beschreibt auf ihrem Album "Steig ein in mei Bluatbahn" den Alltagswahnsinn der Gegenwart. Der scheint in Wien nicht anders auszusehen, als anderswo, nur dass er auf wienerisch klingt, als wäre da etwas zu viel Koffein in der Blutbahn. Mit Hektik, Überforderung, Lebensplanungen, die aus dem Ruder laufen, kurz mit all den Themen, die dafür sorgen, dass man einen modischen Burnout durch die Stadt trägt, füllt die Schauspielerin eine gute Stunde CD-Material. Das packt sie mal in bluesähnliche Klänge, was den sorgenvollen Texten am nächsten kommt, ist manchmal leicht angerockt, was gewissen Aggressionen Vorschub leistet, wird aber fast immer mit Wiener Schmäh übergossen, was die ganze Sache auch noch gefühlsduselig macht. Wenn Depression die neue Volkskrankheit ist, dann ist "Steig ein in mei Bluatbahn" die dazugehörige Volksmusik.
© Karsten Rube


Amparo Sanchez "Espiritu del Sol"
World Village, 2014

www.amparosanchez.info

Die Zeiten, in denen Amparo Sanchez mit der Gruppe Amparanoia für Furore sorgte, liegen bereits einige Jahre zurück.[38] Seit sie die erfolgreiche Band auflöste, versucht sie sich ebenfalls recht erfolgreich als Solosängerin. Nach dem Album "Alma de Cantaora",[50] das Kritiker zum reifsten zählten, was die Frau bisher geschrieben hat, veröffentlichte sie nun "Espiritu del Sol". Schwer wird es fallen, die überschwängliche Kritik des Vorgängeralbums zu überbieten. Doch, Amparo Sanchez hat sich musikalisch nicht zurückentwickelt. Im Gegenteil. Die warme Stimme der Sängerin paart sich mit Latinklängen von Rumba bis Reggae, tanzt sich durch den heimischen Bolero und findet, dass sich Rap und Mariachibläser gut vertragen. Den deutlichen Tex-Mex-Anteil hat die Platte den Musikern von Calexico zu verdanken, die sich bei Amparo Sanchez komplett als Studioband für die Produktion des Albums verdingt haben. Amparo Sanchez kann das ganz große Pathos verbreiten, schmalzig, schnulzig und uferlos, wie sie im Lied "No pude ser" und in der Mariachinummer "El ultimo trago" beweist. Doch auch die Lockerheit eines verqualmten Reggaes, wie in "Rio Turbio" zu hören ist, gelingt ihr bestens. Das Album schließt harmonisch mit einer Coverversion des Manu Negra Songs "Long Long Night" ab.
© Karsten Rube



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