FolkWorld Ausgabe 32 12/2006

FolkWorld CD Kritiken

David Munnelly "Swing..."
Label:
Fréa; MWCD 4051; 2005; Spielzeit: 43:46 min
Munnelly Flaherty Masure "Whenever"
Label: Music & Words; MWCD 4057; 2006; Spielzeit: 62:58 min
Willkommen in den goldenen Zwanzigern im swingenden New York. Das irische Belmullet im County Mayo ist das nächstgelegene Land östlich des Big Apples und der dort heimische junge Akkordionist David Munnelly (-> FW#30) war schon immer fasziniert von der traditionellen irischen Musik, wie sie in dieser Ära gespielt worden ist. (Wozu ja auch ein gewisser deutscher Musiker und Akkordion-Spieler namens Kimmel gehört.) Munnelly spielt traditionelle und selbstkomponierte Instrumentalstücke, mit Hilfe von Fiddler Daire Bracken, Mandolinist Paul Kelly, Banjoist Jim Sheridan, Flötist Kieran Munnelly, Saxophonist Richie Buckley, Gitarrist Gavin Ralston, Bassist Joe Csibi und Perkussionist Lloyd Byrne. Sänger Andrew Murray steuert "Singing Land" von Dougie MacLean bei. David ist ein Akkordeonist der Spitzenklasse, doch manchmal möchte ich fast Schunkeln und Mitklatschen. Es ist also vielleicht nicht unbedingt Irish Folk für jedermann.
Aber David Munnelly kann auch anders. Jüngst hat er sich mit Sängerin Helen Flaherty und dem belgischen Gitarristen Philip Masure zum Trio Munnelly Flaherty Masure zusammengetan. Und hier hält er sich etwas zurück. Helen war lange Zeit Sängerin und Frontfrau von Shantalla (-> FW#8, FW#9, FW#10, FW#21), Philip spielt außerdem bei Urban Trad (-> FW#26, FW#27, FW#27, FW#29) und Comas (siehe CD-Rezension in der englischen FW-Ausgabe). Zu dritt spielen sie neben einigen Instrumentalsets hauptsächlich Lieder: Traditionelles wie "Fair and Tender Ladies", Karine Polwarts derzeit ungeheuer populäres "Follow the Heron", die elegischste Version von allen. Ich empfehle "Lone the Ploughboy", die Version ist nicht besonders lonely. Insgesamt eine wunderbare Sammlung und Interpretation irischer und schottischer Folk-Songs.
Deutscher Vertrieb: Sunny Moon
Walkin' T:-)M


Minotaurus "Myth or Reality"
Label:
Curzweyhl; 35450202; 2004; Spielzeit: 49:02 min
They are dirt in your eyes, they are nightmares in the night. No one ever know their names, they are every family's shame. So sind sie, die Mittelalter-Metal-Rocker Minotaurus aus Aschaffenburg. A battle hymn they like to sing, mit englischen Texten (obwohl sich ein gewisser deutscher Zungenschlag nicht verbergen lässt). Folkmetal beziehungsweise Metallfolk, keltisch angehaucht, ein bißchen Gary Moore aus "Wild Frontier"-Zeiten, kehliger Gesang. Die passende Musik zu schwer gepanzerten Rittersmännern auf edlen Rössern, mit Schwertern (Bihänder müssen es schon sein), Lanzen und Morgensternen. Die Band hat auch zu dem Independent-Fantasy-Film "Kriegerherzen" beigetragen (einem Film mit allen Tugenden und Untugenden einer Laienproduktion). Der Titelsong "Warrior Hearts" von Minotaurus macht sich ausgesprochen gut (insbesondere verglichen mit dem restlichen, unsäglichen Synthi-Orchester-Soundtrack von Roland Kempen von den Streunern -> FW#19).
Curzweyhl
Walkin' T:-)M


NEU2 [Demo]
Die nordenglische Band NEU2 spielt die Songs der irischen Erfolgsrocker U2 nach. Vom ersten Album "Boy" vor sechsundzwanzig Jahren bis zum letzten "How to Dismantle an Atomic Bomb". Der U2-Sound wird bis ins Detail neu erschaffen. Der einzige Unterschied ist, NEU2 spielt die Songs akustisch und nicht elektrifiziert. Das machen die Jungs gar nicht mal so schlecht. Sie klingen zum Teil fast so wie das Original. Warum man sich allerdings bei gewissen Liedern auch kleidungstechnisch genauso ausstatten muss wie die Vorbilder, bleibt mir dann doch schleierhaft. Muss wohl was mit feeling und vibrations zu tun haben.
www.neu2.com
Walkin' T:-)M


Rüdiger Oppermann "Klangwelten - 20 Jahre Dialog der Kulturen" [Buch + CD-Set]
Label:
www.klangwelten.com; KW 20030; 2006
Rüdiger Oppermann "Klangwelten World Music Festival 2006"
Label: www.klangwelten.com; KW 20029; 2006; Spielzeit: 69:57 min
Vor 20 Jahren ging zum allerersten Male das Klangwelten-Festival über die deutschen Bühnen. Nach zwei Jahrzehnten eine Institution. Motto: Der Utopie auf die Beine helfen. Auch dafür erhielt der Harfenist Rüdiger Oppermann (-> FW#12, FW#30), das Hirn und Herz hinter der Festival-Tour, in diesem Jahr auf dem Rudolstadt-Festival den Weltmusikpreis RUTH verliehen.
In dem Buch "Klangwelten - 20 Jahre Dialog der Kulturen" zieht Rüdiger Oppermann erst einmal eine persönliche Bilanz. Er wirft einen Blick auf der Bühne und hinter die Kulissen und berichtet von seinen Reisen zu den Heimstätten der beteiligten Musiker und deren realen Leben. Das opulente Werk ist ein Kompendium, eine Bibel, mit 215 Seiten und insgesamt 336 Fotos. Dazu gibt es sechs CDs mit 79 unveröffentlichten Live-Mitschnitten. 37 Gruppen und Solisten aus 20 Ländern präsentieren das Beste aus 20 Jahren Klangwelten-Festival. Natürlich war Rüdiger Oppermann auch im November und Dezember 2006 wieder unterwegs. Zu der weltmusikalischen Reisegruppe gehörten der ugandische Barde Ekuka (mit dem Fingerpiano Okembe, dessen Zungen plattgeklopfte Fahrradspeichen sind), der niederländische Akkordeonist Servais Haanen, der armenische Duduk-Spieler Art Avetisian (die Duduk ist ein Doppelrohrblattinstrument), begleitet von der Geigerin Lisa Kantchouk, sowie als Perkussionisten Jatinder Thakur (indische Tablas) und Agus und Wahyu Supriawan (indonesische Gendang-Trommeln). Oppermann & Co lagen unglücklicherweise zu kurz vor dem Redaktionsschluss dieser FW-Ausgabe auf dem Tisch, um sich an dieser Stelle ausführlicher darüber auszulassen. Aber das wird in der nächsten Ausgabe nachgeholt. Versprochen!
www.klangwelten.com
Walkin' T:-)M


Ougenweide "Ougenweide / All die weil ich mag"
Label:
Bear Family; BCD 16775 AH; 2006; Spielzeit: 76:30 min
Ougenweide "Ohrenschmaus / Eulenspiegel"
Label: Bear Family; BCD 16779 AH; 2006; Spielzeit: 73:53 min
Ende der 1970er hat es auch in deutschen Landen die ersten Versuche gegeben, Folkmusik zu verrocken. Z.B. ging aus Fiedel Michel (-> FW#11) die Folkrocker Falckenstein hervor. Aber keine derartige Gruppe hat lange überlebt, der Erfolg der Keltenrocker war noch weit entfernt (gab ja auch noch keine Pogues als Vorbild -> FW#22, FW#30). Die einzig wirklich erfolgreiche deutsche Folk-Rock-Gruppe entwickelte sich ohne Kontakt zur Folk-Szene. Die Hamburger Gruppe Ougenweide (-> FW#30) hat sich nach einem Begriff aus einem Gedicht von Neidhardt von Reuenthal aus dem 12./13. Jhd. benannt (im deutschsprachigen Teil des Booklets fälschlicherweise Walter von der Vogelweide zugeschrieben). Sie blätterten nicht im "Großen Steinitz", sondern vertonten mittelhochdeutsche Texte. Vorbilder waren Fairport Convention (-> FW#23), Pentangle und die Incredible String Band. Produzent Achim Reichel, der ja auch jüngst deutsche Volkslieder einspielte, setzte durch, Fairport- und Pentangle-Cover zugunsten deutschsprachigen Materials über Bord zu werfen. Heraus kam weder Folk, noch Frühe Musik, noch geradliniger Rock. Sie sind Ougenweide! (F. Steinbiß) Titel wie das "Palästinalied", und wer hat seitdem nicht alles dieses Stück gecovert, nachgespielt oder neu arrangiert (z.B. unlängst Van Langen -> FW#31). Nach Tourneen mit Fairport galt Ougenweide als Minne-Rock-Band Nummer 1, Sängerin Minne Grawe (kein Künstlername) wurde in einem Atemzug mit Sandy Denny genannt. Ougenweide machten das Mittelalter attraktiv für Leute, die mit Pop und Rock aufgewachsen waren. In Westdeutschland wurden sie Kult, Estampie oder Schandmaul gäbe es ohne sie nicht, im Osten als auch im Ausland schafften sie es hingegen nie. Besten Dank an Bear Records für die Wiederveröffentlichung der ersten vier Alben, die zerkratzten Schallplatten können jetzt endlich entsorgt werden. Das Booklet enthält eine Einleitung von Ken Hunt, die Originalcover sind abgedruckt und die Liedtexte ins Hochdeutsche übertragen. Das einzige, was zu beklagen ist: die Jungfernschaft ist tot (Text von "Kommt, ihr Jungfern, helft mir klagen" von "Ohrenschmaus").
Bear Family Records
Walkin' T:-)M


Rada Synergica "Ajde Ajde!"
Label: Eigenverlag; 2006; Spielzeit: 51:35 min
Im traditionellen, jiddischen "Lidelech" heißt es: Freunde, ich bin in der Oper gewesen. Pagliacci hab ich gehört und gesehen. Wollt ihr wissen, was meine Gedanken sind? Wie ich den schönen Gesang fand? Wahrlich, die Oper ist reich an Musik, die schönen Lieder gefielen mir gleich. Aber ich als Jude sehne mich ein bißchen nach dem, was mich im Herzen erfreut. Ich hab lieb ein jiddisches Liedchen, ein tief empfundenes, schönes chassidisches Liedchen, mit'm yuba buba boy ... Motto für das Leipziger Damentrio Rada Synergica (-> FW#29). Stefanie Koch (Klarinette), Sylke Jilani (Piano und Akkordeon) und Claudia Herold (Cello, Gitarre) spielen und singen (dreistimmig) seit 2002 traditionelle osteuropäische Musik und Klezmermusik. Mal gefühlvoll, mal leidenschaftlich, aber immer kompetent. Traditionelles aus Serbien, Mazedonien, Rumänien, der Türkei und Bulgarien. Jiddische und hebräische Texte. Zur Abwechslung ist "E-lah" afrikanisch angehaucht und liefert das nächste Motto: He Leute, laßt uns tanzen heut' nacht, laßt uns tanzen, bis wir umfallen!
www.rada-synergica.de
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Titi Robin "Ces vagues que l'amour soulève"
Label:
Naive; WN 145081; 2005; Spielzeit: 72:54 min
Diesen Sommer war er zu Gast beim Frankreich-Schwerpunkt im thüringischen Rudolstadt: Thierry 'Titi' Robin. In Frankreich ist der aus Angers stammende Saitenakrobat ein Star der Weltmusikszene, aber was kennt unsereins schon aus Frankreich (und umgekehrt). Auf seiner achten CD "Ces vagues que l'amour soulève" (Die Wogen, die die Liebe schlägt) spielt er auf Gitarre, Oud und Bouzouki träumerische Improvisationen und melancholische Suiten. Titi malt Klanglandschaften. Zigeunermusik, mediterrane und orientalische Einflüsse spielen dabei eine große Rolle. Das ist keine Welt- oder Roots-Musik im herkömmlichen Sinne, Titi erschafft sich seine eigene musikalische Welt. Unterstützt wird er dabei von Francis Varis am Akkordeon, Kalou Stalin am Bass, Ze Luis Nascimento (Perkussion), sowie Flamenco-Sänger José Montealegre und den Los Rumberos Catalans. Fehlt nur noch der passende Film zu diesem Soundtrack.
www.thierrytitirobin.com
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Schäl Sick Brass Band "Prasti Music"
Label:
Westpark Music; 87129; 2006; Spielzeit: 52:53 min
Die Kölner Multi-Kulti-Kapelle Schäl Sick Brass Band (-> FW#23) hat sich von der falschen Rheinseite auf eine musikalische Reise über den Balkan bis nach Asien aufgemacht. (Im Gegensatz zu den Menschen im politischen Spektrum rechts von der Mitte benutze ich den Begriff "Multi-Kulti" nicht als Schimpfwort, sondern als einzige realistische Möglichkeit in einer kulturell unendlich vielfältigen Welt, friedlich miteinander auszukommen.) Der Trip geht schon seit fünfzehn Jahren und das ist das fünfte Album. Die Stücke stammen aus Bulgarien, Griechenland und der Türkei. Die Blasinstrumente treiben den fliegenden rhythmisch-orientalischen Perkussionsteppich voran. Es gibt einen Abstecher nach Skandinavien, dafür sorgt die neue schwedische Sängerin Anna Lindblom. Das selbstgewählte musikalische Motto: Global denken, lokal blasen!
Westpark Music
Walkin' T:-)M


Schöneweile "Volume 1"
Label:
Sony BMG; 82876 81417 2; 2006; Spielzeit: 32:55 min
Da gibt es das Folk-Lexikon aus dem Jahre 1980. Don Paulin fragt: Was ist Folk? Meist werden einfach strukturierte Lieder zu einer einfachen Gitarrenbegleitung gesungen. Es wird direkt, ohne Tricks oder theatralische Effekte gesungen. Sie sind vor allem engagierte Leute und kümmern sich um mehr als ihre Karriere, wollen nicht nur 'Star' werden. Die Folksänger wählen ihr Repertoire nach dem Gesichtspunkt der Relevanz für heute aus. Sie singen meist solo begleitet von ihrer Gitarre; größere Gruppen sind eine Seltenheit.
O.k., wer an dieser Definition festhält, ist hier definitiv falsch. In den 1970er-Jahren plagte sich das Duo Schnappsack neben Zupfgeigenhansel (-> FW#21, FW#24, FW#29), Liederjan (siehe Rezension oben) Fiedel Michel (-> FW#11) und Moin (-> FW#22) mit dem deutschen Volkslied. Im Repertoire befanden sich Texte des 19. Jhds., vor allem aus dem Vormärz, die sie selber vertonten, aktuelle Lieder über Atomkraft und Umweltbewegung, sowie norddeutsche Tanzmelodien. Die eine Hälfte, Peter Braukmann, hat sich seitdem als Kabarett-Plattenproduzent und Comedy-Fernseh-Produzent durchgeschlagen. (Man will ja auch von was leben.) Nun hat er die Klampfe wieder hervorgeholt, wobei Klampfe das falsche Wort ist, denn Schöneweile spielt deutsches Volksliedgut aufgepoppt. Peters Traum war es, einmal mit Spitzenmusikern aus Popmusik, Rock und Folk deutsche Volksmusik zu spielen, die sich nicht hinter z.B. den Chieftains (-> FW#22) und Van Morrison (-> FW#29) verstecken muss. Die Gruppe besteht u.a. aus Sänger und Schlagzeuger George Kranz (erinnert sich noch jemand an den "Trommeltanz"?), Akkordeonspielerin Cathrin Pfeifer (-> FW#28), Flötist und Sackpfeifer Christoph Pelgen (Adaro -> FW#2, FW#10, FW#29), sowie dem halben Musik-Ensemble des Grips-Theaters. Braukmann selbst singt und spielt Bouzouki und Knopfakkordeon. Doch es sind keine Musiker, die einfach mal Bock auf irgendwas hatten, sondern dahinter steckt viel Kalkül, Klinkenputzen bei TV, Radio und der Plattenindustrie. Peter Braukmann weiss genau, dass das Musikbusiness ein Haifischbecken ist. Und so navigiert Schöneweile zwischen volkstümlicher Musik, Pop und Folk durch die Lande, wobei der Humor in den Arrangements nicht zu kurz kommt. Die Zielgruppe ist 30 plus, würde ich sagen, für die ganz ganz Jungen hiphopt es dann doch zuwenig. Wie auch bei Deitsch (-> FW#31) pflegt man nicht mehr das politisch-demokratische Liedgut der 1970er, sondern das gute, alte und harmlose Volkslied. Gewählt wurden ausschließlich Lieder, die durch eine schöne, eindringliche Melodie bestechen und fast jedem in Erinnerung sein sollten. "Der Mond ist aufgegangen", so fängt's an. (Das ist zugleich das Glanzlicht, jedenfalls hat es sich in meinen Hirnwindungen festgefressen.) "Es waren zwei Königskinder", so hört's auf. Dazwischen gibt es: "Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren", "Lauf, Müller, lauf", "Auf einem Baum ein Kuckuck", "Ein Loch ist im Eimer" und "Die Gedanken sind frei".
Die kurze halbe Stunde und der Titel "Volume 1" verweisen darauf, dass noch einiges geplant ist und vielleicht noch manch Hardcore-Folkie das Grausen lehrt und die Haare grau werden läßt. Der Platte wurde zum Vorwurf gemacht, sie wäre zu kommerziell (O-Ton: Der Bass und der Schlagzeuger verspielen sich ja nie!), sie sei bei Sony erschienen, die Gruppe hätte beim ARD-Winterfest der Volksmusik gespielt. Aber das ist ja nicht verboten, oder? Zitieren wir noch einmal Don Paulin: Man hat oft gesagt, dass Volksmusik ausstirbt. Es ist nicht die Musik, die stirbt, sondern das momentane Interesse an der Musik lässt nach. Sie wird vielleicht von weniger Leuten gesungen und gespielt, aber sie bleibt im Dornröschenschlaf lebendig bis zum nächsten Revival. Ob Schöneweile die Zukunft der deutschen Volks/Folk-Musik ist? Bleibt abzuwarten, ich glaube aber, diese Frage ist so überflüssig wie ein Kropf.
Sony BMG
Walkin' T:-)M


Selamat Jalan "spielt!"
Label: Eigenverlag; SEL 001; 2004; Spielzeit: 42:49 min
Wenn du ein Lied singst, übertriffst du die Nachtigall, wenn du beginnst zu tanzen, tanzt dein Herz ... Schöne Worte vom Balkan, und schöne Musik vom Sextett Selamat Jalan aus der Region Hildesheim und Hannover (siehe Rudolstadt-Bild). Gesang, Akkordeon, Violine, Gitarre, Kontrabass, Perkussion, alles ist vorhanden. Das Repertoire besteht aus Traditionellem aus Albanien, Serbien, Mazedonien, Russland und Bulgarien. Wie sollte es anders sein, das populäre "Ederlezi" darf nicht fehlen. Neben den osteuropäisch-mediteranen Liedern und Tänzen finden sich aber auch mal drei schwedische Walzer eingesprengselt, Irisches ("Morrison's Jig" und der "Monaghan Jig"), sowie ein katalonisches Lied ("Falalan"). Insgesamt ein rundum erfreuliches und hörenswertes Klangkollektiv.
www.selamatjalan.de
Walkin' T:-)M


The Brian Setzer Orchestra "Dig That Crazy Christmas"
Label:
Surfdog; PRO44101-2; 2005; Spielzeit: 44:33 min
Nun ja, eigentlich hätte diese CD ja schon letztes Weihnachten rezensiert werden sollen. Aber die Rezension verschwand irgendwo im elektronischen Nirvana. Nur gut, dass es jedes Jahr Heilig Abend gibt. Und es ist nie zu früh, bzw. zu spät, an die Geschenke für das nächste Fest zu denken. Die musikalische Biographie des New Yorkers Brian Setzer ist eng verbunden mit der Rockabilly-Punk-Legende namens Stray Cats. Nach dem Ableben der Band setzte er mit einem 17-köpfigen Orchester das Swing-Revival der 1990er-Jahre in Gang. Brians neustes Album manifestiert die etwas andere Weihnacht, nämlich in der Rockabilly- und Swing-Version. Santa Drives a Hot Rod - mit viel Witz und einer Menge musikalischer Ideen - bis der Weihnachtsbaum brennt. Ich bemerke erstaunt, dass selbst mir auf einmal sowohl Weihnachtslieder als auch Swing- und Rockabilly-Stücke zu gefallen scheinen. (Stücke wie "White Christmas" können allerdings auch dadurch nicht verbessert werden.) "Dig That Crazy Christmas" des Brian Setzer Orchestra wird wahrscheinlich für einige Zeit meine Lieblings-Weihnachts-Platte bleiben. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Na dann, frohes Fest!
Surfdog Records
Walkin' T:-)M


Ilka Siedenburg "Die Bremer Stadtmusikanten"
Label:
Müller-Lüdenscheidt; MLCD 8; 2003; Spielzeit: 25:24 min
Diese CD hat eine Rezensions-Odyssee hinter sich. Ah ja, dachte ich beim Lesen des Info-Blattes, nette Idee, kann man was draus machen. Dann werfe ich die CD ein, höre und langweile mich zu Tode. Gott sei's geklagt, ich bin ja nicht das Maß aller Dinge. Insbesondere nicht, wenn es um Kunst für Kinder geht. Also mach ich die Probe aufs Exempel. Und die Kids sind begeistert. Tja, wer sagt, dass die Langen immer recht haben müssen?! Worum geht's? Radio Animale präsentiert: Berühmte Tiere. Heute: Die Bremer Stadtmusikanten. Herr Esel erzählt aus seinem Leben und singt von seinen Abenteuern, bzw. wie er vom Packesel zum Star aufstieg und die (Senioren-)Band in die Top 10 kam. Dazwischen gibt es sieben swingende Hits der tierischen Combo, geleitet von der Bremer Jazz-Saxophonistin Ilka Siedenburg.
Müller-Lüdenscheidt-Verlag
Walkin' T:-)M


Southern Culture on the Skids "Doublewide and Live"
Label:
Yep Roc Records; 2006; Spielzeit: 52:42 min
Southern Culture on the Skids bedeutet schweißtreibender Rock'n'Roll, Rockabilly, Swamp- und Surf-Rock, Rhythm & Blues. Die Band aus Chapel Hill, North Carolina, besteht aus Rick Miller (Gesang, Stromgitarre), Mary Huff (Gesang, Bass-Gitarre) und Dave Hartman (Stand-up-Schlagzeug). Drei Tage lang im November 2004 schmissen das Trio eine Party im Local 506 in Chapel Hill, um sich durch zwei gemeinsame Jahrzehnte zu spielen. Die SCOTS spielen auf Messers Schneide und bei ihren Konzerten fliegt schon mal Fried Chicken oder Bananenpudding ins Publikum. Das ist natürlich nicht auf CD mitzuerleben. Mir gefällt jedenfalls die Musik und die Energie. Jeder, der rock'n'rollen und boogie-woogen will, ist gut beraten, einmal reinzuhören. Oder man sehe sich die Band lieber gleich live und in Farbe an. Denn da sind sie in ihrem Element.
Yep Roc Records
Walkin' T:-)M


Andy Timmons Band "Resolution"
Label:
Favored Nations; FN2560-2; 2006; Spielzeit: 48:10 min
Vernon Reid & Masque "Other True Self"
Label: Favored Nations; FN2550-2; 2006; Spielzeit: 57:25 min
Nichts für Folkies, denn hier wird nicht geklampft, von der Stromgitarre ist die Rede. Andy Timmons spielte in den 1980ern in der Pop-Metal-Band Danger Danger. Davor studierte der Gitarrist aus Indiana klassische und Jazz-Gitarre und begleitete Olivia Newton-John (ein Ausrutscher, hoffe ich). Seine Solo-Band hat er bereits 1988 gegründet, dennoch ist "Resolution" das offizielle Debut des Trios bestehend aus Gitarre, Bass und Schlagzeug. Was erwartet uns? Explosive Gitarren-Riffs, exzessive Solos und groovige Rhythmen. Led Zeppelin läßt grüßen. Ein weiterer großartiger Gitarrist ist der Afro-Amerikaner Vernon Reid. Zwei Grammys gewann er bereits mit seiner Band, er jammte mit Santana, Mariah Carey und den Ramones. Das aktuelle Album ist eine musikalische wie spirituelle Reise. Reid erkundet seine afrikanische Abstammung, die Kindheit in London und in Brooklyn. Das bedeutet Latin, Reggae, als auch orientalische Einflüsse, neben mal jazzigen, mal geraden Gitarren-Rockern. Fazit: Zwei außergewöhnliche Gitarren-Akrobaten, aber, wie gesagt, elektrifiziert!
Favored Nations
Walkin' T:-)M


Urs Karpatz "Tsighindia - Oiseaux de pasage"
Label: Aquarius; AQ10009; 2003; Spielzeit: 54:06 min
Urs Karpatz "Best of"
Label: Aquarius; AQ10010; 2006; Spielzeit: 61:35 min
In Deutschland (insbesondere in Bayern) sind Bären ja nicht unbedingt gern gesehene Gäste. Zumindest musste man diesen Eindruck gewinnen, als Bruno der Bär die Amigos von der Isar überraschte. Diese Affäre endete tödlich (für den Bär, nicht die Amigos, und ich kann jetzt schon einige Seufzer vernehmen). Wenn hingegen der Sänger, Gitarrist und ehemalige Oursari (Bärenbändiger) Dimitri Serguei Lazarr durchs Land zieht, wird er meist unbehelligt gelassen. Und dabei kommt doch noch verschärfend hinzu, dass Lazarr zur Volksgruppe der Roma gehört. Aber selbst in Bayern feiert sein rumänisch-französisches Quartett Urs Karpatz (d.h. der karpatische Bär) große Erfolge. Berechtigterweise! Cymbal, Geige, Klarinette jubilieren und trauern. Mal klagend und schwermütig, mal leidenschaftlich. Mal Roma-Blues, mal heißt es: Geschwindigkeit ist keine Hexerei. Ein Lied wie "Tshiriklia Nakhel" ist über die in den KZs ermordeten Roma. Und in "Arakh Tshe" heißt es: Macht Platz, junge Leute, lasst den alten Mann tanzen! Wir tanzten, tanzten, tanzten, stampf mit deinen Stiefel bis zum Morgengrauen, so dass wir es noch lange Zeit hören können. Bärenstark!
www.urskarpatz.com
Walkin' T:-)M


Hannes Wader "Jahr für Jahr"
Label:
pläne; 88920; 2005; Spielzeit: 71:31 min
Hannes Wader (-> FW#22, FW#25), über den ich wohl kein Wort verlieren muss, liefert mit "Jahr für Jahr" eine Auswahl jüngerer Lieder aus dem Zeitraum 1995 bis 2005 ab (siehe auch Buchrezension). 15 Lieder aus 10 Jahren, eigene Stücke, Interpretationen von Schubert und Bellman, Zusammenarbeit mit Mey, Hoffmann und Wecker, begleitet u.a. von Steve Baker und dem jüngst verstorbenen Chris Jones (-> FW#31). Es gibt eine Hommage an die "Eltern": Geerbt hab ich nur seine lange Wut, vielleicht auch ein wenig von seinem Mut. Sie konnte nur geben, ihr Leben lang. Nicht nur all die Lieder, die sie für mich sang, auch die, die ich selber schrieb, denke ich mir - und noch schreiben werde - verdanke ich dir. Und für all diejenigen, die mit Hannes Waders neuem Zeugs nichts anfangen können, gibt es als Bonus den alten Talking-Blues-Klassiker "Tankerkönig" live von 1972. Und da muss ich dann doch sagen ... Aber lassen wir das.
pläne
Walkin' T:-)M


Weiherer "Wia Nix - solo/live"
Label:
Conträr; 51; 2006; Spielzeit: 61:11 min
Wir haben es geschafft!, meint der Weiherer (-> FW#30) Die Fußball-WM ist verloren und der Papst wurde auch abgeschoben und für mich bedeutet das immerhin, daß ich mich endlich wieder aus dem Haus wagen darf, ohne gleich von einer Horde offensichtlich Verrückter mit- und/oder niedergerissen zu werden. Diese Möglichkeit lasse ich mir natürlich nicht entgehen, sondern nutze sie, um im Herbst ein paar Konzerte in Deutschland (vor allem natürlich in Bayern) und Österreich zu geben. Die Konzerte dienen natürlich zur Präsentation meiner kürzlich erschienenen CD "Wia Nix", die ich euch dringend empfehlen möchte. Auf dieser Solo-Live-CD, seinem dritten Album, kann der bayerische Barde die Ereignisse der letzten Zeit reflektieren. Was geschah? 2004 Nominierung für den Deutschen Folkpreis RUTH in der Kategorie Newcomer, 2005 Förderpreis der Liederbestenliste, "Eia Sissdem" und "Und nimma auf" werden in Österreich beim FM4 Protest Song Contest unter die besten 25 Protestsongs gewählt. Im Zeughaus Passau im März 2006 singt er seine Lieder und plaudert ungezwungen irgendwo zwischen Naivität und Schalk. Keine Kuh ist ihm heilig, da nützt auch der Papst aus dem Nachbardorf nix. Und dabei ist der Weiherer auch noch so sympathisch, dass selbst das Herz eines Hardcore-CSUlers dahinschmilzt. Und das will was heißen.
Conträr Musik
Walkin' T:-)M


Zartgesottene Melodealer "Gerecht Gelinkt"
Label: Eigenverlag; 2006; Spielzeit: 67:25 min
Neopostromantische Ganzkörperbeschallung nennen die Zartgesottenen Melodealer ihren Comedy-Folk. Von der Rostocker Küste kommen sie: Matrosen, die sind roh, sind romantisch sowieso, sie schlürfen voll Niveau Cointreau und Bordeaux vorm Klo dort irgendwo, in Soho. Ja, wie heißt es im Vorwort zu "Prost!tut": Im Zuge der Gesundheitsreform dürfen auch Trinklieder künftig nur noch mit entsprechenden Warnhinweisen gesungen werden. Liedtitel heißen bei dem Quartett: "We SHELL overcome", "Amsterdamned" (nach Jacques Brel), "Rohling home" (Melodie: "Ye Jacobites"), "VerBrehmt", "Wundharmonika" oder "OptiMist". Und der "Scheidebecher" ist die deutsche Version des irischen "The Parting Glass". Magenbitter bei Gewitter, wenn der Tag beginnt Absinth, grauer Himmel Doppelkümmel, herber Wein für das Gebein, einen Grappa für den Papa, zwei Pernod aufs Risiko dreizehn Klare bis zur Bahre. Na denn man Prost auf Folk und Chanson in Liederjan'scher Manier (siehe oben) mit Bouzouki, Bass, Klarinette und Akkordeon. Und wenn die Melodie erreicht dein Ohr mit Wohlbehagen, dann mache die das Herze leicht.
www.melodealer.de
Walkin' T:-)M


Zinnober "An Rathad Ard - The High Road"
Label: Eigenverlag; 2004; Spielzeit: 60:56 min
Zinnober ist ein Quintett mit Gesang, Gitarre, Keyboards/Akkordeon, Bass und Flöte aus Soest im Sauerland. Sie spielen eine interessante Mischung keltischer Folkmusik. Einerseits Pub-Folk á la "Loch Lomond" und "The Night that Paddy Murphy Died" neben englischen Traditionals und modernem Akustik-Pop-Folk. Andererseits aber auch Stücke auf Gälisch, zwei Waulking-Songs, drei Balladen, ein Puirt-a-Beul (mouth music). Gerade letzteres läßt die Gruppe natürlich vom Rest der Kelten-Fraktion abheben, die sich in Deutschland so tummelt. Mal was anderes, und nicht schlecht.
www.zinnober-music.de
Walkin' T:-)M


V/A "Classic Railroad Songs"
Label:
Smithsonian Folkways; SFW CD 40912; 2006; Spielzeit: 72:41 min
V/A "Classic African-American Songs"
Label: Smithsonian Folkways; SFW CD 40191; 2006; Spielzeit: 68:07 min
V/A "Masters of the Old-time Country Autoharp"
Label: Smithsonian Folkways; SFW CD 40115; 2006; Spielzeit: 73:25 min
V/A "Classic Canadian Songs"
Label: Smithsonian Folkways; SFW CD 40539; 2006; Spielzeit: 71:44 min
Smithsonian Folkways ist und bleibt einer der, wenn nicht der, wichtigste Produzent und Vertrieb für amerikanische Folkmusik. Die im folgenden besprochenen und einige weitere Smithsonian-Veröffentlichungen aus der "Classic"-Serie werden hierzulande von Sunny Moon vertrieben.
Classic Railroad Songs: Vor der Eisenbahn dauerte es Monate, den amerikanischen Kontinent zu bereisen. In den 1830er begann das Eisenbahnzeitalter, 1869 waren Ost- und Westküste per Schiene miteinander verbunden. Eine Revolution wie für unsere Generation die Datenautobahn. Die Eisenbahn faszinierte die Songwriter. Die Eisenbahn wurde eine vielstrapazierte Metapher für Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung. Lieder erzählen vom Bau (inklusive Arbeitslieder der Schienenleger) und Katastrophen. Ingenieure und Zugführer wurden Legenden, als auch die Outlaws, die die Züge überfielen. Am Bekanntesten sind Lieder wie "Railroad Bill", Elizabeth Cottens "Freight Train" (-> FW#31), Leadbellys "Rock Island Line" und "Midnight Special", "Wreck of the Old 97," oder Doc Watsons "Wabash Cannonball". Der Sprengmeister und Entertainer Thomas F. Casey schrieb "Drill, Ye Tarriers, Drill" (gesungen von Cisco Houston); Tarriers waren die Männer, die das Gestein anbohrten und wegsprengten, um Platz für den Schienenstrang zu machen. Bottleneck-Gitarrist Walter "Furry" Lewis (1893-1981) schrieb "Kassie Jones" (Casey Jones), eines der vielen Lieder über Leben und Tod des Lokführers Casey Jones; Lewis verlor 1917 ein Bein bei einem Eisenbahnunfall. Der berühmteste und meist-gespielte amerikanische Folk-Song ist "John Henry" (gesungen von Cisco und Woody Guthrie -> FW#31), der Wettstreit zwischen John Henry und einer Dampfmaschine beim Bau des Big Bend Tunnels in West Virginia.
Classic African-American Songs: Die afro-amerikanischen Balladen sind Lieder, die Geschichten erzählen. Im Gegensatz zum Blues. Es gibt dennoch Übereinstimmungen mit der Blues-Form und Gegensätze zur weißen Ballade: Kurze Verse und kurze Melodien, auf kollektive Partizipation wird Wert gelegt, Improvisation, eher Kommentar als Beschreibung. Die Lieder enthalten viel Ironie, Satire und Anspielungen. Man kann sie zum Tanzen benutzen. Sie machen sich über Autoritäten lustig und enthalten eine gewisse Sozialkritik. Die Hochzeit der schwarzen Balladentradition lag zwischen 1885 und 1925. Die meisten Lieder wurden von Afro-Amerkikanern komponiert, aber ein paar Lieder wurden auch aus der britischen Tradition adaptiert (Stewball, St James Infirmary, Mouse on the Hill = Frog's Wedding). Eine lebendige Tradition, man schaue nur auf die Songs: Railroad Bill, John Henry, Staggerlee, Frankie and Johnny. Die Aufnahmen stammen von den 1950ern bis heute, von Songsters wie Leadbelly (am Akkordeon), Memphis Slim, Willie Dixon, Sonny Terry, Brownie McGhee, Josh White, Big Bill Broonzy - und Weiße wie Woody Guthrie und Dave Van Ronk (siehe Rezension in der englischen FW-Ausgabe). Earl Taylor and the Stony Mountain Boys spielen den "White House Blues", im Gegensatz zu anderen Liedern auf der CD in halsbrecherischer Geschwindigkeit. Das war charakteristisch für den frühen Bluegrass, der aus der Problematik für die Bleichgesichter enstand, mit afro-amerikanischer Rhythmik und Dynamik zurechtzukommen. Das führte wiederum dazu, Geschwindigkeit als dynamisches Mittel einzusetzen. "Casey Jones" wurde zwar von einem weißen Komponisten-Team urheberlich geschützt, basiert aber auf einem älteren Lied schwarzer Eisenbahner (dafür spricht auch schon die Ironie im Gegensatz zu den romantisch-tragischen anglo-amerikanischen Eisenbahnballaden.)
Masters of the Old-time Country Autoharp: Der bekannte Folk-Sänger Ernest 'Pop' Stoneman (1893-1968) begleitete sich zunächst auf der Autoharp, bevor er zur Gitarre wechselte, und machte die erste derartige Plattenaufnahme im Jahre 1924. Das Instrument wurde wahrscheinlich in den 1870ern in Deutschland erfunden, die Konstruktion basierte auf der Zitter. In den USA wurde es erstmals vom deutschen Charles F. Zimmermann produziert, der es 1881 patentieren ließ. In den ersten drei Jahren wurden 50.000 Stück verkauft. Vom Grundmodell, mit dem man gerade mal drei Akkorde spielen konnte, bis zum Grand mit 49 Saiten. Die Grundtechnik war folgende: Begleitung mit Daumen und Zeigefinger, einfaches Melodie-Picking mit dem Zeigefinger und gelegentlicher Akkord. Um die Jahrhundertwende wurden alle möglichen Songs auf der Autoharp gespielt: Hymnen, Folk, Balladen, Instrumentalmusik. Abgesehen vom Blues, der nicht geeignet war, und das Instrument geriet denn auch in der Blues-Ära ein wenig in Vergessenheit. Maybelle Carter popularisierte das Melodie-Picking in den 1950ern und die Spielhaltung, das Instrument vertikal gegen den Brustkasten zu halten. Neben den Genannten befinden sich auf den Aufnahmen von 1962 Kilby Snow, Erfinder der drag notes, dem Äquivalent zum hammering auf der Gitarre, sowie Neriah and Kenneth Benfield.
Classic Canadian Songs: Die Europäer brachten ihre Balladen und Instrumentalstücke nach Kanada mit, insbesondere aus England, Schottland und Irland. Tanzmusik wie "Lord MacDonald's Reel" oder die "Gay Gordons", Lieder wie "Tim Finnegan's Wake". Die Franko-Kanadier in Quebec haben ihre eigene Traditon, die chansons à répondre (Frage-und-Antwort-Lieder). Dazu kommen weitere ethnische Gruppen: Ost- und Nordeuropäer, Juden (Ruth Rubin, -> FW#21, singt mit Pete Seeger, -> FW#29, am Banjo das jiddische Kinderlied "Tonts, Tonts!"). Nicht zu vergessen die indianischen Ureinwohner. Die Aufnahmen stammen aus den 1950ern und 1960ern. 1949 hatten Neufundland und Labrador sich gerade der Konföderation angeschlossen, 1965 wurde die Ahornblatt-Flagge eingeführt, 1967 "O Canada" zur Nationalhymne erklärt. Die Namen der Künstler kennen hier wohl nur die wenigsten: Alan Mills (1913-77) ist der bekannteste kanadische Folksänger der Ära. Fiddler Jean Carignan (1916-88), der berühmteste Fiddler Quebecs, spielt einen Reel, den er von Michael Coleman gelernt hat. Das Tempo ist schneller und der Rhythmus stärker akzentuiert. Es gibt aber auch indigenes Liedgut: "I's the B'y" (-> FW#21) und "She's Like the Swallow" (hat Kate Rusby oder Cara Dillon mal aufgenommen) stammen aus Neufundland. "The Black Fly Song" ist der berühmteste kanadische Folksong, geschrieben 1949 von Wade Hemsworth (1916-2002).
Smithsonian Folkways Recordings
Walkin' T:-)M


V/A "Country Music Pioneers on Edison"
Label:
Document; DOCD-1102; 2006; Spielzeit: 65:03 min
Die Edison Collection Recordings wurden zwischen 1914 und 1929 von der Edison Company produziert. Das riesige Repertoire beinhaltet Vaudeville-Sketche, populäre Lieder, Oper, Klassik, Jazz, Tanzmusik, Reden populärer Redner und Politker - und eben die Pioniere der Country-Musik. 90% wurden niemals veröffentlicht und 1929, nachdem die Produktion eingestellt worden war, eingelagert und weggeschlossen. Nun wurden die Bänder repariert, gereinigt, digital re-mastered und veröffentlicht. Die Männer und Frauen, die die Country-Musik geprägt und in die Millionen-Dollar-Industrie von heute verwandelt haben, können nun wieder gehört werden: der Banjospieler Fred Van Eps, die Fiddler Jasper Bisbee, Allan Sisson und Fiddlin' Powers, die Sänger Vernon Dalhart (sein "Wreck of the Old '97" wurde später der erste Millionen-Hit der Country-Musik), Gene Austin, Ernest 'Pop' Stoneman (s.o.), Frank Luther und Frank Wallace (alias Frank Marvin, seine Steel-Guitar war entscheidend für den Sound des singing cowboy Gene Autry). Die letzte Aufnahme vom September 1929 von Carson Robison's Madcaps ist eine Frühform des Western Swing.
Document Records
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V/A "Live In Hope: The Wildlife Album 2"
Label:
Market Square; MSM CD139; 2006; Spielzeit: 76:18 min
Weihnachten steht vor der Tür. Noch auf der Suche nach einem Geschenk? Man kann das Nützliche mit einem guten Zweck verbinden. Der Belfaster Musikkritiker Colin Harper hat zum zweiten Mal ein Wildlife Album (-> FW#31, FW#31) zusammengestellt, einen Fundraiser für die World Wildlife Foundation und den Ulster Wildlife Trust. Das Album beinhaltet eine bunte Mischung von Künstlern aus den Genres Folk, Rock, Jazz und Klassik. Jeder Titel basiert auf einem Natur-verwandten Thema. Bespielsweise Karine Polwarts "Follow the Heron" (ungeheuer populär zur Zeit, s.o.), Jethro Tulls "One Brown Mouse" (inspiriert durch Robert Burns "Ode to a Mouse"), Bruce Cockburn (-> FW#21), Shaun Davey und Liam O'Flynn (-> FW#5, FW#27), Martyn Joseph (-> FW#18, FW#28), Bert Jansch, Janet Holmes (-> FW#29), Lal Waterson (-> FW#6, FW#17, FW#23). Das Album schließt mit Richard Thompson und dem traditionellen englischen "Summer is icumen in" (schaut euch den Robin Hood-Film mit Errol Flynn von 1938 an, Little John pfeift die Melodie ...). Auf dem CD-Cover ist der Ivory-Billed Woodpecker abgebildet, von dem man geglaubt hat, er sei längst ausgestorben, aber jüngst in Arkansas wieder aufgetaucht ist. We have always seen the dove as a symbol of hope. But now we have a bird with a beak like a chisel and a quiff like Elvis. (S. Barnes) Das macht Hoffnung.
Market Square Records
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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 12/2006

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