FolkWorld #71: Internationales Klezmer Festival Fürth 2020

Das 17. Internationale Klezmer Festival Fürth findet statt, sagt aber aufgrund der in kürzester Zeit gestiegenen Zahl von Corona-Virus-Verdachtsfällen in Deutschland Einzelveranstaltungen ab. Dies betrifft das vielgeliebte Boarisch-Jiddische Danzl-Hoyz (Samstag, 7. März um 19.30 Uhr), bei dem nach Einschätzung des zuständigen Gesundheitsamtes und der Corona-Virus-Koordinierungsgruppe der Stadt Fürth ein erhöhtes Weitergaberisiko aufgrund der hohen Interaktion der Teilnehmenden besteht. Aufgrund der kurzfristigen Änderung der Einreisebestimmungen durch die israelischen Behörden haben sich auch für die teilnehmenden israelischen Bands Änderungen ergeben. Sie müssten sich nach ihrer Rückkehr aus Deutschland in Israel in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Aus diesem Grund werden die Konzerte der israelischen Bands Yamma Ensemble (12.3.2020, 19.30 Uhr), Victoria Hanna (12.3.2020, 22 Uhr) und Jewish Monkeys (13.3.2020, 22 Uhr) ebenfalls abgesagt. Bereits erworbene Eintrittskarten können an den Kartenverkaufsstellen, an denen sie gekauft wurden, zurückgegeben werden.

Alles töfte!?

Das Internationale Klezmer Festival Fürth gehört zu den großen Klezmer Festivals in Europa. Seit mehr als 30 Jahren trifft sich hier die internationale Klezmer-Szene. Mehr als 100 Musiker/-innen aus den USA, Kanada, Frankreich, den Niederlanden, der Schweiz, Israel und aus anderen deutschen Städten sind vom 6. bis zum 15. März 2020 in Fürth zu Gast.

Mit der 17. Ausgabe des Festivals, die mit der neuen Kulturamtsleiterin Gerti Köhn erstmals unter dem Motto „Alles töfte!?“ steht, fragen wir, wie wir in der Gesellschaft mit Antisemitismus und Rassismus umgehen. Über 400 Jahre lang war Fürth eine der größten jüdischen Gemeinden in Süddeutschland. Im Nationalsozialismus flüchteten über 3000 jüdische Fürther/-innen oder wurden ermordet. Inzwischen ist in Deutschland wieder jüdisches Leben präsent und auch in Fürth hat sich eine Gemeinde etabliert.

Doch antisemitische Einstellungen sind in unserer Gesellschaft nach wie vor existent, sie sind Grundlage für judenfeindliche Hetze im Internet und Gewalt gegen Juden auf der Straße. In der Öffentlichkeit verstärkt diskutiert wird dabei die Rolle von Rap-Musik: Lässt sich überhaupt von „der“ einen Rap-Szene sprechen, inwiefern werden antisemitische Vorstellungen und Codes transportiert und welchen Einfluss haben sie? Mit dem jüdischen Rapper Ben Salomo, der sich anlässlich der Echo-Preisverleihung an Kollegah und Farid Bang aus der Szene zurückgezogen hat, sprechen wir darüber.

Außer Frage steht, dass die Musiker/-innen, die dieses Festival beleben, richtig „töfte!“ sind. Mit musikalischer Exzellenz und enormer Spielfreude tragen sie dazu bei, Vorurteile abzubauen. Sie sind offen für Neues, entwickeln die Musik permanent weiter, indem sie Verbindungen eingehen mit anderen Musikstilen und Kulturen. So ist das Internationale Klezmer Festival Fürth längst ein Spiegel aktueller jüdischer Musik.

Ein umfangreiches Rahmenprogramm lädt ein, die vielseitige jüdische Kultur kennenzulernen, sei es in Führungen durch die jüdische Geschichte Fürths oder zu den Purim-Gebräuchen jüdischer Gemeinden oder in Filmen.

Das Internationale Klezmer Festival Fürth eröffnet in diesem Jahr mit einem Start-Tusch samt Parade für alle: Vom Balkon des Rathauses geht’s im viel geliebten Marchin‘ Klezmer über die Gustavstraße direkt ins Festivalzentrum Kulturforum. Zum Mitlaufen, Mittanzen, Mitklatschen! Bekanntermaßen kann bei den ausgelassenen Brass-Klängen der Klezmaniaxx sowieso niemand lang stillstehen. Klezmern Sie sich mit uns ein!

Jahrelang hat Jake Shulman-Ment die Klezmer-Tradition erforscht. Exkursionen in kleinste Dörfer im tiefsten Osteuropa mit seiner Geige, die oft sein einzig mögliches Kommunikationsmittel war, haben ihn zum Experten der Vergangenheit gemacht. Und jetzt sind aus diesem stattlichen Fundament frische Flügel gesprossen: Midwood ist der klangbildliche Drang eines sensationellen Klezmer-Violinisten, sich aus den eigenen Genre-Grenzen zu befreien. Out of the Narrows heißt das ruhige Rock-Album, auf dem – trotz allem – ganz klar traditionelle jüdische Musik zu hören ist.

Das Fürther Publikum war schockverliebt in die ungestüme Leidenschaft und bestechende Präzision dieser sieben jungen Nordlichter. Standing Ovations und Begeisterungsstürme! Dass sie schon im Studium gemeinsame Sache machten, hört und spürt man: perfekt aufeinander eingespielt und dennoch spielerisch und beschwingt – Yxalags Spaß am Klezmer ist auch auf ihrer neuen CD Fun Tashlikh wieder authentisch, unverkopft, frei von Berührungsangst und manchmal sogar ein bisschen frech.

Miloš ist unterwegs und muss auf seiner Reise so manche Hürde nehmen. Immer dabei hat er zum Glück seine Klarinette, die anscheinend magische Kräfte hat und Miloš damit aus so manchem Schlamassel rettet. Sie hilft ihm bei der Flucht vor dem bösen Nachbar-König, schützt ihn vor Räubern und lässt ihn schließlich sogar seine große Liebe finden. Die CD wurde mit dem „Medien-Preis Leopold – gute Musik für Kinder“ ausgezeichnet.

Giora Feidman (ARG) & Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg (RUS) - Der Maestro der Klezmer-Musik meets Classic

Giora Feidman entwickelte sich mit seinen Klezmer-Interpretationen in den 70er Jahren zu einem der wichtigsten Vertreter zeitgenössischer Musik. Zusammen mit der Kammerphilharmonie St. Petersburg spielt er die ganz großen Hits von Hava Nagila bis zur Goldenen Khasene, wie auch Eigenkompositionen. Ein Konzert voller Melancholie und Lebensfreude.

Mit ihrer warmen, vollen Stimme und unverwechselbarem Charisma zieht Shura Lipovsky das Publikum in den Bann jiddischer Poesie und Musik aus der frühen Sowjetunion. An diesem Abend feiert sie mit dem Novaya Shira Ensemble die Deutschlandpremiere ihres neuen Albums. Hier treffen sich traditionelle Lieder und neue jiddische Songs von Shura Lipovsky!

„Ich will originelle Klezmermusik machen – betrunken, dreckig, politisch und leidenschaftlich! Als Jude osteuropäischer Abstammung sehe ich es als meine Pflicht, diese Musik lebendig zu machen, und sie nicht hinter Glas aufzubewahren, wie in einem Museum.“ (Geoff Berner)

Geoff Berner @ FROG

www.geoffberner.com

Mit hebräischen Psalmen aus den Gemeinden im Jemen, dem alten Babylon und dem mythischen Sepharad beschwört Yamma den Zauber vergangener Zeiten herauf und zeichnet dennoch ein Bild des modernen Jerusalem. Historische Instrumente wie Duduk, Ney, Kopoz, Oud und Shofar sowie der kraftvolle, warme Gesang verleihen ihrer Musik eine exotische Note.

Victoria Hanna (ISR) - Aramäischer HipHop, Kabbalistischer Rap, Buchstaben-Jonglage

Uralte religiöse oder philosophische Texte. Fette Beats aus der Loop Station. Ein unscheinbarer Multi-Instrumentalist rollt bescheiden den Teppich für eine phänomenale Live-Performance aus. Victoria Hanna zerbeißt Konsonanten, kaut Vokale, verschluckt Silben. Worte und Laute schießen aus ihr heraus, sie dehnt und quetscht sie, spuckt, schreit und singt. Sie spielt mit den hebräischen Buchstaben, rezitiert das Aleph-bet. Sie springt, bändigt und betört. Sie ist stürmisch, zerbrechlich, schön und sinnlich, grenzenlos, ein schüchternes Kind, ruhig und hilflos, verführerisch, verspielt – alles in einer Frau.

„(…) Wir verstehen, dass alles, was falsch in der Welt ist, auch falsch in jedem von uns ist. (…) Es ist nicht so, dass wir ein Programm oder eine Lösung hätten, aber wenn wir die Leute daran erinnern, wie blöd wir sind, dass wir über Sachen streiten, die niemandem nach dem Tod etwas bringen werden, dann haben wir unseren Job gemacht.“ (Gael Zaidner)

The Jewish Monkeys @ FROG

www.jewish-monkeys.com

Da ist er wieder, der Whiskey Rabbi unter den Singer-Songwritern. Dieser Titel steht wie ein Gütesiegel für seine so kompromisslose wie lyrische Kunst die ihn zu Recht zum Idol des Klezmer-Punk gemacht hat. Intelligente Texte, leidenschaftliche Musik, politische Themen – Geoff Berner mischt sich ein!

Der Titel des nach vorne treibenden neuen Albums Catastrophic Life ist Programm. Frisch, verrückt, punkig ... so präsentiert sich die aufmüpfige Band aus der kosmopolitischen Szene Tel Avivs. Ihr Sound ist eine einzigartige Fusion aus jiddischen Gassenhauern, Ska-Rhythmen, Afrobeat, Reggae, Funk-Licks, karibischem Flair und einem Hauch Balkania. In einer Traditionslinie mit der US-Komikertruppe Marx Brothers oder dem Comedian und Schauspieler Jerry Seinfeld erfinden sie satirische englische Songtexte. Ihr Markenzeichen ist der unverwechselbare jüdische Humor.

Die Echo-Preisverleihung an Kollegah und Farid Bang war Auslöser öffentlicher Debatten über Judenfeindschaft im Rap. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei die Textzeile „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“. Die antisemitischen Verschwörungsmythen und Codes in Rap-Texten spielten kaum eine Rolle – ein Merkmal, das die Auseinandersetzung um Antisemitismus in Deutschland prägt: Bezüge zur Shoa werden tabuisiert während andere Formen des Antisemitismus weniger als Problem wahrgenommen werden.

In seinem neuen Buch spricht der in Berlin aufgewachsene Musiker Ben Salomo über seine eigenen Erfahrungen als Jude in Deutschland. Über Kindheit und Jugend, Freundschaften und Anfeindungen, seine Beziehung zu Israel und seinen Werdegang in der deutschen Rap-Szene, die er jahrelang mitprägte und aus der Binnenperspektive kennt. Und Ben Salomo warnt vor einer Rap-Szene, in der Antisemitismus stetig steigt und in unterschiedlichen Gewändern daherkommt.

Wodurch ist dieser Antisemitismus geprägt? Was bedeutet es, wenn Millionen von Jugendlichen Musik mit antijüdischen oder auch frauenverachtenden und homophoben Inhalten hören? Welche Folgen hat das für das gesellschaftliche Miteinander und was ist zu tun, um menschenverachtende Tendenzen einzudämmen und ihnen entgegenzutreten?