FolkWorld #51 07/2013

CD & DVD Reviews

Bernd Köhler und Ewo2 "Keine Wahl"
Jump Up, 2013

www.ewo2.de

Wir kommen aus Hamburg, Salzgitter und Kiel, und wir sind Stahlarbeiter und haben ein Ziel: wir wollen leben, na klar ... Jo, auch meine Heimatstadt, die Stahlarbeiterstadt Salzgitter, hat eine lange und abwechslungsreiche Geschichte von Arbeitskämpfen. Von 1971 bis 2013, Gerstetten bis Hattingen, 35-Stunden-Woche bis Hartz IV hat sich der Mannheimer Liedermacher Bernd Köhler[35][43][44][48] mit neuen, selbstverfassten Liedern, Gesängen und Balladen in die bundesdeutschen Arbeitskämpfe eingemischt. "Keine Wahl" gibt es nicht nur mit 13 Liedern auf CD, sondern auch als 160seitiges Lieder- und Geschichtenbuch mit Noten Akkorden und Infotexten von Otto König,[21] Joana, u.a. Politisch, textlich ist das natürlich nicht jedermanns Sache, was Bernd Köhler aber richtig macht: "Keine Wahl" ist musikalisch wirklich gut, die Lieder eingängig. Mit klaren Ansagen, aber weit weg von simplem Agitprop mit banalem musikalischen Gehalt.
© Walkin' T:-)M


Weiherer "A Liad, a Freiheit und a Watschn"
BSC Music, 2013

www.weiherer.com

Der Christoph Weiherer[30][35][47] wird zwar gern unter die Protagonisten der neu-deutschen Liedermaching-Bewegung eingeordnet, ist aber doch eher ein Protestsänger alter Schule. Dennoch gibt es keine Betroffenheitslyrik, der bajuwarische Lidermacher hat sich auch aus dem Schatten eines Hans Söllner[50] herausgesungen. Und so bietet sein sechstes Album "A Liad, a Freiheit und a Watschn" wieder eine live im Januar 2013 in München, Eichendorf und Landshut eingespielte Mischung aus neuen, eigenen, zu Gitarre und Mundharmonika vorgetragenen Liedern und valentinesken Moderationen. Is des nu mei Hoamat?, fragt der Niederbayer. Die Antwort ist natürlich ja, aber es ist nicht das Vaterland der Amigos, wie er in Sie nennans Politik darstellt. Hinsichtlich sozialen Protestes im zeitgenössischen Liedergut ist der Weiherer nach wie vor ein Licht am Ende des Tunnels, und ein seltenes noch dazu.
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Blackbeard's Tea Party "Whip Jamboree"
Own label, 2013

www.blackbeardsteaparty.com

"Whip Jamboree" ist das zweite Album des im nordenglischen York beheimateten Sextetts Blackbeard's Tea Party.[48] Stuart Giddens hat Paul Young am Gesangsmikro und Melodeon abgelöst, ansonsten heisst es business as usual: doppelt besetztes Schlagwerk (Dave Boston, Liam Hardy), Tim Yates am Bass, Martin Coumbe an der Stromgitarre und Laura Barber an einer stürmischen Fiddle. Die Tea Party ist eine heiße Partyband, und es wird sicherlich nicht nur heisser Tee kredenzt. Die Folk-Rock-Musik ist funky und tanzbar, die sorgfältig ausgewählten Shantys sind gut für markige Gesänge. Blackbeard's Erben sind dabei in englischen Traditionen verwurzelt, scheuen sich aber genausowenig wie der namensgebende Pirat aus Bristol nicht, exotischere Gegenden anzusteuern. "Whip Jamboree" bietet eine Mischung aus traditionellem Material - brilliant gleich der Opener "The Valiant Turpin", Straßenräuber Dick Turpin wurde gleich um die Ecke exekutiert - und neueren Songs, die man dem Folk zuordnen darf, wie z.B. Rudyard Kiplings "Ford O' Kabul River", das Peter Bellamy[38] vertont hat. Dazu kommen Instrumentalstücke wie die Old-Time-Tunes "Kitchen Girl / Devil in the Kitchen", selbstverfasste Stücke aus der Feder von Geigerin Laura Barber, sowie Kevin O'Neills "Superfly", dem Flötisten des schottischen Treacherous Orchestra.[48]
Es wäre schön, Blackbeard's Tea Party einmal hierzulande erleben zu dürfen!
© Walkin' T:-)M


Andrew Strong "Live - The Commitments Years and Beyond"
Puzzle Head/Dixie Frog, 2013

www.andrewstrong.com
www.andrewstrong-live.com

Bekannt, berühmt und berüchtigt wurde der damals 18jährige Andrew Strong als Frontmann "Deco Cuffe" der Gruppe "Commitments" im gleichnamigen Film von Alan Parker aus dem Jahr 1991, der wiederum auf einer Romanvorlage von Roddy Doyle basierte. Im Anschluss tourte der mit einem Grammy nominierte Strong mit dem Material aus Soul und R&B durch die Welt und veröffentlichte einige Solo-Alben. Mit einem in Frankreich aufgezeichneten Konzert ist Andrew Strong wieder einmal aus der Versenkung aufgetaucht. Die Setlist enthält Commitments-Titel ("In the Dark End of the Street", "In the Midnight Hour", "Mustang Sally", "Take Me to the River", "Try a Little Tenderness") und andere Soul/R&B-Klassiker ("Gimme Some Lovin’", "Hard to Handle"). Das Konzert endet mit Steppenwolfs "Born to be Wild" und Jimi Hendrix "Fire". Die Arrangements bieten wenig Überaschungen. Andrew Strong ist ein leidenschaftlicher und live mitreissender Interpret und Frontmann, wenn er auch für meinen Geschmack manchmal zu sehr schreit als dass er singt. Dass er sich auch zurücknehmen und in den Dienst der Musik stellen kann, zeigen die drei Bonustracks aus dem Studio mit der französisch-ivorischen Komikerin Claudia Tagbo und dem französischen Blues-Harmonika-Virtuosen Nico Wayne Toussaint.
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Rosemary's Garden "Royal Flush"
Mellow Boy Records, 2011

www.myspace.com/rosemarysgarden

Das musikalische Genre ist Blues-Rock der moderneren Variante, textlich geht es vor allem um die älteste Sache der Welt. Der Hinweis auf dem CD-Cover warnt denn auch vor den sexuell expliziten Texten von Michael-Louis de Terre. Aus dem einstigen Solo-Projekt des Absolventen des Musicians Institute in Hollywood for Guitar and Recording Engineering ist mit dem zweiten Album "Royal Flush" die Band Rosemary's Garden geworden. Von den zehn Stücken der CD ist zwar nicht eindeutig ein Highlight zu benennen, es gibt aber auch keine Hänger. Die Lieder sind harmonisch, der Pop- und Folkmusik verpflichtet, arrangiert mit Retro-Stromgitarren-Sound der Sechziger-Jahre als auch Indie-Rock. Rock'n'Roll, der geradeheraus und direkt ist, und mitten in den Bauch trifft. (Oder in die Geschlechtsteile.)
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Kelly Richey "Sweet Spirit"
Sweet Lucy Records, 2013

www.kellyrichey.com

I need a storm to keep riding ... so I can find something reel ... Blues bis Rock, dreckige Stromgitarren-Riffs, heisere Altstimme, die über Leben und Überleben, gescheiterte Beziehungen und den Sinn des Lebens nachsinnt. Nach über 3.500 Konzerten in über dreißig Jahren hat die weiße, weibliche Inkarnation von Jimi Hendrix einiges über Mühen und Schmerzen zu erzählen, dabei aber nichts an Leidenschaft und Aggressivität eingebüßt. Einmal wurde Kelly Richey vorgeworfen, sie spiele wie ein Kerl, und sie hat geantwortet: Na und? Das ist ein Kompliment. Ich wollte nie wie ein Mädchen spielen. Ich wollte ein guter Gitarrist sein, kein gutes Mädchen. Nicht zu vergessen der funkige Bass und das vorwärtsdrängende Schlagzeug, die Kelly Richeys ca. 15. Album "Sweet Spirit" gleichermaßen zu einem Rockmusik-Klassiker machen, als auch eine CD zur rechten Zeit am rechten Ort.
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Wildes Holz "Massiv"
Eigenverlag, 2012

www.wildes-holz.de

Kein anderes Musikinstrument hat solch einen schlechten Ruf wie die Blödflöte.[51] Dass sie auch ganz anders klingen kann als in den feuchten Händen von Erstklässlern oder in den hallenden Gemäuern weihnachlicher Gottesdienste und ein wildes Holz ist, beweist Tobias Reisige. Da ist nicht nur das eklektische Repertoire von Richard Strauss' "Also Sprach Zarathustra" über den "Heyser Bulgar" zu AC/DCs "Hightway to Hell" und Lady Gagas "Born This Way". Auch Reisiges Expressivität und Improvisationen begeistern. Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass das einfache Blasinstrument zu solchen Tönen und Klängen in der Lage ist. Das weitere Holz - Gitarrist Anto Karaula und Kontrabassist Markus Conrads - sorgen für einen kompakten Wall of Sound, einfach Massiv! Die CD ist nicht nur äußerst abwechlungsreich, sondern macht zudem jede Menge Spaß, und das Trio aus Recklinghausen hat es geschafft, die Blockflöte wieder zu einem ernst zu nehmenden Instrument der Unterhaltungsmusik zu machen.
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Ceolbeg "Collected"
Greentrax Rec., 2013

English CD Review

Ceolbeg[9]-Gründer und -leiter Peter Boond ist im Januar 2013 verstorben, und ihm zu Ehren hat das schottische Roots-Label Greentrax einen Überblick über das Schaffen der schottischen Folk-Formation vorgelegt. In den 18 Jahren, die Ceolbeg existiert hat - die Gruppe wurde in den späten Siebziger Jahren in Dundee gegründet, das Abschiedskonzert in Edinburgh's Queen's Hall fand 2003 statt -, sind etwa 28 Musiker durch die Reihen gegangen, Peter Boond war die Konstante, die Sound und Stil zusammengehalten hat. Sein eigener Beitrag dabei war die den Dudelsack komplementierende Flöte und die rhythmische Cittern. Teilweise nur eine Teilzeitband gehört Ceolbeg in eine Reihe mit der Battlefield Band[51] oder Silly Wizard,[49] die ein wenig früher ihren Weg begonnen haben.
Vom vergriffenen Debütalbum gibt es ein Set bestehend aus Marsch, Strathspey und Reel. Dann geht es in chronologischer Reihenfolge durch die Alben "Not the Bunny Hop" (inkl. Davy Steeles[45] bekanntes Lied "Farewell Tae The Haven" und Iain Morrisons[50] Hornpipe "Arthur Gillies", gespielt als Slow Air), "Seeds to the Wind" (ft. Harfenistin Wendy Stewart und Piper Gary West,[40] sehr schön die von Davy Steele gesungene Version von "Johnnie Cope"), "An Unfair Dance" (inkl. die später auch von Wolfestone gecoverten Gordon Duncan-Tunes "Zito The Bubbleman" und "The Sleeping Tune"), "Ceolbeg 5" (Rod Paterson[15] hat nun Davy Steele ersetzt, der neue Piper ist Mike Katz[31]), "Cairn Water"[14] (inkl. musikalische Ausflüge nach Nordspanien und ins Œuvre von Gerry Rafferty[44]). Den Abschluss bildet eine Reinkarnation des Leitmotivs "Not the Bunny Hop", ein Jig aus der Feder von Bagpiper Neil Dickie.
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Garry O'Meara "Pickin' Time"
Own label, 2013

English CD Review

www.garryomeara.com

Banjo-Fans, insbesondere diejenigen mit Interesse an traditionell irischer Musik als auch Old-Time und Bluegrass, sind hier genau richtig. Banjo-Ikone Gerry O'Connor[30] ist in Repertoire als auch im Stil der Referenzpunkt für den jungen Dubliner Garry O'Meara, der seit vergangenem Jahr bei der Brock McGuire Band spielt.[45] Auf der einen Seite ist "Box Room Fantasy" ein post-moderner Reel, auf der anderen "Princess Brenda" einer der seltenen, ruhigen Melodien für das Banjo. Beides sind Eigenkompositionen von Garry O'Meara. Die traditionellen Stücke werden ebenfalls mit Ausdruckskraft und außergewöhnlicher Technik angegangen. (Und zwischendrin singt Ex-Fleadh-Cowboys Frankie Lane über den "Good Ol' Mountain Dew".) Nicht vergessen werden auf dieser dynamischen CD darf die Schützenhilfe von Fergal Scahills[48] Fiddle-Attacken und schlussendlich der Gesamtsound mit Bassist James Blennerhassett, Pianist Seamus Brett und Bodhranspieler Brian Garvin.
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The Paul McKenna Band "Elements"
Greentrax, 2013

English CD Review

www.paulmckennaband.com

Die schottische Band, dessen Mitte Namensgeber Paul McKenna (Gesang, Gitarre) ist, ist auf den Britischen Inseln preisgekrönt. Das weitere Line-Up besteht aus Bouzoukispieler David McNee, Flötist Sean Gray und Perkussionist Ewan Baird, sowie Gastmusikern Mike Vass (Fiddle, der die Band jüngst verlassen hat), Jarlath Henderson (Uilleann Pipes),[36] Guntmar Feuerstein (Mandoline) und Philip Masure (Cittern), die einen dichten Klangteppich weben. Instrumental wie vokal eine solide Band, noch unverbraucht und innovativ - im Studio[38][45] wie auf der Konzertbühne.[42][46] Die Lieder des schwierigen dritten Albums sind überwiegend melancholischen Inhalts, werden aber druckvoll vorgetragen: McKennas Eigenkompositionen, Traditionals (aus Irland!) wie "Mickey Dam" und "Farmer Michael Hayes", und Songs aus der Feder von Nic Jones ("Ruins By The Shore"), James Keelaghan ("Cold Missouri Waters") und Andy Mitchell ("Farewell to Indiana", siehe auch das aktuelle Album der Battlefield Band).[51] An das suberbe zweite Album, "Stem the Tide", kommt "Elements" nicht heran, ist aber auf Augenhöhe mit dem 2009er-Debüt, und überhaupt ist die Paul McKenna Band eine der derzeitigen Top Bands der schottischen Folkszene.
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Stiller Has "Böses Alter"
Sound Service, 2013

www.stillerhas.ch

Stiller Has - d.i. der Schweizer Texter und Sänger Endo Anaconda und seine Band (Gitarrist René Schafer, Bassistin Salome Buser und Schlagzeuger Markus Fürst) - hat mich anno 2011 auf dem TFF Rudolstadt begeistert.[46] Das dazugehörige Album "So verdorbe" wird immer noch gern von mir gespielt, das ältere Material hat sich mir bis jetzt noch nicht ganz erschlossen. Und nun liegt das aktuelle und insgesamt 13. Album "Böses Alter" vor, und irgendwo dazwischen. Die Lieder springen mich nicht ganz so an wie die auf "So verdorbe", sind insgesamt aber auf demselben hohen Niveau. Eine Band auf dem derzeitigen Höhepunkt ihres Schaffens, wobei ich auch nicht ausschließen will, dass die Songs sich bei wiederholtem Anhören in meine Gehörgange schleichen werden.
Endfuffziger Endo Anaconda ist sicherlich nicht im bösen Alter: Bösi alti manne die hei gäng no d hosen anne, hei zwar kei brot meh ... Böse alte Männer haben immer noch die Hosen an, auch wenn sie keinen Stich mehr haben ... Frisch tätowierte Rentner grillieren Schweinshälse und Vollkasko-Rocker mit durchgescheuerten Bandscheiben sitzen auf schweren Harleys. Ach Gott, wer erbarmt sich unserer alten Partisanen? Das musikalische Spektrum enthält Road Songs ("Nachtzug"), Liebeslieder ("Chätschgummi", d.h. Kaugummi) oder die satirischen "Chlyni Wält" (Kleine Welt) - Die Welt ist klein, überall Schweizer ... all inclusive last minute - und Endos Beitrag zum Gebrüder-Grimm-Jahr "Märli" (Märchen) - Hans im Glück hat Depressionen, Froschkönig ersäuft im Swimming Pool, Frau Holle schneit fürs Medellin-Kartell, die Heinzelmännchen machen Blau, Goldeselchen scheisst Defizite ... Das CD-Booklet enthält die schwyzerdütschen Texte und Übertragungen ins Hochdeutsche.
Für sein Gesamtwerk hat Endo Anaconda im März 2013 den Prix NATURE Swisscanto "Hoffnungsträger" entgegengenommen. Die Jury hat sich für Endo Anaconda entschieden, weil er als Sänger und Texter seinem Publikum auf humorvolle Art und Weise einen Spiegel vor Augen hält: Er singt gegen die Masslosigkeit der Gesellschaft, gegen Atomkraftwerke und Reisen per Flugzeug. Er selber achtet auf einen nachhaltigen Lebensstil: Er kauft wenn immer möglich Lokales aus Bioproduktion und hat im ersten Bio-Laden in Bern gearbeitet.
Eines ist sicher: Endos Grabstein ist noch nicht gefertigt!
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Hubert von Goisern "Im Jahr des Drachen - Live" [Do-CD]
Capriola / Sony, 2013

www.hubertvongoisern.com

Eine Besprechung kann sich eigentlich erübrigen. Es ist ein Goisern-Album, es ist live, und es ist gut. "Im Jahr des Drachen - Live" ist eine Auswahl von Livemitschnitten der "Brenna tuats"-Tour 2012 (dem chinesischen Jahr des Drachen), der Tournee zur preisgekrönten, Fans wie Kritiker begeisternden CD "Entwederundoder",[46][49] die sich als die erfolgreichste Tour von Hubert von Goiserns Laufbahn herausstellen sollte: 101 Konzerte vor über 300.000 Zuschauern![46][47][50] Disc 1 der Doppel-CD widmet sich den ruhigeren Tönen, Balladen aus jüngster Zeit als auch Klassiker wie "mercedes benz", "goisern" und "wann i durchgeh durch's tal" aus dem Trad-Programm. Disc 2 - in merkwürdiger Konsequenz - lässt es krachen, "brenna tuats guat" rockt und "indianer" mit dem Kuhglocken-Solo groovt. Das Grande Finale endet mit dem alten Hader "hiatamadl". (Für ein Live-Album eher ungewöhnlich sind alle Liedtexte im Booklet abgedruckt.) Die Band ist aufs Minimum reduziert, erschafft dennoch einen kompakten Wall of Sound. Bei Livekonzerten gibt es kein Netz und keinen doppelten Boden, wendet der Goiserer ein, jeder Ton, jeder Akkord ist Wahrheit. Offensichtliche Fehler sind jedoch nicht zu entdecken. Beweis für Kunst und Kompetenz, bei denen die Spielfreude trotz aller Perfektion nicht abhanden gekommen ist. Weiter so!
© Walkin' T:-)M


Niamh Ní Charra "Cuz"
Imeartas Records, 2013

Article: CUZ - A Tribute to Terry Cuz Teahan

www.niamhnicharra.com

Der Konzertinaspieler und single-row-Akkordeonist Terry 'Cuz' Teehan (1905-1989) wurde in Glountane im westirischen County Kerry geboren. Der Schüler des legendären Sliabh Luachra-Geigers Padraig O'Keeffe emigrierte 1928 nach Chikago und wurde eine einflussreiche Persönlichkeit in der irischen Gemeinschaft und Musikszene. (Seinen Spitznamen 'Cuz' erhielt er, weil er befreundeten Musikern Jobs verschaffte, indem er sie als seine Cousins ausgab.) 1986 besuchte Teahan die Heimat und drückte bei dieser Gelegenheit einem acht-jährigen Mädchen in Killarney eine Musikkassette mit seiner Musik in die Hand. Dieses junge Mädchen war Niamh Ní Charra, mittlerweile als Geigerin und Konzertinaspielerin mit Riverdance, der Carlos Núñez Band und dem baskischen Sänger Ibon Koteron[46] gereist, und solo als unverfälschte Interpretin der irischen Tradition aufgetreten.[33][43]
Die Kassette hat bleibenden Eindruck hinterlassen und Niamh huldigt mit Musikern wie Seamus Begley,[48] Donal Murphy,[40] Liz Carroll,[39] Mick Moloney,[43] Donogh Hennessy[51] und Tommy O’Sullivan[42] dem verstorbenen Mentor aus der Ferne. Die Musik ist eine Mischung aus Teahans eigenen Kompositionen (die heutzutage immer wieder in Sessions auftauchen, ohne dass der Komponist bekannt wäre, wie der Highland "Road to Glountane" oder die Polka "Mickey Chewing Bubblegum") und Tunes aus der Sliabh-Luachra-Tradition: Polkas, Slides, Barn dances. Nur zwei Reels!!! Einzeln und im Ensemble wundervoll eingespielt, eröffnet das gesprochene Wort von Teahan selbst einige der Titel. Im Mittelteil singt Niamh den gälischen Song "Is Ar Éirinn Ni Neosfáinn Cé hí" (For Ireland I Will Not Tell Her Name), der Lieblingssong von Cuz Mutter.
© Walkin' T:-)M


Bajofondo "Presente"
Masterworks, 2013

www.bajofondomusic.com

Dem argentinischen Tango hat man seit einigen Jahren mit massiven Elektroschocks zugesetzt. Das wirkte manchmal belebend, ging aber auch gelegentlich daneben. Bajofondo gehören zu den Bands, die seit ihrer Gründung vor zehn Jahren den Tango vor allem als Träger für Dancefloorprojekte verwendeten. 2007 änderten sie ihren Bandnamen vom Bajofondo Tango Club in Bajofondo. Das gab ihnen mehr Spielraum auch Technoelemente, Drum and Bass und Housemusic in ihre Songs einzuweben. Das aktuelle Album "Presente" geht nun einen Schritt weiter. Electrotango ist neben minimal eingesetzten musikalischen O-Tönen aus kammermusikalisch agierenden Tangotrios, Quartetts oder Quintetts ein weitgehend am Computer erzeugtes Klangerlebnis. Bajofondo haben diesem Trend nun ein großzügig besetztes Streich- und Bläserensemble hinzugefügt. Zuweilen fühlt man sich an die Streichorgien der Discoszene in den achtziger Jahren erinnert. Manchmal allerdings, wenn Schlagzeug und Rhythmusgruppe zu sehr durchhämmern, denke ich an Rondo Veneziano (die ja ebenfalls Pioniere des Crossovers waren). An Dynamik fehlt es der CD "Presente" an keiner Stelle. Mit großer Raffinesse kreieren sie ihre Nuevo Musica del Rio de la Plata. Treibende Beats, weinende Geigen, reißende Gitarrenriffs, das für den Tango typische Bandoneon und druckvolle Bläser werden mal in ihrer akustischen Reinheit präsentiert und dann wieder mit den Möglichkeiten der Elektronik verfremdet. Wuchtiges wechselt wie selbstverständlich mit traumhaft sinnlichen Melodien ab. Der Titel "Rendezvous" gehört zu den Kompositionen, die nahezu cineastische Bildgewaltigkeit aufweisen. 10 Bläser und nicht weniger als 21 Streicher treffen auf die Musiker von Bajofondo und ihre Elektrofraktion. Was man eigentlich als zu viel des Guten abtun könnte, wenn man allein die Menge an Musikern betrachtet, harmoniert auf fast schon anzügliche Weise. Tango sprach schon immer die Gefühle an. Elektobeats auf ihre Weise ebenfalls. Möglich, dass der Tango, als der erotische Soundtrack der Intelligenz betrachtet wird und Techno eher die Libido der anspruchsloseren Gesellschaft bedient. Aber diese Pauschalbeurteilung hat einen Fehler. Sie trennt etwas, das beiden gleichermaßen eigen ist: Leidenschaft. Bajofondo haben die angeblichen Widersprüchlichkeiten musikalisch geschickt verkuppelt und erzeugen eine kaum fassbare Wucht an Eindrücken. „Presente“ ist ein Album, wie ein musikalischer Stromschlag. Resolut. Episch. Brillant. Und mit einundzwanzig zum Teil recht langen Titeln bringt Bajofondo sogar das Medium CD an den Rand seiner Aufnahmefähigkeit.
© Karsten Rube


Maria Ana Bobone "Fado & Piano"
ARC Music, 2013

www.mariaanabobone.com

Der Fado, als wichtigstes künstlerisches Ausdrucksmittel der portugiesischen Kultur, hat im Laufe seiner Existenz zahllose Interpreten hervorgebracht. Viele pflegten die Tradition, während andere sich mit Spielarten und der Weiterentwicklung dieses Stils beschäftigten. Maria Ana Bobone, eine Pianistin und Sängerin, die in Porto geboren wurde, findet im Fado immer wieder neue Ansatzpunkte, um ihn nicht durch pure Traditionspflege zu lähmen. Auf ihrem Album "Fado & Piano", das aktuell bei ARC-Music erschienen ist, verschwimmen Fado und Chanson zu einem harmonischen Ganzen. Es ist schön anzuhören, wie Maria Ana Bobone die Melancholie des Fado mit ihrem klassisch orientierten Klavierspiel unterstreicht und gleichzeitig durch die Helligkeit ihres Gesangs Freude ausdrücken kann. Das Klavier ist für den Fado nicht das typische Instrument. Hier steht es im Zentrum. Flöte, Kontrabass ergänzen es und ganz gelegentlich im Hintergrund taucht eine portugiesische Gitarre auf. Eigene Kompositionen wechseln sich mit traditionellen Melodien ab, was das Spiel der Gegensätze zusätzlich unterstreicht. Gegen Ende des Albums singt Bobone ein traditionelles Volkslied aus dem Osten Portugals "Senhora de Almortão". Ein Lied, das bereits von mehreren portugiesischen Sängerinnen aufgenommen wurde. So zum Beispiel von Dulce Pontes, deren Interpretation dieses Liedes bisher unübertroffen ist. Maria Ana Bobone versucht sich darüber hinaus auf dem Album mehrmals in der englischen Sprache. "Twilight" ist ein sehr schönes, leidenschaftliches Lied, das neben dem Klavier auch eine schöne Begleitung durch die portugiesische Gitarre erfährt. Leider wirkt es durch den auf Englisch gesungenen Text etwas beliebig. Schade drum. Insgesamt ist "Fado & Gitarre" aber ein schönes Album, das den Fado und die portugiesische Musik der Gegenwart auf ganz wunderbare Weise präsentiert.
© Karsten Rube


Louise Gold & The Quarz Orchestra "Debut"
Skycap Music, 2013

www.goldquarz.com

Die Ästhetik der Swingära, die Zeit der Geburt der Bossa Nova oder die des Big Ballroom erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Retrowelle heißt das hippe Wort, das in der Gegenwart die Vergangenheit veredelt. Eine Welle, auf der sich viele treiben lassen, die zwar gern von gestern wären, aber auf das Equipment der Gegenwart nicht verzichten wollen. Die frühen Sechziger Jahre auch konsequent in der Musik auszuleben, wagen sich nur wenige. Louise Gold und das Quarz Orchester haben es auf der schlicht "Debut" bezeichneten CD gewagt. In den Berliner Lightning Recorder Studios produziert man Musik noch in schwarz-weiß. Bandmaschinen, Mikrofone, Aufnahmephilosophie kurz die gesamte Produktionsstätte betritt man, als würde man durch einen Timetunnel direkt ins Jahr 1961 rutschen. Entsprechend passiert die Musik im Studio weitgehend live. Einspielen, Aufnehmen, Anhören, Ausatmen. Was dabei herauskommt, kann man auf der CD von Louise Gold hören. Makelloser Echtzeitjazz mit dem Glanz einer Musik, die noch fürs Radio gemacht wurde. Doch wer jetzt denkt, hier rekelt sich jemand in der Lust am Altmodischsein, der sieht sich getäuscht. "Debut" ist Ballroommusic, mit der man heute erneut die Clubs ganz gewaltig zum Tanzen bringt. Die Stimme der Berlinerin Louise Gold klingt frisch und alles andere als altbacken. Die Arrangements in denen immer wieder Posaunen aus dem Hintergrund emporsteigen, in denen das Piano und der Bass ganz tief und melancholisch im Jazzkeller verschwinden erzeugen Stimmungen, die zwischen Cottonclubnostalgie, Bondästhetik und Detektivmusik hin und her schwingen. Eine Musik wie ein Soundtrack zu einem Film Noir. Hüte, Zigaretten, schöne Frauen und gefährliche Geschäfte. Alles in kaum mehr als eine halbe Stunde perfekter musikalischer Zeitreise verpackt. Moderne Musik, die die Vergangenheit in die Gegenwart holt.
© Karsten Rube


Annuluk "Ushna"
Brokensilence, 2013

www.annuluk.net

Die Verbindung zwischen Ursprünglichkeit und Modernität, zwischen weitläufiger Ländlichkeit und schriller Urbanität, zwischen Spiritualität und Momentbezogenheit sucht die Newcomerband Annuluk. Sie findet diese Verbindung in einer Musik, die sich zwischen schamanistischer Reduziertheit und raumfüllenden Elektrobeats bewegt. Frei erfundene Weltmusik, die indische Elemente ebenso einbindet, wie den Joik der Sami, die Polyrhythmen Afrikas und die Vielstimmigkeit der Voix Bulgaries. Es gibt nur eine Chance mit dieser mehr als ungewöhnlichen CD "Ushna" zurecht zu kommen: man muss sich auf sie einlassen. Dann allerdings ist diese CD ein Edelstein. Die vielseitigen Arrangements und musikalischen Stimmungsbilder lassen Rückschlüsse auf die Einflüsse zu, die der Band um die stimmgewaltige Sängerin Misa ein paar Richtungsimpulse gegeben haben müsse. In "Steppe" sitzen ein paar pointierte Bläsersätze, die mich an den brillanten äthiopischen Jazz eines Mulatu Astatke erinnern, der Gesang der Frontfrau tritt oft mit der archaischen Kraft von Marie Boine zu Tage und die Dubs und Elektrosequenzen pflegen den Stil von Transglobal Underground oder dem Afro Celt Soundsystem. Diese musikalischen Tuchfühlungen empfinde ich vielleicht nur allein als gegeben. Was aber auch egal ist, denn Annuluk vermögen es mit ihrer Musik den Hörer in einen gedanklichen und gefühlsmäßigen Schwebezustand zu versetzen. Tranceartig versinke ich unter meinen Kopfhörern und kann mich nur noch treiben lassen. Eine Fantasiesprache, in der Misa singt, hilft dabei "Ushna" zu einer guten dreiviertel Stunde Freiheit im Kopf zu machen.
© Karsten Rube


Jarrod Dickenson "The Lonesome Traveler"
Eignverlag, 2013

www.jarroddickenson

Jarrod Dickenson beschwört mit dunkler, sanfter Erzählstimme die Legende vom einsamen Wanderer. Ruhig und geduldig singt er Lieder, wie weise Großväter Geschichten am Kamin erzählen. Dabei dürfte er altermäßig bis dorthin noch eine Menge Zeit haben, ein Leben voller Erfahrungen und Überraschungen zu führen. Der aus Texas stammende Musiker, der über Nashville nach New York gekommen ist, versteht es, den Hörer ohne langes Einschmeicheln für sich einzunehmen. Seine Songs sind großartige Perlen des Songwriting. "Come what may" beispielsweise ist ein zartes Liebeslied, schmalzfrei, aber herzerfüllend. Der Opener "Ain't Waiting Any Longer" klingt wie einer dieser zeitlosen Songs von Lynyrd Skynyrd. Die hohe Qualität der 12 Kompositionen von Jarrod Dickenson sind beinahe schon ein Garant dafür, dass sie im Radio kaum für Aufmerksamkeit sorgen werden. Dafür spricht auch die Riege der Musiker an seiner Seite. Bassist David Pitch hat mit K.D Lang und kürzlich mit Hugh Laurie an dessen Bluesalbum gearbeitet. Den Steel Gitarrenhelden Greg Leisz kenn man von den Alben eines Dave Alvin. Gelegentlich lässt ein Cello noch eine Spur Melancholie unter Dickensons Stimme fließen. "The Lonesome Traveller" ist ein Album für aufmerksame Ohren und sicher nichts für zwischendurch.
© Karsten Rube


Mel de Meiga "Crecente"
Inquedanzas Sonoras, 2013

www.meldemeiga.com

Es mag nicht in jedes Ohr passen und auch nicht in jeden Geschmack, aber Castingsshows haben seit einigen Jahren einen Stellenwert in der Karriereplanung junger Musiker gewonnen, den man schlecht wegdiskutieren kann. Im spanisch sprachigen Raum heißt einer dieser Talentwettbewerbe "Operación Triunfo". Die Galizierin Eva Carreras hat dort in der Staffel 2006 - 2007 einige Zeit mit der Publikums- und Jurygunstgewinnung verbracht. Nicht unbedingt bis zum Ende, aber doch ausreichend, um einigen anderen Musikern und Produzenten aufzufallen. Nach ihrem ersten Album "Aries Imperfecto", auf dem sie noch deutliche Spuren von Pop und Easy Listening zu Tage brachte, hat sie sich nun mehr der galizischen Folklore zugewandt. Zusammen mit aus dem Nachwuchs der galizischen Folkmusikszene stammenden Musikern prägt Eva Carreras einmal mehr das Bild der modernen Folkmusik aus dem Norden Spaniens. Mel de Meiga nennt sich die Band um die Sängerin. Ihre Stimme besitzt die etwas dunklere Klangfarbe, wie sie bei der galizischen Sängerin Uxia zu hören ist. "Crecente" wartet mit zehn überwiegend in der Band entwickelten Titeln auf, die alle von Eva Carreras mit Texten versehen wurden. Das Konzept traditionelle Musik mit Dudelsack, Violine und Flöte durch jazzig- popige Arrangements zu versehen, geht wieder einmal hervorragend auf. Galizien hat in dieser Hinsicht ein wohl erfolgreiches Rezept gefunden. Bands, wie Milladoiro und Berroguetto beweisen das seit Jahren. Mel de Meiga reihen sich mit ihrem Album "Crescente" mühelos in die Reihe belebender galizischer Folkmusik ein.
© Karsten Rube


Steven Caspar & Cowboy Angst "Trouble" [EP]
Silent City Records, 2012

www.caspermusic.com

Die kurze EP "Trouble" von Steven Caspar fängt rasant an und bleibt bis zum letzten Ton unter Strom. Caspar braucht offensichtlich keine langen Produktionen, um zu überzeugen. Sechs rockige Countrysongs präsentiert der Musiker aus Los Angeles, der mit seiner Band Cowboy Angst ganz offensichtlich viel Spaß an unterhaltsamen und tanzbaren Countrysongs hat. Hilly-Billy Stimmung bringt er ebenso zustande, wie beim Titelsong "Trouble" zu hören ist. Gut besetzt mit John Groover McDuffie ist die Band ohnehin. Der Songwriter bearbeitet mit Cowboy Angst eine Menge Arten von Saiteninstrumenten, wie Mandoline und Stealguitar. Bleibt zu hoffen, dass die EP "Trouble" nur ein Anfütterhappen ist, um auf eine etwas längere CD Appetit zu machen.
© Karsten Rube


Paul Carrack "Good Feeling"
India Madia Group, 2012

www.paulcarrack.com

Soulig und gut gelaunt präsentiert sich der englische Songwriter Paul Carrack auf seinem Album "Good Feeling". Nach einem orchestralen Album im Jahr 2010 hat Carrack sich jetzt auf ein radiotaugliches Format eingelassen, bei dem er auch mit Coverversionen experimentiert. Carrack ist seit fast vierzig Jahren im Popgeschehen etabliert. Seine Zusammenarbeit mit Mike and the Mechanics, The Eagles und Elton John fanden zu den Zeiten statt, als diese Musiker Chartplatzierungen unter den Top 10 aufweisen konnten. So kennt er sich also mit radiokompatiblen Formaten aus und hat seine CD "Good Feeling" entsprechend geprägt. Das sorgt für eine große Eingängigkeit der Lieder, aber auch für eine gewisse Beliebigkeit. An meinen Ohren rauscht diese handwerklich professionelle CD mit dem gute Laune Anstrich beinahe ohne Spuren zu hinterlassen vorbei. Bemerkenswert eindruckslose Perfektion und damit leider nur Allerwelts- Pop.
© Karsten Rube


Gattamolesta "Vecchio Mondo"
Felmay, 2012

www.gattamolesta.it

Gattamolesta blicken mit ihrer neuen CD "Vecchio Mondo" über die Grenzen des italienischen Stiefels hinaus. Die Band mischt die folkloristischen Elemente Italiens, wie die Tarantella mit dem in Adrianähe spürbaren Balkaneinfluss. Doch junger urbaner Speedfolk, wie ihn Gattamolesta so ansteckend zelebrieren, ist heute kaum noch an kulturelle Grenzen gebunden. So findet sich auf der CD auch die Vorliebe der Band für die Musik der Mariachis wieder. Tex-Mex Bläser sind an vielen Stellen der CD zu hören, was an manchen Stellen an die kuriose Vorliebe der Italiener zum Spagettiwestern erinnert, die vor allem in den Siebzigern des letzten Jahrhunderts um sich griff. Gattamolesta reihen sich ein in die Liga solch bekannter Powerfolker, wie Mau Mau und Roy Paci.
© Karsten Rube


Gitarra Pura "Carisma"
Prudence, 2012

www.gitarrapura.net

Interessant, wie sich die Wege durchs Leben winden, wo sie herkommen und wo sie sich an unterschiedlichsten Stellen mit andern kreuzen. Das Duo Gitarra Pura könnte an seiner musikalische Herkunft gemessen, nicht unterschiedlicher sein. Der eine Gitarrist genoß die klassische Ausbildung an der Hans Eisler Oberschule und bewegte sich souverän durch die Klassik, Kammermusik und Jazz. Der andere gelangte zu einiger Bekanntheit in Punk und Neuer Deutscher Welle, bei Bands wie Spliff, Lokomotive Kreuzberg und der Nina Hagen Band. So faszinierend oder schrill diese Stationen gewesen sein mögen, künstlerisches Schaffen besteht aus Weiterentwicklung. Spätestens seit Potschka und Müller- Brys zusammengetroffen sind, haben sie eine neue musikalische Welt erschlossen. Deren Grundlage ist der Flamenco, der auf der zweiten CD des Duos "Carisma" deutlich im Vordergrund steht. Der freundliche mediterrane Farbton durchdringt die Musik des Duos in allen Liedern. Das lässt die Musik von Gitarra Pura warm und erholsam wirken. Stilistisch haben sie klassische spanische Musik mit Folkelementen und Anklängen aus Jazz angereichert, was das Hörerlebnis um einiges vielfältiger macht. Eine Platte, die friedlich werden lässt, wenn man es nicht ist. Ein schönes Beispiel, dass Harmonie nicht langweilig sein muss.
© Karsten Rube


Nynke "Alter"
Crammed Discs, 2013

English CD Review

www.nynkemusic.com

Dass Friesland am Meer liegt, ist ja weitgehend bekannt, doch angesichts der Musik der friesischen Sängerin Nynke hat man den Eindruck Friesland befände sich am Mittelmeer. Nynkes Umgang mit ihrer nur im nördlichen Teil der Niederlande existierenden Heimatsprache, wie sie ihn auf ihrer aktuellen CD "Alter" pflegt, ist recht ungewöhnlich. Ihr musikalische Vorliebe schenkt die Sängerin nämlich der Musik Spaniens und Portugals. Das Friesische mit seinen vielen stürmischen Geschichten vom Leben an der Nordsee eignet sich offensichtlich ganz gut, um es mit dem warmen Blick zu verbinden, den die Völker Südeuropas auf das Mittelmeer werfen. Die CD "Alter" ist so etwas, wie der Versuch, eine Art friesischen Fado mit sephardischen Elementen zu erfinden. Das ist ihr nicht zuletzt deshalb sehr gut gelungen, weil ihr der Produzent und Gitarrist Javier Limón mit einer exzellenten Crew spanischer Musiker zur Seite stand. Limón hat mit Künstlern, wie Mariza, Paco de Lucia und Yasmin Levy zusammengearbeitet. Die Geschichten, die Nynke in ihren Liedern verarbeitet, mögen die Gefühle wiedergeben, wie sie die ewig ebene Landschaft Frieslands hervorbringen, die Stimmung ist allerdings mediterran. Eine spannende Melange und in dieser Form sicher einmalig.
© Karsten Rube


Marina Rossell "Canta Moustaki"
World Village, 2011

www.marinarossell.com

Der große Poet und Sänger Georges Moustaki gehört zu den wichtigsten Songpoeten des vergangenen Jahrhunderts. Und er hat sich diesen Status bis in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts bewahrt. Seine Lieder über Liebe, Schmerz, Freiheit und Einsamkeit sind legendär und für jeden Künstler, der sich zu Moustakis Poesie hingezogen fühlt ein Füllhorn der Inspiration. Die katalanische Sängerin Marina Rossell hatte das Glück mit Moustaki zusammen zu arbeiten und das Ergebnis liegt mit der wunderschönen CD Marina Rossell "Canta Moustaki", hier vom World Village Label veröffentlicht, seit dem Jahr 2011 vor. 13 bekannte und weniger bekannte Lieder Moustakis hat Marina Rossell mit ihrer warmen Stimme interpretiert. Darunter solche Klassiker, wie "Ma liberté", "Le métèque", "Ma solitude", "En Mediterranée", "Hiroshima", die sie alle ins Spanische übertragen hat. Wunderbar sparsam instrumentiert und zum Teil vom Meister selbst begleitet, ist dieses Album ein Muss für die Freunde der Musik George Moustakis. Die Covergestaltung und die künstlerische Ausschmückung des recht umfangreich ausgefallenen Booklets hat Moustaki mit leichtem Federstrich ebenfalls selbst gestaltet.
© Karsten Rube


Howe Gelb & A Band of Gypsies "Alegrías"
Fire Records, 2011

Giant Giant Sand "Tucson"
Fire Records, 2012

www.howegelb.com

Wenn man die moderne europäische Sehnsucht nach den staubtrockenen Wüsten New Mexicos, dem Tequilla oder Worten, wie Rio Bravo folgt, landet man zwangsläufig bei Calexico, der Band, die diesen Mythos musikalisch darstellt. Doch Calexico sind, so gut, wie sie auch sein mögen, nur noch der Rest der Truppe, die Howe Gelb einst mit Giant Sandworms ins Leben gerufen hat. Seine Mitstreiter hat er einst in die Wüste geschickt, oder er hat sich selbst dorthin begeben, nachdem John Convertino und Joey Burns die Band verließen, um Calexico zu gründen? Gelb zeigte sich unbeeindruckt vom Erfolg seiner ehemaligen Bandkollegen und produzierte eine hochwertige Platte nach der nächsten. Mal als Solokünstler, oft mit Giant Sand, aber auch mit anderen Seitenprojekten. 2011 veröffentlichte er "Alegrias" mit der Band of Gypsies. Den Arizona Western Style von Giant Sand paarte er hier mit einer ordentlichen Portion Gipsymusic, Flamenco, Tangoanklänge und sogar einen Schuß Bossa Nova, wie in "The Ballad of Lole y Manuel". Gelb hat sich für diese Produktion eigens ein paar spanische Musiker an Land gezogen. "Alegria" klingt sonnig, fröhlich, mediterran, was sicher auch am Flamecogitarristen Raimundo Amador liegen darf.
Mit dem aktuellen Album "Tucson" begibt er sich wieder auf die Spuren des Arizonastils. Diese Hommage an seine Heimatstadt hat Howe Gelb als eine Art Country-Rock Oper insziniert. Und da bei Gelb alles gern ein bisschen größer ausfällt, ist nicht nur das Album mit 19 Tracks ziemlich lang, sondern reicht auch der Bandname Giant Sand nicht mehr aus. Jetzt heißt es Giant Giant Sand. Howe Gelb geht diese musikalische Inszenierung mit rootsrockiger Leichtigkeit an. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes in den besten Jahren, der in Tuscon lebt und sich all den Ängsten stellt, die sich in der Mitte des Lebens stellen. Ein Typ, der mit kindlicher Naivität Midlifecrisis und Born-Out umschifft, in dem er sich auf einen Roadtrip begibt, der allerhand andere Schwierigkeiten für ihn bereithält. Musikalisch umgesetzt hat er es auf genial einfach Art und Weise. Allen Songs, ob in Country-, Mariachi- oder Bar-Jazzstimmung überhaucht er mit etwas Staub, sprüht ein paar Spinnenweben in die Ecken oder wischt etwas Patina drüber. Schon hat man ein wunderbar romantikgetränktes Wüstenalbum, wie besonders in "Love comes over you" zu hören ist. "Lost Love" erinnert in seinem sparsamen Rhythmus an Johnny Cash, ähnlich auch "We don't play tonight". Und doch ist Gelb weit davon entfernt Stile zu kopieren, er prägt sie selbst. Dies allerdings wie immer so frei von kommerziellen Interessen, wie möglich. Fürs Berühmtsein hat er keine Zeit. Das überlässt er Calexico. Gelb macht lieber Musik.
© Karsten Rube


Rumi Projekt "Die Karawane der Liebe"
Eigenverlag, 2012

www.rumiprojekt.de

Maulana Rumi lebte als Dichter im Persien des 13. Jahrhunderts. Unter seinen Verehrern gilt er als einer der größten persischen Dichter. Ein Derwisch-Orden hat sich nach ihm benannt. Auf die Spuren der Dichtung Mevlana Rumi macht sich das Rumi-Projekt aus dem Ökodorf 7 Linden nahe Salzwedel. Dort hat sich der Rumiverehrer Dieter Halbach, der verschiedene Instrumente aus dem persischen Raum beherrscht zusammen mit einigen Gleichgesinnten ins gemeinsame spirituelle Erleben der Dichtung Rumis und der Musik des persisch-türkischen Raumes gewagt. Das Arabische gilt als eine der poetischten Sprachen. Die deutsche Sprache kann auch sehr poetisch sein. Leider wirkt die Umsetzung der Stücke ins Deutsche selten überzeugend. Zu sehr schwingt in der Sprache Halbachs der Eifer des spirituellen Propagandisten mit. Musikalisch wäre es ein durchaus überzeugendes Projekt, hätte er sich auf das Persische beschränkt. Vielleicht würden dann auch seine bescheidenen stimmlichen Möglichkeiten nicht so störend ins Gewicht fallen.
© Karsten Rube


Rachid Taha "Zoom"
Indigo/Naive, 2013

www.rachidtahaofficial.com

Der König des Rock'n Raï meldet sich mit einem furiosen Album zurück. "Zoom" heißt die aktuelle CD des algerischen Sängers Rachid Taha und sie knüpft an seine große Zeit als größter Rockmusiker des Magbreb an. Beinflusst vom Punk der Band "The Clash" hatte Taha in der Vergangenheit vor allem mit Coverversionen besonders großen Erfolg. Auch auf dem Album "Zoom" schlägt er mit einer Coverversion eine Brücke zwischen arabischer Musik und Popkultur. "Now or never" heißt ein Song, den sich Elvis Presley bereits Anfang der sechziger Jahre aus dem italienischen Volkslied "O sole Mio" extrahierte. Mit Oud und Gitarre wird bei Taha daraus ein arabischer Rock & Roll. Stilwanderungen erlebt man bei Taha immer wieder. Gelungen ist ihm das auf der CD besonders im Song "Galbi". Dies ist ein Lied, das nach trockener Wüste klingt, wobei nicht klar wird, ob es dabei der Wind der Sahara ist, den man zu hören glaubt oder der der Wüste in New Mexico. Die Gitarre klingt nach Western, die Stimmung ist jedoch arabisch. Ebenso hinreißend ruppig ist der folgende Song "Voila Voila". Bei Rachid Taha hat der Orient nicht die Romantik eines Märchens, sondern die Staubigkeit einer Landstraße. "Zoom" ist ein eigenwilliges Roadmovie gefüllt mit arabischen Zeitgeist.
© Karsten Rube


Jussi Reijonen "Un"
Teosto, 2012

English CD Review

www.jussireijonen.com

Hoch im Norden Finnlands, in Rovaniemi hat der Weihnachtsmann seine größte Poststelle. Man kann, wenn man vom Norden Finnlands redet, also Dinge erwarten, wie Sauna, Schnee, Pudelmützen und lange Winternächte. Jussi Reijonen ist dort geboren. Doch seine Entwicklung war recht unfinnisch, denn der Job seines Vaters brachte es mit sich, dass Jussi Reijonen in Gegenden aufwuchs, wie Jordanien, Oman, Tansania und in den USA. Früh mit der Leidenschaft der Musik infiziert, nahm er die kulturellen Eigenheiten der Länder, in denen er sich aufhielt, sehr bewusst wahr. In den USA schließlich traf er Künstler, die seinen musikalischen Werdegang mit Interesse betrachteten und ihn bestärkten, diese verschiedenen Strömungen, die Reijonen aufgenommen hatte, in eigene Kompositionen fließen zu lassen. "Nu" ist sein Debütalbum und es ist ein gelungenes Abbild des Werdegangs Reijonens. Er selbst spielt Gitarre, Piano und den Oud. Die Kompositionen verbinden arabische Klangbilder, Gesänge aus Lappland, asiatische Meditationsmusik mit freier Jazzimprovisation. Die Komposition "Naima" stammt von John Coltrane. Auf "Un" dauert es eine Weile, bis Ansätze des Liedes zu erkennen sind, denn Reijonen variiert hier nach Belieben. "Un" ist ein Album, das Zeit erfordert. Man braucht eine Weile, um den musikalischen Faden des Albums zu erkennen. Doch ist es raffiniert ersonnen und musikalisch brillant umgesetzt.
© Karsten Rube


Martin Steiner "Camino Al Mar"
Brambus Records, 2012

www.martin-steiner.com

Martin Steiner besingt den Zustand der Welt am Bild des Weges zum Meer. Alles, was fließt, will zum Meer. Das Meer als Metapher für die Vielfalt der menschlichen Gemütsregungen zu benutzen hieße, ein ungemein abwechslungsreiches Klangbild zu erzeugen. Was für eine schöne Idee. Schade das Martin Steiner es nicht umzusetzen vermag. Fast jedes Lied ist von angenehmen latinorientierten Gitarrenklängen durchzogen. Ueli von Allmen, der mit der Schweizer Band Tächa bereits für Aufmerksamkeit sorgte, spielt hier gewohnt virtuos auf der Gitarre und die zurückhaltende Umsetzung Steiners Songs mit Flöte und Percussion wird der Thematik gerecht. Auch die Melodieführung, die den Texten zugeordnet ist, funktioniert. Spärlich hingegen ist leider Steiners Gesang, der so überhaupt nicht mit der Musik harmoniert. Eine Stunde lamentiert er darüber, wie die Welt von Verrücktheiten und Ungerechtigkeit durchzogen ist, darüber, dass nur Stärke zählt und der Kleine immer die Zeche zahlt. An sich auch in Ordnung, würde er nicht permanent versuchen eine Stimme zu imitieren, die Charakter hat, die aber die ganze Zeit nur quetscht und quengelt. Eine Stunde lang röhrt und jammert er, bis man bei Titel 15 schließlich entnervt zur Fernbedienung greift, was nicht allein am Dialektgesang liegt. Der Zustand der Welt scheint ein wirklich beklagenswerter zu sein, wenn er tatsächlich so schmerzhaft wirkt, wie Steiners Lieder. Halt. Hier muss ich mich nochmal bewusst zugunsten der Musik äußern. Die ist und bleibt über das Album hinweg qualitativ hochwertig. Ein paar Franken hätte Steiner vielleicht doch für einen Sänger erübrigen sollen. In Aufmachung und musikalischer Gestaltung wirkt die CD "Camino Al Mar" von Martin Steiner, wie eine Einladung zum Tee. Der ist dann aber lauwarm und schmeckt nach Moralin.
© Karsten Rube


Mames Babegenush "Full Moons & Pay Days"
Laika, 2012

www.mames.dk

Mames Babegenush gehören zur neuen dänischen Klezmerwelle, die seit gut 10 Jahren den Ehrgeiz besitzt, die Klezmermusik im nördlichen Nachbarland zu reformieren. Die ohnehin sehr aktive dänische Folk- und Weltmusikszene erfuhr damit eine weitere attraktive Bereicherung. "Full Moons & Pay Days" ist der Versuch Klezmermusik, wie sie Mames Babgemush, die vom Hochzeitslied und von der Bar Mitzwa Begleitung kamen, einen weiteren Schritt in Richtung Tanzmusik für alle zu bringen. So mischen sich hier traditionelle jüdische Melodien mit Poparrangements. Mames Babgemush öffnen die Klezmermusik damit für ein weites Publikum, das mit jüdischer Musik bisher vielleicht nicht so viel anfangen konnte. "Full Moons & Pay Days"ist ein sehr gelungenes Crossover-Album.
© Karsten Rube



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