FolkWorld-Artikel von Walkin' T:-)M:


Bavarian Liedermaching
Aufpasst, der Weiherer kommt!

Es gibt sie noch, die engagierten Liedermacher aus deutschen Landen - wenn sie heutzutage auch wesentlich schwerer aufzuspüren sind als noch ein oder zwei Generationen zuvor und weitgehend durch die Maschen von Spaßgesellschaft und Formatradio fallen. Christoph Weiherer, Jahrgang 1980, zieht seit zweieinhalb Jahren mit seinem Solo-Programm "bavarian liedermaching" durch die Lande.

Wer hat dich am meisten beeinflusst? Und was hat dich dazu gebracht, dich in deinen Liedern auf politische und soziale Themen zu verlegen?

Christoph: Anfangs haben mich natürlich die ganzen "alten" Liedermacher inspiriert, www.weiherer.com Wecker (-> FW#18, FW#22), Wader (-> FW#20), Mey (-> FW#25, FW#27), ... Ich beschäftige mich mittlerweile nur mehr sehr wenig mit meinen "Vorfahren". Ohne sie allerdings würde ich wohl ganz andere Lieder schreiben oder vielleicht gar nicht auf der Bühne stehen. Also, gut, daß es sie gibt. Vor allem Konstantin Wecker hat mich anfangs auch sehr inspiriert und ich bin heute noch begeistert von seinen Liedern.

Am meisten beeinflußt hat mich wohl Hans Söllner (-> FW#13, FW#14, FW#29), dessen Lieder ich erstmals im Alter von 10 Jahren gehört habe. Mittlerweile orientiere ich mich eher an amerikanischen Singer/Songwritern, ganz besonders an Will Oldham. Die politischen und sozialen Themen kommen einfach, keine Ahnung aus welchem Grund. Liegt wohl an meinem ganzen bisherigen Leben, an meiner Wahrnehmung, an meiner Umgebung.

Der Vergleich zu Landsmann Hans Söllner wird des öfteren gezogen. Nervt das?

Im Gegenteil, ich freue mich, mit ihm "verglichen" zu werden. Ich mag ihn und seine Lieder. Wir haben die selbe Sprache und spielen das gleiche Instrument, da ist man halt mit Vergleichen schnell zur Hand. Mittlerweile unterscheiden wir uns natürlich musikalisch, da ich solo auf der Bühne stehe und er eine Band um sich rum hat. Im großen und ganzen haben wir allerdings die gleichen Botschaften zu verkünden und sind uns - denke ich - sehr ähnlich.

Fühlt man sich heutzutage als politischer Liedermacher nicht ziemlich einsam?

Das politische Lied lebt noch, ganz bestimmt. Und einsam fühle ich mich ohnehin nicht, da ich schon immer eher ein Einzelgänger war. Ich glaube, das politische Lied sieht heute ein bißchen anders aus, als noch vor einigen Jahren. Nicht nur "Liedermacher" machen politische Lieder. "Die Sterne" z.B. höre ich sehr gerne und ich finde ihre Lieder sehr politisch. Auch verschiedene Reggae-Bands greifen immer wieder politische Themen auf. Das www.weiherer.com Publikum reagiert vielleicht heute anders auf diese Lieder. Es herrscht eine große Politik-Verdrossenheit und man "kämpft" nicht mehr für irgendwelche Ideale. Aber ich glaube, daß es gerade deshalb wichtig ist, politische Themen anzusprechen.

Du trittst zusammen mit den "Monsters of Liedermaching" auf, obwohl deine Kollegen im Gegensatz zu dir eine Kunstrichtung vertreten, die ich mal "Comedy" nennen möchte.

Von Comedy halte ich - ehrlich gesagt - sehr wenig. Obwohl ich es mag, die Leute zum Lachen zu bringen. Mit den Leuten aus "Liedermaching" bin ich eng befreundet und einige davon haben mir enorm weitergeholfen, z. B. Vicki Vomit oder Götz Widmann (-> FW#23, FW#26). Aus diesem Grund gibt es immer wieder gemeinsame Konzerte. Und ich finde es sehr interessant, ein eher Comedy-orientiertes Publikum - also ein Publikum, das normalerweise nicht zu meinen Auftritten kommen würde - mit meinen Liedern auf ernstere Themen aufmerksam zu machen. Und meistens klappt's auch.

In diesem Zusammenhang fällt mir auf: wo sind eigentlich die Frauen? Ist das "Liedermaching" eine Männerdomäne?

Ich hab mich das auch schon oft gefragt, aber es scheint wirklich eine Männerdomäne zu sein. Es gibt ein paar wenige Frauen, die sich als Liedermacherin versuchen, jedoch haben die meist nur mäßigen Erfolg. Vielleicht trauen sich auch einfach zu wenige Frauen, ihre Texte lediglich zur Gitarrenbegleitung zu singen, und warten darauf, bis sie von einer kompletten Band als Sängerin engagiert werden. Vielleicht entgehen uns dadurch eine Vielzahl von guten Songs, vielleicht ist es aber auch besser so. Wer weiß ...

Ist dein bayrischer Dialekt hinderlich, nördlich des Weisswurst-Äquators verstanden zu werden? Oder sorgt die folkloristische Note umgekehrt sogar für einen Sympathie-Bonus?

Beim Publikum ist der Dialekt nicht hinderlich. Im Gegenteil, nach anfänglichem kurzen Gelächter werde ich überall verstanden. Zumindest von den Leuten, die mich verstehen wollen. Außerdem "zwingt" der Dialekt das Publikum im Norden ja geradezu zum aufmerksamen Zuhören. Probleme macht der Dialekt eher bei Veranstaltern. Es ist mir fast unmöglich, eine zusammenhängende Deutschland-weite Tournee zu buchen, weil die Veranstalter www.weiherer.com selten genügend Mut haben, ein Konzert mit mir zu organisieren, und befürchten, daß das Publikum einen Dialekt-Sänger nicht annehmen könnte. Viele Veranstalter lehnen deshalb ein Konzert mit mir ab. Also gibt's bisher nur eher vereinzelte Auftritte außerhalb Bayerns, was mich nicht unbedingt sehr glücklich macht.

Das Ganze ist ein Teufelskreis: Du bist nicht bekannt, also kriegst du weder Auftritte, noch interessiert sich eine Agentur oder eine Plattenfirma für dich. Um bekannter zu werden - und um zu überleben -, brauchst du allerdings viele Auftritte und mittlerweile meist auch eine Agentur. Es würde mich freuen, wenn die Veranstalter mal mehr Mut zeigen würden und auch mal Konzerte mit unbekannten Künstlern auf die Beine stellen würden. Auch würde ich mir wünschen, daß Booking-Agenturen zu einem gewissen Teil den "Nachwuchs" fördern würden und nicht immer nur mit wesentlich kleinerem Aufwand die "Stars" unterstützen. Es ist verdammt schwierig, sich heute als Musiker durchzuschlagen, noch dazu, wenn man gleichzeitig sein eigener Manager, Agent und Plattenproduzent ist. Den größten Teil meines Arbeitstages verbringe ich im Büro. Das "Liedermachen" ist dabei eher zur Nebensache geworden.

Live spielst du Gitarre und ein wenig Mundharmonika, auf dem aktuellen Album "Scheiß da Hund" zusätzlich Akkordeon und Bass. Sind Solo-Auftritte dein Ding oder könntest du dir vorstellen, es auch einmal mit Band zu versuchen?

Es gibt Pläne, auch mal mit Band auf Tour zu gehen. Allerdings ist es zu früh, darüber näher zu sprechen. Ich weiß nicht, wann das sein wird, aber ich bin mir sicher, daß das in den nächsten Jahren mal klappt. Im Moment könnte ich mir eine Band finanziell überhaupt nicht leisten. Daß ich mir meine Musik mit Band vorstellen kann, sieht man ja ansatzweise wie gesagt schon auf dem aktuellen Album. Und in diese Richtung wird's weitergehen, das Ganze noch ein wenig ausbauen und irgendwann auch live bringen.

Links: www.weiherer.com, weiherer-fan.piranho.at

Diskographie: Fährmann (2002), Scheiß da Hund (2004)


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 01/2005

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