Ausgabe 27 02/2004
FolkWorld CD-Besprechungen
Ben Sands "Better already"
Label: own; 2003; Playing time: 44.10 min
Ben Sands - Mitglied der berühmten Sands Family - ist bisher noch nicht
so bekannt für seine selbstgeschriebenen Lieder wie seine beiden Brüder
Tommy und Colum. Mit der Zeit aber erarbeitet er sich zunehmend auch in diesem
Genre einen Namen.
Auf "Better Already" finden sich ausschließlich Eigenkompositionen
von Ben. Seine Lieder sind zum größten Teil herrlich entspannt, oft
mit einem fröhlichen Augenzwinkern geschrieben. Ben liebt es Geschichten
zu erzählen - und es lohnt sich wirklich ihm gut zuzuhören. All die
Gastmusiker schaffen eine gute Atmosphäre um seine Lieder ins rechte Licht
zu rücken.
Wenn man mal nicht gut gelaunt, oder gestresst ist - hört einfach mal einem
Geschichtenerzähler zu. Und Ben wird Eure Stimmung heben.
Band/Musiker-Homepage: www.bensands.co.uk,
Kontakt: bensands77@hotmail.com
Christian Moll
Ranarim "För världen älskar
som är brokot"
Label: Westpark;
No. WP87097; 2003; Spielzeit: 50.56 min
Ranarim ist eine der vielversprechendsten jungen Bands der schwedischen Folkwelt.
Das Programm Ranarims hat einen sehr starken Schwerpunkt auf traditionellen
schwedischen Balladen, und die Band hat mit Sofia Sandén und Ulrika Bodén
zwei der herausragendsten jüngeren Stimmen der schwedischen Szene. Neben
den beiden Sängerinnen hat Ranarim auch zwei exzellente Folkmusiker: Niklas
Roswall gilt als einer der besten Nyckelharpa-Spieler Schwedens, während
Jens Engelbrecht eindrucksvoll mit seiner Gitarre den Rhythmus der Band angibt.
Auf einigen Stücken dieser CD sind die vier begleitet von Anders Johnsson
am Kontrabass and Sebastian Notini am Schlagzeug.
Die Musik auf diesem Album ist oft kraftvoll, manchmal eher besonnen; der Grossteil
der Stücke sind Lieder, bei denen meistens beide Frauen zusammen singen.
Jedes Lied ist einzeln gesehen hervorragend und beeindruckend, auch wenn manchmal
etwas mehr Abwechslung willkommen wäre, z.B. durch mehr Instrumentalstücke.
Ich persönlich fand Ranarim's Debutalbum beeindruckender als dieses zweite
Album der Band. Trotzdem beweisen Ranarim auch mit diesem Album, wie kraftvoll
traditionelle schwedische Lieder akustisch gespielt klingen können.
Homepage des Labels: http://www.westparkmusic.com
Michael Moll
Mariana Montalvo "Cantas del alma"
Label: Peregrina
Music (Vertrieb: InAkustik); No.PM50372; 2003; Spielzeit: 45.23 min
Die Chilenische Sängerin Mariana Montalvo ist Mitte der 70er Jahre vor
Pinochets Herrschaft nach Paris geflohen. Von dort aus hat sie seitdem ihre
musikalische Karriere weitergeführt. In ihrer Musik reflektiert sie noch
immer stark ihre lateinamerikanischen Wurzeln. Die Sängerin hat eine beeindruckende,
ausdruckstarke warme Stimme, die jedes Lied zu einem einzigartigen Hörerlebnis
machen. Die Lieder sind manchmal nahezu a capella, manchmal voll von Rhythmen
und Instrumenten, aber immerzu ist es diese Stimme, die heraussticht. Musikalisch
begleitet wird die Sängerin durch Gitarren, Akkordeon, Violine, Bass, lateinamerikanische
Perkussion, Trombone.
Ein Album voller Wärme, das schnell die gesamte Aufmerksamkeit des Hörers
in Anspruch nimmt, eine Sängerin, die einen in den Bann zieht, selbst wenn
man kein Wort ihrer Lieder versteht. Nebenbei auch noch eine hervorragende Band.
Rootsmusik der allerhöchsten Qualität.
Kontakt zum Label: info@peregrinamusic.de
Michael Moll
Mike Godyla "Mann mit Bass"
Label: Eigenverlag; Spielzeit: 58.26 min
Der Bonner Liedermacher Mike Godyla erinnert
mich ein wenig an Götz Widmann (->
FW#23, FW#26),
in dessen Vorprogramm er auch schon aufgetreten ist. Fragt sich nur, wer hier
Henne und wer Ei ist. Und da die Unterschiede letztendlich doch überwiegen,
verlassen wir an dieser Stelle die Vergleiche auch wieder und machen die Schublade
zu. Schon ungewöhnlich ist Mikes Instrumentenwahl, nämlich der Bass. Die Lieder
sind ziemlich schräg und einigermaßen witzig. Wie - schon wieder ein Vergleich
- Stoppok (-> FW#16
FW#18, FW#21)
nuschelt er sich durch die täglichen und untäglichen Sorgen und Nöte. Da geht
es um die "Ratte im Klo" oder den "Kleinen Pups". Der war Rebell, war ungebrochen,
wär nie wem in den Arsch gekrochen. Mikes "Freund Kuno" ist Killer. Also
schreibe ich lieber ein paar nette Zeilen, denn: Auch du könntest ruhig ein
bischen netter zu mir sein, ein Anruf genügt und dann fliegt Kuno hier ein.
Ich kann dann für Leib und Leben nicht mehr garantier'n. Hör auf zu lachen,
willst du das riskier'n?
Mike Godyla
Walkin' T:-)M
Tobias Burger "Und die Erde ist noch warm"
Label: Acoustic
Music; 319.1315.242; 2003; Spielzeit: 44:222 min
Der Ost-Berliner Liedermacher Tobias Burger geistert in seinen Liedern vom Politischen
ins Private und umgekehrt; die Übergänge sind fließend. Die Texte sind lyrisch
und erfreulicherweise wenig plakativ. Zudem ist er ein ganz passabler Gitarrist.
Teils sehr minimalistisch, aber immer effektiv. Vom Ideenreichtum und der Vielfalt
her gesehen, steht Tobias Burger ganz im Gegensatz zum besungenen "Wetterhahn":
Der Wetterhahn ist längst gerostet, gleich wie die Winde weh'n; er zeigt
nur in eine Richtung und kann sich nicht dreh'n. Einzig die Übersetzungen
und Interpretationen der schottischen Traditionals "The Water Is Wide" und "I
Once Loved A Lass" sind weniger gut gelungen und kommen fast etwas kitschig
herüber. Zum guten Schluss die kleine Bitte: Nimm mir keines meiner Lieder,
sie halten mir die Ängste klein. Sie sind das Aug mit dem ich seh'. Sie sind
in meinem Herzen die Glut.
Acoustic Music Records
Walkin' T:-)M
Heavy Gummi "Cafe Bizarre"
Label: Eigenverlag; 2003; Spielzeit: 36.28
min
Mit Cafe Bizarre liegt bereits die fünfte CD der Düsseldorfer Lokalmatadoren
vor, die ihre Musik als ethnoskiffle-multistyle beschreiben. Seit vielen Jahren,
genauer gesagt seit 1989, währt bereits ihr straßenmusikantisches Treiben und
Ermüdungserscheinungen sind vorerst nicht zu erkennen. Stattdessen haben sie
ihr Wirkungsspektrum weit über das Ratinger "Cafe Schlonz" alias "Cafe Bizarre"
erstreckt und waren mittlerweile auch mehrmals im WDR-Fernsehen sowie in der
Serie "Geld oder Liebe" (aha? Ich hab´es nicht gesehen) zu bestaunen. Musikalische
Grenzziehungen lassen sie nicht gelten. Sie singen in verschiedenen Sprachen
und das Repertoire reicht vom albanischen Liebeslied bis zur El Vez-Coverversion,
während Ska und Skiffle ebenfalls ständig präsent sind. Der Opener The Viper
kommt mit dem Schwung eines Fats Waller Ragtimes daher. Das Titelstück schließlich
feiert in gebührender Weise das bereits erwähnte Szene-Lokal. Eine partytaugliche
CD von einer Band, die man unbedingt auch mal live erleben sollte - bei durchschnittlich
rund 80 Auftritten im Jahr hat vielleicht der eine oder andere Leser Gelegenheit
dazu.
Heartcore/Heavy Gummi
Ansgar Hillner
Hubert von Goisern "Trad II"
Label: Lawine/BMG
Ariola; 8 28765 26402 0; 2003; Spielzeit: 55.27 min
Nach Trad I folgt nun Trad II und eine weitere Folge von Hubert von Goiserns
liebevollen, aber stets für jede Innovation offenen Volksmusikadaptionen. Etliche
Musiker hatten vorher nach Huberts Aussage nicht viel mit alpenländischer Volksmusiktradition
zu tun. Zumindest Monika Drasch ist allerdings bekannt durch ein weiteres erfreuliches
bairisches Projekt, den Bairisch-diatonischen Jodelwahnsinn. Bei den neuen Aufnahmen,
die übrigens in einem verlassenen Hotel am Dachsteinmassiv auf 2100 m Höhe stattfanden,
darf schon einmal ein Drumloop mit Jodlern verknüpft werden oder die elektrischen
Gitarren mit ihrem jingle-jangle an afrikanische Popmusik erinnern (was evtl.
keine Absicht ist - vielleicht fühlen sich Alpenländer auch an eine Zither erinnert).
Das Ergebnis jedenfalls ist sehr vergnüglich, so daß man sich wünscht, Hubert
von Goisern wäre in Rudolstadt mit diesem Progamm aufgetreten - aber das ist
sicherlich Geschmackssache. Auch mit diesem Programm soll es übrigens ab dem
25. 02. 2004 ausgiebig auf Tournee gehen - Informationen gibt es unter der entsprechenden
Internetadresse: www.volldampfveranstaltungen.de.
Blankomusik, Hubert
von Goisern
Ansgar Hillner
Lunasa "Redwood"
Label: Green
Linnet; GLCD 1224; 2003; Spielzeit: 43.06 min
Bemerkenswert ist diese Scheibe schon wegen ihres Erscheinens: Die amerikanische
Plattenfirma Green Linnet veröffentlicht "Redwood" zu Beginn des Jahres 2003;
die Band ist daraufhin extrem unglücklich wegen der Klangqualität und wegen
der Aufmachung und verlässt das Label nach insgesamt drei erschienenen Alben.
Gleichzeitig verklagt eine Reihe anderer irischer Künstler wie Altan, Cherish
The Ladies, Mick Moloney und Eileen Ivers die Firma aufgrund der nicht-erfolgten
Zahlung von Tantiemen. Gilt jetzt auch schon in der Folkszene, auch negative
Publicity ist Publicity?
Die Band, von der hier die Rede ist, hat das sicher nicht nötig. Lunasa
(-> FW#5, FW#12,
FW#21, FW#24
FW#26) steht in der Musikszene wie der
Mammutbaum im Titel: stattlich und haushoch über dem Rest stehend. Die Herren
Kevin Crawford (Flöte), Seán Smyth (Fiddle) und Cillian Vallely (Uilleann Pipes)
spielen ihre kühnen Melodielinien über der zeitgemäßen Begleitung von Donogh
Hennessy (Gitarre) und Trevor Hutchinson (Bass). "Redwood" bringt zwar nichts
neues, es gibt keinen unmittelbaren Ohrwurm, aber der gute alte Lunasa-Sound
ist da. Es ist ein gelassenes Album: Wir müssen uns nichts mehr beweisen, wir
sind froh über den Punkt, an dem wir stehen.
Und was ich noch sagen wollte: es gibt immer noch zu wenig Bassisten in der
traditionellen irischen Musik.
Green Linnet
Walkin' T:-)M
An Rinn "Smugglers"
Label: Eigenverlag;
200304; 2003; Spielzeit: 67.10 min
Untertitel: "10 Years of Hard Labour". Solange sind die Mannen um Brian McSheffrey
rund um Bramsche unterwegs. Und es wahr sicherlich nicht nur harte Arbeit, sondern
auch eine ganze Menge Spaß dabei - beim Schmuggeln und Musizieren. An
Rinn (-> FW#19, Konzertbericht in
dieser FW-Ausgabe) präsentiert 18 neue Tracks: Viel Schottisches ist diesmal
dabei, wie "Bonny Maid of Fife" und "Smugglers"; es mag daran gelegen haben,
dass die Band auf dem Venner Folkfrühling
(-> FW#26) ein paar Lieder mit den McCalmans
(-> FW#1, FW#3,
FW#10, FW#23)
angestimmt haben. Aber es gibt auch mal einen skandinavischer Tanz und ein Stück
von Guy Carawan
(mit Banjo und Hackbrett). Ich alter Besserwisser kann es natürlich einfach
nicht lassen - warum fällt es mir nur immer bei euch auf? -, aber mir ist es
ein Rätsel, warum das klassische Slow Air "Inisheer"
(-> FW#5, FW#8,
FW#24, FW#25)
einem Sir Arthur Shaen angedichtet wird. Komponist ist vielmehr ein gewisser
Tommy Walsh, der gerade erst sein Debüt vorgelegt hat (siehe dazu die Rezension
in der englischen FW-Ausgabe). In der Tat gibt es aber eine Komposition des
irischen Harfenisten Turlough O'Carolan (-> FW#20),
gewidmet Sir Arthur Shaen, Baron von Kilmore im Co. Roscommon (+1725). Sir Arthur
ist der Schwager von Morgan Magan, deren Namen eine etwas bekanntere Komposition
des legendären Harfners trägt. Sir Arthurs Heirat ist mit einer eher unromantischen
Geschichte verbunden:
Sir Arthur arrived, on the evening of the last day of the year,
at the hospitable mansion house of Togherstown, about five miles west of Mullingar,
the residence of Morgan Magan. We must presume the evening was passed with all
the feasting and hilarity practised at such seasons, and that Sir Arthur retired
to bed well pleased with himself and all the world besides, after having drunk,
and probably danced out, the old and in the new year. Next morning the party
met in the breakfast apartment, and when te hostess appeared, Sir Arthur begged
the liberty of putting his new year's gift on her, and wishing her many happy
returns of the day. She was a ready-witted lady, and immediately replied, "I
regret that I have not anything worth your acceptance as a new year's gift -
except ONE of my daughters." Sir Arthur was dumbfounded! flabbergasted! and
regularly knocked-of-a-heap!!! He could not utter a word. He made a bow, which
was instantly acepted as a proposal of marriage by the wide-awake mother. He
married Susanna Magan.
Aber ich schweife ab, sorry. Hier lautet das Motto: Come by the hills to the
land where life is a song, and sing while the birds fill the air with their joy
all day long. Where the trees sway in time and even the wind sings in tune, and
the cares of tomorrow can wait 'til this day is done.
An Rinn
Walkin' T:-)M
Laundry List "Celtic Free Folk"
Demo-CD; 2003; Spielzeit: 20.12 min
"Nur" ein Demo mit fünf Tracks live aufgenommen, i.A. also vor allem für Veranstalter
interessant. Aber es klingt vielversprechend. Allein die Instrumentierung des
Hamburger Trios Laundry List
sucht seinesgleichen: Fiddle (Heike Prange) und Mundharmonika (Olaf Kurze-Evers).
Eine Kombination, die offenbar nun auch in Deutschland im Kommen ist (-> FW#25).
Verstecken brauchen sich beide nicht, auch nicht das Repertoire, sei es nun
ein irischer Reel oder ein bretonischer An Dro. Das Gitarrenbacking und den
Gesang besorgt Jørgen Lang (Ex-Hölderlin Express) mit "Are ye sleeping
Maggie?" und "Farewell to Old Ireland". In diesem wunderbaren Waschsalon werden
selbst schwarze Schafe weiss bzw. kleeblatt-grün gewaschen.
Laundry List
Walkin' T:-)M
Michelle Shocked "Short, Sharp, Shocked"
Label: Mighty
Sound/EFA Medien; EFA CD 84203;
1988/2003; Spielzeit: 102.26 min
Das Debütalbum Michelle Shockeds
(-> FW#24, FW#24).
von 1988 gibt es nun neu-aufgelegt und re-mastert. Wer es also damals verpasst
hat - auf dem berühmt-berüchtigten Coverbild wird Michelle gerade von Beamten
des San Francisco Police Department weggezerrt -, sollte noch einmal in sich
gehen. Die Singer/Songwriter-In aus Texas spielt eine Mischung aus folkigen
Balladen und in die Beine gehendem Country-swing; die Texte sind geschliffen
und geistreich. Diese alten Lieder stehen auch bei Michelle selbst noch hoch
im Kurs und wurden auf der letzten Tournee fast vollständig gespielt. Disc 1
enthält das Originalalbum; dazu gibt es eine Bonus-CD mit 21 Liveaufnahmen und
out-takes, wie es so schön auf neu-deutsch heisst. Erwähnenswert erscheinen
mir hier die stoische Alternativversion des Hits "Anchorage", das Cajun-Stück
"Leavin' Louisiana In the Broad Daylight", Steve Goodmans Anti-Vietnamkrieg-Lied
"Ballad of Penny Evans" als eindrucksvolles Acapella-Stück, "Prince of Darkness"
mit den Mekons sowie der Klassiker "Goodnight Irene". Letzterer Titel stammt
von den legendären "Texas Campfire Tapes", die bereits im Frühjahr mit der korrigierten
und korrekten Bandgeschwindigkeit wiederveröffentlicht sind. Weitere Wiederveröffentlichungen
sollen folgen. Schließlich gilt Michelle Shocked als eine der wenigen Künstler/innen,
die über ihren eigenen Produktkatalog vollständig verfügen kann.
Deutscher Vertrieb: EFA Medien GmbH
Walkin' T:-)M
The Waterboys "Universal Hall"
Label: Puck Records/Alive; 5 022769 294877;
2003; Spielzeit: 44.00 min
Der hl. Columcille (521-597) musste sich auf die kleine Insel Iona vor der schottischen
Westküste zurückziehen und er gründete das dortige Kloster, nachdem er im heimischen
Irland des Nächtens fremde Psalter kopiert und deswegen einen blutigen Krieg
angezettelt hatte. Copy kills ..., in diesem Zusammenhang erfolgte im übrigen
auch wirklich der erste Richtsspruch zum Thema Copyright. -- Wo auch immer Waterboys-Frontmann
Mike Scott seinen Frieden gefunden
hat, geographisch jedenfalls in der spirituell-ökologisch ausgerichteten Lebensgemeinschaft
"Findhorn". Jetzt singt er von dem "Peace
of Iona" und dem "Christ in You" und "Seek the Light". Abgesehen vom Hit "Whole
of the Moon" im Jahre 1985 hat der Edinburgher immer eher für einen eher kleinen,
aber feinen Kreis von Popmusikinteressenten musiziert. Bei einem mehrjährigen
Trip nach Westirland wurde ein wenig Folk gemacht (-> FW#20).
Aus diesen Tagen ist nun auch wieder Geiger Steve
Wickham dabei, denn the pension plan is exciting and the remuneration
package is handsome. Der nach Meinung Mikes Greatest Rock Fiddle Player
hat sich mittlerweile im irischen Sligo niedergelassen, mit U2, Elvis Costello
und Sinead O'Connor (-> FW#24) zusammengearbeitet,
spielt mit der Folkband Cadenza und
nennt eine schwarze Fiedel von Horslips-Geiger
Charlie O'Connor sein eigen. Steve steuert nicht nur ein Instrumentalstück bei
- denn always dancing, never getting tired -, sondern trägt auch zum
Gesamtsound nicht unerheblich bei. "Universal Hall" ist ausgeglichen und abgeklärt,
fast - es liegt mir auf der Zunge - ein Alterswerk. Ansonsten halte ich es mit
Mike Scott: ain't no words for the things I'm feeling.
Another Dimension
Walkin' T:-)M
In Extremo "Sieben"
Label: Motor;
060249865425(5); 2003; Spielzeit: 54.23 min
Sieben Musikanten, sieben Jahre, dreizehn Lieder: Die Verrückten von In
Extremo (-> FW#8, FW#25)
sind wieder in der Stadt. Live war mir die Mittelalterband ja einige dB zu laut
und miserabel abgemischt. Vielleicht bin ich mittlerweile ja viel zu sehr Folkie
geworden, aber - nicht nur insgeheim - kann mich eine gute Scheibe Rockmusik
immer noch erfreuen Hier gehen Nickelharpa, Harfe und Sackpfeifen auch nicht
gegenüber Stromgitarre, Bass und Schlagzeug unter. Das Ganze ist erstaunlich
melodiös. Die Texte werden ernstgenommen und (zuweilen tief) aus Bibliotheken
und Archiven befreit. Ob Villons "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" (erinnert
sich noch jemand an Klaus Kinski?), Wedekinds "Ich hab meine Tante geschlachtet"
(blutrünstiger als im Original) oder Texte französisch-okzitanischer Troubadoure
(-> FW#22). Hier wünschte ich mir allerdings
mehr Informationen im Booklet. Hinter dem intrumentalen "Davert-Tanz" (die Davert
ist ein Heide- und Moorgebiet und das größte Naturschutzgebiet Westfalens, wo
einst das Hohomännchen herumsprang) verbirgt sich nichts anderes als
das gute alte, irische "Follow Me up to Carlow" (das Lied beschreibt eine Schlacht,
die ja wahrscheinlich auch im Moor stattgefunden hat). Wenn das Mittelalter
so ist, dann her mit Kreuzzügen, Inquisition und Schwarzem Tod. Ach ja, unbedingt
laut hören!
Motor
Walkin' T:-)M
Subway to Sally "Unsterblich"
Label: Motor;
060249812595(3); 2003; Spielzeit: 14.22 min
Düster und schwer: Auch Subway to Sally
gehört in die Sparte Mittelalter-Metall. Allerdings drängt sich mir bei dieser
EP, der zweiten Single-Auskoplung vom "Engelskrieger"-Album, doch eher der Gedanke
auf, das das Mittelalter für die Band Geschichte ist und an der Modernisierung
gearbeitet wird. Hier gibt es den Song "Unsterblich" wesentlich elektronischer
als das Original als sog. Radio Edit und den Twiggy Remix (d.h.
als Dancetrack remixed by Twiggy Ramirez) noch elektronischer. Titel
Nummer 3 ist eine Neubearbeitung von "Wenn Engel hassen", wie auch schon live
gespielt, mit leicht gregorianischem Gesangseinschlag. Dazu gibt es einen Trailer
zur kommenden DVD und nochmal "Unsterblich" als Video. Ich will, dass etwas
von mir bleibt ..., singt Frontmann Eric Fish. Muss ja nicht unbedingt diese
Scheibe hier sein.
Motor
Walkin' T:-)M
Oi Va Voi "Refugee"
Label: Outcaste/PIAS;
433.0054.322; 2003; Spielzeit: 23.29 min
In die Abteilung eigentlich eher überflüssig gehört auch diese EP der
englischen Band Oi Va Voi. Der jiddische
Name bedeutet soviel wie "Oh, mein Gott!" und selbiges dachte ich auch beim
Anhören. Der Sound des Sextetts wird beschrieben als Mischung von Osteuropa-Klezmer,
Gypsy-Brass, Ibero-Latin, Hungaro-Folk, Dub-Reggae, Cockney-Groove und HipHop
Beats, die Live-Shows werden verglichen mit Massive Attack und den Pogues,
ihr Album "Laughter Through Tears", das es auf Platz #1 der World Music Charts
geschafft hat, gilt als soundtrack to 1001 Urban Nights. Nun, ich höre
da einen netten Popsong mit jazzig angehauchten Vocals (die Schottin KT Tunstall),
Ethnodrumming und verhaltender Klarinette. Und da stellt sich auch schon wieder
mal die Frage, warum man dasselbe Lied, "Refugee", in vier verschiedenen Versionen
benötigt und wer so etwas hört. Über das Gesamtwerk der Band kann ich also wenig
bis gar nichts aussagen. Der "Radio Edit", Track #1, ist wie gesagt noch eine
gefällige Popversion, die drei weiteren elektronische "Remixe" sind wohl nur
für eingefleischte Oi Va Voi-Fans von Interesse. Falls es die schon gibt.
P.S.: Oi Va Voi ist im Januar in Deutschland unterwegs.
PIAS
Walkin' T:-)M
Andy White "Boy 40"
Label: Floating
World; FW015; 2003; Spielzeit: 65.25 min
Ein Junge von knapp 40 Jahren. Aber - meint Andy
White - mit dem Alter kommt eine Form von Weisheit und mit Weisheit kommt
Jugend. Oder Popmusik für Erwachsene. Der in Belfast geborene und mittlerweile
nach Melbourne verschlagene wuchs auf mit Folk Music, die die Leute zwang,
sich für eine Seite zu entscheiden. Ich wollte Folk Music für mein Land schreiben.
Eine, die unsere Traditionen mit der Rock Musik, die wir liebten, und der politischen
Zukunft auf die wir hofften, vereinte. Nun, Folkmusik ist dabei nicht unbedingt
herausgekommen. Da geht es um die loyalistischen Märsche am 12. Juli in Nordirland
- there was drummers drumming, flags waving, and every note they played had
a violence I couldn't understand -, er träumt von Italian girls on mopeds
und sucht sich selbst und Gott. Now everybody's frightened about the future,
every single year a little more, when all the career politicians want is war.
Welcome to the age of terrorism, where every parked car could be your last.
Andy spielt mit sich selbst, pardon, spielt selbst alle Instrumente: I've
been singing on my own again, feeling sunshine in my hair, singing love songs,
rock'n'roll again, revolution in the air. Pop, Marke: Superstar untauglich.
Floating World; Vertrieb: Soulfood
Walkin' T:-)M
Sherman "Bluemoon"
Label: SuperSonicNYC;
TR1186; 2003; Spielzeit: 44.13 min
Eine Name wie ein Panzer. Ich gehe mal davon aus, dass Sherman
Ewing aber einen friedlicheren Weg gegangen ist, der ihn bislang von Minnesota
(Heimat Paul Westerbergs & The Replacements und Husker Du) über ein englisches
Knabeninternat (Top of the Pops, Punk, Bob Dylan) und die Columbia University
(B.A. in Politikwissenschaft und Theater) zu einem Job als dog walking service
in New York geführt hat. Und erinnert die schneidene Stromgitarre im Opener
an einen Panzer, um noch einmal darauf zurückzukommen, so ist Shermans Gesangsvortrag
und die Musik im allgemeinen jedoch eher sanftmütig, selbst wenn er the weight
of the world auf den Schultern fühlt. Stücke wie "Hollywood" und "Man on
the Moon" sind klassische Popsongs, "Chrystal Water" eine großartige Rockballade.
Heisst es and the singer in the band sings of diamonds in the sand, da
hat Sherman doch etwas mehr zu sagen.
SuperSonicNYC
Walkin' T:-)M
V/A "Best of Greece"
Label: ARC
Music; EUCD 1611; 2000; Spielzeit: 93.28 min
Massel Klezmorim "Jewish Travels"
Label: ARC
Music; EUCD 1825; 2003; Spielzeit: 77.26 min
Zwei Doppel-CDs (eine davon hätte eigentlich auch locker auf eine gepasst) aus
dem Hause ARC. Beide präsentieren eingängige
Musik, aber durchaus keine eintönige Auswahl. Zum einen das, nun vielleicht
nicht unbedingt das Beste, aber ein redlicher Querschnitt aus Griechenland:
The Athenians, Michalis Terzis, Antonios Kassotakis (aka Kriteos, der Kreter)
und seine Gruppe Romiosini mit griechischer Volks- und Popularmusik. Da erklingen
Bouzouki und Baglama und rauher Männergesang. Über die Insel Kreta heisst es
und das gilt meines Erachtens auch für die Musik: Hart und stolz und dennoch
von unwiderstehlichem Zauber ist das Gesicht dieser Insel. Uraltes mischt sich
mit Modernem, die weschelhafte Geschichte ist stets gegenwärtig. In der Musik
fließen alle Einflüsse zusammen: Trauer und Freude, Stolz und Demut, Bitterkeit
und überschwengliche Lebensfreude. Schöner hätte ich es auch nicht sagen
können.
Letztens fiel Mikis Theodorakis,
der sich vom kommunistischen Dissidenten zum konservativen Minister entwickelt
hat, mit einigen antisemitischen Äusserungen auf. Die Hohmanns gibt es wohl
überall auf der Welt. Denen kann man nur rechts und links eines hinter die Ohren
geben oder vielleicht diese CD schenken: "Jewish Travels". In den 1960ern kam
Lutz Cassel auf der Burg Waldeck erstmals mit der Kultur seiner jüdischen Vorfahren
in Berührung. Im Laufe der Zeit eignete er sich ein Repertoire an, das die Geschichte
des jüdischen Volkes in Musik darzustellen versuchte. Mit befreundeten Musikern
organisierte er für das Chanukkafest 1986, das jüdische Lichterfest, ein entsprechendes
Konzert in der Hamburger Musikhalle. Hier ist der Mitschnitt. Eine historische
Reise, mehr als Bibel, Römisches Reich und Holocaust, mit Instrumentalstücken
und Liedern: Spilt se mir a Lidele, eins, das alle Völker verstehen und allen
Menschen Frieden bringt und das alle Herzen erfreut.
ARC Music Productions
Walkin' T:-)M
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Übersicht: Inhalt der CD-Rezensionen
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Nr. 27
© The Mollis - Editors
of FolkWorld; Published 02/2004
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