FolkWorld Live Review 8/2002 von Walkin' T:-)M:

Ein Licht im Dunkeln

Folkwoods Festival Eindhoven 2002

Shantalla, photo by the MollisIm Jahre 1891 hat Gerard Philips seine Leuchtenfabrik in Eindhoven gegründet und in Westeuropa ein wenig Helligkeit ins Dunkel gebracht. Mittlerweile sollte noch ein weiteres Licht aufgegangen sein - nämlich dass Eindhoven über eines der schönsten und charmantesten Folkfestivals Europas verfügt.

Der Freitag abend beginnt aber erst einmal mit einem irritierenden Schauspiel: John O'Dreams singt ausschließlich Lieder von Christy Moore (-> FW#1, FW#2, FW#3). Er singt mit einer Stimme wie Christy. Er sieht genauso aus wie Christy. Nur dass es sich nicht um Christy handelt, sondern um Herrn John Flierman aus den Niederlanden. Ist das peinlich? Nun, alles in allem ist es nett anzuhören. Ich kann jetzt meinen neidischen Freunden zurufen: Hey, Leute. Ich habe da einen Mitschnitt von einem dieser so äusserst seltenen Christy Moore-Gigs. Merkt eh keiner.

Das Abschlusslied ist dann nicht von Christy, sondern von seinem Bruder Barry, aka Luka Bloom (-> FW#7, FW#12, FW#13, FW#20): You couldn't have come at a better time, not if you tried, oh no. Und das ist ein schönes Motto für ein Festival.

Maire Breatnach, photo by The MollisDas Folkwoods-Festival hat einen keltischen-was-immer-das-auch-heissen-mag Schwerpunkt und mit Shantalla genau den richtigen Kandidaten für ein kurzweiliges Stündchen gefunden. Die Band (-> FW#8, FW#9, FW#10, FW#21) hat es dazu gebracht, mittlerweile schon in einem Atemzug mit Dervish oder Altan genannt zu werden. Erstaunlich für eine belgische Formation. Aber natürlich handelt es sich nicht um eingeborene Flamen oder Wallonen, sondern um zur UN in Brüssel verschlagene Inselbewohner, die somit auf den Spuren der mittelalterlichen Heiligen und anderer Arbeitsemigranten wandeln. Sängerin Helen Flaherty stammt aus Schottland, die Instrumentalsektion (Piano)Akkordeon, Fiddle, Uilleann Pipes, Flöte und Gitarre aus Irland.

Dem Publikum wird kaum eine ruhige Minute gegönnt. Besonders schön ist die aufgepeppte Version von Tim O'Briens (-> FW#11) "John Riley": John Riley came from Galway town in the years of the Irish hunger, and he sailed away to America when the country was much younger. Ein weiterer Emigrant, der zudem aus der Heimat von Fiddler Kieran Fahy stammt. (Der Person John Riley hat sich auch der amerikanische Songwriter David Rovics (-> FW#23) angenommen.)

Shantalla ist im übrigen nur die anglizierte Version des gälischen sean talamh, d.i. altes Land. Das Quintett gibt sich redlich Mühe, die traditionelle Musik des Celtic fringe in die Moderne hinüberzuführen.

Shooglenifty, photo by The MollisDie Old Blind Dogs (-> FW#1, FW#3, FW#8, FW#12, FW#19) locken noch so manchen Hund hinter dem Ofen hervor, selbst wenn er alt und blind ist. Schottlands derzeitiges Aushängeschild für traditionelle Musik steht jenseits von den Experimenten vieler ihrer schottischen Kollegen (wie die ebenfalls aufgetretenen Shooglenifty -> FW#16), sondern reduzieren ihre Musik auf das Wesentliche, ohne aber konservativ zu erstarren.

Jonny Hardie an der Fiddle und Rory Campbell an Flöten und Pipes spielen sich gekonnt die Tunes zu. Vorneweg die charismatische Stimme von Jim Malcolm (-> FW#5). Mein persönlicher Höhepunkt ist die großartige Ballade "Battle of Waterloo", deren Melodie dem gleichnamigen Pipetune entnommen ist.

Boney oh Boney, war was aye your game,
Bloody field your table, cannon yours to aim,
Boney oh Boney, we aye lived the same,
Drillin' laddies not to fear the muskets' flame.
For the cold returns in autumn when the wind rakes the trees,
And the summer lies forgotten in a cold bed of leaves,
As winter begins aye mind Boney, it wasn't only you,
Who was broken on the field of Waterloo.

Old Blind Dogs, photo by The Mollis

Natürlich gibt es noch viel mehr: Flanderns Folkinstitution 'T Kliekske (-> FW#19), das Berliner Musikantenkollektiv 17 Hippies (es sind zwar weder siebzehn, noch kann ich einen Hippie ausmachen), die irische Fiddlerin Marie Breatnach, die mit ihren Mitmusikanten Niall O Callanain und Keith Donald Moving Hearts-Feeling aufkommen lässt, die kanadische Folkrockband The Mahones (nicht zu verwechseln mit den unseligen Namensvettern aus Köln -> FW#5, FW#22), Klezmerklarinettist und Festivalfavorit Helmut Eisel (-> FW#13, FW#14, FW#23), Mitmachtanz mit den deutschen Wahlbretonen An Erminig (-> FW#18), der musikalische Panzerkreuzer Potemkin namens Apparatschiks, etc. etc.

Wie schon in den Vorjahren: ein nettes, wohlorganisiertes Festival, gutes Bier, ein nahgelegenes Campinggelände und eine vorzügliche Auswahl an Musik. Folkwoods sollte auch für Deutsche im Westen der Republik von Interesse sein. Eindhoven liegt nicht allzuweit entfernt.

Folkwoods Homepage: www.folkwoods.com

Folkwoods 2001, 2000.

All photos by The Mollis: (1) Shantalla, (2) Maire Breatnach, (3) Shooglenifty, (4) Old Blind Dogs.


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2002.

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