FolkWorld Ausgabe 37 11/2008

FolkWorld CD Kritiken

Konstantin Wecker "gut'n morgen herr fischer!"
Label: Sturm & Klang; S&K 002; 2008
Im CERN zu Genf haben sie vergeblich versucht, ein schwarzes Loch herzustellen; ich habe in einem schwarzen Loch meinen Urlaub verbracht und Radio Bayern spielte den ganzen Tag die neuesten Schlager von Peter Maffay rauf und runter. Ein bayrischer Ur-Typ wie Konstantin Wecker (-> FW#33) ist im Programm nicht vorgesehen. Dabei ist "gut'n morgen herr fischer!", live eingespielt bei einer spontanen Studio-Session, das bayrischste Album seiner Karriere. Zudem das Rockigste, Alpinkatzen lassen grüßen (-> FW#36). Wecker spielt Balladen, Gstanzln und Popsongs. Klassiker werden neu interpretiert: "Lang mi ned o", "So a saudummer dog", "Wieder dahoam", "Oma". Das traditionelle "St. Adelheim Lied" kommt als Reggae daher, Karl Valentins "Oide Rittersleut" fehlt genausowenig wie Randy Newmans "Weil du fort bist". Wecker, der selbst von sich sagt, er sei ein typischer Münchner, reibt sich zum 850-Jahr-Jubiläum an seiner Hassliebe München. Josef Raith textet: München, bist a oide Schnoin, a echtes Hurenmadel. Theo Prosel & Florian Kimer finden: Für mich ist München a kloans Paradies, das der Herrgott der Welt hat geschenkt. Wo a jeder, der a freindlicher Mensch wordn, vom andern genau a so denkt. I leb wia i wiu, du lebst, wia du wuist, ohne Neid, ohne Krampf, ohne Hetz. I lass die dei Ruah, und du lasst mir mei Ruah, das ist oberstes Münchner Gesetz. Wunschdenken im Marketing Moloch, spießig und gschleckt. Polizeihauptstadt, voll überwacht. Der bayrische Freistaat hat Amigos und die Bayern-LB, aber nach den letzten Wahlen auch einen demokratischen Frühling. Vielleicht hat der Liedermacher Wecker etwas dazu beigetragen. Nur Wecker bleibt der Alte, aber in alter Frische.
www.wecker.de
Walkin' T:-)M


The Zydepunks "Finisterre"
Label: Nine Mile; NMR 0112; 2008
Der Bandname ist vielleicht etwas irreführend, bei den Zydepunks aus New Orleans, Louisiana, trifft nicht Clifton Chenier auf Sid Vicious, sondern es handelt sich um guten alten Folkrock in Poguescher Manier (-> -> FW#22, FW#30), zwar nicht immer auf keltischem Grund und Boden, aber auf Zydeco, dem Cajun-R&B-Mix der französisch-sprechenden Farbigen in Süd-Louisiana, ebenfalls nicht. Die Band existiert seit 2003, auf ihrem vierten Album "Finisterre" finden sich Lieder in Englisch und Französisch und Jiddisch, vor allem eigene Kompositionen: irische Trinklieder als auch Cajun-Walzer. "Cuando creceran los flores" klingt wie ein Frejlech, das letzte Stück ist das traditionelle "Six ans sur mer" mit einer neuen Melodie. "Finisterre" ist durchaus abwechslungsreich, die Band fegt mit ihrem pogo-fähigen Folkpunk wie der Hurricane Katrina über das Land. Die Musik macht Spaß, wie man es von einer Band aus New Orleans erwarten kann, ist aber intelligent genug. Die Musiker beherrschen zudem ihre Instrumente, was man ja nicht immer von Punks oder Folk-Rockern sagen kann. Hier in Deutschland würden die Zydepunks beim Publikum abräumen, ganz sicher.
www.zydepunks.com
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Bittersweets "Goodnight, San Francisco"
Label:
Compass; 7 4486 2; 2008
Die Bittersweets sind ein Folk-Pop-Trio, ursprünglich aus der Gegend der San Francisco Bay in Kalifornien, mittlerweile nach Nashville Tennessee umgesiedelt. Hannah Prater und Chris Meyers, die beide Gitarre, Klavier und Keyboards bedienen, sowie Schlagzeuger und Perkussionist Steve Bowman haben vom Jazz zu amerikanischer Rootsmusik gefunden. Chris Meyers ist der Songwriter der Band, der poetisch abstrakte Texte schreibt und die dazugehörigen Melodien komponiert. Bittersweets ist ein passender Name, da viele Songs darüber sind, dass man nicht immer fröhlich sein, aber auch nicht immer in Trauer verweilen kann. Das Schöne und das Hässliche! Auch die Musik passt wie die Faust aufs Auge. Blues als auch blauer Himmel, melancholische Arrangements und Hannah Prater's verführerische Stimme hält die Spannung zwischen Hoffnung und Wehmut. Mit dem Abschied von Frisco sind elf atmosphärische und stimmungsvolle Stücke gelungen.
thebittersweets.com
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Spanking Charlene "Dismissed with a Kiss"
Label: Eigenverlag; SC-001; 2007
When I’m skinny, maybe I’ll finally get myself that record deal, klagt Charlene McPherson, the girls I see on MTV shake their ass and don’t look like me. Musik ohne Implantate liefert die New Yorker Band Spanking Charlene um Sängerin Charlene McPherson und Gitarrist Mo Goldner. Stücke wie "I Hate Girls" und "Pussy is Pussy" sind direkt und wenig jugendtauglich, Charlene and Mo beschreiben ihre musikalische Zusammenarbeit als East Village bar flirtation that turned into a slutty song fest. Der Realismus der Texte steht im Einklang mit Charlenes robuster aber weiblicher Stimme. Mit musikalisch einfachen, schweren Riffs und Power-Chords, a la New Yorker Punk Ende der Siebziger Jahre, ist Spanking Charlene eine Garagenband, die Ohrwürmer liefert. Die paar akustischen und ruhigeren Nummern haben überraschenderweise ein Country-Feeling.
www.spankingcharlene.com
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The Plastic Pals "Good Karma Café"
Label: Polythene; 003; 2008
Während seiner kurzen Existenz war das Good Karma Café in McComb im Süden Mississippis bekannt für gutes Bier, gutem Essen, gutem Kaffee, guter Musik - und gutem Karma; ein home away from home für viele tourende Bands. Seit Ende 2006 ist es geschlossen. Das best kept secret ist gone with the wind und nur noch der shadow of a dream, aber let's pretend this isn't true. Der schwedische Singer-Songwriter und Gitarrist Håkan Soold war zwar niemals vor Ort, nicht einmal sonstwo in den USA, bezog aber seine Inspiration daher und schrieb einen Song für das Debütalbum seiner Band The Plastic Pals. Ob Stockholm oder Mississippi, die Pals, die von Punk und Indie herkommen, spielen eine Art Retro-Rock, wo die Velvet Underground auf Elvis Costello und Neil Young treffen (wenn er Pop statt stampfendem Country-Rock machen würde). Power-Pop mit sanften Melodien, etwas Garagen-Rock mit viel Psychedelia und der gewissen Dosis Düsternis, in der sich Townes van Zandt (-> FW#34) wohlfühlen würde. Anspieltipps: das Titelstück "Good Karma Café" und die Rocker "Here Comes the Sun" und "The Best Kept Secret"; die Band braucht ja kein Geheimnis bleiben.
www.theplasticpals.se
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Catie Curtis "Sweet Life"
Label:
Compass; 7 4491 2; 2008
Die Folkpop-Singer-Songwriterin Catie Curtis aus New England hat mit "Sweet Life" ihr insgesamt neuntes Studioalbum vorgelegt. Die ausgefuchsten Arrangements stehen im Gegensatz zu den eher spartanischen Vorgängeralben und "Sweet Life" ist zudem das erste in Nashville aufgenommene Album. Catie Curtis versucht, all the different ways a heart could break zu finden, ausgerechnet in freundlicher Musik: sweet life beside you, there's music in the kitchen, laughter down the hall. Sie sagt, sie hätte wahrscheinlich kein so positives Album geschrieben, wenn die Dinge in der Welt wirklich gut laufen würden und wir Frieden und Wohlstand hätten. Es gäbe in dieser Zeit genug Gründe, unglücklich oder ängstlich zu sein. Aber um geistig gesund zu bleiben und sich vorwärts zu bewegen, muss man auf all das Schlechte um einen herum hinabblicken und die Schönheit sehen, die es neben all dem Kummer gibt. Hinter den teenagers jumping off a railroad bridge verbirgt sich denn auch kein Drama, sondern eine simple Arschbombe in den Fluss. Selbst in dem Lied über die Ermordung der Künstlerin Helen Hill wird ihr Leben gefeiert und how well alive she was when she was alive. So ist auch die Musik lebensbejahend, ohne allzusehr in Middle-of-the-Road-Pop abzugeleiten. Schwächere Stücke werden immer noch durch Caties sexy Stimme rausgerissen, stimmlich und musikalisch sind Vergleiche mit Eliza Gilkyson durchaus zulässig, die ja auch unlängst die Beautiful World entdeckt hat (-> FW#36): to sing through all the danger, through all the thunder and the pouring rain, we sing to draw a circle around us, when trouble has found us, sing!
www.catiecurtis.com
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Craig Herbertson "A Health to the Ladies"
Label:
Ruhrfolk/Steeplejack; SJCD010; 2008
Craig Herbertson ist ein Folksinger und Songwriter aus Schottland, der sich im Ruhrgebiet niedergelassen hat. Er singt traditionelle schottische Balladen wie "Green Grow the Rashes", "Bonnie Light Horseman", "Andrew Lammie" und den "Loch Tay Boat Song", sowie Burns-Stücke wie "Dainty Davie" und "Red Red Rose". Seine Lieder, insbesondere seine Eigenkompositionen, seien Songs for and of Scottish women, great, small, known, unknown, loved, hated, tragic and beautiful, sagt Craig verschmitzt. Drum auch der Titel "A Health to the Ladies". Das Stück "Mad Lizzy" ist über Elisabeth Buchan, die Schwester von Robert the Bruce, die sieben Jahre vom englischen König Edward in einem Weidenkorb an der Mauer von Carlisle Castle aufgehängt war. Der Titel "Mary Queen of Scots" spricht für sich selbst. Auch "He Who Would Be King" ist den Ladies gewidmet; der Bruder des Duke of Cumberland, der die Rebellion unter Bonnie Prince Charlie Stewart von 1745 blutig niederschlug, weigerte sich aus ethischen Gründen, den Kampf fortzusetzen und lud ausschließlich Stewart-treue Damen zu einem Tanzabend ein. Der Refrain lautet: Dance lady dance, sing soldier sing, drink to the fortune of he who would be king. Craig Herbertson hat oft einen durch seine Stimme angelegten Hang zum Pathos, zum Glück wird er durch die folkigen und flotten Arrangements immer wieder auf den Teppich zurückgeholt.
www.craigherbertson.com
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Battlefield Band "In Concert" [DVD Video]
Label:
Temple/Tonn-mor; DVD0801; 2008; Spielzeit: 69:16 + 36:08 min
Die Battlefield Band (-> FW#35) hat mehr als drei Jahrzehnte lang die Evolution traditioneller schottischer Musik begleitet. Das live im Brunton Theatre in Musselburgh, Schottland, gefilmte Konzert beweist erneut, warum die Band so erfolgreich ist. Es zeigt auch, dass das Quartett noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Die DVD enthält vierzehn Titel. Einerseits Instrumental-Sets, wo sich Piper Mike Katz (-> FW#31) und Fiddler Alasdair White (-> FW#33) unterstützt von Battlefield-Gründungsmitglied Alan Reid an den Keyboards und Neuzugang Sean O'Donnell an der Gitarre austoben können. Andererseits die für die Battlefield Band so typische Liederauswahl: Alan Reids Komposition "I Cried", das traditionelle "The Emigrant", Robert Burns "To A Mouse", John Spillanes "I'm Going to Set You Free" und Tom Waits "Shiver Me Timbers". Alan Reid trägt das schottische Material vor, der gebürtige Nordire Sean O'Donnell übernimmt die irischen Songs. Die DVD fängt all die Begeisterung im Publikum und die Energie in der Band bei einem typischen Battlefield-Band-Konzert ein. Besser als nichts, wenn man die Jungs nicht selbst in Fleisch und Blut in Augenschein nehmen kann. Als Bonus gibt es zudem ein halbwegs witziges Video-Tagebuch der Tour durch Südostasien und Australien aus dem Jahre 2006.
www.battlefieldband.co.uk
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Watermelon Slim and the Workers "No Paid Holidays"
Label:
NorthernBlues; NBM0047; 2008
Es gibt da den alten Witz über den Musiker, der spätnachmittags aus dem Bett fällt und zu seinem Konzert geht, um über die Arbeit zu singen. Watermelon Slim (-> FW#34) spielt Arbeiter-Bluesrock, sein Spitzname weist schon auf den Blaumann hin, wobei man nicht weiss, ob sein verwittertes und verlebtes Angesicht vom harten Arbeitsleben oder von Wein, Weib und Gesang herrührt. Watermelon Slim, aka Bill Homans, fuhr einst Industriemüll in Oklahoma herum, bis er nach einem beinahe tödlichen Herzanfall ein Vollzeit-Bluesmann wurde. Slim spielt Elektrik-Bluesrock in der Chikago-Tradition, er ist ein exzellenter Bottleneck-Gitarrist und Mundharmonika-Spieler. Seine Stimme erinnert an die schwarzen Blues-Giganten. Am schönsten sind auf "No Paid Holidays" deshalb auch die wunderschönen Acapella-Nummern, die zeigen dass er kein tumber Bluesrocker ist.
www.watermelonslim.com
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"Falado: Hein & Oss - Die Volkssänger" [DVD Video]
Label:
Westpark; 87166; 2008; Spielzeit: 1:31:58 min + extras
Hein & Oss Kröher (-> FW#21, FW#34) gibt es nur im Doppelpack. Die eineiigen Zwillingsbrüder wurden am 17. September 1927 im pfälzischen Pirmasens geboren. Sie machen seit etwa 60 Jahren deutsche Volksmusik; Volksmusik, die bodenständig und unverlogen ist, jenseits Schlager und Bierzeltseligkeit, denn: das Volk ist nicht tümlich! Gemeinsam mit Peter Rohland (-> FW#32) begründeten Hein und Oss in den sechziger Jahren die Festivals "Chanson Folklore International" auf der Burg Waldeck (-> FW#32). Hein & Oss haben anläßlich ihres achtzigsten Geburtstages bei einem Konzert auf der Waldeck noch einmal ihre schönsten Lieder vorgetragen. Gabi Bollinger war mit der Kamera dabei, gefilmt in dem üblichen, nicht besonders aufregendem TV-Reportagen-Stil. Hein & Oss reden über ihr Leben und ihre Ansichten, sie erinnern sich zurück, als sie auf großer Fahrt waren und am Lagerfeuer sangen und das Land Falado hinter den Bergen suchten. Weggefährten kommen zu Wort: Shirley und Colin, Hai und Topsy, Hannes und Joana. Sie singen: vom "König von Preussen" und den 1848er-Liedern bis ... ein Riesenrepertoire! Hein & Oss haben die Nazi-Diktatur und deren Kultur-Missbrauch musikalisch überwunden und aus dem bäuerlichen Volkslied etwas Städtisches und Demokratisches gemacht. Selbst im neunten Jahrzehnt haben sie immer noch mehr Power als die Jungen, die elektrische Gitarren und Verstärkertürme brauchen. "Falado: Hein & Oss - Die Volkssänger" ist sehenswert, wenn man wissen will, wo alles einmal hergekommen ist. Auf der DVD befinden sich zudem zwei Bonuslieder in voller Länge, Lluis Llachs "Der Pfahl" und Georg Herweghs "Wohlgeboren", sowie eine Diskografie und Bibliografie mit Cover-Bildern.
www.westparkmusic.de
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Bettina Wegner "Die Abschiedstournee"
Label:
Conträr; 56; 2008
Ich habe den Beruf fast 40 Jahre ausgeübt. Das geht ganz schön in die Knochen, sagt Bettina Wegner (-> FW#35). Und es wird in diesem Beruf härter. Du wirst runtergehandelt wie die schäbigste Nutte. Und da habe ich mir gedacht: Ich werde 60, möchte ich das meinem Rücken und meiner Seele zumuten, wie eine Hure behandelt zu werden? Möchte sie nicht und so verabschiedete sie sich 2007 mit einer Abschiedstournee nicht endgültig von der Bühne, aber von den Tourneen. Auf der Abschiedstournee auch mit dabei Gitarrist Jens-Peter Kruse und Gastsänger Karsten Troyke; zusammen singen sie "Free Mumia" und Karsten bekommt Gelegenheit, solo jiddisches Liedgut und Roma-Lieder darzubieten. Bettinas Gesänge - und auch ein paar Gedichte - sind über und für die Menschen, Herz statt Herzilein. Sie sitzt im Niemandshaus zwischen Ost und West-Deutschland, ihre 10 Gebote sind: Aufrecht stehn - wenn andre sitzen; Wind zu sein - wenn andre schwitzen; beim Versteckspiel sich zu zeigen; nie als andrer zu erscheinen; bei Verletzung nicht mehr weinen; Hoffnung haben beim Ertrinken; nicht im Wohlstand zu versinken; einen Feind zum Feinde machen; Solidarität mit Schwachen. Natürlich darf ihr Hit "Sind so kleine Hände (Kinder)" nicht fehlen; Tucholskys "Rosen auf den Weg gestreut" mit der bekannten Zeile Küsst die Faschisten, wo ihr sie trefft; Übertragungen ins Deutsche von Buffy Saint-Maries "Universal Soldier", McBrooms "The Rose" oder Bob Marleys "No Woman No Cry". Die Textzeile weine nicht, aber schrei beschreibt genau ihren kraftvollen Gesang. Bettina Wegner ulkt, je älter sie werde, desto mehr Liebeslieder würde sie schreiben. Es hat aber nichts genützt, der Anspruch steigt, der Marktwert sinkt. Die Zeiten sind vorbei, wo sie zusammen mit Joan Baez Stadien gefüllt hat, aber es gilt das Fazit von Karsten Troyke: Und dann sind da die Menschen. Die, die dich und deine Lieder brauchen. Es sind offenbar grade diejenigen, die nichts zu bestimmen haben: nicht, was im Fernsehen läuft, im Radio gespielt wird, nicht, was in der Politik entschieden wird oder was in der Wirtschaft das Sagen hat.
www.bettinawegner.de
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Wenzel "Solo Live"
Label:
Matrosenblau; 04; 2008
Von jeder Einzelheit gilt es zu singen. Noch schwank ich, was mein Lied vermag. Was soll mein Lied? Soll es dich trösten oder dem Irrsinn widersprechen? Hans-Eckardt Wenzel (-> FW#15, FW#22, FW#26, FW#31, FW#34), der Prominenteste unter den Unbekannten, hat wieder einmal nicht auf den Markt gehört und am 08.08.08 seine allererste Solo-CD eingespielt. Wenzel spielt auf dieser Doppel-CD Gitarre, Piano und Akkordeon. Seine "Lebensreise" beinhaltet vergessene Autoren wie Theodor Kramer (-> FW#33), Erich Mühsam und Johannes R. Becher, aber vor allem eigene Texte. Es gilt gegen die Memoiren eines flachwichsenden Torwarts anzustinken, sonst bleibt nur noch Modern Talking und Wolf Biermann übrig. Dazu hat er ganz altes hervorgekramt - 400 Jahre nicht gesungen -, Lieder von seinen neuere Platten "Himmelsfahrt" und"Glaubt nie, was ich singe", aber auch Unbekanntes. Hits wie "Banane" und "Schöner Lügen" dürfen nicht fehlen. Die Lieder sind auf das Wesentliche reduziert, nicht nur das Persönlichste und das Anheimelndste, soweit man bei Wenzels grobem Kang anheimelnd sagen kann, sondern vielleicht auch das Größte seit "Grünes Leuchten". Die Zwischentexte sezieren, manche Wiederholung ist allerdings etwas ermüdend, Wenzel hat es zu sehr mit seinem Standardspruch über die Wissenschaft hat herausgefunden ... Wenzel wurde und wird - Fluch seiner Künstler-Biografie - immer noch ein Clown genannt. Aber er ist kein Depp, sondern nur bitter-komisch.
www.wenzel-im-netz.de
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V/A "The Irish Folk Festival - Rainbow Expedition"
Label:
Magnetic Music; MMR CD 2008; 2008; Spielzeit: 65:26 min
Von Mitte Oktober bis Mitte November 2008 zieht die Karawane des Irish Folk Festivals - mit einigen Abstechern in die Schweiz und nach Frankreich - durch Deutschland. Die Regenbogen-Expedition präsentiert sich nicht nur im traditionell irischen Grün, sondern in den schillerndsten Farben. Das Line-Up kann sich sehen lassen. Und das soll heißen, dass es sich nicht nur um hübsche, junge Menschen handelt, die äußerst fotogen sind. Auf der Festival-CD kann man jetzt schon die feurigen und swingenden Instrumental-Sets hören oder Lieder wie die Dick-Gaughan-Adaption von "Both Sides the Tweed" [-> FW#36] oder das gälische "Gile Mear". Alle Aufnahmen sind brandneu. Das nordirische Quintett Beoga [-> FW#33] liefert bluesige und jazzige Interpretationen von traditionellen und selbstverfassten, traditionell-klingenden Tanzweisen. Die Besetzung, sowohl mit einem Knopf- als auch einem Piano-Akkordeon, ist recht originell; Fiddlerin Niamh Dunne ist zudem eine famose Sängerin. Mehrstimmigen Gesang präsentiert das Damensextett Liadan. Die Rhythmusbegleitung liefert einzig die Harfe, die anderen fünf jungen Ladies spielen Melodieinstrumente wie Whistle, Flöte, Akkordeon, sowie zwei Geigen. Ein Vergleich mit dem Chieftains-Sound ist schnell bei der Hand und man mag auf den Jig "Rolling Waves" verweisen. Es handelt sich bei dem Tune aber nicht um die geläufigen Wellen, die von den Chieftains [-> FW#22] als "French March" für die "Year of the French"-TV-Serie eingespielt worden sind, sondern um das auch als "Humours of Trim" bekannte Stück [O'Neill's #174, siehe z.B. bei dem Harfenisten Micheal O Ruanaigh -> FW#18], welches mit Sean O'Riadas Ceoltoiri Chualainn [-> FW#28] assoziiert wird, also dem Kern der späteren Chieftains. Aber weiter: Griogair Labhruidh [-> FW#36] steht auf der Rainbow-Tour als Botschafter für die schottischen Highlands, sowohl als Sänger und Gitarrist als auch Dudelsackspieler einer seit Generationen bestehenden Linie von Pipern aus den Bergen Argylls. Für Niamh Ni Charra [-> FW#33] waren acht Jahre Riverdance nicht genug, jetzt beehrt sie mit dem Irish Folk Festival das deutsche Publikum mit ihrem Konzertina- und Fiddle-Spiel. Auf der CD wird sie vom Gitarristen Mike Galvin begleitet, live ist sie mit Gitarrist Alan Colfer zu erleben. Niamh stammt aus dem County Kerry, also dürfen ein paar Polkas nicht fehlen. Nicht ganz so geglückt versucht sie sich als Sängerin mit dem gälischen Wiegenlied "An paistin fionn"; der Abschluss der CD versöhnt aber wieder: Niamhs Version von Jay Ungars [-> FW#27] wunderschönem Slow-Air "Ashokan Farewell". Jetzt muss das Versprechen, welches auf dieser CD gegeben wird, nur noch live eingelöst werden.
www.magnetic-music.com, www.irishfolkfestival.de
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V/A "Rich Man's War"
Label:
Ruf Records; RUF1144; 2008
Nach Son House geht es im Blues immer nur um tragische Liebesgeschichten (zu sehen und hören in Charles Burnetts Blues-Doku von 2003); in den Worten von Muddy Waters (-> FW#29): Du hast kein Geld und Liebeskummer. Willie King hielt dem entgegen, mit dem Baby, das einen mies behandelt, könne schon mal der Boss gemeint sein, aber das könne man eben nicht laut sagen, ohne dafür gelyncht zu werden. J.B. Lenoir, Vorreiter eine neuen Singer-Songwriter-Generation, schließlich schrieb Songs über den Vietnamkrieg und die Bürgerrechtsbewegung. Blues heißt also nicht nur das Leid erträglicher zu machen, sondern die Texte können nicht nur vielschichtig, sondern direkt und explizit sein. Vergleiche hierzu auch die Trikont-Kompilation "Doom & Gloom" (-> FW#34). Soweit also zum Ruf der Bluesmusik, bleiben wir gleich beim Thema RUF, denn das gleichnamige Blues-Label hat eine Kompilation mit New Blues & Roots Songs of Peace and Protest von Blues-Revue-Redakteur Kenneth Bays zusammenstellen lassen. Zwölf Titel, nur zwei von Ruf-Künstlern selbst, von Bob Brozman, Guitar Shorty, Norman & Nancy Blake, Matthew Skoller, David Evans, Candye Kane, Charlie Wood, Pat Boyack, Roy Zimmerman, Michael Hill, Eddy 'The Chief' Clearwater und Doug MacLeod. Die Blues-Künstler sagen ihre Meinung in ihrer Musik, hauptsächlich über den Irakkrieg und die Bush-Administration, mit Abstechern über wirtschaftliche Ungerechtigkeit und die Angst, die von Politikern geschürt wird. Blues ist ein Doktor, er kann heilen oder fertigmachen, sagte Otis Spann. Aber der Ton ist nicht nur traurig, sondern eher zornig. Eine gelungene Zusammenstellung, deren einziger Kritikpunkt ist, dass die Chance, ein interessantes Booklet beizugeben, vertan worden ist. Vielleicht besser so, denn die Infos im Pressetext sind eine Lachnummer und offensichtlich von einer Maschine aus dem Englischen übersetzt worden: Guitar Shorty wird zum Bruder-des-Gesetzes (Schwager) des späten (verstorbenen) Jimi Hendrix, und Michael Hill eine Assoziation (Kollege) von Vernon Reid (-> FW#32).
www.rufrecords.de
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V/A "Scottish Folk at its best"
Label:
ARC Music; EUCD 2151; 2008; Spielzeit: 55:24 min
V/A "Irish Folk at its best"
Label: ARC Music; EUCD 2156; 2008; Spielzeit: 68:44 min
Es gibt Menschen, die eine Heidenangst vor Kompilationen mit keltischer Musik haben. Ich gestehe, auch zu diesen Zeitgenossen zu gehören; berechtigterweise wie mein Blick in das CD-Regal mit manchen Grausamkeiten beweist. Es geht aber auch anders, und man sucht sich entweder einen Editor, der Ahnung von der Materie hat, oder lizensiert sich die Titel von einem namhaften Label. Letzteres ist hier der Fall, das schottische Material stammt von den nicht ganz unbekannten KRL Lochshore , das irische von Clo Iar-Chonnachta, bekannt für Publikationen von gälischen Büchern und Musik. Das allein spricht schon für Qualität. Die schottischen Künstler sind Tannas (-> FW#11), Canterach (-> FW#20), Iron Horse, die Hudson Swan Band (-> FW#7), Anna Murray (-> FW#13), Mick West (-> FW#35), Ross Kennedy (-> FW#2), die Old Blind Dogs (-> FW#36), Wendy Weatherby (-> FW#24) und Coila (-> FW#22). Beide Zusammenstellungen enthalten jeweils ein Drittel Instrumentalmusik, ein Drittel englisch-sprachige Lieder und ein Drittel gälisch-sprachige Lieder. Erwähnenswert erscheint mir ein Duett von Mairtin Tom Sheainin & Helen Flaherty. Mairtin singt das irisch-gälische "An Cailin Alainn", Helen (-> FW#32) ergänzt es mit dem traditionellen schottischen "Mingalay Boat Song", beide Lieder werden zur selben Melodie gesungen. Des weiteren finden sich auf der irischen Scheibe Tadhg Mac Dhonnagain & Eleanor McEvoy (-> FW#32), Cunla, Eilin Ni Bheaglaoich, Joe Corcoran & The Lonely Stranded Band, Johnny Og Connolly & Brian McGrath, Colm O Foghlu & Lillis O Laoire, Catherine McEvoy (-> FW#36), Cyril O'Donoghue, Colm O Foghlu & Mairead Ni Oistin, Parson's Hat, sowie John Beag. Das Booklet ist in englischer, deutscher, französischer und spanischer Sprache, wobei manchmal etwas seltsam übersetzt worden ist. Da wird zum Beispiel aus stirringly cool and silky, was selbst schon Geschwafel ist, ein bewegender und seidiger Sound. Die Infos über Interpreten und Stücke sind allerdings relativ gut. Auf der schottischen CD wurden dankenswerterweise die gälische Texte ins Englische übersetzt, was bei der Irischen leider unterlassen wurde und man im Unklaren gelassen wird.
www.arcmusic.co.uk
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V/A "Minne im Mayen"
Label:
Verlag der Spielleute; CD 015; 2008; Spielzeit: 61:40 min
Fröut iuch, junc und alt! der mei mit gewalt winder hat verdrungen, bluomen sint entsprungen, dichtete Neidhart von Reuental. Im Augenblick ist das noch Zukunftsmusik, die Winterreifen werden aufgezogen und Marzipan und Glühwein stehen schon seit zwei Monaten in den Supermarktregalen. Aber der Lenz war das Thema des Minnesänger-Wettstreits im Mai 2008 auf der Burgruine Clingenburg bei Klingenberg am Main in Franken. Die im Vorfeld von Organisator Lothar Jahn aufgenommene CD "Minne im Mayen" versammelt die sieben Wettstreiter aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, sowie einige Größen der Mittelalterszene - wie das Ensemble Unicorn, Wünnespil, Christoph Mächler, Olaf Casalich (Ougenweide -> FW#34) Jochen Faulhammer, Estampie, das Musiktheater Dingo, Reinhold Schmidt, Thomas Schallaböck, die Capella Antiqua Bambergensis, Hans Hegner, sowie Dulamans Vröudenton. Publikums- und Jury-Preisträger wurde Holger Schäfer. "Minne im Mayen" präsentiert ein breites musikalisches Spektrum, von Frank Wunderlich mit seinen Verzierungen in der Stimme bis zum Mittelalter-Punker Marcus van Langen (-> FW#36 und CD-Rezension unten). Mitte des 13. Jahrhunderts fand der Sänger Conrad von Bickenbach auf der Burgruine Clingenburg eine Zufluchtsstätte. Nur ein Liedtext ist von ihm überliefert, "Stille swigen unt gedagt" wurde hier erstmals (wieder) vertont und auf Tonträger gebrannt, sowohl von von Knud Seckel als auch von Frank Wunderlich. Weitere Minnesänger-Wettbewerbe sind in Planung, z.B. 2009 in Braunschweig anlässlich des 800. Jahrestages der Kaiserkrönung des Welfen Otto IV. Es lohnt sich bestimmt.
www.minnesang.com
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Rüdiger Helbig "Learn To Play 5-String Banjo" [DVD Video]
Label:
Bosworth; BOE7458; 2008; Spielzeit: ca. 160 min + 85 min Audio
Es lebe die Technik! Früher musste man durch Zugucken und Ohrenaufsperren von den Meistern lernen. Vielleicht wurde einem was beigebracht, Künstler sind aber nicht unbedingt gute Pädagogen. Ich kann mich noch an die guten,alten Zeiten erinnern, als es Lernhefte gab. Wenn man Glück hatte, gab es eine Kassette dazu. Rüdiger Helbigs Weg, das 5-String-Banjo zu lernen, war ebenso abenteuerlich: Mit 14 lernt er das Gitarrenspiel von seinem Bruder. Ein Jahr später kauft er sich ein 6-saitiges Banjo und ein Bekannter gibt ihm Unterricht in Country Music. Erst mit 22 Jahren (im Jahr 1971) bekommt er sein erstes 5-String-Banjo; der Amerikaner Dick Boake zeigt Rüdiger die wichtigsten Schritte. Erst vier Jahre später bekommt Rüdiger das erste Banjolehrbuch von Earl Scruggs in die Hände, das seine Bibel wird. Zwei weitere Jahre vergehen, bis ihm das "Melodic Banjo" geschickt wird und noch einmal sein Weltbild revolutioniert. Mittlerweile gibt es Tutorials auf CD und CD-ROM und DVD. Helbig ist genau der Richtige in Deutschland, um das Banjospiel beizubringen. Er spielte in verschiedenen Bands und ist als Studiomusiker deutschlandweit gefragt. Seine bis 1992 existierende Bluegrass-Band "Kentucky Bluefield" hat viele junge Musiker in Deutschland inspiriert. "Learn To Play 5 String Banjo" ist die erste deutschsprachige Lehr-DVD für 5-String-Banjo. Zuerst wählt man die Sprache Englisch oder Deutsch. Dann wird man durch 52 Beispiele geführt, die man hintereinander abspielen oder wahlweise anspielen kann. Man lernt erste Akkorde, Verzierungen sowie das Solospiel, weiterhin erhält man nützliche Informationen wie zu Musiktheorie und dem Kauf eines Banjos. Zusätzlich gibt es ein Audio-Playalong, bei dem man mit vier Beispiele von "John Brown's Body" zu "Salt Creek" geführt wird, jeweils in slow und uptempo. Ein Booklet mit Tabulaturen rundet das Ganze ab. Mein DVD-Spieler hat mich leider, aus welchen Gründen auch immer, öfters rausgekegelt.
www.bosworth.de
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Quadro Nuevo "Weihnacht"
Label:
Fine/GLM; FM 134-2; 2008; Spielzeit: 66:35 min
Gitarrist Robert Wolf erzählt: Am Neckar gibt es ein Gelände, auf dem während der Zeit des Nationalsozialismus eine große Produktionsstätte für Waffen war. Hier wurden auch Zwangsarbeiter eingesetzt. Heute gibt es dort eine Konzertbühne. Unsere Garderobe befand sich im Keller, wo damals die Duschräume für diese Arbeiter waren. Hier stand nun seltsamerweise ein Klavier. Darauf lag ein geöffneter Notenband mit alten Weihnachtsliedern. Andreas, unser Akkordeonist, der auch das Klavier zu bedienen pflegt, spielte das aufgeschlagene Lied an: Oh Heiland, reiß die Himmel auf, ein musikalischer Hilferuf nach Friede und Erlösung aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Wir waren alle vier gleichermaßen ergriffen. In diesem Augenblick entstand die Idee zu unserem Album Weihnacht.
Die CD beginnt mit "Maria durch den Dornwald ging", aber wenn man nicht so richtig hinhört ... Erst beim dritten Stück "Kommet ihr Hirten" und gleich darauf "Stille Nacht" (aber schon wieder ziemlich verfremdet) fällt mir auf, dass es sich eigentlich um Weihnachtslieder handelt. Weihnachten besinnlich, aber nicht sentimental - dafür garantieren Mulo Francel (Saxophon, Klarinetten, Psalter, Mandoline, Mandola, Autoharp, Xylophon, Glockenspiel), Robert Wolf (Gitarre, Bouzouki, Quanun), Andreas Hinterseher (Akkordeon, Vibrandoneon, Piano, Cymbal) und Dietmar Lowka (Kontrabass, Perkussion, Xylophon), aka Quadro Nuevo. Das Quartett geht seit 1996 in Europa und darüber hinaus auf musikalische Spurensuche. Die instrumental eingespielte Weihnachts-Auswahl besteht nicht nur aus Stücken deutscher Tradition, sondern beinhaltet auch das französische "Entre le Boeuf et l'Ane gris" aus dem 13. Jahrhundert, das skandinavische "Santa Lucia", das spanische "Villancico" und das russische "Nyne Otpushchayeshi". Trost, Licht und Liebe mögen hiermit auch gespendet werden, aber bei mir werden weniger Erinnerungen an Kindheit und Bratapfelduft wach, noch weihnachtlichem Konsumterror. Und das ist auch gut so.
www.quadronuevo.de
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V/A "Wish You Too - Best Christmas Ever"
Label:
Trikont; US-0387; 2008
Als ich Ende August in Urlaub fuhr, tat ich den folgenschweren Fehler, noch einmal in den Supermarkt zu gehen. Und was musste ich sehen: Weihnachtsschokolade, Zimt und Marzipan - da muss man ja den Blues kriegen. How I Hate to See Xmas Come Around, um es mit den Worten von Jimmy Witherspoon zu sagen. Und who took the Merry Out of Christmas? fragen die Staple Singers auf der Nachfolgerin der Trikont-Kompilation "Wish You - Best Christmas Ever" von 2007 (-> FW#35). Die Neue versammelt genre-übergreifend Weihnachtsbotschaften aus R&B, Gospel, Mambo, Soul, Boogie Woogie, Blues, Country und Bluegrass von Interpreten wie Booker T. & The MG's, Ernest Tubb, Bill Monroe, Sonny Boy Williamson II, The Band und The Cats and the Fiddle. Der älteste Titel stammt aus dem Jahre 1940, das Jüngste ist Punkrock von den Ramones und New Wave von den Waitresses. Die Trikont-Kompilation kommt ganz ohne die üblichen Weihnachts-Verdächtigen aus, der Weihnachtsmann schleicht sich höchstens durch die Hintertür ein und schmeißt 'ne Party: I come running with my presents - every time you call me, dear ("Backdoor Santa" von Clarence Carter).
www.trikont.de
Walkin' T:-)M


Florentine goes Fishing "Vamos fugir"
Label: silberblick-musik; 2008; 10 Tracks; 60:51 min
Florentine goes Fishing nennt sich eine fünfköpfige Frauenkapelle aus Berlin. Ihr Album "Vamos fugir" präsentieren sie ganz in der Tradition des Wildfischens. Aus der musikalischen Vielfalt der kulturellen Weltmeere fischen sie heraus, was ihnen in die Netze treibt. Lieder in Portugiesisch, Englisch, Spanisch, Russisch, ja selbst in Vaterländisch planschen da im Fangfrischeimer ihrer ersten CD. Dabei bemühen sie nicht nur Eigenkompositionen sondern greifen auch auf die Klassiker der meist gecoverten Hits vergangener Jahre zurück. So zum Beispiel der "Personal Jesus" dessen einzige sinnvolle Auferstehung vom längst verstorbenen Johnny Cash zu verantworten ist, sowie "Girls just want to have fun", ein musikalisches Flittchen, das sich mittlerweile auf jeder Karaokeveranstaltung rumtreibt. Aber auch ihre eigenen Lieder scheuen nicht den Blick in den unbeantworteten Fragenkatalog der Menschheit zu werfen. "Wie viel Meer braucht ein Schwein, um ein Meerschwein zu sein?" Das ist so eine Frage in ihrem Lied: "Was macht ein Fisch". Diese große Frage bewegt und bleibt lange im Kopf haften, so sehr man sich auch bemüht simple Volksweisheiten wie Goethes Osterspaziergang dagegen zu halten. Nach der Lektüre des Textes des Liedes "Was macht ein Fisch" weiß ich, dass die Entwicklung der Poetik in den letzten 2000 Jahren reine Zeitverschwendung war.
Florentine gelingt es in ihren Liedern hervorragend einen sicheren Abstand zum richtigen Ton zu halten. Besonders die Sängerin Petra Bayer versucht sich stets und nicht ohne massive Mühen den hohen Anforderungen den der Gesang stellt gerecht zu werden, immer in der Hoffnung auch mal ein erfolgreiches Ergebnis in Form eines geraden Tones hervorzubringen. Ihre stimmliche Bandbreite ist dabei von einer Ausdehnung, die auf ein ausgeprägtes Gespür für Ökonomie und Sparwillen schließen lässt. Ihr in medizinischen Kreisen auch als Quetschkehle bezeichnetes Geräusch-Auslass-Organ ist für die zuweilen ganz nett arrangierte Musik eine große Herausforderung, wenn es gilt Rhythmus und Harmonie vor der Verzweiflung zu retten.
Über sich selbst sagt die fünfköpfige Frauenkapelle Florentine goes fishing, dass "...Florentine mit starker Stimme und authentischer Weiblichkeit Lieder ... präsentiert..." Den Satz mit der authentischen Weiblichkeit kauf ich ihnen gerne ab. Unter massivem Einsatz von Schellentampourin, Snare, Löffel und Triangel, also der gesamten Bandbreite des in der Musiktherapie angewandten Instrumentariums quietschen, wimmern und geigeln sich die fünf Mädchen fidel über 10 Runden plus verschlepptem Nachschlag, um im Finale schließlich vor allem stimmlich endgültig über Bord zu gehen.
www.florentinegoesfishing.de
Karsten Rube


Cathrin Pfeifer "Tough & Tender"
Label: Galileo-music; 2008; 13 Tracks; 56:46 min
Sicher ist der Begriff Weltmusik überstrapaziert worden. Doch beschränken wir uns auf das Wort und definieren es im eigentlichen Sinne. Dann ist Weltmusik der einzige Begriff, der als alles umfassend für die diversen musikalischen Stilrichtungen dieses Planeten gültig ist. In der Russischen Sprache verwechselt man dieses Umfassende gelegentlich mit "alles umarmend".
"Alles umarmend", alles gleich lieb in sich aufnehmen, das eine mit dem anderen verbindend, die Wurzeln miteinander zu einem Zopf verknotend, das wäre in etwa, was mir zur neuen CD "Tough & Tender" von Cathrin Pfeifer einfällt. Bei Cathrin Pfeifer kann man im allerbesten Sinne von einer Weltmusikerin reden. Musikalische Stilistiken, die sie auf ihren vielen Reisen gehört, gelernt und selbst entwickelt hat, nimmt sie in den Klang ihrer sehr persönlichen Ausdrucksweise in einer alles umarmenden Weise auf.
"Tough & Tender" habe ich wie ein rasantes Roadmovie für Akkordeon und eigenes Hörerleben empfunden. Jedes einzelne Lied ist eine Geschichte mit wechselnden regionalen und emotionalen Bezügen. Höre ich zunächst sesshafte skandinavische Melancholie, so wechselt dieses Gefühl schnell zu einer Dynamik, die fast nach Flucht klingt. Mit einem leichten Morricone-Zitat schafft sie es für wenige Takte ein Gefühl von Vergeblichkeit und Einsamkeit zu erzeugen. Doch nie hat man das Gefühl von Ausweglosigkeit, denn immer wieder gelingt es ihr aus verträumter Ruhe auszubrechen und ihr Spiel zu einer Art optimistischem Vorwärtsdrängen zu steigern.
"Tough & Tender" ist Harmonie und Streit, Ruhe und Bewegung, Sehnsucht und ... die Sehnsucht nach noch mehr Sehnsucht.
Ebenso so, wie Cathrin Pfeifers musikalische Virtuosität, hat sich auch ihr Vermögen ihre Titel stimmlich zu untermalen in den letzten Jahren vorwärts entwickelt. Auf "Tough & Tender" benutzt sie ihre Stimme als Begleitinstrument weitaus selbstbewusster, als noch beim "Lonely Tramp". Auch die Namensgebung ihrer Titel zeigt ihren verspielten Weltwitz. Titel, die den Namen "Molllust", "Minervals", "Scandal No.6" oder einfach "Du aber auch" tragen, muss man einfach mögen. Und für "Sweets in Motion" finde ich keine passende Ergänzung.
Aufmerksam hört, sieht und erlebt Cathrin Pfeifer die Welt und ergänzt sie um ihre eigene unverwechselbare vom Akkordeon vorgetragene Stimme.
www.cathrin-pfeifer.de
Karsten Rube


Mario Pacheco "Clube de Fado" [CD + Bonus DVD]
Label:
World Connection; 2006; 17 Tracks; 69:48 min
Ohne erst lange Vergleiche zu bemühen: Mario Pacheco ist als Meister der guitarre portuguesa, jener portugiesischen Gitarre, die man fälschlicherweise als Fadogitarre in ihrer musikalischen Nutzbarkeit beschränkt, derzeit die uneingeschränkte oberste Instanz. In einem Land, in dem oft vom Thron die Rede ist, sei es der unbesetzte Thron der Fadogöttin Amalia Rodriguez oder der des Hohepriester der guitarra portuguesa, wirken alle hervorragenden Gitarristen um ihn herum, so brillant sie auch sein mögen, wie Höflinge.
Ein Beweis dafür erbringt die traumhafte Produktion "Clube de Fado/ A Musica e a guitarra" die ein Livekonzert Mario Pachecos in den Gärten des Palacio de Queluz vor den Toren Lissabons als CD und als DVD enthält.
Der Meister als Kapellmeister wird umringt von Gästen, wie Mariza, Ana Sofia Varela und Rodrigo Costa Félix, begleitet von Instrumentalisten, wie Arlindo Silvas Streichquartett und dem klassischen Gitarristen Carlos Manuel Proença. Pacheco jedoch ist der Mittelpunkt des Abends. Mit hingebungsvoller Mine lässt er die melancholische Seele des Fados aus seiner Gitarre fließen. Seine Lieder und Interpretationen fallen mit zartem, hohen Klingen aus dem Korpus der Gitarre und halten sich nicht lange damit auf, die Ohren zu suchen. Sie dringen direkt zum Herzen vor, lassen die Seele zum Fliegen frei.
Die CD serviert einen Konzertabend, bei dem das Bedauern groß ist, ihn nicht vor Ort erlebt zu haben. Um diese Tragik etwas zu lindern, besitzt das Plattenlabel Worldconnection genug Mitleid, um dem Besitzer dieser wunderbaren CD auf einer Bonus-DVD das ganze Konzert in Bild und Ton nachzuliefern.
Mario Pachecos "Clube de Fado"-Konzert ist einer dieser unwiederbringlichen Momente in der Geschichte der Livemusik, die in CD-Form einen Sonderplatz in den ausgewählten Regalen von Musikliebhabern finden muss, die diese Musik zu schätzen wissen.
Wer übrigens dem Link www.clube-de-fado.com folgt, findet nicht nur allerhand Wissenswertes über Pacheco, sondern vor allem eine Speisekarte des berühmten Restaurants "Clube de Fado" in der Alfama. Ein prächtiger Ort um Live-Musik und portugiesische Küche zu genießen.
www.clube-de-fado.com
Karsten Rube


Jaune Toujours "Club"
Label: Choux de Bruxelles; 2006; 18 Tracks; 78:14 min
Die Belgische Folkguerilla Jaune Toujours schießt hier ein punkiges Sammelsurium europäischer Kulturen durch ihre Instrumente. Nennen wir es kurz Balkan-Musette, denn diese beiden musikalischen Einflüsse dominieren auf dieser CD. Man ist sich nicht ganz sicher beim Hören der Musik von Jaune Toujours wohin sie gehören wollen, bis es schließlich klar wird - nach Europa. Jaune Toujours Musik klingt wie der Soundtrack zu einem internationalen Sommercamp: multikulturell und vorsätzlich spaßlastig.
Die CD "Club" liefert einen Rundumschlag bester französischer Popkultur mit kontinentalen Beimischungen, wie man sie seit Negresses Vertes nur noch selten hörte. Als Life-CD macht "Club" Lust, diese wilde Horde im Konzert zu erleben.
www.choux.net
Karsten Rube


Selsølterå "Låter from Selsø"
Label:
GO Folk; 2008; 15 Tracks; 35:09 min
Eine der wenigen Regionen Europas an denen der Balkandampf bisher gnädigerweise vorbeischwebte ist Skandinavien. Speziell in Dänemark scheint ein folkbegeistertes Bollwerk sich dem allgemeinem Trend zur Komplettbalkanisierung der Folkmusik erfolgreich widersetzen zu können. Immerhin hat Dänemark mit einem eigenen Folkworldpreis eine Auszeichnung geschaffen, die es den einheimischen Musikern angenehm macht, ihre musikalischen Traditionen zu pflegen.
In der Nähe Kopenhagens, am See Selsø, scheint sich eine Vielzahl von Vögeln herumzutreiben. Inspiriert von dieser Geräuschwelt und dem Treiben der Tierwelt dieser Gegend haben sich die Musiker um den Komponisten Svend-Erik Pedersen zusammengefunden, dem See und seinen Bewohner eine musikalische Geschmacksprobe zu entnehmen und sie in Noten zu fassen. Die 15 Tracks auf der CD sind allesamt von Svend-Erik Pedersen in bester traditioneller Weise komponiert und von seinem Ensemble eingespielt worden. Ohne dabei in dümmliche Altertümelei zu versinken, lebt hier eine traditionelle und folkloristische Spielweise auf, die Dank E-Gitarre, Bass und dezenter Percussion nie altbacken wirkt.
www.selsolater.dk
Karsten Rube


Le Club Rythmique "Séga De La Réunion"
Label:
Sunset-France/Air-Mail-Music; 1976/2008; 12 Tracks; 34:27 min
Gleich rechts vor Madagaskar, wo der indische Ozean so schön im heißen Sonnenschein vor sich hin schwappt, liegt ein kleines etwa 50 km durchmessendes Oval. Das ist die Insel La Réunion, voller Palmen, voller exotischer Gerüche und mit der weltweit größten Niederschlagsmenge gemessen auf einem Quadratmeter. Ein paar Namen, die auf der Insel vergeben wurden, dürften bekannt sein. Roland Garros, ein Flugpionier, dem heute ein Tennisturnier in Paris gewidmet ist, Michel Houellebecq, ein versauter Gegenwartsautor und der Reggaemusiker Tonton David, dem Begründer des Raggamuffin - ach ja und Miss France 2008. Réunion ist ein französisches Überseedepartment. Dort, vor der Küste Madagaskars befindet sich der äußerste Rand der europäischen Union. Hier zahlt man mit dem Euro.
Der Sänger Michel Adelaïde stammte ebenfalls von dieser Insel. Zusammen mit dem Komponisten Fred Espel, der im selben District der Hauptstadt Saint-Denis aufwuchs, gründeten sie die Gruppe Le Club Rythmique. Le Club Rythmique war in den sechziger und siebziger Jahren eine der angesagtesten und heißesten Tanzkapellen der Insel. Die CD "Séga de la Réunion" versammelt 12 Songs der Kapelle, die irgendwann zwischen 1968 und 1976 aufgenommen wurden. Es sind relativ gemäßigte Tropicalsounds, die an Wirtschaftswunderfilme, Brigitte Bardot oder Louis de Funes erinnern, an Zwischenstopps bei Kreuzfahrten und Tanztee mit 'nem Cocktailschirmchen. Sie wirken heute antiquiert, angestaubt. Daher empfiehlt sich die CD "Séga de la Réunion" eher für Liebhaber historischer Aufnahmen.
www.airmail-music.com
Karsten Rube


Nazaré Pereira "Ritmos Da Amazonia"
Label:
Sunset-France; 1988/2008; 12 Tracks; 37:40 min
In der Collection Rende-vouz sorgt die französische Plattenfirma Sunset-France für die Wiederveröffentlichung zahlreicher Klassiker, die bisher nur auf Vinyl zu haben sind. Nazaré Pereira gehört zu den großen Stimmen der Musica Popular Brasil. "Ritmos da Amazonia" ist eines der Alben der Brasilianerin, das nun wieder erhältlich ist. Beeinflusst von den Melodien der Indianer des Amazonasgebietes und der Rhythmen des schwarzen brasilianischen Nordostens, singt Nazaré Pereira Lieder, die weit von der besoffenen Leichtigkeit der Sambatänzer Rio de Janeiros entfernt ist. Eine laue Schwermut schwimmt unter den Melodien, eine undeutliche Sehnsucht beim Betrachten des Horizonts. Der Carimbo, ein Tanz aus dem Norden Brasiliens, bei dem eine große tieftönende Trommel eine Rolle spielt, ist dabei auf dieser CD besonders häufig vertreten. In ihm verbinden sich indianische und afrikanische Elemente zu einem harmonischen Rhythmus, dem man sich nur schwer entziehen kann. "Ritmos da Amazonia" von Nazaré Pereira ist eine wunderbare Wiederentdeckung.
www.playasound.com
Karsten Rube


Janina "1 2 3"
Label: Ahuga/Pängg Distribution; 2008; 15 Tracks; 58:34 min
Dreist, laut, kompromisslos. Janina rockt eben und lässt sich dabei von keinem bevormunden. "1 2 3" ist das zweite Album der Hamburger Liedermacherin, die nur von ihrer Gitarre begleitet die Grenzen bekannten Liedermacherbrauchtums ins Visier nimmt und dieses munter und voller Ungestüm überschreitet. Ohne sich zu verbiegen, nimmt sie sich Leute vor, die sich anbiedern, Typen, die sie nicht ausstehen kann. Janina findet leise Töne der Liebe und laute Töne der Wut. Sie reimt und rappt, schießt schreiend auf McDonalds und KFC los. Dabei nimmt sie die nächste Grenze selbstbewusst wie ein geübter Hürdenläufer: die ihrer stimmlichen Möglichkeiten. Sie quält sich, jammert und schreit, flüstert und haucht, interpretiert jedes ihrer Lieder mit der vollen Hingabe zum gelebten Augenblick. Janinas Album "1 2 3" mag anstrengend sein, aber es ist konkret und unverlogen.
www.myspace.com/janinarockt
Karsten Rube


Os Lusitanos de Saint Cyr "Folklore de Minho"
Label:
Sunset-France/Air-Mail Music; 2008; 14 Tracks; 36:44 min
Der Rio Minho verbindet Galizien in Spanien mit Portugal. Er fließt im Nordwesten der iberischen Halbinsel durch eine schwach entwickelte, landschaftlich reizvolle Gegend. Die Menschen sind dort einfach, gläubig und leben vor allem von der Landwirtschaft. Es ist kein leichtes Leben. Umso mehr freut man sich auf die Volksfeste, die Feste, die für die Schutzheiligen ausgerichtet werden, die Feste, mit denen man die Ernte preist.
Einen akustischen Eindruck von der Musik Nordportugals kann man auf der in der Airmail-Reihe des französischen Sunset-Labels erschienen CD "Portugal - Folklore de Minho" gewinnen. Es sind sehr authentisch dargebrachte Tänze und Gesänge der Region, die hunderte Meilen entfernt von deren Ursprung recht anstrengend anzuhören sind.
Was die Musik von Volksfesten angeht, die traditionell in vor allem ländlichen Regionen ganze Dörfer nächtens zu Tanz und Speis auf dafür zurechtgemähte Wiesen lockt, so muss man sie unbedingt vor Ort erleben, um ihren Reiz zu erkennen. Wenn man - von den Einheimischen beim Fest akzeptiert und in ihre Mitte genommen - die Kreise tanzend verfolgt, die sie vorgeben, so kann man sich für diese Stunden glücklich schätzen. Als Aufnahme ist es eher eine Sammlung für den Bereich "Welt Hören".
www.airmail-music.com
Karsten Rube


Mariza "Terra"
Label: Emi Music Portugal; 2008; 14 Tracks; 52:06 min
Welch süße Schwere schwebt in dieser Stimme, welch melancholische Unruhe erhebt ihr Herz. Mariza interpretiert den Fado auf eine eigene unnachahmliche und sehr persönliche Weise.
Der Fado, es ist immer der Fado, ein Grundbaustein der portugiesischen Seele. Mariza hört ihrem Herzen zu und lässt es singen. Weit hinaus, über die Gassen der Alfama hinweg, die Graca hinauf, über die Baixa hoch zum Bairro Alto. Die Stadtteile Lissabons mögen die Wiege des Fado sein. Mariza begnügt sich nicht damit.
Sie zieht hinaus, dem Fado die Welt zu zeigen. Sie verwebt ihn, schmückt ihn mit dem Langmut des kubanischen Son, der nachmittagsschweren Ergebenheit kapverdischer Mornas, dem stechenden Schmerz der Flamencogitarre. Jazz blitzt glamourös aus den Arrangements. Mal rauchig, mal mit dem cocktaillastigen Schwindelgefühl einer Morgendämmerung an der brasilianischen Küste.
Nachdem sie auf der CD "Transparente" bereits die Grenzen des traditionellen Fados überschritt und unter dem Arrangeur Jaques Morelenbaum ein großes Orchester an die Seite gestellt bekam, sucht sie für ihr aktuelles Album "Terra" den Kontakt zu anderen, ähnlich seelenschweren Kulturen. Doch trotzdem sie ihre Lieder öffnet und sie mal heiter, mal getragen und immer mit höchster Hingabe interpretiert, es bleibt doch immer Fado.
Den Fado, diesen Ausdruck der unbestimmbaren Sehnsucht tragen nicht nur Lissabons Einwohner im Herzen. Es ist ein Grundbedürfnis in der Musik der Welt, seinen Gefühlen Raum zu geben. Nichts weniger versucht Mariza mit ihrem neuen Album "Terra" zu beweisen. Es gelingt ihr mühelos. Von Lissabon aus hinaus in die Welt zu ziehen, um immer wieder mit vollem Herzen und leuchtender Seele zurückzukehren, ist wohl die größte Liebeserklärung, die man dieser Stadt machen kann.
Im Gepäck die Welt, im Herzen die Heimat und auf der Zunge ein Lied von süßer Melancholie.
www.mariza.com
Karsten Rube


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© The Mollis - Editors of FolkWorld; Published 11/2008

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