FolkWorld #60 07/2016

CD & DVD Reviews

Herzgespann "Wann geh'n wir nach Haus"
Eigenverlag; 2015

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www.herzgespann-musik.de

Liedern aus deutscher Tradition haben sich diese fünf Musiker gewidmet. Fast keines der Lieder waren mir bekannt; sie stammen meist aus dem 19. Jahrhundert und handeln vor allem von Liebe, aber auch mal von Abschied nehmen, wilden Vögelein, oder ein Antikriegs-Lied. Zwei der Lieder sind in Plattdeutsch, der Rest in Hochdeutsch. Die Musik ist ansprechend arrangiert in altem Stile, mit Nyckelharpa, Cister, Akkordeon, Rahmentrommel, Harfe, kleiner Bassgeige, Flöte und anderen Instrumenten. Ein ruhiges und harmonisches deutsches Folkalbum, das auf gelungen Weise die Schönheit dieser meist vergessenen deutscher Lieder feiert - weit entfernt vom volkstümlichen.
© Michael Moll


Tarabband "Ashofak Baden"
Kap Syd, 2016

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www.tarabband.com

Im Jahre 2008 in der schwedischen Metropole und im multikulturellem Schmelztiegel Malmö gegründet, vereinigt die Tarabband einheimische Weltmusiker mit Künstlern mit Emigrationshintergrund; insbesondere ist zu nennen hier die Sängerin und Saz-Spielerin Nadin Al Khalidi, die 2001 aus dem vom Krieg zerrütteten Irak floh und mit Charisma, samtweicher Stimme und originären Texten der Musik des Sextetts den Stempel aufdrückt. Nach dem Debütalbum "Ya Sidi" im Jahre 2013[50] folgt nun das ach-so-schwierige Zweitwerk, nichtsdestotrotz abermals mit leichter Hand inszeniert. Die musikalischen Ausdrucksformen Nordafrikas und des Nahen Ostens gehen eine gelungene Verbindung mit nordischem Folk, Jazz und Latin, und mancherlei exotischem Gewächs entlang des Wegesrandes ein. Der Crossover-Mix transzendiert Zeit und Raum; der gemeinsame Nenner ist tarab, ein arabischer Ausdruck für die Begeisterung und Verzückung, die durch Musik eintreten kann. Dabei ist die Musik der Tarabband eingängig und bietet keine Hürde für westliche Ohren; sie ist mehr dem Mainstream und der Popmusik verhaftet als beispielsweise die Interpretation des deutsch-spanischen Al Andaluz Project.[52] Textlich ist viel von Liebe die Rede, aber nicht immer die leichte und unbeschwerte Zweisamkeit: Das Titelstück "Ashofak Baden" (d.h. Wir werden uns später treffen) wurde durch das Selfie eines jungen Yazidi-Paares aus dem Nordirak inspiriert, kurz bevor es durch den herannahenden Krieg getrennt wurde.
© Walkin' T:-)M


Beoga "Before We Change Our Mind"
Own label, 2016

Article: 100 Years of Irish Revolution Revisited

www.beogamusic.com

Das irische Wort beoga bedeutet so viel wie lebendig und munter und rege tourt das gleichnamige Traditional Music Ensemble aus dem Norden Irlands seit 14 Jahren über den Globus. Der von ihnen geschaffene New Wave Trad mit der Einbeziehung moderner Musikstilistiken und globaler Weltmusikelemente konnte seinerzeit als durchaus revolutionär bezeichnet werden, der viele weitere Gruppen inspiriert hat. Das Tasten-Trio Seán Óg Graham, Damian McKee und Liam Bradley (Akkordeon bzw. Klavier), komplettiert durch Geigerin und Sängerin Niamh Dunne und Bodhranspieler Eamon Murray, hat vier kommerziell erfolgreiche Studio-Alben aufgenommen.[31][33][38][46] Fünf lange Jahre hat uns das Quintett (abgesehen vom einem Live-Album zum 10jährigen Bestehen)[55] schmoren lassen, um uns nun mit einem abgeklärten und leichten Werk zu erfreuen. Die Instrumental-Sets, alle aus Seáns und Damians Feder, bieten treibende Tanzstücke, die gekonnt zwischen Tradition und Aufbruch balancieren, ohne in die Tiefe zu stürzen. Niamhs Liedauswahl ist clever und abwechslungsreich. "The Bonny Ship The Diamond" ist ein alter Gassenhauer des Irish Folk, der in den Beoga-Werften general-überholt wurde. Tommy Makems "Farewell to Carlingford" und Eamon O'Learys "Like A Dime" sind noch junge, unverbrauchte Kompositionen, während das a capella gesungene "Wexford Town" aus dem Fundus des fahrenden Sängers Pecker Dunne[50] stammt, der - richtig geraten - ein Verwandter von Niamh ist.
Deutsche Beoga-Fans werden im Herbst 2016 auf ihre Kosten kommen, wenn das umtriebige Quintett als Headliner der Irish Folk Festival Tour "100 Years of Irish Revolution Revisited" auftreten wird.
© Walkin' T:-)M


Gráinne Brady & Tina Jordan Rees "High Spirits"
G&T Records, 2015

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www.grainneandtina.com

Gráinne Brady (Geige) und Tina Jordan Rees (Klavier, Flöte) sind ein junges Trad-Duo, das das Musikstudium aus dem irischen Cavan bzw. dem englischen Lancashire in die schottische Kulturhauptstadt Glasgow verschlagen hat. Aus den Sessions in der Ben Nevis Bar, auf den Bühnen feingeschliffen, versammelt "High Spirits" 23 fantasievolle Eigenkompositionen basierend auf traditionellen irischen und schottischen Musikformen. Von den "Bank of the Erne", der an Gráinnes Wohnstätte im heimatlichen Cavan vorüberfließt, bis zum "Shetlag", bereits ein veritabler Session-Hit, präsentieren sich die Instrumentalsets schwungvoll und ungestüm. Walzer und Slow Air sorgen für kurze Atempausen, während der 5/8-Rhythmus von "The Walking Bass / D'Almaine" die Beine verknotet. Es sind nicht nur die perfekt zusammenpassenden Kompositionen, auch Spiel und Ausdrucksform ergänzen sich gegenseitig aufs Beste. Kein Wunder also, dass Gráinne Brady und Tina Jordan Rees als auch ihr Publikum sich in Hochstimmung befinden.
© Walkin' T:-)M


In Layman Terms "Tangled"
Own label, 2016

www.3inlaymanterms.com

Die Geschwister Cole (Gitarre) und Logan Layman (Gesang, Bass) sind noch im Teeniealter, haben musikalisch aber bereits einen weiten Weg zusammen zurückgelegt. Das Debütalbum "Tangled" präsentiert einen repräsentativen Querschnitt durch das Schaffen der Laymans als Duo, als Trio mit ihrer Mutter an Schlagzeug und Waschbrett, als auch kompletter Besetzung mit Blasmusik. Die Reise geht vom traditionellen, akustischen 12-Takter aus dem Mississippi-Delta zum urbanen Big-Band-Blues, vom elektrifizierten Bluesrock zum funkigen Soul, vom Jazzclub zum Honkytonk. Der gemeinsame Nenner ist der Blues, die ursprünglich afroamerikanische Musikform, die die weiße Mittelschicht erobert hat und dem Großteil der populären nordamerikanischen Musik zugrundeliegt. Die Kompositionen und Interpretationen des Geschwisterpärchens sind frisch und heißblütig und überhaupt nicht verworren. "Tangled" ist ein geradliniges und durchdachtes Debüt. Es ist immer wieder erfreulich, Künstler am Beginn ihrer Karriere zu erleben, insbesonders wenn der Ausblick so vielversprechend ist: Logan Layman hat schon so viel Ausdruckskraft, dass sie auch bei Janis Joplins "Move Over" nicht ins Fettnäpfchen tritt; Cole Layman beherrscht die Fender Stratocaster und die Diktion von Stevie Ray Vaughan und den Groove von Led Zeppelin gleichermaßen wie er auf der Zigarrenkisten-Gitarre zaubert - den Covern von Janis Joplin und Howlin’ Wolf ("Smokestack Lightning"), zwei Liedern der Singer-Songwriterin Holly Montgomery und nicht zuletzt den auf "Tangled" befindlichen fünf Eigenkompositionen der jungen Talentschmiede.
© Walkin' T:-)M


Yo Yo Mundi "Evidenti tracce di felicità"
Felmay, 2016

www.yoyomundi.com

Nach zweieinhalb gemeinsamen musikalischen Jahrzehnten und fünf Jahren nach dem "Munfra"-Album[46] ist die Formation aus dem italienischen Piemont auf der Suche nach den offensichtlichen Spuren des Glücks. Das Motto und der rote Faden der Liebeslieder (die auch die Liebe zu Heimat und Land und ein politisches Bewusstsein einschließt) ist: Wenn in jeder Träne ein Gedicht versteckt ist, birgt jedes Lächeln eine Revolution. Dank Frontmann Paolo Enrico Archetti Maestri ist "Evidenti tracce di felicità" ein Liedermacheralbum, das poetische Geschichten erzählt. Seine Mitstreiter rocken und rollen, eher akustisch als elektronisch, wobei Geigerin Chiara Giacobbe der Folkrock-Sound geschuldet ist, und sich illustre Gäste wie der vielseitige genuesische Gitarrist Paolo Bonfanti[55] und der okzitanische Multiinstrumentalist Simone Lombardo (z.B. Ramà,[50] hier an Dudelsack und Drehleier) wunderbar einfügen. Trotz all der Jahre, die Yo Yo Mundi auf dem Buckel hat, kommen die "Evidenti" frisch und unverbraucht daher; es sind vielschichtige Kompositionen, aber extrem tanzbar.
© Walkin' T:-)M


"Sänger, Schreiber und Studenten - das Rostocker
Liederbuch aus dem 15. Jahrhundert" [Hörbuch]
Tennemann Buch- und Musikverlag, 2015

Digitales Archiv Ro-
stocker Liederbuch

Aus alten Quellen ist bekannt, dass auch mittelalterliche Studiosi genau wie ihre heutigen Pendants gerne bierselige Feste mit derben Gesängen feierten. Materieller Beweis ist eine handschriftliche Liedersammlung aus der Hansestadt Rostock, die einzig bekannte, die von Studenten angelegt wurde, und meist niederdeutsche Lieder weltlicher Herkunft überliefert. Entdeckt wurden Blätter dieses Liederbuches im Jahre 1914 vom Bibliothekar Bruno Claußen in der Rostocker Universitätsbibliothek, weil mit ihnen 1568 die Einbände einer Anzahl Bücher für Herzog Johann Albrecht I von Mecklenburg verstärkt wurden. Gerettet wurden 54 Lieder, davon 46 in niederdeutsch, hochdeutsch oder einer niederdeutsch-hochdeutschen Mischsprache, 6 in Latein und 2 halb niederdeutsch, halb lateinisch. Die Handschrift überliefert Liebeslyrik genauso wie Trinklieder, politische Lieder oder das älteste bekannte niederdeutsche Weihnachtslied. Die Sammlung lässt sich recht genau datieren: ein Lied bezieht sich auf die Fehde des Herzogs Otto von Lüneburg-Braunschweig mit seinem aufsässigen Adel anno 1464, ein anderes Lied auf die Rostocker Domfehde von 1487, einem Aufstand des einfachen Volkes gegen die Stadtpatrizier.
1977 fällt dem Göttinger Studenten Rainer Schobeß ein gedrucktes Exemplar der Rostocker Liedersammlung in die Hände. Ein Lied erscheint 1977 auf dem ersten Album seiner damaligen Gruppe Lilienthal. 1976 in Göttingen gegründet, war Lilienthal eine der wichtigsten Gruppen des Deutsch-Folk-Revivals der 1970er und 1980er Jahre (Schobeß ist aufgewachsen in der Gemeinde Lilienthal bei Bremen) und spielte beeinflusst von Bands wie Planxty und Fairport Convention Volkslieder aus Sammlungen wie Wolfgang Steinitz und aufwendig arrangierte Renaissance-Tänze. 1983 schlägt Schobeß Radio Bremen ein Rundfunk-Feature vor; dazu werden die mit Noten überlieferten niederdeutschen Lieder aufgenommen. Die wahrscheinlich einst acapella gesungen Lieder werden mit alten Instrumenten, aber Siebziger-Jahre-Folk-Manier eingespielt - neben Rainer Schobeß (Hackbrett, Dulcimer, Psalter) vom (2003 verstorbenen) Herwig Steymans (Gesang, Schalmei, Cister, Geige), Hans-Jörg Maucksch (Flöten, Gambe, Krummhorn, Seitentrommel) und Wolfgang Beisert (Gitarre, Waldzither, Harfe, Maultrommel). Schobeß erinnert sich:

»Wir wollten keine Kunstmusik machen, die alte Musik oft zu einer steifen und ernsten Angelegenheit werden lässt. Wir kamen aus der Folkszene, und wir hatten außerdem eine Vorliebe für Tanzmelodien des Mittelalters und der Renaissance. Unsere Helden waren, neben Phil Pickett und den Folkrockern der Albion Band, Thomas Binkley und das Studio der frühen Musik sowie David Munrow und das Early Music Consort. Munrow hatte die Welt bereist und war bei seinen Interpretationen von Volksmusiken und Folkmusikern beeinflusst, lange bevor von Weltmusik gesprochen wurde. Und Thomas Binkley hatt der alten Musik den Rhythmus zurückgegeben, den sie bei akademischen Aufführungen verloren hatte.«

Anläßlich der 100jährigen Wiederentdeckung des Rostocker Liederbuches sind nun die Aufnahmen aus dem Archiv von Radio Bremen zum allerersten Mal veröffentlicht worden. Die eine CD enthält das einstündige Radio-Feature von Rainer Schobeß, die andere CD die vollständigen Aufnahmen und Interpretationen von Lilienthal, insgesamt 22 Lieder und 3 Reime. Das 90-seitige Booklet enthält Hintergrundinformationen, Illustrationen, sowie Liedtexte samt hochdeutscher Übersetzung. Das Motto des Tennemann-Verlags ist: Wir möchten Traditionelles bewahren und weiterentwickeln. Wir möchten Neues entdecken und wagen. Das alles ohne jede Heimattümelei, weil wir hier zu Hause sind – heute und jetzt im 21. Jahrhundert. Mit dem Hörbuch "Sänger, Schreiber und Studenten" lässt sich nicht nur historisch wertvolles Kulturgut wiederentdecken, sondern auch nahezu unbekanntes, altes Liedgut mit wunderbaren Melodien wieder zum Leben erwecken.
© Walkin' T:-)M

HüSCH! "bann dr Morche grauit"
SoulFolkRecords, 2014

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www.songs-of-heimat.de

Bekanntes traditionelles Liedgut aus deutschen Landen: Anton Wilhelm von Zuccalmaglios "Kein schöner Land" (hier ergänzt um eine Schmeckenbecher-Strophe), Karl Ströses auf Motiven von Neidhart von Reuental basierendes "Nun will der Lenz uns grüßen", düstere Anti-Kriegs-Lyrik "Es geht ein dunkle Wolk herein" und "Es ist ein Schnitter" aus dem 30jährigen Krieg, "Wenn ich ein Vöglein wär" aus der 250 Jahre alten Herderschen Liedersammlung. Selten gehörte Mundartlieder: Christian Friedrich Röders "Wenn aaner ins Gebirg rauf kimmt" und der Gassenhauer "Hansgörg, wos mach mer heit" aus dem Erzgebirge, Wilddieb-Balladen im Henneberger Dialekt ("Früh bann dr Morche grauit", "Es wår zur Frühjårschzeit"). Und mittendrin das finnische "Tuol on mun kultani" (in deutscher Übersetzung als "Über den Berg" von Bettina Wegener interpretiert), das alles umfasst das stattliche Repertoire des Thüringer Volksmusik-Quartetts HüSCH!, ein südthüringischer Ausdruck für etwas von besonderer Güte. Gemeinsam haben die drei Instrumentalisten Nico Schneider, Tim Liebert und Joachim Rosenbrück die Thüringer Waldzither, ein Zupfinstrument aus der Familie der Cistern (Kastenhalslaute), die sie neben Gitarre, Banjo, Flöte, Geige und Maultrommel ausgiebig zum Klingen bringen. Das Trio ist dabei weder rückwärtsgewand, noch der reinen Lehre verpflichtet. Das überkommene deutsche Liedgut wird in ein musikalisch modernes Gewand gekleidet, Anleihen bei keltischer und anglo-amerikanischer Folk Music, als auch Blues und Jazz genommen. Die Arrangements und Interpretationen sind jugendlich und vital trotz - oder gerade wegen - der volksmusikalischen Expertise. Die routinierten Instrumentalisten werden dabei von Sängerin Hanna Flock unterstützt, die sich in die Gehörgänge einschmeichelt und wohlige Schauer über den Rücken treibt.
© Walkin' T:-)M


HüSCH! "Jetzt, Heut und Hier"
CPL Music, 2016

www.songs-of-heimat.de

Schönheit ist zeitlos. Und eine besondere Schönheit wohnt dem Volkslied inne. Das mag seltsam klingen, in Zeiten, in der Musiker darum wetteifern, wer die aufregendsten Schmähreime verfasst. Doch sollte man sich auch bei Globalisierung vor Augen führen, wo sich die Wurzeln der eigenen Kultur befinden. Vielleicht versteht man dann auch die Nachbarn besser, die auch ihre Wurzeln und Heimaterde mit sich tragen. HüSCH! aus Thüringen hat sich auf ganz besondere Weise um das Heimatlied verdient gemacht. Auf ihrer CD "Jetzt, Heut und Hier" tragen sie Klassiker des Volkliedes vor, wie "Kein Feuer, keine Kohle" und "Die Gedanken sind frei". Später folgt eine wunderbar melancholische Version des Liedes "Maienzeit" von Neidhart von Reuental, das sich im späteren Verlauf zu einem flotten Tanzlied verwandelt. Ein Text von Goethe, der als Bänkelgesang gedacht ist, ist der "Rattenfänger". Und »Wanderers Nachtlied« war nie rührender, wie unter dem Gesang von Hanna Flock. Aus dem Hamelner Kinderfänger wird hier ein moderner Aufreißer. Das Lied, das dem Album den Namen gab "Jetzt, Heut und Hier" handelt vom Feiern. Der Text klingt etwas moderner, ist aber in seiner Handlung ebenfalls in jeder Zeit wiederzuerkennen. Die Musiker der Band HüSCH! sind mit der Musik erwachsen geworden, die es seit den 70er Jahre zu hören gibt. Amerikanischer Pop, irischer Folk und Punk liegt in ihrer erlebten Vergangenheit, genauso wie Bob Dylan und die Volkslieder, die man in der Schule lernen musste. Die Vorliebe für das Volkslied ist neu. Die Kenntnis der Musik Europas fundiert. So wird dem deutschen Liedgut das Banjo der amerikanischen Folklore beigefügt, die Geige der irischen Musik und der ausgeprägte soulige Gesang des Pop. Hervorragend der Gesang von Hanna Flock, sehr belebend das Banjo von Nico Schneider und ebenso sein Akkordeonspiel. Brillant, die Wechsel zwischen Melancholie und Beschwingtheit. Es ist ein bemerkenswertes Album zeitloser Volksmusik. Die temporeiche Instrumentierung auf der einen Seite und die gefühlvolle Interpretation der Texte auf der anderen Seite verbinden sich zu einem einfachen, wie kunstvoll gestalteten Zeit überwindenden Hörgemälde. Ein Album zum Tanzen und zum Träumen. Schönheit ist zeitlos, wie das Album »Jetzt, Heut und Hier« beweist.
© Karsten Rube


Rhythm Future Quartet "Travels"
AJL, 2016

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www.rhythmfuturequartet.com

Das Rhythm Future Quartet aus Boston überzeugt mit ihrer CD "Travels" durch eine tempogeladene Wiederbelebung des Geistes vom "Hot Club of France", jener legendären Band mit der Django Reinhardt und Stephane Grappelli in den dreißiger Jahren den Jazz revolutionierten. Das Quartet bringt ein paar Klassiker zu Gehör, die nicht nach verstaubter Kopie klingen. Mit eindrucksvollen Improvisationen, Neuarrangements und Impressionen aus Klezmer und Orient erweitern sie das Gypsyjazzspektrum um ein Vielfaches. "Travels" lässt den Hörer mitreisen, auf einer sehr launigen Fahrt durch den muskalischen Kosmos von Django Reinhardt und seinen zahlreichen Jüngern.
© Karsten Rube


Karibuni "Waka Waka"
Universal Music, 2016

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Folk for Kidz

www.karibuni-kinderweltmusik.de

Als altgedientes Elternteil mit zwei nunmehr halbwegs erwachsenen Kindern, kann ich mich gut daran erinnern, wie im Bekanntenkreis immer wieder die Vermutung diskutiert wurde, eigenen Kindern könne man den persönlichen Musikgeschmack nicht nahebringen. "Irgendwann hören die sowieso ihre eigenen Sachen." Das ist ja weitgehend auch ganz in Ordnung. Trotzdem darf man die musikalische Geschmacksbildung des Nachwuchses nicht RTL und Radio Energie überlassen. Kinder musikalisch zu bilden ist ein wichtiges Feld, das Verantwortung und Spaß kombinieren sollte. Die Auswahl an geeignetem musikalischen Material ist allerdings nur in der Klassik allumfassend, während man im Popbereich bei genauer Betrachtung eigentlich nur Grütze findet.
Das Ensemble Karibuni versucht seit 1997 das Konzept "Weltmusik für Kinder" unter die kleinen und großen Leute zu bringen. Ihr Album "Waka Waka - Kinderlieder aus der großen weiten Welt" ist ein Querschnitt des Tuns der bunten Truppe um Josephine Kronfli und Pit Budde. 20 Kinderlieder aus aller Welt haben sie auf diesem fröhlichen Album zusammengetragen und teilweise ins Deutsche übertragen, zum Teil auch im Original belassen, so dass der hörende Mensch versteht, was dort im Original eigentlich gesungen wird. Lieder aus Kamerun, Benin, Äthiopien und von der Elfenbeinküste sind zu hören. Dabei ist der Titel "Waka Waka" vielleicht der bekannteste, haben doch Freshlyground und Shakira 2010 diesen Titel aus Kamerun zur ultimativen Fußballhymne bei der WM in Südafrika erhoben. Auch nach Australien geht die musikalische Reise mit solch hübsch gereimten Liedern, wie "Bring dein Känguru mit, Pit". Kanada spielt eine Rolle, aber auch Lieder aus verschiedenen Ländern Europas, wie Polen, Island und England haben die Bandmitglieder, die aus allerhand Ländern stammen, ausgesucht. Darunter das schöne portugiesische Lied "Malfada". Karibuni gelingt es, einen weiten Bogen um die Welt zu spannen und dabei den Hörer, ob klein oder groß, neugierig zu machen und auf diese Reise mitzunehmen.
© Karsten Rube


Tom Mank & Sera Smolen "Swimming in the Dark"
Eigenverlag, 2013

www.tommank.net

Tom Mank ist Bluesgitarrist, Autodidakt, Songwriter. Sera Smolen klassisch ausgebildete Cellistin. Um solcherart musikalische Gegensätze zu verbinden, benötigt man als Musiker Mut zur stilistischen Grenzüberschreitung. Gemeinsam finden sie einen überzeugenden Weg, ihre Wurzeln zu verbinden. Jazzig-bluesige Songs haben sie auf dem Album "Swimming in the Dark" aufgenommen."Sergeant Oliver" zum Beispiel handelt von einem Soldaten, der sich Weihnachten 1915 an der Front des 1. Weltkrieges wiederfindet. "Running like the Wind" ist eine Erinnerung an Manks Vater. Hervorragend ergänzen sich die verspielten Gitarrenmelodien und die recht klaren Klanglinien des Cellos. Tom Mank und Sera Somlen sind auf ihrem Album "Swimming in the Dark" elf eindrucks- und gefühlvolle Songs gelungen.
© Karsten Rube


V. Poulsen's Kapel "Old School"
Go Danish Folk, 2015

www.vpoulsen.dk

Wahrhaft historische Feldaufnahmen haben die Verantwortlichen von Go Danish Folk Music da ausgegraben. Die vorliegende CD der dänischen Folkkapelle V. Poulsen's Kapel basiert auf einer Kassettenproduktion aus dem Jahre 1981. Die Musiker, die heute immer noch aktiv unterwegs sind und zum Tanz aufspielen, hatten damals ganz frisch ihre Musik präsentiert, damit man auch zu Hause, was zum Nachtanzen hatte. Es ist bemerkenswert zeitlose Tanzmusik. Das haben sich auch Go Danish Folk gesagt und diese 2015 noch einmal re-mastert und als CD auf den Markt gebracht. Sonnich Lydorm spielt ebenso wie sein Kompagnon auf der Fiddle und dem diatonischen Akkordeon traditionelle Weisen der skandinavischen Folklore. Margaret und Alan Scollay ergänzen die beiden vortrefflich an einigen Stellen mit Piano und Gitarre. Warum die Kapelle sich V.Poulsen's Kapel nennt ist mit zwar verborgen geblieben, aber die Musiker liefern schöne Tanzmusik ohne sich an moderne Hörgewohnheiten anzubiedern.
© Karsten Rube


Antiquariat "Vida de Carrusel"
Acoustic Music Records, 2016

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www.antiquariat-musik.de

Vielleicht kann sich noch einer an die Paris Combo erinnern. Diese Band hatte vor einigen Jahren Musik mit verswingter Leichtfüßigkeit produziert. An diese Band musste ich denken, als ich die Musik der Gruppe Antiquariat das erstemal hörte. Auf der Basis der Sinti-Swing-Rhythmic eines Django Reinhardt paaren die Musiker osteuropäische Heiterkeit mit Jazz und Chanson. Der Sängerin gelingt es trotz ihrer nicht besonders oktavenreichen Stimme mit viel Charme, ganz zauberhafte kleine Geschichten zu erzählen. Nicht zuletzt die, in der ihr vorgeworfen wird, ständig zu viel zu reden. Wirklich recht amüsant. Musikalisch ist dieser Sinti-Swing-Chanson-Mix virtuos gespielt und frei von modernem Pep. Das Album gibt sich dem Retroschick hin und besitzt damit eine Leichtigkeit, die unbeeindruckt ist von Erfolgszwang. Hier wird gespielt, was Spaß macht und das überträgt sich schnell auf den Hörer.
© Karsten Rube


Virre "Teine"
Eesti Radio, 2004

Irgendwie ist diese schon etwas ältere Aufnahme aus Estland auf meinem Schreibtisch gelandet. Virre heißt die estnische Folkkapelle und "Teine" ist eines von drei Alben, die in der Folkszene von diesem Quartett bekannt geworden sind. Das Album ist ein spritziges Werk mit Polkas ganz im besten skandinavischen Sinne. Fiddletunes und Frauengesänge mit viel Spaß am gemeinsamen Musizieren sind zu hören. Eine ausgezeichnete Tanzmusik ist es also, die Virre da vorstellten und an die man sich auch, nachdem ein paar Jahre ins Land gegangen sind, erinnern kann. Leider scheint von der Band seit 2010 keiner mehr was gehört zu haben, was wirklich schade ist.
© Karsten Rube


Sammant "Sammant"
Löwenzahn Medien, 2016

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www.sammant.de

Auch in Zeiten in denen Medientycoons und Schlagerpaten den allgemeinen Geschmack zu diktieren versuchen, gelingt es dem Volklied, Dank des kulturellen Widerstandes im musikalischen Untergrund, am Leben zu bleiben. Und das ist gut so, denn ohne die unermüdliche Pflege des Liedgutes, wüsste bald niemand mehr, dass es vor Helene Fischer und Andrea Berg tatsächlich deutschsprachige Lieder mit Qualität gab. Und die durfte jeder zu jeder Zeit vor sich hinsingen, ohne dass die GEMA den Knüttel zückte. Sammant ist eine junge Kapelle aus Weimar, die sich dem Volkslied widmet. Alte Lieder, die schon fast vergessen sind, werden von den Musikern mit viel Liebe sehr atmosphärisch neu in Szene gesetzt. Dabei bewahren sie nicht nur die Tradition des Liedes, sondern tauchen sie in die modernen Farben der Weltmusik. Sie greifen munter und ohne Berührungsangst in das Instrumentarium aus australische Didgeridoo, afrikanischer Kalimba, rockiger E-Gitarre, Saxophon und Tabla und begleiten damit die helle Stimme von Josephine Paschke. Kein Titel findet sich auf der CD, der fehl am Platz wäre oder ein unpassendes Arrangement hätte. Die Lieder sind komplex, von eigener Harmonie, schweben oft mit einer Mystik durch den Raum, wie man es von skandinavischer Folkmusik her kennt. Meine Favoriten sind "Was frag ich nach Gold und Gut" fröhlich gesungen und gejodelt von Ines Agnes Krautwurst mit dunklem Timbre in der Stimme, sowie das Lied "Freiheit, die ich meine" aus dem späten 18. Jahrhundert. Sammant erzeugen mit ihrem Debütalbum ganz wunderbare Momente, in denen man glaubt, das Träumen neu zu erlernen.
© Karsten Rube


Wirbeley "Barrierefreie Volksmusik"
Westpark Music, 2016

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www.wirbeley.de

Die Dresdner Musikanten der Gruppe Wirbeley tummeln sich bereits ein ganze Weile auf den Folklorebühnen der Republik. Mit ihrer betont mittelalterlich ausgelegten Vortragsweise begeisterten sie unter anderem auch schon beim Tanz und Folkfest in Rudolstadt. Die einstige Damenkapelle ist nun auf sechs Mitglieder angewachsen und konnte das renommierte Weltmusik-Label Westpark Music für sich gewinnen. Die neue Produktion "Barrierefreie Volksmusik" zielt nicht nur mit dem Titel auf Grenzfreiheit ab. Die Lieder, die auf der CD zu hören sind, streunen quer durch Zeit und Raum. Mit höfischen Bläsern im Gepäck wandert die Musik durch den Balkan, trifft auf morgenländische Impressionen, tanzt durch die provenzalischen Regionen bis hinunter nach Katalanien und klopft auch mal auf den afrikanischen Busch. Beschränkungen sind für Wirbeley keine Option. Alles darf rein in den freundliche Volksmusikeintopf, aber nichts wird verwurstet. So schön kann sich Weltmusik anhören, wenn man nicht auf Korrektheit achtet, sondern auf musikalische Spielfreude. Auch dieses Album ist den Musikerinnen und Musikern von Wirbeley bestens gelungen.
© Karsten Rube


Besquidians "Folkover"
Uniwersytet Slaski, 2015

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www.besquidians.com

Aus den polnischen Beskiden stammt die Gruppe, die sich nach ihrem Heimatgebirge benannt hat. Besquidias. Die jungen Folkmusiker haben sich der Musik ihrer Region verschrieben und bringen traditionelle Melodien aus dem Leben der Hirten und Bergbewohner auf junge dynamische Weise zu Gehör. Die traditionellen Instrumente, wie Dudelsack und Flöte werden in ein jazziges Umfeld mit scheppernden Schlagzeug und Saxophon gebracht. Die Stimmen der Frauen und Männer haben sich sehr dem traditionellen Gesangsstil verschrieben, doch untermalt mit schrägen Geigenarrangements und Elektrotuning, wird schnell klar, dass bei den Besquidians die Heimatverbundenheit in der Moderne angekommen ist.
© Karsten Rube


Frank Yamma "Uncle"
Wantok Musik, 2014

Frank Yamma "Countryman"
Wantok Musik, 2010

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www.frankyamma.com

Frank Yamma ist ein Vertreter der australischen Ureinwohner. Trotz Verbesserung und politischer Einflussnahme, ist die Akzeptanz der Aborigines in der Gesellschaft bis heute nicht von Gleichberechtigung geprägt. Der Musiker aus dem Wüstenvolk der Pitjantjatjara gehört zu den gefragtesten Musikern der australischen Ureinwohner. Mit seiner markanten, rauen Stimme singt er auf seinen beiden Platten "Countryman" und "Uncle" über die Themen, die nicht nur Aborigines fesseln. Geschichten von Alkoholabhängigkeit sind zu hören, für die Ureinwohner ein besonderes Problem, aber bei weitem nicht nur für sie. Auch Themen, wie kulturelle Diskriminierung spielen eine Rolle. Manchmal ist es aber auch einfach nur die Liebe zu seinem weiten Land, die er in den Mittelpunkt stellt. Manche Songs singt er in seiner Heimatsprache. Viele andere auf Englisch. Sein melodischer Wechsel von sentimentalen Balladen zu rockigen Gitarrensong, zeichnen eine musikalische Vielfältigkeit aus, mit der er auch schon auf europäischen Festivals das Publikum begeistern konnte.
© Karsten Rube


White Sun "White Sun"
Eigenverlag, 2015

www.whitesun.com

Mit dem nicht besonders bescheidenen Anspruch, Musik zu machen, die heilt, tritt eine amerikanische Kapelle an, die sich auf für westliche Ohren akzeptierbare Weise indisch-esotherischer Klangschalenakustik schuldig macht. Weißgewandet und rein ergeht sich die Sängerin in Textzeilen, wie "Guru Guru Wahe Guru Guru Ram Das Guru" und schafft damit Mitsumm-Mantras. Mit indischen Instrumentarium, wie Tabla und Fahrradklingel, untermalt von Syntheziserstimmungsgebrumm und Rhythmuscomputer, säuselt sich die Sängerin durch die Befindlichkeitsskala der gestressten amerikanischen Hausfrauenseele und hinterlässt in ihr das Geräusch eines beruhigenden, heilenden Gongs. Solch verwestlichtes und sektierendes Heilungsgedöhns ist nicht nur einfach keine Sekunde lang ernstzunehmen, sondern klingt zudem auch noch ausgesprochen langweilig. Lediglich dann, wenn der Anspruch darin besteht, den Hörer absichtlich einzulullen und wegdämmern zu lassen, erfüllt die CD "White Sun" ihre Zielsetzung.
© Karsten Rube


Andrea Zonn "Rise"
Compass Records Group, 2015

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Die Countryfiddlerin und Sängerin Andrea Zonn hat auf ihrem Album "Rise" ein paar der bekannteren Folkgrößen Amerikas um sich versammelt. Zehn Tracks sind auf Compass Records im September 2015 erschienen. Zehn Tracks, die Folk- und Countryfreunde mitreißen sollten. Das beginnt schon mit dem Opener "Another Side of Home" auf dem ihr niemand Geringeres als James Taylor zur Seite steht. Neben Taylor erscheinen Vince Gill, Keb' Mo' Sam Bush, Alison Brown und John Cowan auf der Gästeliste. Dieses gelungene Countryalbum, auf dem sie ihr ausgezeichnetes Geigenspiel an jeder passenden Stelle einfügt, ist zum Teil auch ein Dank der Gastmusiker, an die langjährige Backgroundsängerin und -musikerin, die vielen der Stars half, die musikalische Harmonie auf der Bühne zu behalten. Andrea Zonns Album wirkt trotzdem sehr eigenständig. Sie verarbeitet damit einige persönliche Härten, die sie auf sich nehmen musste, als ihr Sohn schwer erkrankte. "Rise" ist eine persönliche Kraftanstrengung und ein Versprechen, nicht aufzugeben. Entsprechend ausdrucksstark ist das Album.
© Karsten Rube


Alpin Project "Eigernordklang"
Zytglogge Verlag, 2015

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www.alpinproject.ch

Die Musik der Schweiz ist geprägt von der kulturellen Vielfalt seiner Bevölkerung. So steif und konservativ einem die Schweizer auch manchmal vorkommen mögen, durch die Mischung von italienischer, deutscher, französischer Stammbevölkerung und der Tatsache, dass auch die Schweiz, wie jedes wohlhabende Land, ein Einwanderungsland ist, bleiben interkulturelle Verbindungen nicht aus. Und zwischen traditionellen Jodlern und modernen Beats gibt es auch kaum noch ernstzunehmende Berührungsängste. Alphorn, Hackbrett, Schwyzerörgeli und Cornett gleiten über die Schwingungen elektronischer Klangverfeinerung. Dem Alpin Project gelingt es mit ihrer CD "Eigernordklang" genau an diesen Steilwänden entlangzuklettern. Die alpine Volksmusik, die zum Tanzen und Feiern gemacht wurde, die Jodler, die als Kommunikation über die Berghänge hinweg ersonnen wurden und die urbanen Sounds der Gegenwart verschmelzen im Alpin Project zum eigenen Klangkosmos, zur Schweizer Musik der Gegenwart.
© Karsten Rube


Kreiz Breizh Akademi "5ed Round"
Innacor, 2016

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myspace.com/...

Kreiz Breizh Akademi (KBA) ist ein professionelles Musikausbildungsprogramm für Musiker auf professionellem Niveau. Seit zehn Jahren existiert dieses ehrgeizige bretonische Projekt. Einer seiner Köpfe ist der Sänger Erik Marchand. "5 Ed Round" ist die fünfte Produktion der Kreiz Breizh Akademie. Im Mittelpunkt steht die Verbindung zwischen der bretonischen Volksmusik, Einflüssen aus dem Nahen Osten und barocken musikalische Themen. Wir hören Marchand im satten Bretonisch singen, doch vor allem die Streichinstrumente lassen uns glauben, uns in Istanbul oder dem Magreb zu befinden. Die Kombination ist außergewöhnlich temperamentvoll und dabei zugleich schwermütig. Wunderbare Arrangements lassen Zeit und Raum verschwimmen. Die Intensität, in der die Rhythmen und Stimmungen wechseln, ist so kraftvoll und beständig, wie das An- und Abschwellen von Ebbe und Flut. Von Liebe und Pest, Seefahrt und dem Ruf des Teufels zum wilden Tanz singt Marchand in malerischen Bildern. Marchands kantige und doch schmeichelnde Stimme wirkt mahnend und betörend gleichzeitig. Dieses Album ließ mich keine Sekunde ruhen. Brillant.
© Karsten Rube


Zauberhafte Welt der Tiere "Affenalarm"
Office4music, 2014

www.zauberhafteweltdertiere.de

Alle leiden unter der Diktatur der Korrektheit. Glücklicherweise ist das manchen ziemlich schnurz. Das norddeutsche Duo Zauberhafte Welt der Tiere hat mit ihrem Kurzalbum "Affenalarm" ein freches Standardwerk für ein selbstbestimmtes Denken und Tun ohne gesellschaftliche Gängelung eingespielt. Die acht Lieder, die norddeutsches Shantytum mit avantgardistischem Laisser-faire verbinden, pendeln zwischen Romantik und Versautheit. Dabei gehen sie munter zu Werk gegen Verdummungsmechanismen, vorgefertigte Lebenslügen und Beschränkungen, hacken auf der Klampfe rum und brüllen sich in Rage. Musik für Rumtreiber und solche die es werden wollen.
© Karsten Rube


Aguas "Sounds of Armenia"
Eigenverlag, 2016

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www.aguas.de

Gerade war Armenien wieder einmal in den Schlagzeilen und sorgte prompt für Ärger, ohne selbst Schuld daran zu sein. Die Bezeichnung "Völkermord", der an der Bevölkerung des kleinen Landes im Kaukasus vor einhundert Jahren begangen wurde, sorgte in Ankara für Unmut. Dieses "So schlimm war's doch gar nicht", das sich nachfolgende Generationen von Tätern herausnehmen, lässt neue Generationen von potentiellen Tätern wach werden. Das beste Mittel gegen kulturelle Abgrenzung, die letztlich zu Fremdenfeindlichkeit führt, ist die kulturelle Grenzüberschreitung. Das Trio Aguas, das sich aus einem Armenier, einem Moldawier und einem Ukrainer zusammengetan hat, lebt und arbeitet in Dresden. Also ausgerechnet da, wo Montagsabendsspaziergänger ihren Unmut zusammentun, weil sie ihren Dialekt gefährdet sehen. Aguas lebt den Grenzübertritt nicht nur mit ihren eigenen verschiedenen Nationalitäten. Sie bringen auch grenzübergreifend Kulturen zusammen. "Sounds of Armenia" greift tief in den Fundus der Kultur des verfolgten Volkes der Armenier. Dabei beweisen sie musikalisch, dass Armenier nicht in der Bitterkeit der Erinnerung stecken geblieben sind, sondern ein modernes Land zwischen Orient und Okzident geworden ist, wobei es allerdings noch genügend Probleme mit Presse- und Meinungsfreiheit zu bewältigen hat. Die Musik des Trios Aguas jedoch ist frei von Einengung und Repressalien. Die traditionellen musikalischen Ideen Armeniens gehen in den Interpretationen der drei Musiker auf in moderner Jazzspielart, finden ihren Weg in die Virtuosität des Flamencos und werden gekonnt in einem Chanson von Charles Aznavour versteckt. Und so geht es weiter durch die Welt der Variationen. Bossa und Funk harmonieren auch mit arabischer Percussion. Gregorianischer Gesang führt in die Stille eines Klosters, während die Gitarren leise perlen. Das Trio Aguas lässt mit den "Sounds of Armenia" den Hörer, die wunderbare Welt der Vielfalt entdecken.
© Karsten Rube


Black Patti "No Milk No Sugar"
Broken Silence, 2015

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www.black-patti.de

Vintage und Retro ist gerade groß angesagt. Im Blues ist man da fein raus, denn man kann auf eine ganze Menge alte Sachen zurückgreifen, die immer noch gut und ungeflickt sind. Black Patti können also aus dem Vollen schöpfen, wenn sie auf ihrer Debüt-CD "No Milk No Sugar" im besten Delta Blues Stil klingen, als wären sie ein herumziehendes Bluesduo in den Zeiten der großen Rezession. Peter Crow.C. und Ferdinand Kroemer haben sich auch technisch gut ins alte Kostüm gezwängt. Aufgenommen haben sie die Bluesnummern, die von Altmeistern wie Muddy Waters stammen, aber auch aus der eigenen Feder fließen, mit Mikrofonen aus den 40er Jahren und Instrumenten, die auch nicht viel jünger sind. Herausgekommen ist ein stimmiges Blues-Album, das klingt, als wäre es in die Jahre gekommen, doch dabei taufrisch ist.
© Karsten Rube


Broes "Route du Soleil"
Appel Records, 2015

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www.broesmusic.be

Die meisten musikalischen Erfahrungen sammelt man durch Zuhören. Broes aus Belgien hat in der Welt der Folkmusik schon viel zugehört und zudem auf Reisen musikalische Wege erforscht. Auf ihrem aktuellen Album "Route du Soleil" beschreiten sie weitere Wege, die sie nach Irland, Brasilien, Arabien und in ein fiktives Winterland führen. Dieses ausgereifte Album steckt voller Überraschungen. Das chromatische Akkordeon von Elke de Meestern lässt die Stimmung gekonnt zwischen fröhlichem Tanz und leichter Melancholie pendeln. Anouk Sanczuks Violine öffnet die mystischen Momente der CD. Florian de Schepper verwandelt seine Gitarre von einer Folkklampfe in eine Flamencogitarre und über den Jazz zurück zum Folk. "Winterland", ist das sentimentalste Stück der CD. Eine wunderbare Melodie zum Träumen, auf diesem an traumhaften Stücken reichen Album. Auf "Route du Soleil" treffen sich Balkan, Jazz, französische Leichtigkeit und Latin charmant zum Tee mit Schuss.
© Karsten Rube


Budzillus "Besser wirds nicht"
MunkaMunkaRecords, 2015

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www.budzillus.de

Das Berliner Quintett Budzillus singt auf der CD "Besser wirds nicht" ihre Botschaft hinaus. "Diese Welt ist mir zu klein" tönen sie im Titel "Ego". Deutlich wird das auf der ganzen CD, die weniger den osteuropäischen Einflüssen der Vergangenheit folgt, als vielmehr gitarrenlastig, punkig und knallig abgedreht daherkommt. Mitmachpogo mit deutschen Texten (mit kleinen Ausnahmen) und deutlichen Seitenhieben auf Kommerz haben die Jungs auf diese Scheibe gepresst. "Alle singen mit" klingt beinahe wie ein Ärztesong. Auch sonst bedienen sie sich gern verschiedener Stile, vom Beerdigungsmarsch ("The Circus left the town"), bis zum "Men in Black"- Zitat ("Plan A"). Und auch vor einer singenden Säge machen sie nicht halt. Doch billig und geklaut klingt das nie. Vielleicht stimmt es ja, wenn sie meinen "Besser wirds nicht". Aber für den Moment ist das, was Budzillus da treiben doch ziemlich gut.
© Karsten Rube


Cologne World Jazz Ensemble "Lullabies and other stories"
Jazzyes, 2015

www.cologne-world-jazz-ensemble.de

Wenn es etwas gibt, das dem Cologne World Jazz Ensemble mit dem Album "Lullabies and other Sories" nicht gelingt, dann Schläfrigkeit zu erzeugen. Die Bandmitglieder dieses exzellenten Ensembles stammen aus Deutschland, Armenien und Weißrussland. Entsprechend fokussiert ist die Auswahl der Schlaflieder, die die Musiker für das Album ausgewählt haben. Es ist ein Wechsel und Verschwimmen von europäischen und nahöstlichen Melodien, die man nicht nur einem Kind zur Beruhigung vor summen kann. Mittendrin erklingen Fragmente aus Beethovens »Neunter Sinfonie«, die schnell erkennen lassen, was Schlaflieder wirklich sind: Lieder, die vom Frieden träumen. Das Cologne World Jazz Ensemble findet musikalische Wege, Jazz und Weltmusik exzellent zu verbinden und lässt den Hörer sämtliche Schlaflieder in hellwachem Zustand genießen.
© Karsten Rube



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