FolkWorld #51 07/2013
© Walkin' T:-)M

Die Waldeck

Die Waldeck

Icon Movie
DIE WALDECK
Dokumentarfilm
(DVD, 16:9, 2.0 Stereo)
Buch & Regie: Gabi Heleen Bollinger
Laufzeit: 120 Minuten

© 2013 GHBollinger, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck. Gefördert von der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, Saarland Medien GmbH, Kreis- sparkasse Rhein-Hunsrück, Ortsgemeinde Dommershausen, Verbandsgemeinde Kas- tellaun, Paritätisches Bildungswerk RLP-Saar.

www.die-waldeck-der-film.de

Folk on the Silver Screen: Die Burg Waldeck ist sichtbares Zeichen für die Geschichte der deutschen Jugendbewegung und der Wandervögel und mit ihnen auch der Ursprung der zeitgenössischen Folk- und Liedermacherbewegung in Deutschland, die dort vor fünfzig Jahren gleichsam ihren Urknall hatte. Gabi Heleen Bollinger hat sich im Hunsrück auf die Spurensuche begeben.

Die Burg Walddeck[32] ist eine einsam oberhalb des Baybachtals gelegene Burgruine. Die mittelalterliche Burg wurde Ende des 17. Jahrhunderts zerstört, ein später auf dem Gelände errichtetes Sommerschloss Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen.

Hannes wader, Burg Waldeck

Hannes Wader @ FolkWorld:
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myspace.com | youtube.com

www.hanneswader.de

1964 findet auf der große Wiese mit Panoramablick auf den Hunsrücker Schieferwald das erste Waldeck-Festival, Chanson Folklore International, statt, dem bis 1969 weitere Festivals folgen sollten. Man singt französische Chansons und amerikanische Folk- und Protest-Songs, internationale Folklore, jiddische Volkslieder und die Lieder der deutschen Demokraten aus der gescheiterten Revolution von 1848.

Die ersten Open-Air-Festivals in Deutschland, Gegenpol zum gängigen Schlager in Funk und Fernsehen, sind das Sprungbrett für Künstler wie Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader und Reinhard Mey.

Als Gabi Heleen Bollinger zarte 13 Jahre alt war, hörte sie zum ersten Mal von der Waldeck und war sofort fasziniert. 1973 trampte die Pfälzerin mit der Gitarre auf die Burg. 1975 gründete sie mit drei Mitmusikanten die Gruppe ESPE, in der sie deutsche und jiddische Lieder sang. Bis 1993 war das Quartett in ganz Europa unterwegs, sie kamen bis nach Israel.

Bollinger war anschließend als Autorin für Radio und TV tätig. Nach ihrem Filmporträt über die Waldeck-Festival-Veteranen Hein und Oss Kröher im Jahre 2008, "FALADO: Hein & Oss – Die Volkssänger",[37] ist sie nun auf die Burg Waldeck zurückgekommen, die Kamera im Gepäck, um den Mythos Waldeck zu beleuchten.

»Und weil mich das Lied immer bewegt hat, bin ich nach mehr als dreißig Jahren wieder in den Hunsrück gefahren. Meinen Erinnerungen hat es nicht geschadet. Auf der Festivalwiese lagert wieder Jugend, mir noch unbekannte Musikgruppen und viele neue Lieder sind mir begegnet.« (Gabi Heleen Bollinger)

Es hat sich scheinbar wenig geändert. Die bündische Jugend ist immer noch da, Pfadfindergruppen und insbesondere der Zugvogel-Fahrtenbund, Musikgruppen wie Tschaika und Schlagsaite haben die bunte Szene nochmals bereichert. Die Kamera fängt ein, wie zum wiederholten Male an einer Bühne gebaut wird. Ein Musikfestival an Pfingsten und der Peter-Rohland-Singewettstreit sind die zentralen musikalischen Ereignisse im Jahreskalender der Waldeck.

Schobert Schulz, Peter Rohland

Peter Rohland @ FolkWorld: FW#32

www.peter-rohland-stiftung.de

An die guten, alten Zeiten erinnern sich die Folksänger und Liedermacher Hein und Oss Kröher,[34] Hannes Wader,[48] die in Schwaben lebenden Colin Wilkie und Shirley Hart,[45] das deutsch-schwedische Folkduo Hai & Topsy und 'Der Black' Lothar Lechleiter.[48] Zu sehen und zu hören sind außerdem Reinhard Mey,[50] Franz-Josef Degenhardt,[47] Fasia Jansen,[35] Zupfgeigenhansel,[29] Peter Rohland,[32] Hedy West[46] und Phil Ochs.[41]

In Bollingers Filmporträt kommt auch die wechselhafte Geschichte der deutschen Jugendbewegung nicht zu kurz. 1922 wurde die Burgruine Mittelpunkt und Heimat des Nerother Wandervogels. Die Fahrtengruppen des Jungenbundes brachen von hier aus auf zu Reisen durch Europa, nach Afrika und Südamerika. Sie brachten Lieder aus aller Welt mit und entwickelten eine deutschlandweit einflussreiche Gesangskultur.

Vagabundentum und Freiheitsstreben standen aber im Gegensatz zu den autoritären Werten und Zielen des 3. Reiches. Die Bündische Jugend wurde von den Nationalsozialisten verboten und verfolgt, die Lieder der Wandervogelbewegung, soweit tauglich für HJ und BDM, wurden verklampft und totgeschrien - wie Franz Josef Degenhardt dann später auf der Waldeck sang (und Daniel Kahn kürzlich neu interpretiert hat).[50]


Sang auf Burg Waldeck

Tot sind unsre Lieder,
unsre alten Lieder.
Lehrer haben sie zerbissen,
Kurzbehoste sie verklampft,
braune Horden totgeschrien,
Stiefel in den Dreck gestampft.

Erst die Waldeck-Festivals brachten wieder eine lebendige Musikszene auf die Burg. 1967 kam es dann dazu - es war die Zeit der Ostermärsche und der Proteste gegen den Vietnamkrieg -, dass die Jugend- auf die Studentenbewegung trifft, "Horrido" auf die "Internationale". Es gab in der Folge zahlreiche Zwischenfälle, bei denen Kabel und Leitungen durchgeschnitten und Autoreifen zerstochen wurden, eine Holzbühne abbrannte und ein Bühnensockel in die Luft gesprengt wurde.

Als 1969 die Musik ins Hintertreffen gerät und die politische Debatte in den Vordergrund rückt - Stellt die Gitarren in die Ecke und diskutiert! -, war das Ende der Festival-Reihe gekommen. Das Erbe der Waldeck-Festivals bleibt jedoch bis zum heutigen Tag bestehen: das Jahrzehnte verschüttete deutsche Volkslied (demokratischen Charakters im Sinne von Wolfgang Steinitz)[32][33] war wiederentdeckt worden, es begann eine bis heute andauernde Wiederbelebung der jiddischen Vokal- und Instrumentalmusik, und das deutschsprachige politische Lied durfte sich einige Jahre großer medialer Aufmerksamkeit erfreuen.

Indem Gabi Bollingers zweistündiger Dokumentarfilm die Geschichte der Burg Waldeck in den letzten hundert Jahren erzählt, wird gleichsam ein Stück Zeitgeschichte lebendig. Trotz aller Romantik, die dem Thema innewohnt, wird nichts romantisch verklärt, sondern Taten, Meinungen und Erinnerungen werden kritisch hinterfragt und der Finger in offene Wunden gelegt. Man denke nur an die seit Jahrzehnten bestehenden Meinungsverschiedenheiten zwischen den verschiedenen Zweigen der bündischen Jugend ...

Und immer wieder heisst es:

»Lieder, Lieder, nichts als Lieder. Das ist die Waldeck ... Seit nahezu hundert Jahren ist die Waldeck Jugendbewegung und Protest, sie ist Mythos und Legende. Auf der Waldeck ist das Vaganteske zu Hause, auf der Waldeck klingt das Lied.« (Bollinger)



Photo Credits: (1) "Die Waldeck" (G.H. Bollinger); (2) Hannes Wader, (3) Peter Rohland, (4) Nerother Wandervogel, (Schneider "Die Waldeck - Lieder, Fahrten, Abenteuer - Die Geschichte der Burg Waldeck von 1911 bis heute"); (5) Tschaika, (6) Schlagsaite (websites).


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